Aus den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt dieser Witz: Helmut Kohl und Erich Honecker laufen um die Wette – welches politische System ist Sieger? Nach dem Wettlauf melden die westdeutschen Medien: „Helmut Kohl gewinnt mit großem Abstand“. Das „Neue Deutschland“, das Zentralorgan der damaligen SED und heutigen Linken titelt: „Hervorragender 2. Platz für Erich Honecker! Helmut Kohl wurde Vorletzter“.
Die Wahrheit sagen, und sich dabei doch an ihr vorbei schwindeln – das ist die Kunst der Manipulation. Warum habe ich mich daran erinnert gefühlt, als ich kürzlich von dem sonst durchaus geschätzten SPON folgenden Text lesen mußte:
„Islamgegner auf der Straße: Ausschreitungen nach Pegida-Märschen in Frankfurt und Hannover.“
Soweit der spannende Aufmacher. Und dann weiter:
„60 zu 1000: Das war das Zahlenverhältnis von Pegida-Anhängern und Gegendemonstranten in Frankfurt. Auch in Hannover waren die Islamgegner klar in der Unterzahl, in beiden Städten kam es zu Auseinandersetzungen. In Dresden trafen sich wieder 5000 Islamgegner zum „Abendspaziergang“.“
Die gewollte Botschaft verfälscht die Realität
Klar, diese bösen Pegidas, oder? Erst weit, weit unten wird der eigentliche Sachverhalt berichtet, und auch das Bild erhält dadurch eine neue Qualität:
„Rund 1000 Gegendemonstranten haben sich am Montagabend etwa 60 Islamkritikern in den Weg gestellt. Die Atmosphäre sei aufgeheizt gewesen, berichtete die Polizei. Beamte, die die Pegida-Anhänger zum Bahnhof begleiteten, seien mit Flaschen, Eiern und Farbbeuteln beworfen worden. Zwei Polizisten seien dabei leicht verletzt worden.“
Fakt ist also: 60 Hanseln waren eingekeilt vor der Mauer der Frankfurter Katharinenkirche und mussten von der Polizei mit Mannschaftsketten geschützt werden, um nicht buchstäblich von 1000 Gegnern zertrampelt zu werden. Auf diese eng gedrängt stehenden Menschen wurden Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen, und es hat die Polizisten in Ausübung ihres Dienstes, nämlich der Gewährleistung der Demonstrationsfreiheit, getroffen. Wer hat da wohl aufgeheizt? Wer genau war da gewalttätig – die Wenigen oder die Mehreren? Was nicht passt, wird passend gemacht, eine Schweigespirale beginnt sich zu drehen und das Unpassende zu verdrängen.
Aber das hätte nicht in den Spin von Spon gepaßt: Böse Pegida, gute Gegendemonstranten, die übrigens auch noch brüllten: „Hängt sie, hängt sie, hängt sie alle auf“. Ehrlich gesagt habe ich mich tief geschämt, diese Rufe auf einem Platz in Deutschland hören zu müssen. Mord oder auch nur Mordaufrufe an politisch Andersdenkenden, auch wenn ich deren Meinung nicht teile – das geht gar nicht. Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt? Zur Fairness gehört, dass ausgerechnet die linke Frankfurter Rundschau in diesem Sinne kommentiert hat und von Pogrom-Stimmung schrieb. Aber ansonsten habe ich davon keine Zeile gelesen. Wo endet die Wahrheit, wo beginnt die Manipulation? Was nicht paßt, wird passend gemacht, eine Schweigespirale beginnt sich zu drehen und das Unpassende zu verdrängen.
Dieses Beispiel ist übrigens nicht das krasseste und kein Einzelfall. Man muß heute bei bestimmten Anlässen lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, fast wie damals in der DDR: Wenn da steht „am Rande von Demonstrationen“ – dann war es der Schwarze Block brutaler und gewaltbereiter Schläger. Aber sie werden lieber nicht als solche benannt; selbst der Bundesjustizminister Heiko Maas demonstriert bei Veranstaltungen mit, bei denen der Schwarze Block zuschlägt.
Darüber wird lieber nicht berichtet. Warum ist das so?
Journalisten in Deutschland verstehen sich mehrheitlich als dem linken oder grünen Spektrum zugehörig, wie mehrere Studien beweisen. Weil sie sich als „Meinungslenker“ verstehen, während etwa angelsächsische Journalisten sich als „Nachrichtengeber“ sehen. Darin ähnelten unmittelbar nach der Wende westdeutsche den stalinistisch ausgebildeten ostdeutschen Kollegen, wie die Meinungsforscherin Renate Köcher empirisch belegt hat. Dies ist vermutlich eine lange Tradition, die in der lange autoritären Struktur Deutschlands begründet liegt und in der Journalisten gezwungen waren, unkritisch vorgegebene Meinungen zu transportieren. Im Ergebnis wird versucht, die Sichtweise des rot-grünen Milieus medial durchzusetzen, habe ich dies in 7 Punkten zusammengfaßt. Dazu auch: der Originalbeitrag.
Dummerweise merken das die Menschen
Menschen registrieren diese Tendenzen und reagieren mit Abwendung, weil sie sich zu Unrecht angegriffen fühlen und sich darüber austauschen können. Dabei entdecken sie, dass das keine Einzelfälle sind. Schlimmer noch: Jeder negative Einzelfall manipulativer Verfälschung wiegt mehr als 10 Beispiele für guten, fairen Journalismus; so ungerecht ist das Leben. Mittlerweile lachen die Menschen sogar über Medien und ihre Berichte – das ist schlimmer, als schimpfen. Lächerlichkeit tötet. Der Glaubwürdigkeitsverlust durch diese vielen Manipulationen trifft auch jene Kollegen, die ihren Job ernsthaft und präzise erledigen – übrigens nach wie vor die Mehrheit der Journalisten. Aber die Kraft zur Selbstreinigung ist längst nicht mehr vorhanden. Lieber schließt man den Kreis gegen Kritik. Auch wenn es längst unmöglich geworden ist. Darauf weißt in Horizont Roland Pimpl hin: Da kritisieren Medien die BILD-Zeitungskampagne gegen die Griechenland-Milliarden als „Volksverhetzung“, so der Tagesspiegel, und sogar der Deutsche Journalistenverband bezieht dagegen Stellung. Pimpl dazu: „Der DJV etwa fordert „Bild“ auf, die laufende Aktion „sofort“ zu stoppen. Eine Kampagne, die direkten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wolle, verbiete sich mit der beschreibenden Aufgabe des Journalismus, so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Die Selfie-Aktion überschreite die Grenze zur politischen Kampagne. Da reibt man sich verwundert die Augen. Gibt es nicht unzählige Medienkampagnen, die jene nun so empörten „Bild“-Kritiker tolerieren, sogar ausdrücklich gutheißen? Wenn nur das Thema, die Meinung dahinter, stimmt?“
Was dabei nur leider häufig übersehen wird: Die Leser sind kritischer geworden. Das Internet mit seiner Vernetzung und Kontrollmöglichkeit führt dazu, dass sich vereinzelte Leser zur einer kritischen Masse verbünden. Es gibt eine Gegenöffentlichkeit. Das mögen Journalisten nicht so gerne hören – aber sie sind nicht mehr über Kritik erhaben, sondern deren Gegenstand. Die Redaktionen sind keine feste Trutzburg mehr, sondern ein offenes Haus. Das ist oft ungemütlich.
Zeitungen und Zeitschriften stecken in einer tiefen Krise, seit Auflagen und Anzeigenerlöse wegbrechen. Zu dieser wirtschaftlichen Krise tritt nun diese eine neue dazu: der Verlust an Glaubwürdigkeit. „Lügenpresse“ skandieren Demonstranten und weigern sich, mit Journalisten zu reden – während noch vor Kurzem jeder vor die Kameras drängte, um den Daheimgebliebenen zu winken.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein