Haben „Rechte“ die Bauern-Demos gekapert? Droht Gewalt?

Es gibt „gute Demos“, die für die Regierung oder den von ihr vertretenen Weltgeist eintreten. Die sollte man unterstützen und da darf es schon mal krachen. Und es gibt kritische, also „rechte“ Demos, da muss die Staatsfaust her. Über Demonstrationen und Propaganda.

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Bauern protestieren vorm Brandenburger Tor, Berlin, 18.12.2023

Die deutschen Medien sind auf der Jagd nach einem Bild. Ein Plakat, das einen „Galgen“ zeigt. Finden sich solche Bilder, käme es gar zu Rangeleien zwischen einem unbotmäßigen Treckerfahrer und der Polizei, dann ist bewiesen, wonach die regierungstreuen Medien dürsten: Die „Traktor-RAF“ ist enttarnt, wie ein SWR-Journalist ahnungsvoll dräut: „Die Traktor-RAF, angestachelt von Springer über CDU bis AfD. Sowas kommt von sowas. Als ob Ampeln an Galgen nur symbolisch gemeint waren.“

Wie man ordentlich demonstriert

Der Bauernverband und andere Demo-Teilnehmer verteilen Flugblätter für korrektes Verhalten: Anweisungen der Polizei ist Folge zu leisten, Geschwindigkeitsbeschränkungen sind zu vermeiden, Teilnahme nur im polizeilich umgrenzten Konvoi und nur bei pünktlichem Erscheinen am gekennzeichneten Startpunkt. Sie bestätigen eindrucksvoll den Spruch, der Lenin zugeschrieben wird: „Bei Revolutionen lösen die Deutschen erst eine Bahnsteigkarte.“

Heute allerdings ist das Betreten des Bahnsteigs jedermann erlaubt, und eine Revolution, die sich auf die Bahn stützt, käme ohnehin nie ans Ziel. Die Bundesinnenministerin warnt vor Gewalt und lobt schon mal vorab die Polizei: „Das hat mit legitimem demokratischem Protest und harter politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun. Immer mehr verbale Aufrüstung und Hass führt zu solchen Grenzüberschreitungen. Danke an die Polizei für das Einschreiten!“

Sind die Bauern-Demos rechts?

Nichts ist leichter heute, als sich dieses Etikett einzuhandeln. Es steht längst nicht mehr für konkrete politische Forderungen oder Einstellungen, so legitim „Rechts“ wie „Links“ ist. Rechts ist keine inhaltliche Position mehr, sondern alles, was nach einer massiven Belehrung mit der Moralkeule verlangt. Insofern sind ziemlich viele Rechte heute unterwegs, die nicht unbedingt einsehen wollen, dass es ganz okay ist, wenn sie für den Klimawandel noch höhere Steuern zahlen, ehe sie ganz enteignet werden.

Nicht die Einstellungen sind „rechter“ geworden – es werden einfach immer mehr Lebensäußerungen als nazi beschimpft. Bekanntlich ist neuerdings schon „rechts“, wer einen Pullover strickt, oder Fleischersatzprodukt statt „vegan“ sagt. Sind die Bauern jetzt alle rechtsradikal, dazu die streikenden Speditionen, die mitdemonstrierenden Handwerker, die unterstützenden Jäger? – Tankstellen, die schließen? Restaurants, die Würstchen abgeben? Autofahrer im Stau, die die Sache der Bauern trotz Verspätung richtig finden?

Rechts ist keine politische Haltung mehr, sondern ein Lebensstil, der Fragen stellt nach der Sinnhaftigkeit von Wärmepumpen, Essvorschriften, Klimaregularien und von Masken, Migration und Windrädern an windarmen Standorten. Rechts ist, wer nur zwei Geschlechter kennt, seine Kinder vor Umpolung schützen will und findet, dass „Gehwegbenutzende“ für eine unsinnige Verhunzung der Sprache steht und nicht dazu beiträgt, dass Frauen sichtbarer werden.

Das Problem der Ampel ist nur: Je umfassender ihr Transformationsprogramm in Richtung Schrumpfgesellschaft bei den Betroffenen ankommt, je mehr Verlierer ihre Politik erzeugt, umso schneller wächst die Zahl der unbelehrbaren „Rechten“.

Demonstration ist nicht gleich Demonstration

An Demonstrationen werden ja sehr unterschiedliche Forderungen angelegt: Zerstörung von Flugzeugen, Gefährdung des Flugbetriebs, Beschmieren von Gemälden und Wänden, Denkmalen und Häusern – wie putzig, wenn so das Weltklima kälter gedreht wird. Eine Ladung Mist vor das Parteilokal der Grünen gekippt, ist dagegen schon Hochverrat. Gewalt gegen Politiker, die „rechts“ sind, gilt als Kavaliersdelikt. Ein „achtenswertes Motiv“ erkannte ein Richter bei der Freilassung von Lina E., die mit ihren Mittätern harmlosen Menschen mit dem Hammer Gelenke und Kopf zertrümmert und eine Schwangere mit Säure übergossen hat.

Der rotgrüne Weltgeist spricht solche Angeklagte frei und fordert: „Gebt dem Bullen was er braucht, 9mm in den Bauch“. Es kommt eben darauf an, wofür demonstriert wird.

Jahrzehntelang waren Demonstrationen „links“ und Merkmal einer rot-grünen Protestkultur. 

Der damalige Vizekanzler und Außenminister der Bundesrepublik, Joschka Fischer, musste in einem Terroristenprozess über einen ehemaligen Mitkämpfer aus früheren wilden Tagen aussagen. Nach den Ermittlungen der Polizei soll die für einen Mord benutzte Tatwaffe 1973 in einem Auto transportiert worden sein, das Joschka Fischer seinem „guten Bekannten“ Klein überlassen haben will. Fischer sagte aus, Klein habe ihm in seinen VW-Variant einen neuen Motor einbauen sollen, sei aber nicht zur vereinbarten Zeit zurückgekommen. Erst später habe er erfahren, dass mit dem Fahrzeug Waffen, die aus einer amerikanischen Kaserne gestohlen worden waren, transportiert worden seien.

Mit so einer Aussage konnte er Minister bleiben. 1987 feuerte ein Demonstrant während einer Demonstration gegen die Startbahn-West in Frankfurt 14 Schüsse mit einer Pistole auf Polizisten. Ein 43-jähriger und ein 23-jähriger Polizeibeamter starben, sieben weitere wurden durch die Schüsse teilweise schwer verletzt. Zur Fairness gehört: Darüber waren die Organisatoren einschließlich Joschka Fischer zutiefst entsetzt, der Protest brach in sich zusammen, die Startbahn wurde gebaut.

Beim Schottern und Schießen sozialisiert

„Schottern“ ging als neues Verb in den Sprachgebrauch ein. Es ist das Untergraben von Bahngeleisen, um ein Entgleisen von Zügen herbeizuführen. „Der Begriff geht zurück auf die Anti-Atomkraft-Bewegung, in der diese Sabotage-Technik eingesetzt wird, um Atommülltransporte per Bahn zu erschweren“, sagt das sonst so linksverständige Wikipedia. Mörderische Stahlkugeln aus Katapulten auf Polizisten und Feuerwerksraketen, um Polizeihubschrauber vom Himmel über Gorleben zu holen, das waren Protestformen, mit denen die vorletzte Generation der Grünen sozialisiert wurde.

Der Kabarettist Vince Ebert erinnert daran: 

„Die Protestkultur der Friedens- und Anti-Atomkraftbewegung war schon immer Teil der grünen DNA. Und sie war niemals nur friedlich. Hunderte von verletzten Polizisten, sogar Tote, bei Großdemos in Wackersdorf, Brokdorf oder der Startbahn West. Ähnliches galt für die G8-Demo in Frankfurt oder die Proteste in Lützerath. Und trotz dieser vielen Gewalt-Eskalationen wären die Grünen niemals auf die Idee gekommen, die Art und Weise ihrer Protestkultur in Frage zu stellen. Über die letzten 40 Jahre nahm man Opfer (auf beiden Seiten) billigend in Kauf. Weil es ja einer guten Sache diente und ‚gegen die da oben‘ ging. Jetzt sitzen die Grünen selbst ‚dort oben‘. Und können es nicht fassen, dass es nun eine Protestkultur gibt, die sich gegen ihre Politik richtet.“

Die Corona-Wende

Protest war links und Grüne gegen den Staat gerichtet. In Berlin wurden Auseinandersetzungen am 1. Mai zur Lokalfolklore. Die Zahlen verletzter Polizisten wurden als Trophäen gefeiert. Das änderte sich erst mit den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Plötzlich waren es normale Bürger jeden Alters, die im Strahl der Wasserwerfer froren, und Rentner, die den Knüppel einer Polizei spürten, die gegen die Antifa längst den Helm einziehen muss und wohl ihren Frust herausprügelte. Mühsam mussten die enormen Zahlen der Teilnehmer klein gerechnet werden. Nun ist der Umgang mit einem Virus eigentlich mit links oder rechts nicht zu bemessen, Viren kennen keine Haltung. Aber rechts ist, wer die Weisheit der Obrigkeit und ihrer Maßnahmen in Frage stellt, seit das linksgrüne Lager regiert, und sei es nur medial.

Seither müssen sich Maskengegner unabhängig vom Parteibuch, das sie in der Tasche tragen, gegen den Vorwurf „rechts“ wehren. Seither geht die Angst vor einem angeblichen Putsch um. Zum „Sturm auf den Reichstag“ wurde hochgejazzt, dass einige jubelnde Protestierer einschließlich einiger Reichsbürger, kurdischer und türkischer Demonstranten und ahnungsloser Maßnahmen-Gegner die Reichstagstreppe hochliefen. Michael Ballweg, einer der Organisatoren, behauptet nach seiner Haftentlassung steif und fest, die Polizei habe bewusst die Demonstranten in Richtung Reichstagstreppe gelenkt, auf der nur drei Polizisten die Panzerglastür bewachten. Demonstrationen, so viel ist klar, werden politisch instrumentalisiert und nach Bedarf von der Gegenseite denunziert. 

Die Wähler haben es mal wieder nicht kapiert

Gut, dass es danach wieder staatstreue Unruhen gab, die die Regierung zur Beschleunigung ihres Kurses ermahnten. „Nobel“ nannte daher Robert Habeck die Sitzblockaden der Letzten Generation, wozu auch das Beschmieren und Zerstören von Denkmalen, Hausfassaden und Kunstwerken gehören. Zerstörte Flugzeuge sind Kollateralschäden bei der Rettung der Welt. Die Blockade von Krankentransporten und Rettungsfahrzeugen wird dabei billigend in Kauf genommen – und jetzt den Traktoren-Kolonnen vorgehalten. Doch diesmal erhalten die „rechten“ Demonstranten auch Unterstützung von etablierten Politikern. Die #Bauern unterstützen!“, fordert Huber Aiwanger, immerhin stellvertretender Ministerpräsident in Bayern.

— Hubert Aiwanger (@HubertAiwanger) January 7, 2024

Erstaunlich, wie staatstragend sich die Co-Vorsitzende der Grünen Ricarda Lang gibt. Die allerjüngste Generation der mit fetten staatlichen Ämtern gesegneten Partei fürchtet um das Ansehen von Parlament und Regierung. „Wir erleben einen massiven Vertrauensverlust in demokratische Institutionen“, sagte Lang einem braven Berliner Mediendienst namens Table. „Und es wird alles andere als einfach, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.“ Dafür gebe es mehr als nur einen Grund. Aber wenn man auf die Ampel blicke, dann gebe es schon vieles zu verbessern. „Zum Beispiel, dass man gemeinsame Kompromisse auch gemeinsam erklärt und begründet. Dass man sie gemeinsam durchzieht und gemeinsam verteidigt.“

Hinter Langs gesetzten Worten verbirgt sich allerdings ein altes Missverständnis: Die Wähler und Bürger hätten eben nur nicht verstanden, was die Regierung alles so wohlmeinend für sie unternimmt. Es ist das alte Erkärmuster autokratischer Regime: Die Menschen verstehen oder wollen nicht verstehen, dass sie besser beim Regierungswollen mitmachen sollten. „Die Menschen mitnehmen“ ist die zeitübliche Formel dafür.

Dass „Mitnehmen“ angesichts der Polizeipräsenz und der Erfahrung von Corona-Gefangenen eine eigene Bedeutung hat, entgeht den patriarchal-autoritären Rednern aus den früheren feministisch-emanzipativen Bewegungen.

Wir werden zählen, wie viele Trecker-Fahrer mitsamt ihren Fahrzeugen „mitgenommen“ werden.

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