Erbschaftssteuer oder Arbeitsplätze?

„Hier kocht der Chef persönlich.“ Das war war früher das Qualitätsversprechen von Dorfgasthäusern.

Im Bundesfinanzministerium kocht auch noch der Chef persönlich, wenn er nicht gerade beim Griechen abserviert. Und kalt abserviert hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble letzte Woche auch die Sous-Chefs in seinem Ministerium in Sachen Erbschaftssteuerreform für Unternehmen. Das zeigt mehrerlei – so ganz im Griff hat Wolfgang Schäuble seinen Laden nicht mehr – die Belastungen der Griechenlandkrise führen dazu, dass er kleinere Themen schleifen lassen (muss): Das auf Staatssekretärsebene entwickelte Besteuerungsvorhaben entspricht nicht den Vorstellungen der CDU – kein Wunder, Staatssekretär Werner Gatzer ist SPD-Mitglied und seine Karriere erreichte unter Peer Steinbrück ihren vorläufigen Höhepunkt. Schäuble hat also den SPD-Entwruf erstmal kassiert und diskutiert jetzt mit Famillienunternehmern, DIHK und anderen eine neue Lösung.




Das Bundesverfassungsgericht hat diese Reform bestellt und will, dass ab 2016  auch die Betriebsvermögen von Unternehmen verschärft zur Erbschaftssteuer herangezogen werden. Bislang ist das für den Betrieb notwendige Vermögen gegenüber dem reinen Privatvermögen gegenüber privilegiert – weil so Arbeitsplätze erhalten bleiben sollen. Das ist auch die Bedingung für die Sonderreglung – kein Arbeitsplatzabbau in 5 oder 7 Jahren. Schäuble wollte einen „minimal-invasiven Eingriff“.  Einen Gesetzentwurf dazu haben die Beamten vorgelegt, der aber eine massive Operation am herzen der Wirtschaft darstellen würde – aber Schäuble will, dass er in allen kritischen Punkten neu gewürzt und abgeschmeckt wird. Dabei geht es nicht so sehr um Geld: Die Erbschaftssteuer macht nur ein Prozent am gesamten Steueraufkommen aus. Und trotzdem ist es für Arbeitsplätze und Wirtschaftsstruktur entscheidend, was hier passiert.

Aktiengesellschaften überleben – Kleine sterben

Statt im Frühjahr soll er frühestens im Herbst auf den Kabinettstisch kommen – möglichst entschärft. Denn das Problem ist nicht ohne: Aktiengesellschaften ist es völlig wurscht, wie ihre Besitzer, die Aktionäre, besteuert werden. Bei Familienunternehmern geht es um die Existenz: Im Erbfall und bei Kindern und Ehepartnern, die die Begünstigten wären,  sind ohne Ausnahmeregelung 30 Prozent Steuer fällig; bei entfernteren Verwandtschaftsgraden bis zu 70%. Das würde dazu führen, dass in den nächsten Jahren tausende Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden könnten. Viele Unternehmenserben müssten einfach aufgeben und verkaufen.

Denn ein Drittel Steuern auf Hallen, Lieferautos, Maschinen, Patente und was sonst noch alles ein Unternehmen ausmacht – so viel Bargeld hat kein Unternehmen flüssig in der Kasse. Es ist eine Substanzsteuer – sie kann nicht aus dem gewinn bezahlt werden, sondern geht auf die Knochen.

Selbst wenn dann die Erben nicht notgedrungen an Banken, Heuschrecken-Fonds oder große Konkurrenten verkaufen und doch irgendwie weitermachen, müssten sie Kredite für die Finanzamtsschulden aufnehmen. Ihre Substanz wäre geschwächt, Investitionen über Jahre unmöglich. Nun kann einem das auf den ersten Blick auch gleichgültig sein. Allerdings würde sich die Wirtschaftsstruktur dramatisch ändern: Deutschland ist geprägt von kleinen bis riesengroßen Familienunternehmen, die meist regional gebunden sind. Die in frage stehenden Unternehmen – die ganz kleinen ausgenommen – stehen für rund 38 Prozent der Beschäftigten in deutschen Familienunternehmen und 58 Prozent ihrer Umsätze; das entspricht 7,6 Millionen Arbeitnehmern. Das entscheidende ist die Grenze, ab der zukünftig geprüft werden soll, ob es zum Erhalt der Unternehmen eine „Bedürfnisprüfung“ gibt. Die SPD-Truppe im Finanzministerium setzte diese Grenze vergleichsweise niedrig an, nämlich bei einem Betriebsvermögen von 20 Millionen Euro. Klingt viel. Aber nach dem erbschaftssteuerlichen Bewertungsverfahren reicht schon ein Jahresgewinn von 1,1 Mio. € bei 20 Millionen, so dass auch größere und leistungsfähige Handwerksbetriebe erfasst wären.

Noch einmal: Es geht nicht um das Privatvermögen – sondern um das Betriebsvermögen. Es kann aber nicht verkauft werden, um die Steuern zu bezahlen, denn es ist „betriebsnotwendig“. Muss es verkauft werden, gehen vermutlich die Unternehmen zugrunde oder werden vorher noch schnell verscherbelt.

Kein Wunder, dass die Linke Blut geleckt hat. „Es ist eine Mär, dass pauschale Steuerbefreiungen großer Unternehmensvermögen nötig sind, um Arbeitsplätze zu erhalten“, weiß etwa Lisa Paus, die Steuerexpertin der Grünen. Und der grüne NRW-Landeschef Sven Lehman sagt: „Es ist keine Leistung, Erbe zu sein“. Deshalb sollten Vermögende zur Finanzierung wichtiger Zukunftsaufgaben herangezogen werden. Vermutlich hat er dabei die üblichen grünen Spielwiesen wie zusätzliche Gender-Lehrstühle für grüne Parteifreunde im Kopf. Auch Verdi-Chef Bsirske redet davon, dass sich da manche um „Erbschaftssteuer drücken“ – klar, der Öffentliche Dienst kennt keine Wirtschaft.

Brauchen wir die großen Familienunternehmen?

Dagegen rechnet die „Stiftung Familienunternehmen“ vor: Die großen Familienunternehmen wie Schrauben-Würth, Kolben-Mahle und Persil-Henkel haben zwischen 2006 und 2012 gut elf Prozent neue Arbeitsplätze geschaffen und das meist in Deutschland, während die großen Konzerne ihre Belegschaften in diesem Zeitraum um sieben Prozent abbauten. Und sie schaffen die Arbeitsplätze in Drei Viertel der Fälle in Deutschland, während die Aktiengesellschaften nur jeden 3. Arbeitsplatz hier schaffen – ansonsten eben gerne global.

Schäuble steht vor einer schwierigen Entscheidung: Höhere Steuern sind die Droge jedes Finanzministers – aber gleichzeitig riskiert er, dass er niemanden mehr findet, der überhaupt noch Steuern zahlen kann. Und auch die Bewertung der Unternehmen haben Schäubles Beamte in ihrem Entwurf künstlich in die Höhe getrieben – und damit die Steuerlast.

Ausnahmen soll es zukünftig nur noch nach dieser „Bedürfnisprüfung“ für Unternehmen geben. Davor fürchten sich viele Unternehmen – dass sie endgültig durch einen Nacktscanner des Finanzamts gejagt werden und sogar noch das Gemälde vom Firmengründer zur Bezahlung der Erbschaftssteuer hergeben müssen. Hier setzt auch die Kritik an – wie wird das notwendige Betriebsvermögen ermittelt? Wollte das Bundesverfassungsgericht wirklich eine so enge Auslegung oder wird deren Urteilsspruch jetzt vom Finanzministerium für andere Zwecke genutzt?

Wie gerecht ist eine Erbschaftsbesteuerung?

Gerecht ist die Erbschaftssteuer ohnehin nicht, weder für Unternehmen noch für das ersparte Arbeiterhäuschen – schließlich wurde es von dem bezahlt, das vorher schon zig mal besteuert wurde.

Und warum soll bestraft werden, wer wirtschaftet, statt das Geld zu verprassen? Wird bestraft, wer verzichtet? Das ist eine sehr grundsätzliche Frage. Es ist auch eine gesellschaftspolitische: wird belohnt oder steuerlich bestraft, wer investiert? Will man Unternehmen, die sich über Generationen entwickeln – oder will man über die Erbschaftssteuer an sie ran, ihnen die Existenz entziehen und damit die Wirtschaftsform durch die Hintertür ändern? Es fällt auf, dass öffentlich in den Medien die Gefechtslage klar scheint: Enterbt sie alle. Allerdings kommt es auch zu Gegenreaktion, wie weiter unten zu lesen ist – das musste DIE ZEIT bitter erfahren.

Aber nun will ja Schäuble das neue Menü selbst kochen. Dazu muss er sich auch mit den großen Bundesländern auf die neue Geschmacksrichtung einigen, denn den Ländern steht die Erbschaftssteuer zu.

Ab Mai wird verhandelt. Ganz kleine Unternehmen mit bis zu 7 Beschäftigten sollen pauschal ausgenommen bleiben. Dann zeigt sich endgültig, wer Koch und Kellner ist in der Großen Koalition: Für die Union geht es um das Tafelsilber: Steht sie noch zu einer halbwegs unternehmerischen Ordnung oder folgt sie den Enteignern?




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