Urteil des EuGH: NGOs kegeln in Europa neue Gentechnik ins Aus

Europa hat sich für den Rückschritt entschieden. Eine neue revolutionäre Technologie hat wieder keine Chance in Europa. Sie wird jetzt in anderen Teilen der Welt weiterentwickelt und eingesetzt. In Europa dagegen findet Biotechnologie praktisch kaum noch statt.

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Der Europäische Gerichtshof EuGH hat heute entschieden: Moderne Methoden wie die »Genschere« CRISPR/Cas9 fallen unter das EU-Gentechnikrecht. Danach sind Pflanzen, die mit der CRISPR/Cas-Technologie erzeugt werden, als gentechnisch veränderte Organismen zu betrachten. Sie unterliegen damit dem strengen EU-Zulassungs- und Kennzeichnungsrecht.

Wissenschaft bitte woanders umsetzen

Das bedeutet in der Praxis: Eine herausragend neue Methode, die zudem noch teilweise in Deutschland entwickelt wurde, kann man in Europa vergessen.

Mit der »Genschere« CRISPR/Cas9 können Gene so genau und gezielt verändert werden, wie das bisher nicht möglich war. CRISPR/Cas ist eine Abkürzung aus Anfangsbuchstaben für »Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats« und »CRISPR-assoziierte«-Proteine und bezeichnet eine neue revolutionäre Technologie. Mit dieser neuen molekularbiologischen Methode kann man das Erbsubstanz-Molekül DNA gezielt aufschneiden und verändern. Etwa so, wie wenn man einen Text mit einem Schreibprogramm editiert, indem man bestimmte Sätze oder Abschnitte an andere Stellen kopiert. Es werden keine Gene von anderen Organismen von außerhalb eingeführt und eingebaut. Genau das ist entscheidend: Auch Mutation verändert Gene, ohne neue Erbelemente von außen zuzuführen.

Vorbild ist die Natur, sind Bakterien. Die müssen sich der Angriffe von Viren erwehren. Dazu dient ihnen ein System bestimmter sich wiederholender kurzer DNA-Abschnitte, der sogenannten CRISPR-Sequenzen. Die wurden bereits 1987 im Bakterienstamm Escherichia coli entdeckt. Jetzt zerschneiden Bakterien mit einem kleinen Molekül die DNA eingedrungener Viren, isolieren sie und sind so immun gegen ihre Feinde. Wie diese raffinierten Vorgänge im Detail ablaufen, ist noch unbekannt. Entscheidend, dass mit diesem Mechanismus die DNA-Sequenz präzise aufgeschnitten und wieder zusammengefügt werden kann.

Nobelpreisverdächtiges aus Berlin – verboten

Diesen vor fast 30 Jahren entzifferten Ablauf betrachteten sich vor ein paar Jahren zwei geniale Wissenschaftlerinnen, Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna noch einmal genauer. Dabei kamen sie auf die Idee zu einem molekularen Genom-Editing-System. Bekannt wurde das universale Werkzeug unter dem Namen CRISPR/Cas; es funktioniert nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei Tieren und menschlichen Zellen. Eine molekularbiologische Revolution, die nobelpreisverdächtig ist und mit der so einfach und genau einzelne DNA-Bausteine umgeschrieben werden können, wie das bisher nicht möglich war. Charpentier und Doudna wurden mittler-weile zu Weltstars der Wissenschaft. Charpentier ist heute Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und Leiterin der »Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene« in Berlin.

Die »Genome Editing«-Methode funktioniert, ohne dass ein Teil eines Genoms aus einem anderen Organismus eingebaut wird, also kein Transgen benutzt wird. Denn das gilt unter Gentechnikgeg-nern bekanntlich als das Böse schlechthin.

Eine Eigenschaft der neuen Methode ist wichtig: Es ist in der Pflanze später nicht nachweisbar, ob das Erbgut mit der Genschere verändert wurde oder nicht. Das Ergebnis ist das gleiche wie bei einer zufälligen Mutation. Einer Sojabohne also kann man nicht wie bei bisherigen gentechnischen Veränderungen mehr nachweisen, wie sie gezüchtet wurde. Die praktischen Konsequenzen dieser Eigenart sind bisher nicht überschaubar. Von daher dürfte die Entscheidung des EuGH auch ziemlich gleichgültig sein.

Die Methode funktioniert sowohl bei Mensch und Tier sowie bei Pflanzen. Daher erhoffen sich auch Forscher in der Medizin bessere und schnellere Fortschritte bei neuen Heilmethoden.

Die Natur macht auch nichts anderes bei der Mutation, wenn der DNA Doppelstrang aufgebrochen und wieder neu zufällig kombiniert wird. Daraus schöpften Pflanzenzüchter in Europa die Hoffnung, dass mit der CRISPR/Cas Technologie hergestellte Pflanzen nicht als gentechnisch veränderte Pflanzen eingestuft werden. Denn die sind insbesondere in der EU sehr streng reguliert.

Hoffnung ohne EU

Heute also beschloss der Europäische Gerichtshof, dass auch mit Hilfe dieser modernen Genome Editing-Methoden erzeugte Organismen gentechnisch veränderte Organismen (GVO) im Sinne der GVO-Richtline seien, da durch die Verfahren eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung des Erbguts vorgenommen werde. Folglich würden diese Organismen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der GVO-Richtline fallen.

Geklagt hatten französische Bauernverbände, verschiedene Gentechnikgegner und Naturschutzorganisationen. Sie sehen diese Pflanzen als menschengemachte Kreationen an, von denen erhebliche Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier ausgehen würden. Die nächsten Klagen erheben solche NGOs dann wohl gegen die Natur, die dasselbe nur in viel größerem Umfange und mit viel unübersichtlicheren Folgen macht, wenn sie mit dem Erbmaterial Russisch Roulette spielt.

Der deutsche Pflanzenschutz- und Saatguthersteller Bayer, der gerade den Saatgutriesen Monsanto gekauft hat, sieht den heutigen Entscheid des Europäischen Gerichtshofs als verpasste Chancen für landwirtschaftliche Innovationen in der EU: »Nach dem heutigen Entscheid sind durch Mutagenese gewonnene Organismen genetisch veränderte Organismen (GVO) und unterliegen grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen. Dies geht mit hohen Kosten und politischer Unsicherheit bezüglich etwaiger Marktfreigaben einher.«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach kann Europa nun nicht vom Potenzial dieser innovativen Methoden profitieren und wird sich mit erheblichen negativen Konsequenzen für Umwelt und Wirtschaft konfrontiert sehen. Während anderswo diese Innovationen ohne unnötige Überregulierung genutzt werden, haben die Landwirte und Züchter in Europa wieder einmal das Nachsehen.«

»Das Genom-Editing hat enormes Potenzial: Mit diesen Methoden kann die Entwicklungszeit neuer Pflanzensorten auf weniger als die Hälfte der heutigen Dauer von bis zu 15 Jahren deutlich verkürzen werden. So können sich Pflanzenzüchter und Landwirte besser an die sich schnell ändernden klimatischen, ökologischen und sozioökonomischen Bedingungen anpassen. So kann beispielsweise die Trockenheitstoleranz von Pflanzen verbessert werden, so dass neue Sorten in immer trockeneren Regionen schneller angebaut werden können, was für Kleinbauern in Afrika, Asien und Amerika von großem Nutzen ist – bei gleichzeitiger Wahrung der Vielfalt und Aus-wahl für die europäischen Verbraucher.«

Der Verband der deutschen chemischen Industrie VCI, dem unter anderem Unternehmen wie Bayer, BASF und Merck angehören, bezeichnet das Urteil als rückwärtsgewandt und fortschrittsfeindlich. Es beschädige die Fähigkeit der europäischen Biotechnologie, Innovationen zu entwickeln und sperre sie von der Entwicklung in der übrigen Welt aus.

Die USA sind schon weiter

Experten des US Landwirtschaftsministeriums dagegen haben bereits erste Pflanzen als nicht gentechnisch verändert eingestuft. Das bedeutet, sie müssen nicht reguliert werden. Dort kommen in diesem Jahr auch erste Sojabohnen auf dem Markt, die zuerst gezüchtet sind. Wird kein artfremdes Genmaterial eingeschleust dürfen diese Sorten in den USA ohne weitere Auflagen angebaut und als Lebens und Futtermittel verwendet werden.

Sicher dürfte sein, dass diese Methode unabhängig von europäischen Salon-Diskussionen ihren Siegeszug antreten wird. Zu gravierend sind ihre Vorteile, zu faszinierend die neuen Horizonte, die sich auftun, als dass sie sang- und klanglos im Keller verschwinden, bloß weil einige meinen, damit Gott ins Handwerk zu pfuschen. Dabei haben sie bloß nicht verstanden, was geschieht.

Und es plappern immer mehr Leute mit, für die ein Allel ein Babybrei ist, homozygot ein Begriff aus dem Rotlichtviertel und eine Veränderung des Erbmaterials Eingriff in Frankensteins Schreckensschloss. Das wäre nicht weiter schlimm, würden sie sich nicht anmaßen, eine neue Technologie mit viel Potential als Teufelswerk abzutun und über juristische Umwege den Fortschritt abzuwürgen versuchen. Und es ist nur ein Zufall, dass just an diesem Tag zwischen der EU und den USA der Handelsstreit beigelegt wurde um den Preis, mehr US-Sojabohnen nach Europa zu liefern. Der Fortschritt kommt eben doch nach Europa – per Import.

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Kommentare ( 27 )

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27 Comments
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enterfiles672
5 Jahre her

wer schon mal in eine so genannte Abo Falle gertreten ist wird wissen wie schwer man es den Betroffenen macht da wieder raus zu kommen. Aber fast ähnliche Zumutungen erleben wir bei Vereine bei Parteien uvm. Du kannst recht schnell rein aber der Austritt wird erschwert es sei denn der Verein oder die Partei wirft dich raus . Dann geht das Ruck Zuck. Scheint bei der EU nicht anders zu sein was die Englängder ja gerade genau so erleben. Je länger man eben Mitglied ist um so sicher ist es das das Mitglied auch seine Beiträge zahlt. Geldgeilheit könnte man… Mehr

Franz Grossmann
5 Jahre her

Sehr geehrter Herr Douglas, in Ihrem gleichlautenden Beitrag in Ausgabe 10/2018 von Tichy ´s Einblick haben Sie bei dem Glyphosatgehalt in Sven Giegolds Urin die Größenangaben verwechselt. 1,9 Mikrogramm pro Liter, also 1,9 Milliardstel Gramm Glyphosat pro Milliliter stimmt nicht, sondern 1,9 Milliardstel Gramm Glypophsat pro Liter.

Gerro Medicus
5 Jahre her

Das geht in dieselbe Richtung, die Joschka Fischer damals etablierte. 1984 beantragte Hoechst den Bau einer biotechnologischen Anlage zur Produktion von Humaninsulin. Die Genehmigung verzögerte sich wegen des Widerstandes der ab 1985 amtierenden rot-grünen Landesregierung und ihrem Umweltminister Joschka Fischer; erst nachdem 1990 das Verwaltungsgericht Frankfurt Klagen zurückwies, konnte die Anlage fertiggestellt werden. Aber da war eine Anlage der Firma Eli Lilly in den USA schon längst in Betrieb und hatte den Markt für sich erobert. Das muss man sich mal vorstellen: Humaninsulin war die Lösung für die vielen gesundheitlichen Probleme, die die bis dahin übliche Anwendung von Schweine- und… Mehr

Gerro Medicus
5 Jahre her

Ein neuer Beweis für den Irrationalismus, mit dem Politik gemacht wird. Entschuldigen Sie wenn ich jetzt deutlich werde: Idioten, die manegls Bildung alles und jedes als gefährlich ansehen, weil sie es nicht begreifen und einschätzen können, bedienen sich der Blinden in Politik und Justiz, die auch keine Ahnung haben, wenngleich auch aus anderen Gründen. So entstehen unsere Energieerzeugung, der Dieselskandal, der Klimawandel als menschengemachte Schädigungen der Natur, und werden bekämpft mit den ideologischen Kampfparolen Energiewende, saubere Luft und CO²-Reduktion, koste es, was es wolle. Das alles kostet auch etwas, nämlich die Zukunft unserer Nachkommen! Der Irrsinn versucht, das Ruder zu… Mehr

Mayor Quimby
5 Jahre her

Unser Chef Jean-K. Juncker war beim Don, stundenlang bei Wasser und Orangensaft; und hat ihn gezähmt, vernichtet, und in die Schranken gewiesen! Ein Sieg der EU auf ganzer Linie im Handelsstreit:

Europa kauft den Amis, ab sofort, grenzenlose Mengen an Genmanipuliertem Soja und Fracking-Gas ab. Und schießt die Russen und die Brasilianer in den Wind.

Ha! Wissen das die Grünen schon? Und die Linken?

Neus Wort: GONGO –
„Government-Organized Non-Governmental Organisation“

Hegauhenne
5 Jahre her

Wenn gentechnikfrei und vegan, neben bio selbstverständlich, auf der Verpackung steht, lassen sich die Produkte eben teurer verkaufen. Das ist ’ne große Lobby und ’ne große Fangemeinde. Man erkennt sie schon von weitem am Heiligenschein und der wirklich sehr positiven Aura ;-), wenn sie mit prüfendem Blick achtsam und ehrfürchtig ihren Einkaufwagen füllen, von der Zahnbürste bis zum Klopapier und Pappteller für’s Picknick alles biovegan. ;-)Ich kaufe auch Diverses bei einer Biokette, weil das einfach besser schmeckt und von besserer Qualität ist. Ich hole dort immer das „vegane“ Bio-Kokosfett für die leckeren Pfannküchli. Und wenn das dann auch noch endlich… Mehr

friedrich - wilhelm
5 Jahre her

……….es ist schon sehr anmaßend, wenn juristen über wissenschaft und deren praxisan-
wendungen entscheiden wollen!

Herbert Wolkenspalter
5 Jahre her
Antworten an  friedrich - wilhelm

Es sind ja nicht (eigenmächtige) Juristen. Es sind politische Entscheidungen der Gesetzgebung, die ihrerseits Risiken berücksichtigen muss, über die sie von Wissenschaftlern informiert wird. Auch abseits von irrationaler politischer Stigmatisierung bleibt dieses Vorgehen in dieser Reihenfolge eine sinnvolle und notwendige Sache der Verantwortung. So wie die Natur selber durch Mutation nicht nur Nützliches sondern auch Gefährliches produziert, ist dies mit der Gentechnik auch nicht auszuschließen. Pannen gibt es überall mal, vielleicht sogar absichtliche. Wenn uns die natürliche Pest und Cholera nicht reichen, entschuldigen wir weitere Risiken damit, dass es auch natürliche gibt… An dieser Stelle würde ich keine Technologie grundsätzlich… Mehr

giesemann
5 Jahre her

Na ja, aber die Gesetzgeber sind Juristen. Paar Lehrer noch, o.k.

Gerro Medicus
5 Jahre her

Gregor Mendel würde heute in Bausch und Bogen als Gefährder der Natur verdammt!

Dr. Mephisto von Rehmstack
5 Jahre her

Das ist die westliche Form von boko haram : Bücher sind Sünde!

Kaltverformer
5 Jahre her

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist die CRISPR/Cas-Technologie nichts anderes als eine zielgenaue, extrem beschleunigte Züchtungsmethode, die aber genau das macht, was herkömmliche Züchter mit dem Faktor Zufall probieren.

Wenn obiges so stimmt, dann ist das ein, von technikfeindlichen, ideologisierten linksgrünen Weltverbesserern, politisch motiviertes Urteil.

gelbwurz
5 Jahre her

Herr Douglas, ihr Beitrag ist schon ok, aber bedarf kleiner Korrekturen. „geniale Wissenschaftlerinnen, Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna“ Ohne jede Schmälung ihrer wissenschaftlichen Leistung, aber beide sind nicht „genial“. Doudna wurde von Charpentier zu einer Kooperation eingeladen, um Detailfragen zu klären, für welche sie selbst nicht die Expertise und die technischen Mittel hatte. Doudna hatte mit dem Thema selbst vorher nichts zu zun gehabt. Ziemliches Glück für Doudna. Charpentier hat auf ihrem Arbeitsgebiet eine glückliche Entdeckung gemacht, deren grosse Bedeutung jedem Hauptfach-Studenten sofort klar gewesen wäre. Dass so ein System existieren könnte, wurde von anderen schon vorher theoretisch in… Mehr

Herbert Wolkenspalter
5 Jahre her
Antworten an  gelbwurz

Danke für diesen kompetenten Kommentar.