„Zunehmende Verblödung“ – Führerschein-Durchfaller auf Rekordhoch

Immer mehr Fahrschüler scheitern an der Führerscheinprüfung – laut Experten ein beunruhigendes Zeichen für den Zustand der Gesellschaft. Ein Psychologe kritisiert in scharfen Worten die mangelnde Konzentrationsfähigkeit und wachsende Anspruchshaltung der Prüflinge und stellt die Frage: Ist Autofahren für viele mittlerweile zu anspruchsvoll?

IMAGO / onemorepicture

Im deutschen Bildungswesen verhalten sich Quote und Qualität reziprok. Das heißt: Je höher die Quote, desto geringer die Qualität. Das ist politisch gewollt: Man lockt die Wählerschaft populistisch mit gefälligen Abitur- und Akademikerquoten – und diese erreicht man durch Absenkung der Qualitätsansprüche.

Dort, wo es öffentlich wird, zeigt sich das am „Bildungsniveau“ so mancher Regierender – mit oder ohne Bildungsabschluss. Dort jedoch, wo es noch streng und objektiv zugeht, zeigt sich das Bildungs-, Wissens- und Lerndesaster massenhaft. Es spiegelt sich in den theoretischen Führerscheinprüfungen wider. 2023 gab es einen neuen Negativrekord: 49,55 Prozent der 1,97 Millionen Aspiranten fielen im ersten Anlauf durch. 2014 waren es noch 32 Prozent. In der Fahr-„Praxis“ scheiterten 42,36 Prozent (2014: 26 Prozent). Auch im zweiten Anlauf war die Erfolgsquote miserabel: 54 Prozent der Wiederholer fielen 2023 erneut durch. Unrühmliche Spitzenreiter bei der Durchfallerquote mit 54,06 bis 55,55 Prozent sind die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen.

Am zunehmenden Anteil von Aspiranten mit schlechten Deutschkenntnissen kann es nicht liegen, denn die theoretische Prüfung gibt es neben Deutsch in elf weiteren Sprachen. Zudem kommt erschwerend hinzu: 6,2 Millionen Menschen oder 12,1 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung können in Deutschland nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben. Bei weiteren 10,6 Millionen Menschen oder 20,5 Prozent der Erwachsenen tritt fehlerhaftes Schreiben selbst bei gebräuchlichen Wörtern auf – davon 60 Prozent Muttersprachler. Was allerdings im Umkehrschluss bedeutet: 40 Prozent sind Zugewanderte.

All diese Faktoren wirken sich auf die theoretischen Führerscheinprüfungen aus. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft, sich auf den Hosenboden zu setzen und zu „büffeln“, als vorgestrig gilt. Lernen, Bildung und Schule sollen ja „Spaß“ machen – möglichst ohne Prüfungen, Diktate, Tests oder Noten. Ohne „Büffeln“ läuft jedoch nichts – vom Vokabellernen bis hin zur Vorbereitung auf die Führerscheinprüfung.

Nun hat sich im „Focus“ der Psychologieprofessor Dr. Florian Becker in einem Gastbeitrag zu Wort gemeldet. Er lehrte lange an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, ist im Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft und hat eine Professur an der Technischen Hochschule Rosenheim. Als Ursachen macht Becker aus: „Low-IQ, Verdummung und fehlende Selbstdisziplin.“ Die Führerscheinprüfung ist aber eine reine Lernprüfung. Das heißt für Becker: „Hinsetzen, lernen, sich abfragen, wieder hinsetzen, weiterlernen … bis man es kann.“

Becker verweist nicht zu Unrecht auf Daten zur Leistungsfähigkeit von Kindern insgesamt: Etwa 25 Prozent der Kinder können nach der Grundschule weder richtig lesen noch schreiben. Immer mehr dürfen dennoch aufs Gymnasium. Die Leistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen sind seit über zehn Jahren im Sinkflug (PISA-Studie). Noten werden immer besser – trotz objektiv schlechterer Leistungen. So erhalten mittlerweile bundesweit etwa 30 Prozent ein 1er-Abitur. Irgendwo der Beste zu sein oder gar zu gewinnen, ist mittlerweile verpönt und wird systematisch abgeschafft. Zum Beispiel der Wettbewerb bei den Bundesjugendspielen in den Grundschulen. Dazu kommen Kinder, die zu spät kommen, keine Hausaufgaben mehr machen, ohne Frühstück erscheinen, weil es für Erziehungsberechtigte zu anstrengend ist, morgens aufzustehen; desinteressierte und passive Eltern, Regellosigkeit und Gewalt. Schulleiter, die sich dem entgegenstemmen und Disziplin einfordern, berichten von politischem Druck. Man kann Becker nicht widersprechen.

„Schule als Komfortzone“

Beckers Fazit: Das Schulsystem droht, zur leistungsfeindlichen Komfortzone und zur Spielwiese für Bildungsideologen zu werden, in der Kinder nicht mehr wachsen und verzerrtes Feedback erhalten. Alle sind angeblich überall super! Tatsächlich behindert man die Besten in ihrer Entfaltung, damit alle gleich sind – gleich klein.

Becker berichtet: „Fahrlehrer schildern mir die Auswirkungen all dessen. Sie begegnen Fahrschülern, für die gründliche Prüfungsvorbereitung ein Fremdwort ist. Woher sollten sie es auch können? Mit dem Low-Performer-Mindset kann man sich zunehmend durch das Schulsystem schlängeln … Fahrlehrer unterrichten Jugendliche, die von Helikoptereltern mit dem Auto überall hingebracht wurden … Ihnen fehlt die aktive Verkehrserfahrung, etwa als Radfahrer.“

Apropos „Helikoptereltern“: Der Autor dieses Textes hat 2013 den Bestseller dazu veröffentlicht und zwischen drei Typen von Helikoptereltern unterschieden: Transporthubschrauber-Eltern, Rettungshubschrauber-Eltern und Kampfhubschrauber-Eltern.

Becker ist überzeugt: „Die historisch schlechte Prüfungsbilanz der Fahrschüler ist nur ein Symptom von vielen für ein riesiges Problem, das in unserer Gesellschaft gedeiht. Das alles sind klare Hinweise auf eine zunehmende Verblödung und Demotivation … Äußere Bedingungen sind angeblich schuld. Come on! Damit drehen wir uns seit Jahrzehnten im Kreis …“

Dazu auch: „Der IQ von Kindern in Deutschland sinkt in zentralen Aspekten – seit rund 30 Jahren.“ Ferner das wachsende Unvermögen, etwas auch gegen Widerstand durchzuziehen. Überspitzt formuliert: Immer mehr Menschen erwarten für sich die 20-Stunden-Woche bei vollem Lohn … In den Talkshows sitzen Politiker, die uns erzählen, dass Arbeit krank macht, Faulheit vernünftig ist und Unternehmer Menschen sind, die davon leben, Arbeitnehmer auszubeuten und Kunden abzuzocken. Neulich meinte eine Nachwuchspolitikerin, man müsse das Bürgergeld verdoppeln, damit die Wirtschaft wächst.

Becker war zu vornehm, anzufügen: Nicht wenige Politiker zeigen, dass man es auch ohne jeden Bildungsabschluss in höchste Regierungs-, Parlaments- und Parteiämter schaffen kann. Den eigenen Führerschein braucht man dafür nicht – man bekommt ja Fahrer gestellt.


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Kommentare ( 61 )

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61 Comments
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williUig.
17 Tage her

Das sind eher die ganzen Regeln und Vorschriften und Formulierungen die es z.B. bei der Theorie Prüfung gibt,ich würde diese nie mehr schaffen,einfach selber online Testen, die sind ganz klar auf Staatsniveau.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
17 Tage her

Das liegt nur daran, dass Fahrschulen im Privatbesitz sind und die gierigen ausbeuterischen Unternehmer desto mehr verdienen, je mehr Fahrstunden sie abrechnen können und je mehr Durchfaller es gibt. Die Lösung ist, Fahrschulen zu verstaatlichen und die Prüfungen von einer staatlichen Prüfungskommission (und nicht vom privaten TÜV) abnehmen zu lassen. Dann wird die Durchfallerquote minimiert und dadurch wieder mal bewiesen werden, dass Deutschland Weltspitze ist und kein Grund zur Sorge besteht.

humerd
17 Tage her

Die Verblödung musste ich die letzten Jahre in meinem Arbeitsleben feststellen. Frisch von der Uni mit einem Master of Science (M.Sc.) = BWL Studium in der Hand und angestellt bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, glaubten sie, sie wären die Elite und hatten keine Ahnung von der Realität.

A rose is a rose...
17 Tage her

Früher sagte man „Ohne Fleiss, keinen Preis“. Heute drohen Eltern bereits in der Grundschule entweder mit Prügel oder mit dem Anwalt, wenn die Noten nicht genehm sind. Dazu Klassen mit bis zu 90% Kindern, deren Deutschkenntnisse unzureichend oder gleich gar nicht erst vorhanden sind. Natürlich gibt es sie noch, die Kinder, welche lern- und leistungsbereit sind, die problemlos die Anforderungen des Curriculums erfüllen und auch ohne Mogeln ihre Führerscheinprüfung beim ersten Versuch bestehen. Aber der kritische Kipp-Punkt ist vielerorts bereits überschritten und dort herrscht ein anderer Geist vor. Und der zeigt sich inzwischen zunehmend auch auf unseren Strassen, wo das… Mehr

Sonny
17 Tage her

Das Ziel war ja auch, den deutschen dummen Bürger zu erschaffen. Nur Dummköpfen kann man das Blaue vom Himmel versprechen oder sie mit idiotischen Horrorszenarien verängstigen und sie so fügsam in eine gewünschte Richtung bugsieren. Denn dumme Menschen lassen sich viel besser manipulieren und für eigene Zwecke instrumentalisieren. Im Prinzip ist die leistungslose Gesellschaft immer eine dumme Gesellschaft. Eltern dumm und faul, Kinder mangels Erziehung ebenfalls dumm und faul. Schule ohne Wirkung außer BlaBla für leistungsloses Grundeinkommen. Wir haben zuallererst einmal ein riesiges Erziehungsproblem (in Familien, Schulen und Universitäten) und das bedingt den Niedergang von Wissen und Intelligenz in der… Mehr

Last edited 17 Tage her by Sonny
Wolfgang Schuckmann
17 Tage her
Antworten an  Sonny

Wenn Germanistikprofessoren vor Beginn des Erstsemesters Deutschkurse bei jenen Studenten veranlassen müssen, die eben dieses Fach studieren wollen, dann weiß man woran man ist. Der erbärmliche Zustand an unseren Volks-, und weiterführenden Schulen legt ein beredes Bild vom Bildungsniveau unserer immer “ schlauer“ werdenden Gesellschaft ab. Schlauer werdend deshalb, weil sich große Kontingente der Auszubildenden an Prüfungen irgendwie vorbeischlängeln und nicht mal die Minima einer echten Bildung erfüllen. Ziehe mir das nicht aus den Fingern sondern ist Bericht von Situationen denen sich Universitäten heute Gegenüber sehen. Ich kann aus wohlverstanden Gründen hier nicht deutlicher werden. Insofern liegen Sie mit ihrem… Mehr

Lesterkwelle
17 Tage her

Herr Ministerpraesident Kretschmann wuerde vielleicht erklaeren, dass die Theorie nahezu irrelevant sei. Wozu braucht der Fahranfänger bei der Einfahrt in einen Kreisel zu wissen, wie schwer ein Anhänger bei Kfz mit Fahrerlaubnis B sein darf, bis wieviel KW ein dreiraedriges Kfz mit Klasse A1 gefahren werden darf? Fuer unsere Neubuerger geradezu eingebaute rassistische KO- Kriterien! In den Hetkunftslaendern gilt oft das Prinzip „Der Staerkere/Dreistere setzt sich durch“ Das Leben koennte so einfach sein!

humerd
17 Tage her
Antworten an  Lesterkwelle

Naja, in der Theorie sind aber auch viele Fragen zu einer Klima- und Umwelt schonenden Fahrweise.

Nibelung
17 Tage her

Man muß nur als aufmerksamer Beobachter durch unsere Straßen gehen oder sich in allgemeinen Treffpunkten begegnen, wo immer mehr die Unkultur der gegenseitigen Behandlung nach vorne tritt und das nicht nur bei der jüngeren Generation sondern auch im gehobenen Alter, wo man eigentlich annehmen müßte, daß die etwas im Leben dazu gelernt haben. Über die gegenseitige Mißachtung in den Einzelheiten muß man ja nicht mehr eingehen, denn das gehört mittlerweile selbst in kleinen Städtchen zur Tagesordnung und alle wie lebende Mumien an einander vorbei ziehen und nur noch ein Lichtblitz den Tag erhellt, wenn man sein Gegenüber persönlich kennt und… Mehr

Ein Mensch
17 Tage her

Mein Enkel, ich liebe ihn, ist 12 und ist in der 6. Klasse. Wenn ich sein Schriftbild sehe denke ich jedes mal er ist gerade in die 2. Klasse gekommen. Bei der Rechtschreibung einfachster Wörter versagt er völlig. Einfachste Grundlagen der Naturwissenschaften – Fehlanzeige. Was machen die da den ganzen Tag in der Schule?

Wolfgang Schuckmann
17 Tage her
Antworten an  Ein Mensch

Über Sexualität im Kindesalter sprechen, das Selbstbestimmungsrecht und so weiter und so fort.

humerd
17 Tage her
Antworten an  Ein Mensch

Projekte wie z.B. Blümchen- Bäumchen pflanzen, Geld sammeln für arme Menschen in der Welt …

A rose is a rose...
17 Tage her
Antworten an  Ein Mensch

Nicht nur in den Naturwissenschaften ist das Niveau beklagenswert. Die Kinder sind auch nicht mehr in der Lage, sich aus Quellen eine eigene Meinung zu bilden und diese zu begründen. Denn debattiert wird natürlich nicht mehr. Es gibt ja sowieso nur eine einzige Meinung und die muss man nicht begründen.
Das bedeutet aber auch, dass die Kinder nicht mehr lernen, selbst einfache Vorgänge sinnvoll und folgerichtig zu beschreiben.
Der Wortschatz der Kinder ist ebenso inzwischen ziemlich eingeschränkt, denn statt in Kindergarten und Grundschule Deutsch zu lernen, wird den Kindern frühzeitig (von meist vollkommen überforderten) Lehrern, eine Fremdsprache beigebracht.

Teide
17 Tage her

Auf YouTube berichtet ein Deutscher von seinem Leben in Japan.
Thema Führerschein. Umschreiben.
Kommt jemand aus einem arabischem Land. Kompletter Führerschein muß in Japan gemacht werden.
Kommt jemand aus einem westlichem Land. Es muß eine Prüfung gemacht werden.
Kommt jemand aus Deutschland. Der Führerschein wird umstandslos umgeschrieben.
Noch.

Ach so. Natürlich alles auf Japanisch. Nur Japanisch.

Mitzahn
17 Tage her

Ich habe meinen Führerschein vor 43 Jahren gemacht. Es war ein Dienstagnachmittag, als ich zur theoretischen Prüfung musste. Dienstagabend gab es wieder theoretischen Unterricht. Mein Fahrlehrer sagte vorher: Wenn Sie durchfallen, kommen Sie abends weiter zum Unterricht. Ich großkotzig: Nein, da werden wir uns nicht wiedersehen. Ich bin durchgefallen (10 Fehler). Als ich abends den Unterrichtsraum betrat, hat mein Fahrlehrer mich fixiert, aber ich habe mich so geschämt, ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Danach ab auf den Hosenboden, gelernt und abfragen lassen. Der Ehrgeiz hatte mich endlich gepackt. Die nächste Prüfung habe ich mit 0 Punkten geschafft… Mehr