Steinmeier – Vom „Hassprediger“ zum Bundespräsidenten

Frank-Walter Steinmeier nimmt das angebotene Amt freudig an. Trump mit einem „Hassprediger“ zu vergleichen und auch nach Wahl zum US-Präsidenten die Form nicht zu wahren, disqualifiziert den Außenminister. Ein eskalierender Präsident ist ungeeignet.

© Carsten Koall/Getty Images

Die amtierende Bundeskanzlerin hat den Bundespräsidentenpoker gegen Sigmar Gabriel verloren. Mit Merkels gestrigem Obiter dictum innerhalb der Unionsparteien, dass doch bitte ihre schwarzen Gefolgsleute aus der Bundesversammlung für den gemeinsamen Kandidaten von SPD und Union oder anders ausgedrückt für den GroKo-Kandidaten, nämlich das SPD-Urgestein Frank-Walter Steinmeier stimmen mögen, der damit de facto bereits heute der nächste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland ist, hat die Kanzlerin ihr Unvermögen, einen Unions-Kandidaten für das Amt zu finden, eingeräumt.

Gauck kann man keine Träne hinterher weinen. Man muss froh sein, dass er keine zweite Amtszeit antritt. Man erinnert sich an seine legendären Statements gegen Migration, gegen Islam und für Sarrazin, die er selber als größter Wendehals der Republik, kaum im Amt, kassierte, um sich zum angepasstesten und vorauseilensten Opportunisten der Republik zu entwickeln.

Bundespräsidenten lassen durch das, was sie reden, einen symptomatischen Blick in die Verfasstheit der Gesellschaft zu.

Steinmeier, eigentlich ein vernünftiger Sozialdemokrat mit nicht allzu sozialdemokratischem Profil, in seinen Überzeugungen wohl eher etwas beliebig und etwas angepasst, ist in diesem Sommer etwas Schreckliches passiert: Wie man hinlänglich weiß, blies er seine Backen über Gebühr auf und ließ sich recht abwegig, wenig diplomatisch und Öl ins Feuer gießend, so ein: Den inzwischen gewählten US-Präsidenten Nr. 45, Donald Trump, nannte Steinmeier einen „Hassprediger“.

Auch wenn man unterstellen darf, dass Steinmeiner sich nur schlank in den politisch korrekten Mainstream hineinschmiegen und seine dortige Selbstdarstellung mal wieder erneuern wollte, wird doch ein Maß an Realitätsverlust, mindestens partiellem Realitätsverlust, deutlich, welches allerdings die Präsidentenqualifikation in Frage stellt.

Steinmeier ist, wie viele, fast alle seiner Kollegen mit der geheuchelten Formel, dass er froh sei, dass die „Schlammschlacht“ der US-Wahl vorbei sei, an die Öffentlichkeit getreten und muss sich doch objektiv vorhalten lassen, dass er selber mit seinem Wort vom „Hassprediger“ Trump die Schlammschlacht eskaliert hat.

Mit dem Wort „Hassprediger“ hat Steinmeier eskaliert

„Hassprediger“ ist in Wahrheit ein Terminus technicus, der erst vor relativ kurzer Zeit in Deutschland in einen allgemeinen Gebrauch kam.

In Ansehung islamistischer Hassprediger, die anfällige, meist jugendliche Menschen zum Mord anstiften, bei möglichst grausamer Tatbegehung, ist dieser Begriff „Hassprediger“ zu einer strafrechtlich relevanten Kategorie geworden. Bevor es die islamistischen Hassprediger gab, die lange Zeit verniedlichend nicht so genannt wurden, gab es den Begriff des Hasspredigers im deutschen Wortschatz nicht wirklich.

Hassprediger sind Täter. Sie sind Anstifter und Anstifter werden bestraft wie Täter und Mittäter. Und diese Idendität auf der strafrechtlichen Sanktionsebene ist auch voll und ganz geboten.

Unabhängig von der Tatsache, dass die übelsten Täter und die schlimmsten Taten in einer medialen Gesellschaft schnell Eingang in die Quatschwelt finden, wo sie dann in der Tat denaturiert werden, ist der Begriff des Hasspredigers, mindestens wenn er in der offiziösen Hoheits-oder Staatenebene, auf der Steinmeier agiert, gebraucht wird, in seinem eigentlichen, eben auch strafrechtlich gemeinten Sinn zu verstehen.
Neulich ging ich über einen Supermarktparkplatz, als Grundschulkinder offenbar von der Schule kommend spielten. Ein Junge grölte in das Gejohle: Fritz ist schwul! Es gab keine große Resonanz, bis ein anderer Junge rief: Karl ist Hassprediger, und ein Dritter rief: Fuck you, ihr wollt nur Sex oder so ähnlich. Die Gruppe war ungewöhnlich fröhlich, ausgelassen, nett, eine wahre Freude. Aufgeweckte Jungs, die erkennbar nicht wussten, was sie sagten und noch viel weniger meinten, was sie sagten. Das war natürlich die unschuldige Variante des Wortes „Hassprediger“, das offenbar so populär ist – oder sollte man in Ansehung von Steinmeier sagen, so populistisch zu verwenden ist. So populistisch, dass es Vielen allzu flott über die Lippen kommt.

Nein, Steinmeier, der mit verbiestertem Gesicht dem neuen gewählten US-Präsidenten seine Gratulation demonstrativ verweigerte, womit er seine erste Entgleisung mit einer weiteren Entgleisung verschlimmerte, statt die Gelegenheit zu einer souveränen Entschuldigung zu nutzen, hat sich komplett verrannt. Leider nicht nur in seinem Verhalten, sondern offenbar auch in seinem eigenen Kopf. Er will nicht zugeben, dass er einen gigantischen Fehler gemacht hat. Einen Denkfehler, einen gigantischen Bewertungsfehler und eine gleichermaßen eine wüste Beleidigung. Und jetzt beharrt er auf seiner, in Wahrheit strafrechtlich relevanten Kardinalbeleidigung des nächsten US-Präsidenten.

Und genau in diesem Moment soll und will er Bundespräsident werden und sagt ohne rot zu werden, fröhlichst gelaunt, zu, so als wenn nichts wäre.

Tatsächlich wird eine gigantische politische Fehlleistung von Merkel und Gabriel sichtbar, die jetzt so einen Kandidaten nach monatelanger vergeblicher Suche ins Schloss Bellevue schicken wollen, einen Kandidaten, der sich gerade selber öffentlich und weltweit anlässlich der Wahl Trumps disqualifiziert hat.

Ex-Bundesjustizministerin Hertha Däubler-Gmelin unter Kanzler Gerhard Schröder ist Anfang der 2000ender vollkommen zu Recht aus ihrem Amt geflogen, weil sie öffentlich den damaligen US-Präsidenten George W. Bush mit dem „Hassprediger“ und Völkermörder Hitler mal eben en passent verglichen hatte.

Ulrich Wickert, damals Anchorman des deutschen Fernsehens, musste sich eine starke Rüge gefallen lassen, weil er George W. Bush mit dem Terroristen und Terroristenanführer Osama bin Laden verglich.

Und jetzt kommt Steinmeier und statt von Merkel eine Rüge erteilt zu bekommen, will Merkel ihn just in diesem Moment in das höchste Staatsamt hieven. Ihr scheint wenig an einer Deeskalation der Anti-Trump-Hysterie zu liegen.

„Hassprediger“ als Bundespräsidenten braucht allerdings niemand, will sagen, jemanden, der hetzt und eskaliert und genau die unnötige „Schlammschlacht“ ungebeten von sich aus lostritt, kann keiner gebrauchen. Wer sich selber wie ein „Hassprediger“ benimmt und das hat Steinmeier getan, auch wenn Trump-Bashing „in“ ist und Trump von seinen Gegnern so behandelt wird, als sei er nicht beleidigungsfähig, hat seine Präsidentialität verspielt.

Da schwingt alter Anti-Amerikanismus der speziellen sozialdemokratischen Tradition mit. Steinmeier segelt in höchstem Maße opportunistisch – den Vernünftigen und Besonnenen gebend – mit. Allerdings auf dem diplomatischen Weltmeer segelt er genau in dem Wind mit, den die Mainstream-Meute macht und für einfach nur richtig hält. Steinmeier ist, sicher sonst nicht seine Art, in diesem Fall auf das Niveau von Heiko Maas und Ralf Stegner, die in der Tat Hetze verbreiten und Hass predigen, abgestürzt.

Die weitaus gravierendere Nummer ist allerdings eine andere schwer belastende Tatsache aus dem Kontext.

Steinmeier meinte tatsächlich nicht Erdogan, sondern Trump

Man muss Trump mitnichten gut finden, man muss ihn nicht wählen oder gewählt haben und man kann und darf und soll ihn kritisieren. Was denn sonst? Das ist Demokratie! Und das werden die vernichtend geschlagenen Demokraten, die ihre Mehrheit auch in beiden amerikanischen Parlamentskammern verloren haben, sicher auch, aber hoffentlich nicht in volksaufpeitschender Generalstreikmanier, tun.

Nein, der so furchtbar besonnene Steinmeier, der so schrecklich gemäßigte Politiker, der als einer der wenigen Spitzenpolitiker ja tatsächlich glaubwürdig, qualifiziert, verlässlich und eigentlich immer sympathisch rüberkam, meinte tatsächlich mit seinem „Hassprediger“ nicht Erdogan, sondern Trump.

Gleichzeitig immer und jeden Tag seit Monaten und Jahren, kommt die milde Mathilde Steinmeier daher und beschönigt alles, was Andere an immer neuen demokratischen Abwegigkeiten Erdogans kritisieren. Er will die Tür zu Erdogan nicht zuschlagen, er will die Tür nicht zuschlagen, er will die Tür nicht zuschlagen, er will die Tür nicht zuschlagen. Er kämpft wie ein Verrückter für Erdogans geradezu höchstpersönlichen EU-Beitritt.

Jeder weiß, was ja scheinheilig von der deutschen Nomenklatura auch kritisiert wird, dass Erdogan seine Türkei, die bis dato unbestritten noch nie EU-beitrittsfähig war, permanent mit riesigen Schritten und ziemlich brutal weiter enteuropäisiert und dass Erdogan seit Monaten alle hart erkämpften Menschenrechte und alle demokratischen Rechte und alles, was der europäischen Verfassung, die es nominal noch nicht gibt, hoch und heilig ist, zerbricht und zerstört.

Trotzdem gehört Steinmeier zu den Obergebetsmühlen, die ganz lieb zu Erdogan sein wollen, um ihn auf Sammetpfötchen in die EU hinein zu holen. Auch heute in Ankara unterwirft Steinmeier sich, wenn auch vordergründig widersprechend, den fortschreitenden türkischen Zerstörungen dessen, was Europa unter Verfassung versteht.

Auch der Außenminister Steinmeier ist dem kollektiven Irrsinn der Nomenklatura und den dazu gehörenden Medien anheimgefallen, in Trump keinen normalen Mensch aus Fleisch und Blut zu sehen, sondern in ihm den Teufel und den Weltuntergang und das Ende der westlichen Welt und der Demokratie zu vermuten.

Steinmeier verschlimmert durch sein Zugehen auf den Gottesstaatler Erdogan, der laut türkischen Oppositionsmedien den IS unterstützt hat und die Kurden im eigenen Land mit den Argumenten, die sonst rassistisch genannt werden, verfolgt, die Situation der Europafreunde in der Türkei ganz erheblich. Er wählt gleichzeitig für den kommenden mächtigsten Mann der Welt die Vokabel „Hassprediger“ und liefert damit, völlig sinnlos und ohne jeden politischen Nutzen, eine Garantie für gestörte Beziehungen zwischen der deutschen und der amerikanischen Regierung. Nur eins steht dabei die ganze Zeit fest: Im Kontest der abwegigsten Politiker erreicht Erdogan absolute und schwindelerregende Spitzenpolitiker gegenüber Trump.

Diese Hassprediger-Nummer nimmt Steinmeier lernunfähig oder psychisch in seinem eigenen Versagen befangen mit ins Präsidentenamt. Jedenfalls wird das der Gang der Dinge sein, wenn sich Steinmeier nicht dazu durchringt, sich öffentlich bei Trump zu entschuldigen. Zwischen real existierenden Hasspredigern und dem designierten US-Präsidenten Trump gibt es nichts, was eine Gleichsetzung rechtfertigen könnte.

Steinmeiers Versagen selbst ist eine historisch gesehen vergleichsweise Randerscheinung, es ist nämlich Symptom einer komplett entgleisten Mainstream-Nomenklatura. Trump hat 60 Millionen Wähler für sich gewonnen, die notorisch als „abgehängt“ klassiert wurden. Immerhin: Da sind jetzt 60 Millionen Wähler, die von der Mainstream-Industrie bis zur Wahl am 8.November wie nebensächlich, wie kaum real existent, in jedem Falle aber bestenfalls im Sinne eines drittklassigen Wahlrechtes überhaupt nur eingeschränkt für wahlfähig und demokratienützlich eingestuft wurden.

Mit der Formel Trump sei ein „Hassprediger“, fährt Steinmeier, sicher unbewusst, auf der Schiene, dass der von den Wahluntauglichen (Stichwort „white trash“) gewählte Trump im umgekehrten Reflex seinerseits nur minderwertig durch seine Wähler demokratisch legitimiert werden konnte. Motto: Trump, ein minderwertiger Präsident mit großem primitivem Tamtam und seine noch primitiveren, aus der Demokratie eigentlich auszusortierenden Wähler.

Steinmeiers Hassprediger-Nummer ist symptomatisch für die desorientierten Denkprozesse in den Köpfen Merkels, Gabriels und der gesamtem GroKo-Crew. Das ist die eigentliche Katastrophe der Zeit: Das Faktum der Steinmeierschen Entgleisung wird von Merkel und Gabriel und auch von den Medien im wahrsten Sinne der verblödeten Vokabel „postfaktisch“ nicht wahrgenommen bzw. ignoriert. Alles wird durch Gefühlsduselei ersetzt und geheilt:

Gabriel ist zufrieden, dass ihm sein Coup gelungen ist, Merkel auszutricksen, Merkel ist zufrieden, dass sie ihre CDU und CSU, die natürlich als größte Fraktion in der Bundesversammlung einen CDU-oder CSU Kandidaten sehen wollten, ausgeknockt hat.

Niemand sieht die Tatsache, dass der Terminus „Hassprediger“ für Trump eine intellektuelle Fehlbesetzung ist. Sollen sie doch alle Trump kritisieren, aber bitte real und nicht wahnhaft.

Ein in moralischer und intellektueller Selbstüberschätzung absaufender Mainstream bringt – und das ist nicht postfaktisch, sondern leider ganz real – einen ebenso absaufenden Präsidentschaftskandidaten Steinmeier hervor.

Merkels geschickter Schachzug

BerndZeller_Buch

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