Ungarn und EU: Worum es wirklich geht

In Brüssel gab es einen „Deal“ in der Frage der blockierten EU-Gelder für Ungarn. Liberale und Linke jubeln, Ungarn sei bestraft worden. In Wirklichkeit wird es wohl keine Sanktionen geben. Und in keinem Augenblick ging es um „Rechtsstaatlichkeit“.

IMAGO / ZUMA Wire

Am Montag einigten sich die ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel (Coreper) auf eine Lösung im epischen Kräftemessen zwischen Ungarn und der EU um „Rechtsstaatlichkeit“ und eingefrorene Gelder. Linke, Grüne und Liberale jubeln, Ungarn sei endlich hart gemaßregelt worden. Die Regierung von Viktor Orbán hingegen zeigte sich erfreut, dass es keine Sanktionen geben werde.

Ob Ungarn letztendlich wirklich alle ihm zustehenden Gelder erhalten oder aber bestraft wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Vorerst hat es seine Interessen fast optimal durchsetzen können. Dem Land drohten 70 Prozent der ihm zustehenden Mittel aus dem Covid-Geldtopf der EU zu entfallen, wenn es nicht gelänge, die Vereinbarung über die Verwendung dieser Mittel bis Ende des Jahres zu unterschreiben. Es geht um 5,8 Milliarden Euro an einmaligen Zuwendungen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Vier Milliarden davon drohten unmittelbar verloren zu gehen.

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Ungarns Plan für die Verwendung dieser Mittel wurde aber akzeptiert. Damit ist dieses Geld „gerettet“. Nun muss die EU noch quittieren, dass Ungarn 18 verschiedene Reformen, zu denen sich das Land verpflichtet hat, um rechtsstaatliche Standards und die Bekämpfung von Korruption zu stärken, auch zufriedenstellend umgesetzt hat. Das kann noch bis März dauern. Aber vorerst bleibt es durchaus denkbar, dass Ungarn diese Gelder in vollem Umfang erhalten wird.

Zum anderen ging es um die Gelder für Ungarn aus dem Kohäsionsfonds der EU für die laufende Haushaltsperiode. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, 65 Prozent der Mittel für drei Programme aus diesem Topf einzufrieren. In der Coreper-Sitzung einigte man sich dann auf 55 Prozent. Statt 7,5 Milliarden Euro wird also „nur“ die Auszahlung von 6,3 Millarden Euro suspendiert. Auch da kann es gut sein, dass Ungarn am Ende die volle Summe dieser Gelder erhalten wird. Dafür muss es freilich innerhalb der nächsten zwei Jahre 27 sogenannte „Super-Meilensteine“ bei der Implementierung von rechtsstaatlichen Reformen zufriedenstellend erreichen.

Die EU bewies nebenbei allerdings, dass es ihr in dieser Sache nie um Rechtsstaatlichkeit ging. Die Frage der EU-Gelder für Ungarn wurde bewusst gekoppelt mit zwei anderen Themen, die zeigten, worum es wirklich ging: um den Ausbau einer transnationalen Weltordnung.

Das eine Thema war die geplante neue globale Mindeststeuer von 15 Prozent für Unternehmen. Ungarn hatte das aus Prinzip abgelehnt – wie auch Polen. Der Grund: Dies bedeute für Ungarn eine Steuererhöhung, was die Wettbewerbsfähigkeit des Landes mindern würde. Am Ende wurde der Konflikt elegant gelöst. Ungarn gab seine Zustimmung zur Mindeststeuer, nachdem es die Zusage erstreiten konnte, dass es seine eigene Unternehmenssteuer (nur 9 Prozent statt der geplanten 15 Prozent) nicht erhöhen müsse. Wie das? Man vereinbarte, dass die sowieso bestehende Gewerbesteuer der neuen Unternehmenssteuer angerechnet werde. Im Endeffekt bleibt für Ungarn also alles beim Alten.

Die EU will Ungarn in die Knie zwingen
Der andere Punkt war ein geplantes Hilfspaket von 18 Milliarden Euro für die Ukraine, finanziert über einen neuen Kredit der EU, der von den Mitgliedsstaaten garantiert werde. Ungarn vertrat hier die Position, dass es zwar das Geld geben möchte, aber weitere gemeinsame Schulden der EU als solche ablehnt. Denn das ist im Vertrag von Lissabon nicht vorgesehen, und galt bislang immer als Tabu. Dieses Tabu wurde allerdings erstmals gebrochen, als die EU ihr Covid-Rettungspaket über eine gemeinsame Schuldenaufnahme finanzierte. Das wurde damals als „einmalige“ Maßnahme verkauft. Der Ukraine-Kredit ist allerdings bereits der zweite Fall. Der Verdacht liegt nahe, dass die EU – und die maßgebenden Staaten darin – immer mehr gemeinsame Schulden forcieren möchten, um die Mitgliedsstaaten immer abhängiger von den Brüsseler Institutionen zu machen.

Ungarn löste diesen Konflikt, indem es das Zugeständnis erzielen konnte, seinen Teil (187 Millionen Euro) direkt einzuzahlen, ohne neue Kreditaufnahme. Hätten alle Staaten das so gehandhabt, wären die 18 Milliarden Euro ohne neue Schulden zustande gekommen. Der politische Wille dazu fehlte.

In diesen Verhandlungen zeigte sich Ungarns immenser Wert für die EU: Nach dem Brexit ist es nun Ungarn, das als warnende Stimme konsequent gegen die schleichende Erschaffung eines europäischen Superstaates auftritt. Und vormacht, dass es auch einem kleinen Land gelingen kann, erfolgreiche Abwehrkämpfe zu führen, wenn es nur mutig und entschlossen genug agiert.

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Kommentare ( 28 )

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bkkopp
1 Jahr her

Herr Kalnoky schreibt über “ Worum es wirklich geht „, und Herr Furedi schreibt über “ Die EU will Ungarn in die Knie zwingen „. Das ist in beiden Fällen die politische Vogelperspektive. Auf der Sachebene, am Boden der Realität in Ungarn, gibt es 18 oder 27 rechtspolitische Reformverlangen der EU, über die leider niemand schreibt. Man ahnt, dass am Boden eine ganze Menge nicht in Ordnung ist, man weiß aber nicht, ob die Vorschläge der EU sachgerecht sind, und noch weniger, warum die ungarische Regierung nicht im ungarischen Interesse rechtspolitische Verbesserungen einführen will. Es gibt offensichtlich eine dicke Nebelwand… Mehr

HDieckmann
1 Jahr her

Wenn die EU so weitermacht, wird sie auseinanderfliegen. Und das wäre gut so! Kredite zu Lasten der EU-Länder aufnehmen und dann bei Wohlgefallen mit Auflagen umverteilen – das sind Mafia-Methoden!

Peter Pascht
1 Jahr her

Es geht bei der EU ganz offenbar um organisierten Betrug. Das belegt der aktuelle Bestechung- und Korruptionsfall. Da wurde die Vizepräsidentin Eva Kaili des EU Parlaments bestochen um Entscheidungen des EU Parlaments zu beeinflussen. Mit einer gekauften Stimme kann man aber keine Abstimmung im EU Parlament beeinflussen. Das weiß auch der welcher die Bbestechung veranlasst hat. Das heißt man muss mehr als nur eine Stimme kaufen um eine Entscheidunng zu beeinflussen. Dazu braucht es also ein Netzwerk um genügende Stimmen zu kaufen. Es muss also ein gesamtes Netzwerk an Korruption im EU Parlament geben, deren Kopf Eva Kaili ist, um… Mehr

Peter Pascht
1 Jahr her

Worum es wirklich geht ?
Es geht darum, dass die EU Kommission und das EU Parlament zu einer „kriminellen Vereinigung“ geworden sind.
Betrug und Erpressung mit angeblichem EU Recht sind die Folge davon.
Es gibt kein EU Recht in Deutschland !!!
Es gibt kein EU Reecht in keinem EU Staat.
Weil es ein EU Recht überhaupt nicht gibt, da die EU keine hoheitliche Institution ist.

Johann P.
1 Jahr her

Diese Ansammlung abgehalfterter Polit-Frührentner in Brüssel und Straßburg braucht kein Mensch! Was einmal als gute Idee, sprich EWG, begann, ist längst zu einem Selbstbedienungsladen der Polit-Mafia auf dem europäischen Kontinent degeneriert. Abzocke der „Bürger“ in allen nur denkbaren Bereichen ist das Geschäftsmodell und das funktioniert wie geschmiert (sic!)…

Mausi
1 Jahr her

Das Schlimme ist, dass „die“ Medien nur die liberale und linke Lesart verbreiten und Ungarn in den Augen Vieler ein Schmuddelkind ist und bleibt. Und so geht es Stück für Stück dahin.

Elki
1 Jahr her

„…worum es wirklich ging: um den Ausbau einer transnationalen Weltordnung.“
Der „woke“ Westen aus EU und USA (ggf. noch Kanada) fantasieren gerne über eine neue „WELTordnung“ und glauben, daß ihnen der weitaus größere Teil der Welt folgen würde, doch diese Welt besteht auch aus Bevölkerungen, doch über diese sehen sie offenbar gerne hinweg, solange es geht.
Daher „ging“ es m.E. nicht nur darum, sondern geht es weiterhin ganz und gar und alleine bei all ihrem Treiben, mit Ungarn und dem Verständnis dieser EU von Rechtsstaatlichkeit hat dies m.E. ohnehin nichts zu tun.

November Man
1 Jahr her

Die Mitgliedstaaten der EU erpressen sich einerseits gegenseitig, anderseits werden sie fürstlich mit Milliarden bezahlt damit sie in der EU bleiben nur damit diese nicht auseinanderfällt. Genauer gesagt ist die EU eine Geld-Umverteilmaschine von Steuergeldern aus der Staatskasse der Bürger einiger wenigen Staaten, die fälschlicherweise und in hochstablerischer Manier behaupten sie wären reich, an bestimmte EU-Staaten die sich für ihre Mitgliedschaft bezahlen lassen. Änderungen sind nicht in Sicht.
Auf so eine EU kann man als Deutscher getrost verzichten. Deutschland zahlt mit dieser EU nur drauf. Aber ganz gewaltig.  

Warte nicht auf bessre zeiten
1 Jahr her

Danke für diesen sehr informativen Artikel. Gerne mehr von Herrn Kalnoky auf TE!

Christoph Mueller
1 Jahr her

Da der größte Teil der eingefrorenen Gelder aus Deutschland kommt, bin ich nicht einmal so unglücklich darüber.

Fritz Goergen
1 Jahr her
Antworten an  Christoph Mueller

Glauben Sie etwa, da käme etwas zurück oder es müsste weniger hin?

Christoph Mueller
1 Jahr her
Antworten an  Fritz Goergen

Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass viele Staaten nur deshalb in die EU eingetreten sind, weil die EU jede Menge deutsches Geld an sie verteilt? Warum muss Ungarn (und andere Staaten) überhaupt sechs Milliarden Euro von uns bekommen?
Ich sage das ganz unabhängig davon, dass ich es selbstverständlich entschieden verurteile, dass die EU auf diese Art und Weise versucht, demokratisch gewählte, aber unliebsame Regierungen politisch auf Linie zu bringen.

Last edited 1 Jahr her by Christoph Mueller