UK: Ex-Polizist wegen Warnung vor Antisemitismus festgenommen

In Großbritannien setzen sich die Hausbesuche und Razzien der Polizei wegen abweichender Meinungen fort. Nun traf es einen Ex-Beamten, der vor zwei Jahren auf X vor Pro-Hamas-Demonstrationen gewarnt hatte. Für ihn ist klar: Die britische Polizei ist vom Wokeness-Virus infiziert.

Imago/ Nur Photo/ Nicolas Econoumou

Nachrichten wie diese gibt es immer wieder aus Großbritannien, wo sich ein repressives Meinungsklima allein mittels der Durchsetzung von Antidiskriminierungsgesetzen zu ergeben scheint. Der Equality Act von 2010, verabschiedet unter der letzten Labour-Regierung, fasste verschiedene ältere Regelungen zusammen, erweiterte die geschützten Gruppen dabei allerdings um Geschlecht, Religion, Glauben, Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Transgender-Identität. Aus diesen „schutzwürdigen“ Gruppen ergeben sich immer weiter gehende Maßnahmen und, man muss wohl sagen, Exzesse in der britischen Rechtspflege. So sind schwangere Frauen inzwischen Männern gegenüber vor Gericht grundsätzlich besser gestellt, ebenso Angehörige von ethnischen oder religiösen Minderheiten und Transpersonen. Ihnen allen werden mildernde Umstände zugestanden, nur weil sie der jeweiligen Gruppe angehören, weil sie schwanger sind oder Muslime.

Was den Schutz der Religion und des Glaubens angeht, so verwandelt er sich an vielen Stellen in einen Schutz von Muslimen vor Blasphemie gegen ihre Religion. Wenn Polizei und ermittelnde Staatsanwälte finden, dass religiöse Faktoren bei einem Vergehen eine Rolle spielten, wirkt das strafverschärfend. Und das kann zu paradoxen Folgen führen.

So wurden dem pensionierten Polizeibeamten Julian Foulkes aus Gillingham in Kent in seiner eigenen Wohnung Handschellen angelegt, wie der Telegraph berichtet. Zuvor hatten sechs Polizisten seine Bücher und Zeitschriften durchsucht. Sie stießen dabei auf „sehr brexitige Dinge“, „very brexity things“, so eine Polizistin – etwa auch ein Buch von Douglas Murray, der für den Spectator und den Telegraph schreibt, oder einzelne Ausgaben des Spectator, der weitgehend eine Pro-Brexit-Linie vertrat. Die Beamten hatten angeblich ein besonderes Interesse an Foulkes’ Lesestoff. Kommentare auf X verweisen auf das neue „Stasi Britain“.

Warnung vor Antisemitismus als Antisemitismus verstanden

Damit aber noch nicht genug, wurde Foulkes dann sogar festgenommen, für acht Stunden in einer Polizeizelle eingeschlossen und zu seinem „böswilligen Kommunikationsverhalten“ befragt. Man nahm seine Fingerabdrücke und eine DNA-Probe. Auf seine Nachfrage, was er getan habe, hieß es zunächst, er habe einen Post „extremistischer Natur“ veröffentlicht. Erst später wurde ihm sein Post gezeigt. Foulkes akzeptierte eine Verwarnung, weil er befürchtete, sonst verurteilt zu werden und nicht mehr ins Ausland reisen zu können – unter anderem zu seiner Tochter in Australien. Später gab die Polizei von Kent zu, dass diese offizielle Verwarnung eine übertriebene Maßnahme war.

Der Verhaftung lag der sogenannte „Malicious Communications Act“ zugrunde, also das „Böswillige-Kommunikations-Gesetz“ – ein Gesetz, das von „Gut“ und „Böse“ spricht. Man könnte von der Regression in finstere Zeiten sprechen. Selbst die Einkaufsliste der Frau des Pensionärs erregte den Argwohn der Polizisten. Sie hatte Bleichmittel, Aluminiumfolie und Handschuhe angeschafft. Eine „etwas merkwürdige Liste“, fand einer der Beamten, gleichsam in einer Hexenjagd begriffen. Dann erfuhr er, dass die Frau Friseurin ist.

Was die Hausdurchsuchung und Festnahme verursacht hatte, war aber noch merkwürdiger. Es handelte sich um eine Warnung vor Antisemitismus, die Foulkes in Form eines Tweets auf der Plattform X verbreitet hatte. Dieser Tweet stammt vom November 2023 und war eine Antwort auf den empörten Tweet eines Demo-Teilnehmers. Foulkes warnte den Pro-Hamas-Demonstranten, dass die Demonstranten als nächstes wohl Flughäfen stürmen würden, um nach „jüdischen Ankünften“ zu suchen. So etwas ist wirklich passiert, wenn auch in einer zentralasiatischen Republik. Die Kenter Polizei sah den Tweet allerdings selbst als antisemitisch an, was nur auf eine vom Kontext isolierte Analyse zurückführbar ist. Den Ton bei den Ermittlungen hatte zuvor das „Geheimdienst-Kommando“ der Londoner Polizei angegeben, das die Polizisten in Kent über den angeblich extremistischen Tweet informiert hatte.

Freie Rede wird angegriffen, nicht das Schwimmen im Strom

Aus der Sicht von Foulkes wird die „freie Rede ganz klar angegriffen“. Niemand sei davor sicher: „Die Öffentlichkeit muss sehen, was passiert und sollte deshalb schockiert sein.“ Foulkes zieht einen pessimistischen Vergleich mit seiner aktiven Zeit: „Ich habe so etwas nie gesehen, als ich noch bei der Polizei war. Aber dieser woke Virus, der alles infiziert, hat definitiv auch die Polizei infiziert.“

Festgehalten werden muss, dass Foulkes natürlich nicht wirklich gegen ein Gesetz verstieß, als er vor jenem Antisemitismus warnte, der in den Pro-Palästina- oder besser Pro-Hamas-Demonstrationen der letzten Monate zum Ausdruck kommt. Sie legen vor allem London allsamstäglich lahm und führen dazu, dass Juden sich nicht mehr gefahrlos in der Stadt bewegen oder die Synagoge besuchen können. Das ist keine Mutmaßung, sondern wird von Juden in London und der Umgebung so gesagt.

Man könnte also die Warnung des einstigen Polizisten vor einem überhandnehmenden Antisemitismus für gerechtfertigt halten. Man könnte sogar sagen, dass die Tatsache, dass Foulkes so behandelt wurde, wie es geschah, seine Befürchtung nochmals belegt. Die dominierende Stellung des Islam in der britischen Öffentlichkeit macht Kritik an Muslimen schon heute fast unmöglich. Îm März waren die Eltern eines neunjährigen Mädchens in Hertfordshire bei London festgenommen worden, nachdem sie in einer Whatsapp-Gruppe Kritik an den Lehrern ihrer Tochter geäußert hatten – vermutlich ging es auch hier um die Religion der Lehrkräfte und ihr daraus folgendes Verhalten.

Gegen den Labour-Abgeordneten Ian Austin wurde ermittelt, nachdem er die Hamas „islamistisch“ genannt hatte. Die feministische Autorin und Journalistin Julie Bindel bekam ebenfalls Besuch von der Polizei, nachdem ein Transgender-Mann ihre transgenderkritischen Tweets als „Hassverbrechen“ angezeigt hatte. All das sind Beispiele dafür, dass die ängstlich-eifrige Vermeidung jeglicher „Diskriminierung“ selbst wieder etwas ähnliches hervorbringt – die Verfolgung der freien Meinungsäußerung. Man könnte sagen, nun werden eben Menschen mit Meinungen diskriminiert. In Deutschland ist es nicht anders. Die wenigen Politiker, die gegen eine Einheitsfront von CSU bis zur Linkspartei schwimmen, werden auch hier als Extremisten gebrandmarkt, einfach weil sie abweichende Meinungen äußern. Die Funktionsweise des öffentlichen Diskurses in diesen Dingen ist dies- wie jenseits des Kanals dieselbe.

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Kommentare ( 28 )

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horrex
1 Monat her

„Soumises“, also „Unterwerfung“ lautet der Titel eines Buches von Michel Houellebecq das schon etwa 2010 in F. erschien und dieses „Phänomen“ in wenig freundlichen Farben beschreibt. – Gibts deutsch. –
Wenige erst hierzulande – und hier auch bei Tichy verstehen, dass wir auch in D. – dank rel. vergleichbarer Gesetzgebung – von diesem „Phänomen“ nicht mehr besonders weit entfernt sind. –

Dr. Gregor Gaida
1 Monat her

Entschuldigung, „in Gefahr“?? In UK gibt es keine Meinungsfreiheit mehr. Ein Imam darf von der Tower bridge singen, ein Christ darf nicht Mal ein Gebet in seinem eigenen Haus ausüben (wenn es z.B. zu nah an einem Abtreibungsklinikium liegt). Eines steht für mich fest: in dieses Land, das ich mal so geliebt habe, werde ich nie wieder reisen. Da war die UdSSR vor 40 Jahren sicherer und rechtsstaatlicher.

verblichene Rose
1 Monat her

„Sie“ versuchen das durch zu setzen, was „ihnen“ in den allermeisten Herkunftsländern bei Strafe verboten ist. Und diejenigen, die sich eigentlich grundsolide Gesetze gegeben haben bemerken nicht, wie diese Gesetze gegen sie verwandt werden. Wie nennt man so ein Verhalten? Gutgläubigkeit, oder doch eher vollendete Selbstaufgabe? Und wie nennt man Leute, die bestehende Gesetze bis zur Unkenntlichkeit und nur zu ihrem Vorteil verbiegen? Ich glaube „Rechtsverdreher“ wäre hier noch die harmloseste Bezeichnung.

DeppvomDienst
1 Monat her

Also überraschend tut dies nicht, das das Albion so durchdreht. Schließlich spielt 1984 nicht umsonst dort. Einmal losgetreten, walzt die Lawine weiter Richtung Tal.

Laurenz
1 Monat her

Jetzt, wo die Briten nicht mehr Milliarden in kolonisierten Völkern knechten können, müssen ihre eigenen Leute die Knute spüren.

Last edited 1 Monat her by Laurenz
Manfred_Hbg
1 Monat her

Mhh, mir war so, als hätte ich mehr als ein mal gehört und gelesen, dass das „Britische Königsreich“ die Geburtstätte der Demokratie wäre? Doch hier muß ich ja wohl irgendwas ganz stark durcheinander bekommen oder etwas falsch verstanden haben.

Nun ja, doch wir müssen hier nicht erst über den Kanal gucken und uns über GB auslassen, sondern brauchen nur auf unsere in Berlin und EU-Brüssel herrschenden wohlwollenden Pseudodemokraten und deren Zensurbestrebungen gucken.

Karlito
1 Monat her

Fälle wie Foulkes beweisen, wie nötig ein sehr weit gefasstes Grundrecht der freien Meinungsäußerung ist. Jeder Abstrich öffnet die Türen für Willkür und Tyrannei.

Johann Thiel
1 Monat her

Mir wird der Nährboden für diese Endwicklungen bei den Briten zu wenig thematisiert. In Deutschland ist es einfach, es sind linksgrüne Akteure
und ihr starker Einfluss in Politik und Medien. Bei den Briten scheint es mehr eine Universitäten-Elite zu sein, die diesen Wahnsinn in Gesellschaft und Institutionen trägt. Aber man findet nichts darüber.

John Beaufort
1 Monat her
Antworten an  Johann Thiel

Der Nährboden der Wokeness ist international. Schauen Sie einmal auf Netflix, was dort an Propaganda produziert wird. Dahinter steckt extrem viel Kapital und planmäßiges Vorgehen. Für zweitrangige Akteure in Politik und Medien sowie alle Mitläufer ist dies nur eine Ideologie, mit der ihr Gehirn gewaschen wurde. Für Big Money aber ist Wokeness ein Herrschaftsinstrument: die Zerstörung jeder Identität (national, geschlechtlich, familiär) und das Sähen von Zwietracht in der Gesellschaft (divide et impera) sind die Grundlage der Herrschaft des globalen Geldadels. Während wir von Wokeness und Massenmigration abgelenkt sind, läuft auf der ganzen Welt der größte Vermögenstransfer der Menschheitsgeschichte: die Zerstörung… Mehr

MartinKienzle
1 Monat her

Alles folgt dem sogenannten „Great Reset“, sprich Zerstörung der christlichen Gesellschaftsordnung zugunsten einer sozialistischen Ordnung, in der lediglich Willkür, ergo Terror, herrscht, da die immateriell-spirituelle Ebene gesprengt wurde, die dem Menschen lehrt, sich zurückzunehmen, die eigenen Triebe zu zähmen und vor jenem Hintergrund das Menschsein auszubilden – um diese unheilvolle Entwicklung zu stoppen, muss der sogenannte „Feminismus“ gänzlich annulliert werden, da der Mensch lediglich im Rahmen einer intakten christlich-traditionellen Familie Ethik lernt, die ihn dazu befähigt, mit der Transzendenz Kontakt aufzunehmen!

Kassandra
1 Monat her

‚We risk becoming an island of strangers, not a nation that walks forward together.‘ Sir Keir Starmer announces measures which he says will help control the number of immigrants coming into the country to live and work. https://x.com/visegrad24/status/1921868886195990828

Hört sich nach seinem Besuch in der Ukraine und nach dem Beginn der Verhandlungen um Frieden so an, als wollten sie die „Refugees“ in die Ukraine verklappen – was ja jetzt wohl nicht mehr möglich ist.
Oder Taqqiya wegen Farage – wobei der auch nichts mehr zu bewirken erkennen kann. Weder Grenzschutz noch Abschiebung der Massen schienen ihm noch möglich: https://x.com/WallStreetMav/status/1898866971124334953