Tichys Einblick
Twitter-Files

Staatsfinanzierte NGOs forderten Unterdrückung von „Wahrheiten, die Impfskepsis fördern“

Ein Konglomerat aus Regierungsbehörden, Medien und NGOs, die sich alle aus denselben Steuergeldern finanzieren, unterdrückte aktiv „Wahrheiten, die zu Impfstoffskepsis führen könnten“, und ließ Berichte anfertigen, die ihre eigenen Zensurbestrebungen legitimierten.

IMAGO / ZUMA Wire
Bereits im Februar kündigte der Journalist Matt Taibbi, der bei den Veröffentlichungen der Twitter-Files eine prominente Rolle spielt, den zukünftigen Fokus der Enthüllungen an, die sich ab März weniger den Zensurbestrebungen der Mitarbeiter von Twitter, als vielmehr des von Taibbi so benannten „zensur-industriellen Komplexes“ im Hintergrund widmen würden.

Nachdem die 17. Ausgabe der Twitter-Files Anfang März bereits die Rolle der eher unbekannten Regierungsbehörde GEC beleuchtete, die unter dem Banner des Kampfes gegen Desinformation massivst in die Moderation von Twitter eingriff, offenbart die neueste, vom Journalisten Matt Taibbi veröffentlichte Ausgabe das weitreichende Netzwerk selbsternannter Internetkommissare, die finanziert von Steuergeld den Meinungskorridor der Steuerzahler selbst bestimmen wollen. Dieser von Taibbi „zensur-industrieller Komplex“ genannte Apparat aus Regierungsbehörden, NGOs, Lobbygruppen und Partnern in den traditionellen Medien hat sich die Steuerung des öffentlichen Diskurses im Internet zur Aufgabe gemacht.

Neben den zahlreichen Regierungsorganisationen, Geheimdiensten und Aufsichtsbehörden, die auf Twitter Einfluss nahmen, gab es eine Reihe von „externen Partnern“, NGOs vermeintlicher Experten, die sich auf sogenannte Desinformation und ausländische Einflussnahme spezialisierten. Dazu zählten unter anderem der Atlantic Council, DFRLab, und das „Stanford Internet Observatory“, dessen unrühmliche Rolle in der Impfdebatte noch Gegenstand der Betrachtung werden soll.

Während es aber diesen NGOs obliegen sollte, Firmen und Regierungsorganisationen mit regulativer Distanz zu begegnen, bildeten sie stattdessen gemeinsam mit Kontaktpersonen bei Twitter eine Signalgruppe, um gemeinsame Vorgehensweisen zu erarbeiten.

Regierungsfinanzierter Bericht, um der Regierung mehr Befugnisse zum Demokratieabbau zu verleihen

Die Früchte dieser Zusammenarbeit brachten unter anderem im August 2021 den Abschlussbericht des Aspen Instituts zum Thema „Informationsstörung“ hervor. Darin plädieren die Autoren des Berichts, Katie Couric und Chris Krebs – unter „technischer Beratung“ des Twitter-Mitarbeiters Yoel Roth sowie Vertretern von Facebook und Google – für eine Gesetzgebung, die es staatlichen Behörden erlauben würde, die Herausgabe von Daten zu Moderations- und Kontrollzwecken abzufragen. Der Bericht führte als beispielhaften Kandidat zur Durchführung dieses Gesetzes explizit die Kontrollbehörde FTC an, die erst vor wenigen Tagen Schlagzeilen machte, als sie die Pressefreiheit missachtete, indem sie die Herausgabe der Identitäten der an den Veröffentlichungen der Twitter-Files beteiligten Journalisten forderte.

— Matt Taibbi (@mtaibbi) March 9, 2023

Doch mit der Abfrage von Daten nicht genug. Der Bericht des Aspen Instituts propagiert auch sogenannte „Haltebereiche“, in denen Nachrichten von „Influencern mit wiederholt schlechtem Verhalten“ zurückgehalten würden, um damit das „Potenzial weiterer Fehlinformationen zu beschränken“. Ebenso schlägt das Aspen Institute Demonetarisierung als Maßregel vor und plädiert für das Recht der Regierung, Falschinformationen einzuschränken, „auch wenn das den Verlust einer gewissen Freiheit bedeute“.

Pikant sind daran zwei Dinge: Erstens, das Aspen Institute erhält jährlich millionenschwere Förderungen von sowohl dem Außenministerium der Vereinigten Staaten, als auch von der Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID), womit die Regierung de facto eine vermeintlich unabhängige Studie mitfinanziert, die der Regierung weitreichende Befugnisse zur Begrenzung der Meinungsfreiheit einräumen möchte. Damit steht das Aspen Institute aber nicht alleine, eine Reihe von NGOs und Think-Tanks rund um Twitter bezieht jährlich große Summen vom amerikanischen Staat, darunter auch der Atlantic Council und der German Marshall Fund.

Zweitens erweisen sich die unter dem Sammelbegriff Desinformation (wahlweise: Fehlinformation) zusammengefassten Anschuldigungen als das übliche Sammelsurium dubioser Anschuldigungen. Neben Klassikern wie den angeblichen Verbindungen zu Russland und dem Iran, die oftmals selbst von Twitter-Mitarbeitern in Zweifel gezogen wurden, forderte der „zensur-industrielle Komplex“ auch die Sperrung von Youtube-Videos mit „anti-ukrainischen Narrativen“.

Unterdrückung von Wahrheiten, um Impfskepsis zu vermeiden

Den Vogel schoss aber das bereits zuvor erwähnte Stanford Internet Observatory ab, das nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 zu „Virality Project“ umbenannt wurde. Bereits zuvor handelte es sich bei dieser Organisation um einen der eifrigsten Melder unliebsamer Accounts, doch in einer Email, die Bezug nahm auf den Umgang mit „Desinformation in Bezug auf Impfstoffe“, fordert das Virality Project von Twitter, „wahrheitsgetreue Inhalte, die Impfstoffskepsis bewerben könnten“, auszusondern. Dazu gehören zum Beispiel „Geschichten über tatsächliche Nebenwirkungen der Impfung“, sowie „wahre Postings, die die Impfstoffskepsis anheizen könnten“. Damit nahmen sich, von amerikanischem Steuergeld bezahlte und von der US-Regierung finanzierte „Experten“ ohne jegliche medizinische Expertise das Recht, nicht genehme Nachrichten von etablierten Medizinern und Virologen zu unterdrücken, wenn deren Meinung nicht in das angestrebte Narrativ passte.

Genau an dieser Stelle treten auch die etablierten Medien in Erscheinung, allerdings nicht unbedingt vorbildlich. Denn anstatt die Vorgehensweise und Methodik der semi-staatlichen Desinformations-NGOs zu hinterfragen, wandten sich Journalisten der Financial Times mit der Forderung an Twitter, den Anfragen zur Sperrung unliebsamer Accounts durch NGOs nachzukommen und stellten Twitter sogar ein Ultimatum, „bis Ende des Tages beizusteuern“. Doch auch dieser Kaninchenbau reicht tiefer, denn das Netzwerk staatlicher finanzieller Förderung umfasst auch Organisationen wie Newsguard, die Medienunternehmen nach ihrem „Risiko“ und ihrer „Zuverlässigkeit“ beurteilen, was direkten Einfluss auf deren öffentliche Wahrnehmung und deren Einnahmen hat. Somit besteht ein realer finanzieller Anreiz für Medienunternehmen, den staatlichen Wünschen und Forderungen Folge zu leisten.

Federführend beim Stanford Internet Observatory ist übrigens eine der bekanntesten Kämpferinnen gegen Desinformation im Namen diverser NGOs, Renee DiResta, die als Expertin zu dieser Thematik in der Szene herumgereicht wird. Gar nicht so falsch, denn ihre Expertise dürfte unbestritten sein, wenngleich anders als behauptet. Ihre frühere Firma „New Knowledge“ war unter anderem in den Skandal „Project Birmingham“ verwickelt, in dem angeblich russische Bots erzeugt wurden, die einem republikanischen Gouverneur kurz vor einer Wahl im Jahr 2017 massiv auf Twitter folgten, um dessen Ansehen zu schädigen. Der resultierende Skandal – ein gefundenes Fressen für die Presse – führte letztlich zu einem Sieg des demokratischen Kandidaten, auch wenn sich später herausstellte, dass es sich bei den russischen Bots um eine „False Flag“, also um eine Aktion unter falscher Flagge von Anhängern des Demokraten bei „New Knowledge“ handelte. DiResta tat dies später als „Experiment” ohne tatsächlichen Einfluss auf das Wahlergebnis ab.

Twitter ist an dieser Stelle lediglich zu Gute zu halten, dass Mitarbeiter bei der Beurteilung von „Project Birmingham“ sehr wohl die Möglichkeit in Betracht zogen, dass diese Bots absichtlich von Feinden des Kandidaten eingesetzt wurden. Als jedoch die Tarnung aufflog, hielt sich auch Twitter bedeckt und kommentierte den Vorfall nicht weiter.

Diffamierung und Hoffnung bei der Anhörung

Die Twitter-Files gehen nunmehr von der Berichterstattung zur Beurteilung über. Wie es scheint, gerade rechtzeitig, denn am selben Tag, an dem Matt Taibbi die neueste Ausgabe der Twitter-Files veröffentlichte, standen er und sein Kollege Michael Shellenberger dem Justizausschuss Rede und Antwort zu ihren Veröffentlichungen. Dabei bezeichnete Taibbi den sich abzeichnenden zensur-industriellen Komplex als „das Erschreckendste, was ich je als Journalist gesehen habe“.

Doch anstatt den beiden Aufdeckern, die übrigens nach eigener Aussage Joe Biden gewählt hatten, für ihre Arbeit zu danken, mühten sich einige demokratische Vertreter, diese vor dem Ausschuss zu diskreditieren. Während die demokratische Kongressabgeordnete Sylvia Garcia noch versuchte, Taibbi über die Quelle seiner Informationen auszuquetschen, und von dessen Verschwiegenheit abzuleiten versuchte, ob ihm diese direkt von Elon Musk zugespielt wurden, bezeichnete die ebenfalls demokratische Abgeordnete Stacey Plaskett Taibbi und Shellenberger gar als „direkte Bedrohung für jene Menschen, die sich ihnen widersetzen“. Im Vergleich dazu wirkte die Anschuldigung der Demokratin Debbie Wasserman Schultz, Taibbi hätte an den Veröffentlichungen der Twitter-Files auch finanziellen Vorteil gezogen, da die Zahl seiner Twitter-Abonnenten drastisch gestiegen sei, geradezu harmlos.

Die Anhörung gab aber auch Grund zur Hoffnung, so zum Beispiel in der Stellungnahme des Republikaners Matt Gaetz, der bestrebt war, die Trennung anhand der Parteigrenzen zu überwinden und auf demokratische Politiker verwies, die zwar nicht Teil der Anhörung waren, sich aber äußerst besorgt über den Einsatz des zensur-industriellen Komplexes als Waffe zur Meinungskontrolle geäußert hatten. Die Trennlinie zwischen jenen Kräften, die in weiten Teilen die bürokratisch-pädagogische Steuerung des öffentlichen Diskurses durch staatliche oder staatsnahe Institutionen befürworten, und jenen, die diese Entwicklung ablehnen, findet sowohl in den USA, als auch in Europa vielfach entlang von Parteigrenzen statt, aber nicht ausschließlich. Die Überwindung des schematisch-reduktionistischen Denkens entlang dieser Lager ist eine zentrale Aufgabe, um dem zensur-industriellen Komplex Einhalt gebieten zu können.

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