Ein hohes Amt in der EU-Kommission ist das ultimative Ziel vieler Politiker. Der spanische Sozialist Josep Borrell hatte es erreicht. Er war von 2019 bis 2024 Außenbeauftragter der EU. Aber wie sieht es mit seinen Nachfolgern in der PSOE aus? Werden sie es nach Brüssel schaffen?

Welche Qualifikationen benötigt Politiker, um in der EU Karriere zu machen? Was schaden oder nützen Skandale? Wen schieben ihre Parteien nach Brüssel ab, wenn sie zuhause keinen Ärger mehr machen sollen?
Anfang 1999 versprach sich Josep Borrell viel von der Strategie, seinen konservativen Konkurrenten von der PP um das Amt des spanischen Ministerpräsidenten, Josep Piqué, mit einem an den Haaren herbeigezogenen Vorwurf anzugreifen. Piqué sparte Steuern, indem er ein Haus im Namen seiner Firma gekauft hatte. Ein vollkommen üblicher und legaler Vorgang. Allerdings hoffte Borell, der damals Kandidat der PSOE für das Amt des Ministerpräsidenten war, daraus politisches Kapital schlagen zu können.
Doch genau zu diesem Zeitpunkt deckte die Audiencia Nacional einen viel größeren und tatsächlichen Steuerbetrug auf. Borrells zwei wichtigste Mitarbeiter und intimen Freunde hatten während seiner Zeit als Staatssekretär des Finanzamts 500 Millionen Euro vor den Steuerbehörden versteckt.
Unabhängig davon, was sich hinter diesen Millionen verbarg – Verdacht auf Bestechungsgelder, privilegierte Informationen (Borrell hatte neben seinen Posten als Staatssekretär einen mit 300.000 Euro dotierten Verwaltungsratsposten bei Abengoa) – bedeutete ihre Verheimlichung nichts Gutes für Borrell. Denn als Staatssekretär für das Finanzministerium führte er gleichzeitig Kampagnen durch, um die Bürger auf ihre moralische Pflicht zur Zahlung von Steuern aufmerksam zu machen („Hacienda somos todos“, „Wir alle sind das Finanzamt“). Ebenfalls zur gleichen Zeit halfen seine Kollegen im Finanzministerium Prominenten bei der Optimierung ihrer Steuerschuld. Angeblich ohne dass Borrell etwas davon wusste. Aber Borrells enge Freundschaft mit den beiden war zu offensichtlich. Das Trio hatte in einem Bergdorf Wohnungen gekauft. Jeder eine für sich. Eine Distanzierung war deshalb wenig erfolgversprechend.
Borell wurde 2018 außerdem von der spanischen Wertpapieraufsichtsbehörde (CNMV) wegen Insiderhandels zu einem Bußgeld von 30.000 Euro verurteilt. Er legte damals keine Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Als Mitglied des Verwaltungsrats von Abengoa hatte er im November 2015, unmittelbar vor der Insolvenz des Unternehmens, 10.000 Aktien auf Rechnung eines Dritten – das war seine Ex-Frau – verkauft.
Vorher, seit Januar 2010, so Wikipedia, war Borrell als Präsident des Europäischen Hochschulinstituts (EUI) in Florenz tätig. Aufgrund einer Kontroverse über eine nicht offengelegte, mit 300.000 Euro pro Jahr dotierte Aufsichtsratsmitgliedschaft beim Energiekonzern Abengoa, musste Borrell zum Ende des akademischen Jahres 2012 sein Amt als EUI-Präsident aufgeben.
Danach war er natürlich als möglicher spanischer Ministerpräsident überqualifiziert. Wie gut, dass es die EU gibt, hier konnte er brillieren und fiel dabei vor allem durch eine tiefsitzende Abneigung gegen Israel auf. Aber wie sieht es nun bei seinen Nachfolgern in der PSOE aus? Wer könnte sich qualifizieren? Hier eine unvollständige Liste.
Pedro Sánchez, der jetzige Parteivorsitzende der spanischen sozialistischen Partei hat es nicht leicht. Im Parlament hat seine Koalition mit der kommunistischen Sammelbewegung SUMAR keine gesicherte Mehrheit. Jede Abstimmung ist ein Vabanque Spiel. Die vier nationalistischen Unabhängigkeitsparteien, darunter BILDU, der politische Arm der Terrororganisation ETA, lassen sich jede Zustimmung teuer bezahlen. Beim Haushalt hat das auch knapp zwei Jahre nach Antritt der neuen Regierung trotz großer Zugeständnisse bis heute nicht geklappt.
Aber das ist nicht alles. Seine Partei und er selbst sind in eine Reihe nicht enden wollender Korruptionsskandale verwickelt. Kaum scheint einer ausgestanden, kommt schon der Nächste um die Ecke.
Am Ende der letzten Legislaturperiode 2022 war es der Fall Koldo García aus der Corona-Zeit. Koldo García wurde angeklagt und war auch zeitweise in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wurden ihm korruptionstypische Vergehen wie das Abrechnen unüblich hoher Provisionen und Schmiergeld-Zahlungen. Zusätzlich entsprachen die von ihm vermittelten Masken nicht den erforderlichen medizinischen Standards. Aber auch das wurde mit Hilfe von Politikern der PSOE vertuscht. Koldo García wird von manchen Zeitungen als etwas zwielichtig beschrieben. Als Stadtrat der Partido Socialista de Navarra (PSN) von Huarte war er ein Parteikollege des derzeitigen Generalsekretärs der PSOE, Santos Cerdán. 2018 wurde er Chauffeur des damaligen Generalsekretärs der PSOE José Luis Ábalos. Als Ábalos später Verkehrsminister wurde, berief dieser ihn in den Vorstand der staatlichen Firma Renfe Mercancías. Zusätzlich war er auch Mitglied des Verwaltungsrats von der ebenfalls staatlichen Firma Puertos del Estado.
Der Richter ist der Ansicht, dass García bei den Verhandlungen über den Kauf von Gesichtsmasken durch das Ministerium mit Unternehmen in mehreren Provinzen als Vermittler auftrat und für die Vermittlung dieser Verträge Schmiergelder oder Provisionen verlangte. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft tat er dies unter Missbrauch seiner öffentlichen Stellung. Seinen ersten Vertrag hatte Koldo García mit Puertos del Estado abgeschlossen, wo er passenderweise Mitglied des Verwaltungsrates war.
Laut der Zeitung “La Razon” beläuft sich der Schaden auf etwa 54 Millionen Euro.
Danach, 2023, kam der Fall Tito Bernie. Es war der Fall Mediador. Hauptdarsteller der damalige Kongress-Abgeordnete der PSOE Juan Bernardo Fuentes Curbelo, ein General der Guardia Civil, sowie einem kanarischen Geschäftsmann. Das Trio versprach Geschäftsleuten der Kanaren gegen die Zahlung von nur 5.000 Euro privilegierte Behandlung bei öffentlichen Aufträgen. Abgewickelt wurden die Zahlungen über einen Sportverein den Juan Bernardo Fuentes Curbelo, alias „Tito Berni”, kontrollierte. Aber die Ermittler fanden auch Überweisungen auf Bankkonten von Partnern oder Verwandten der Beteiligten.
Mit den so erzielten Einnahmen veranstaltete das Trio, in einem Hotel in direkter Nähe zum Kongress, Orgien mit Prostituierten, die Tito Bernie vorher aus Katalogen ausgesucht hatte. Man filmte sich auch dabei und verschickte diese Videos per WhatsApp. Vor lauter Stolz auf die eigenen darstellerischen Leistungen war man aber gelegentlich bei der Auswahl der Empfänger dieser Videos nicht so vorsichtig, wie es der Inhalt vielleicht hätte ratsam erscheinen lassen sollen. Bald machten die Videos die Runde. Dem Geschäft der drei Freunde war das nicht zuträglich.
In dieser Affäre tauchen auch die Namen unserer Bekannten José Luis Ábalos und Koldo García wieder auf. „Okidiario“ schreibt: “Die Beziehung zwischen dem ehemaligen Minister und ehemaligen Generalsekretär der PSOE, José Luis Ábalos und Jésica Rodríguez beschreibt ein neues Kapitel der Beziehung der sozialistischen Partei zur Prostitution. Ein Kapitel einer von Korruption zerfressenen politischen Partei, die sich rühmt, gegen „alle Formen der Zuhälterei“ vorzugehen. Ihre Spitzenpersonal macht aber das genaue Gegenteil”.
Ábalos wählte Jésica, zu der er eine „besondere Beziehung“ unterhielt, so okidiario, aus einem Katalog von Prostituierten aus, den ihm sein damaliger Berater Koldo García Izaguirre zur Verfügung stellte. Laut der Zeugenaussage der jungen Frau bezahlte der ehemalige Minister alles auf den “Dienstreisen“, auf die sie ihn begleitete. Mindestens eine pro Monat”.
“Koldo selbst hatte auch noch Verbindungen zu weiteren Mitgliedern der PSOE, die alle im flagranti mit den tías”, den Prostituierten, erwischt worden waren.
Kaum war über diese Episode etwas Gras gewachsen, ging es im direkten Umfeld des spanischen Präsidenten und Chef der PSOE, Pedro Sánchez, erst richtig los. Seiner Frau, Begoña Gómez, wird Korruption und Einflussnahme bei der Vergabe von Subventionen an Unternehmen vorgeworfen.
Kaum war die erste Aufregung über die Frau des spanischen Präsidenten leicht abgeklungen, begannen die Meldungen über den Bruder und den Schwager von Sánchez.
„Eldiario.es“ berichtet: “Das Gericht Nr. 3 von Badajoz hat eine mündliche Verhandlung gegen David Sánchez, den Bruder des Regierungspräsidenten, den Präsidenten des Provinzialrats von Badajoz, Miguel Ángel Gallardo, und neun weitere Personen wegen angeblicher Einflussnahme und Täuschung im Zusammenhang mit der Schaffung einer öffentlichen Stelle als Koordinator der Konservatorien von Badajoz und ihrer anschließenden Vergabe an David Sánchez eröffnet”.
“Die Staatsanwaltschaft beantragte die Einstellung des Verfahrens, da ihrer Ansicht nach keine „echten rationalen Anhaltspunkte für eine Straftat“ vorlägen, sondern nur „Vermutungen und Spekulationen“. Richterin Beatriz Biedma stellte in ihrer schriftlichen Erklärung jedoch klar, dass diese Beschwerde, über die das Landgericht zu entscheiden hat, keine aufschiebende Wirkung hat”.
Die Klage gegen den Schwager des Präsidenten liest sich ähnlich. “Eldistrito.es„: “Er wird der Einflussnahme beschuldigt. Seiner Produktionsgesellschaft für audivisuelle Darstellung soll das Finanzministerium, nach seiner Intervention, 16,3 Millionen Euro Steuernachlass gewährt haben. Die Dokumente tragen seine Unterschrift. In der Klageschrift wird behauptet, dass Vancouver Media, das Unternehmen, in dem der Schwager des Präsidenten arbeitet, „von Verträgen und Steuervergünstigungen ohne Wettbewerb profitiert hat“. Weiter heißt es, dass „diese Privilegien von öffentlichen Einrichtungen stammen, die direkt oder indirekt von der Regierung kontrolliert werden“.
Der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo wirft Sánchez Vertuschung vor. „Aber“, sagte er vor dem Parlament, ”seine gesetzgeberische Agonie wird ihm lächerlich im Vergleich zu seiner juristischen Problemen vorkommen. […] Die Institutionen des Staates können nicht in den Dienst ihrer juristischen Verteidigung gestellt werden, sie gehören dem spanischen Volk. Treten Sie zurück“, rief Feijóo. „Sie haben vier Gerichtsverfahren, 15 Ermittlungsverfahren, mit 11 beteiligten Ministerien, die dritthöchste Behörde des Staates, Ihre Partei, Ihre Regierung, Ihre Familie und Sie wissen von allem“. Der Oppositionsführer fuhr fort, dass das politische Urteil über Sánchez auf der Tatsache beruhe, dass „Sie in erster Linie gekommen sind, um die Korruption zu bekämpfen, und was Sie getan haben, war, sie auszuüben”. […] “Alle Wege führen zu Ihnen, die Bestechungsgelder, […] die Goldbarren, die Taschen von Ferraz (dem Hauptquartier der PSOE in Madrid), einfach alles”.
Als Feijóo diese Rede hielt war der jüngste Fall der PSOE aber noch nicht bekannt.
Ein Bericht der Innenbehörde der Nationalen Polizei von Teneriffa hat die Beziehung zwischen dem Vizepräsidenten des Parlaments der Kanarischen Inseln, dem hochrangigen PSOE-Funktionär auf Teneriffa, Gustavo Matos, und dem libanesischen Geschäftsmann und Drogenhändler auf Teneriffa, Mohamed Derbah, ans Licht gebracht. Der sozialistische Politiker und der libanesische Geschäftsmann trafen sich in der Cafeteria eines Kaufhauses in Santa Cruz de Tenerife. Bei diesem Treffen bat Derbah Matos, zu vermitteln, um den polizeilichen Druck auf seine Geschäfte im Süden Teneriffas zu verringern, die er als Deckmantel für sein Drogenhandels nutzte.
Gustavo Matos versicherte hingegen, dass er mit dem libanesischen Geschäftsmann Mohamed Jamil Derbah – dem mutmaßlichen Rädelsführer der Organisation – lediglich vereinbart habe, das Innenministerium über eine Reihe möglicher polizeilicher Verstöße auf Teneriffa zu informieren.
Mohamed Derbah wurde am 30. April als mutmaßlicher Anführer einer Gruppe von Drogenhändlern verhaftet, an der auch einige Polizeibeamte beteiligt gewesen sein sollen. Gegen den Inspektor Francisco Moar, der die Ermittlungen im „Fall Mediador“ – wir erinnern uns – wegen angeblicher Korruption eingeleitet hatte, wird ebenfalls ermittelt. Die Abteilung “Interne Angelegenheiten der Nationalen Polizei” wirft Derbah Drogenhandel, Geldwäsche, Zahlung von Bestechungsgeldern vor und Chef der größten kriminellen Organisation auf der Insel zu sein.
Gegen Matos selbst ist in dem Fall bisher keine Anklage erhoben worden, obwohl die Zeitung El Mundo behauptet, dass auch gegen ihn ermittelt würde. Matos selbst bestreitet „wirtschaftliche, geschäftliche oder berufliche Beziehungen jeglicher Art“ zu dem Verhafteten unterhalten zu haben. Er habe eine „herzliche Beziehung gehabt, die sich aus gemeinsamen Freundschaften im geschäftlichen und sozialen Bereich Teneriffas ergeben hätten. Es hätten aber zu keiner Zeit rechtliche Verpflichtungen bestanden“.
Laut „elmundo.es“ beschuldigt die Polizei „ein führendes Mitglied der PSOE Teneriffas“, der mit dem Minister für Territorialpolitik Ángel Víctor Torres Pérez in enger Verbindung steht, in den Drogenschmuggel verwickelt zu sein und zitiert was er gesagt haben soll: „Was wollen Sie von mir? Geben Sie mir ein paar Tage“. […] Ich helfe meinen Freunden“.
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Danke für die profunden Hintergründe des Korruptionsskandals, da ich seit Anfang des Jahres in Spanien lebe und ich täglich auf irgendeinem spanischen Sender mit dem Korruptionsskandal konfrontiert werde, ohne dass ich bislang die Anfänge und die Hintergründe kannte.
Mit den Masken erinnert stark an Deutschland. Überhaupt ist mein Eindruck, daß Deutschland das große Vorbild für Spanien in vielen Bereichen ist. Ob das so klug ist?
Auch in Spanien regieren die Sozialisten (mit).
Also kein Wunder, dass dort Korruption, Vetternwirtschaft und persönliche Bereicherung ganz vorne liegen.
Wenn man so was liest kommt man sich vor wie Zuhause.