Juventus Turin: Die ‚Alte Dame‘, La vecchia Signora, wird 100

Der traditionsreichste Fußballklub Italiens, Juventus Turin, wird 100 Jahre alt. Die glorreichen Zeiten, die eng an die Industriellen-Dynastie der Agnellis verknüpft sind, scheinen momentan aber der Vergangenheit anzugehören. Stattdessen dominieren jetzt Vorwürfe der Bilanzfälschungen die Schlagzeilen. Eine Retrospektive.

IMAGO / NurPhoto

Einhundert Jahre alt, und kein bisschen leise. Italiens Rekordmeister, Juventus Turin, feiert sein Vereinsjubiläum.

Ganz Italien ist am Gratulieren. Morgens zur besten ‚Stauzeit‘ im Auto riefen Fans und Gegner gleichermaßen bei den Radiosendern oder im Frühstücksfernsehen an, und wünschten, „Tanti Auguri, alles Gute, für die nächsten 100 Jahre”, oder wie ein Inter Mailand-Tifoso es ausdrückte: „Ich bin zwar absoluter Juve-Gegner, aber dieser Club ist dennoch einmalig. Und was wäre die Seria A ohne Juve und diese Feindschaft auf dem Platz?“

Im Juli 1923 übernahm Edoardo Agnelli, der Sohn des FIAT-Gründers Giovanni, den Club als Präsident. Von diesem Zeitpunkt an waren Juventus Turin, die FIAT-Automobilgruppe und der Agnelli-Clan (keine normale Familie, sondern eine wahre Dynastie mit viel Melodramatik) über ein Jahrhundert eng miteinander verwoben.

Der Fußballclub Juventus war ein Spielzeug und Hobby der Agnellis. Darüber hinaus aber auch der Stolz der bei Fiat angestellten Bürgerschaft. Nach der Maloche kam sofort der Fußball und es gab in der Tat viele Erfolge zu feiern: 36 Meistertitel – der Scudetto – von denen zwei sogar wieder aberkannt wurden, sowie alle Europapokale und der Weltpokal finden sich in der Klubgeschichte wieder und zieren die Vitrinen des stolzen Turiner Clubs.

Gianni Agnelli, der Sohn Edoardos, wiederum, war ein smarter Typ und Mann des Jetsets und gilt bis heute als beliebter Industrieller, der die alte Dame sogar selbst leitete, bis er dem Ex-Spieler Giampiero Boniperti den Vorstand als ‚Presidente‘ überließ. Im Hintergrund aber blieb ‚Avvocato‘ Gianni Agnelli immer der wahre Patron.

In den langen Annalen des Klubs feierten Spieler wie Dino Zoff, Platini, Boniek, Paolo Rossi, del Piero und Zidane, sowie deutsche Nationalspieler wie Jürgen Kohler, Thomas Hässler und Andreas Möller mit Juve unzählige Meistertitel und Cupsiege.

Die Bianconeri tragen diese typische Sieger-DNA in sich. Der letzte wahre Agnelli, nämlich Andrea, der Sohn von Umberto Agnelli und Neffe von Gianni, feierte ebenfalls etliche Erfolge mit dem Klub. Er holte zudem Cristiano Ronaldo zu Juve, muss sich aber nun wegen Vorwürfen der Bilanzfälschung mit der Staatsanwaltschaft und Anwälten abgeben. Es gilt jetzt seinen eigenen, sowie den Ruf der ‚Vecchia Signora‘ zu verteidigen. Viele würden sogar sagen, ihn wiederherzustellen, denn zuletzt standen leider die Vorwürfe zu falschen Gehaltsangaben und das Ignorieren des, von der UEFA streng überwachten, Financial Fairplay im Fokus.

Möchte sich Juventus mit dem neuen Interimspräsidenten Gianluca Ferrero gar des Namens Agnelli entledigen?

Jahrzehntelang war es Tradition, dass sich die Mannschaft vor Saisonbeginn im piemontesischen Villar Perosa zum Stelldichein und Trainingsspiel traf. Dazu gab es immer ein Dinner auf dem Anwesen der Agnellis. Doch diesmal? Abgesagt.

Man möchte die Tifosi gleich ins beliebte Stadion von Juventus, entstanden unter Andrea Agnelli, bitten, denn Juventus möchte so schnell wie möglich wieder in der Champions League dabei sein. Doch ausgerechnet zum 100. Geburtstag muss die Alte Dame kleine Brötchen backen. Ein ganz neues Gefühl für die Bianconeri, die Tifosi des Rekordmeisters.

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