Bürgerwehren an Polens Grenzen: Tusks Gründe für Grenzkontrollen

Polens Premier Tusk setzt auf Grenzkontrollen. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor politischem Druck und Bürgerwehren an der Grenze. Während Deutschland weiter moralisiert, zeigt Tusk, wie dünn der Lack europäischer Solidarität wirklich ist.

IMAGO

Es gibt anscheinend zwei Methoden in der Asyl- und Grenzpolitik der EU, und beide müssen begangen werden, um das Ziel einer Verminderung der Migrationsströme zu erreichen. Zum einen lassen sich Grenzen durch konkrete Maßnahmen, physische Barrieren und Kontrollen schützen. Damit wird man aber nicht bis zum Ende hinkommen, wenn nicht auch das Vorgehen im Hinterland der Grenze angepasst wird. Der zweite Teil der Lösung ist deutlich komplexer als der erste. Man könnte sagen, dass ein Donald Tusk derzeit die einfache Flucht nach vorn, an die Grenze gewählt hat. Polen schützt nun nicht mehr nur seine Grenze zu Weißrussland mit einem Zaun, mit Grenzpolizei und einer Bannmeile, sondern hat auch Grenzkontrollen zu Deutschland und Litauen eingeführt.

Die beiden betroffenen Grenzen senden allerdings auch unterschiedliche Signale: Die Kontrollen nach Osten dürften bedeuten, dass Polen versucht, illegale Einreisen von dort zu unterbinden und also die Litauer an ihren Status als Erstankunftsland zu erinnern, das die EU-Außengrenzen schützen oder Asylverfahren durchführen muss. Durch die Kontrollen nach Westen soll dagegen wohl eher verhindert werden, dass die Bundespolizei unbemerkt vom polnischen Grenzschutz Zurückweisungen vornimmt, die die Regierung Merz für ihr gutes Recht hält.

Vor allem mit den Grenzkontrollen nach Westen reagierte Tusk zudem auf die national gesinnte Opposition der PiS (samt ihrem neugewählten Präsidenten). Denn die unterstützt gewisse Bürgerwehren, die sich in den letzten Wochen vermehrt an der deutschen Grenzen einfanden und illegale Einreisen (Rückreisen?) von Migranten eigenhändig verhindern wollten. Genau dadurch geriet Tusk politisch unter Druck und hatte vielleicht kaum noch eine andere Wahl, als die Kontrollen einzuführen, um diesen Raum – der von keiner Bannmeile belegt ist – wieder für sich einzunehmen.

Es ist wohl nicht die Wirkung, die sich Merz und Dobrindt von ihren Grenzkontrollen erhofft haben, aber vielleicht unvermeidlich. Die Kontrollen nach Litauen wären wohl eher nach dem Geschmack der Union. Dort kommt ein gewisser Domino-Effekt der Grenzkontrollen zum Ausdruck. Ein Land nach dem anderen muss Kontrollen einführen, um sich vor illegalen Einreisen zu schützen, weil Deutschland als Endabnehmer ausfällt.

Dennoch riecht es im deutsch-polnischen Verhältnis aus den genannten Gründen eher nach Spannungen. Die deutsche Haltung hat Unfrieden in die Europäische Union gebracht, nachdem Merkels Grenzöffnung und das großzügige Sozialregime zuallererst für den Anstieg der Migrationszahlen gesorgt hatten. Immer ist Pünktchen Deutschland schuld.

Sachte und sachlich gegen laut und polternd

Den anderen Weg einer Reform oder Rosskur für das Asylsystem in der EU und Europa wählt die Dänin Mette Frederiksen im Verein mit Giorgia Meloni. Wenn der andere Kurs eher holzschnittartig und grob daherkommt, könnte man dieses Vorgehen sacht und sachlich nennen. Warum Viktor Orbán nicht mit von dieser Partei war und den offenen Brief nicht unterschrieb, bleibt offen. Vielleicht ist ohnehin von seiner Zustimmung auszugehen, die dem Schreiben im Vorfeld aber nicht geholfen hätte.

Ins Auge fällt, dass es doch eher Politiker der vagen „Mitte“ (plus Meloni) sind, die sich hier für eine Verschärfung der Abschieberegeln ausgesprochen haben. Auch Tusk und weitere Osteuropäer haben unterzeichnet. Insgesamt aber eher das „Fußvolk“ der EU, die beiden Großen (Frankreich und Deutschland) sind wiederum nicht von der Partie. So war es immer, auch wenn es um physische Barrieren und mehr Grenzschutz ging.

Nichtsdestotrotz steht die Initiative für mehr Augenmaß bei Anwendung von Menschenrechtskonventionen nun im Raum und würde bei Erfolg die Bemühungen um „Ordnung“ in der Migration unterstützen. Es ist ja in der Tat verworren, wer in diesem Europa, dieser EU überhaupt die wilde Migration über die Grenze will und davon profitiert. In Frage kommt freilich die internationale Asylindustrie von staatlich bezahlten Dienstleistern, aber auch die Bauindustrie in ‚Endlagerstätten‘ wie Deutschland. Auch der Großindustrie allgemein wird immer wieder ein Interesse an recht vielen „billigen Händen“ unterstellt, die das Lohnniveau insgesamt unter Druck setzen, was von linken wie christdemokratischen, christsozialen Kommentatoren immer außer Acht gelassen wird: Dafür gibt es ja den Sozialstaat. Tusk gehört hier eigentlich nicht konsequent in einen Raum rechts der CDU. Ob er jetzt eine Kehrtwende macht oder versucht, eine Rechtswende der EVP durch Lärm und Aufruhr zu hintertreiben, bleibt vorerst offen.

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Kommentare ( 82 )

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82 Comments
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H. Hoffmeister
14 Tage her

Die Situation ist die folgende: Deutschland hängt Riesenstücke Käse überall im Land auf, wohlriechend, goldgelb, weithin sichtbar auch auf anderen Kontinenten. Die hungrigen Mäuse aus aller Herren Länder können nicht widerstehen und migrieren zum Käse, um sich an ihm zu laben. Der Käse ist im übrigen kein Lockmittel für eine Mausefalle sondern Anzeiger von „hier gibt’s Wohnung, Essen, Heimaturlaub, Gesundheitsversorgung und Taschengeld für umme“.

Manfred_Hbg
14 Tage her

Ach, was liebe ich doch die Polen…. . 🙂 Zitat 1: „Es ist wohl nicht die Wirkung, die sich Merz und Dobrindt von ihren Grenzkontrollen erhofft haben“ > Wenn ich vorhin im Hintergrund bei WELT richtig mitgehört hatte, da wurden Dobrindt’s (CSU) Grenzkontrollen angeprangert und von etwa 8000 Asylanträge gesprochen und das niemand weiß wie es zu dieser Zahl kommen kann. Wobei hier dann die Flughäfen genannt wurden und das sich hier zum Beispiel in Italien irgendein dort angelanderer „Bereicherer“ etwas Geld verdient, dann ins Flugzeug setzt und dann so gemütlich ins Land fliegt wo Milch & Honig am fließen… Mehr

Kuno.2
14 Tage her

Eine Bürgerwehr ist die demokratischste Form, denn diese kommt direkt aus dem Volk.
In Deutschland streng verboten. Genauso verboten wie Volksabstimmungen. Die Volksabstimmung ist die übliche Form der politischen Willensbekundung in der Schweiz- und wird von der AfD gut geheißen.

Sonny
14 Tage her

Also Tusk scheint doch noch so etwas wie ein kleiner Patriot zu sein. Er nimmt die Bürgerwehren ernst und ersetzt sie durch den Staat.
Man stelle sich vor, deutsche Bürgerwehren würden die deutsche(n) Grenze(n) überwachen:
Hausdurchsuchung in aller Frühe, Verhaftungen, schmerzhafte Strafen und das Diskreditieren über die deutsche Hofpresse – und zwar für die Bürgerwehr-Mitglieder.
Wer daran zweifelt, sollte es mal versuchen. Wirksam wäre das aber allemal, und je mehr mitmachen, umso eher könnte man die Politik zu dem zwingen, was Tusk jetzt mehr oder weniger freiwillig gemacht hat.

Last edited 14 Tage her by Sonny
Kassandra
14 Tage her
Antworten an  Sonny

„Also Tusk scheint doch noch so etwas wie ein kleiner Patriot zu sein. Er nimmt die Bürgerwehren ernst und ersetzt sie durch den Staat.“
Nun ja. Damit hat er seine Landsleute erst mal aus dem Spiel und weg von der Grenze.
Was die polnischen Grenzschützer dann wirklich machen, wird zu beobachten sein.
Unsere scheinen an den Grenzen ja auch in Mehrzahl nur dumm herum zu stehen – bis ihnen einer blöd genug in die Arme läuft.

Innere Unruhe
14 Tage her

„Durch die Kontrollen nach Westen soll dagegen wohl eher verhindert werden, dass die Bundespolizei unbemerkt vom polnischen Grenzschutz Zurückweisungen vornimmt, die die Regierung Merz für ihr gutes Recht hält.“
Wie können wir mit Polen dieselben europäischen Werte teilen, wenn sie sich weigern, Asylanten aufzunehmen???

alter weisser Mann
14 Tage her

„wie dünn der Lack europäischer Solidarität wirklich ist“
Tut doch nicht jedes Mal überrascht von solchen Erkenntnissen.

Innere Unruhe
14 Tage her
Antworten an  alter weisser Mann

Es sind eher die Deutschen, die übrrascht sind, welche Werte wir mit den anderen EU-Ländern teilen.
Der Rest der EU hat begriffen, dass endloser Asylantensupport keinen Wert hat.

verblichene Rose
14 Tage her
Antworten an  Innere Unruhe

Die EU ist eine Solidargemeinschaft.
Das bedeutet für mich, daß das nicht nur auf das Abgreifen begrenzt ist.
Wo sind denn die anderen 26 Mitglieder, wenn es um die „Rettung“ Europas geht?
Ich hätte übrigens überhaupt nichts dagegen, wenn die EU-Shareholder den deutschen Politikern mal so richtig auf die Finger klopfen!

Innere Unruhe
12 Tage her
Antworten an  verblichene Rose

Können Sie mir ein Beispiel dieser Solidarität aus den letzten 40 Jahren geben, wo Deutschland nicht zahlen musste?

Haba Orwell
14 Tage her

> Durch die Kontrollen nach Westen soll dagegen wohl eher verhindert werden, dass die Bundespolizei unbemerkt vom polnischen Grenzschutz Zurückweisungen vornimmt, die die Regierung Merz für ihr gutes Recht hält.

Polnische rächte Medien berichten, dass die Bundespolizei unter diesem Vorwand ganz beliebige Leute vorbeibringt, die auf beliebigen Wegen nach Buntschland gekommen sind – wen man nur loswerden will. Ob man es glauben möchte oder nicht – konservatives Polen glaubt es.

verblichene Rose
14 Tage her
Antworten an  Haba Orwell

Ob man es glauben möchte, oder nicht…?
Und die „Flüchtlinge“ sammeln sich ausgerechnet an der deutsch-polnischen Grenze?
Wer’s glaubt wird selig!

imapact
14 Tage her

Alles nur Stückwerk. Europa sollte endlich erkennen, daß der überkommene Asylbegriff die Axt ist, die Europa fällen wird. Europäische Grenzen schließen, Asyl“Recht“ abschaffen, Mittelmeertraffic der „NGO’S“ verbieten, Massenrückführung, Vereinheitlichung der Asylstandards nach unten. Von Gesetzen bis Institutionen, alles aus dem Weg räumen, was einer konsequenten Lösung im Weg steht.

STRichter
14 Tage her

Verursacht hat das Problem Deutschland. Es hat eine Woge mit enormer Massenträgheit in Gang gesetzt, die sich nicht so einfach stoppen lässt. Ich kann die Polen gut verstehen. Im übrigen imponiert mir jedes Volk, das stark genug ist, seinem Premierminister Angst zu machen.

Walter.Reichert
14 Tage her

Polen ist ein Land der EU. Polen erhält Milliarden an EU-Subventionen hauptsachlich bezahlt vom deutschen Steuerzahler. Sie sollten endlich mal ihren Verpflichtungen nachkommen und Migranten entweder an der Einreise an ihrer Außengrenze hindern oder selber behalten. Stattdessen Subventionen gerne und den Rest bis nach Deutschland durchwinken. DIe EU sollte mal an den Subventionen drehen, damit nicht bei allem Negativen Deutschland die Hauptlast übernimmt.

Kassandra
14 Tage her
Antworten an  Walter.Reichert

Damals, als Imad Karim seine Dokumentation „Polens deutsche Migrationskrise“ veröffentlichte, sorgten sie sehr wohl für Grenzschutz im Osten, die Polen: https://www.youtube.com/watch?v=vZgSx-eWzCE Betrachtet man die ersten 10 Minuten des Films wird klar, weshalb sie nach Deutschland wollen. All die, die sich für teuer Geld die Schleusung kauften, wissen, dass der Einsatz sich innerhalb von 3 Jahren amortisiert hat – und zudem der Deutsche Pass dann Zugang zu aller Welt verspricht. . Und dass „Migranten“ nicht in Polen bleiben mögen wenn anderswo mehr Geld lockt erklärt die Journalistin Aleksandra Rybinska im Interview mit Herrn Tichy: https://www.youtube.com/watch?v=MORHx1mUKxA Auch, wenn solche Menschen in Polen… Mehr

Walter.Reichert
14 Tage her
Antworten an  Kassandra

Genau deswegen Sammelunterkunft, 3 Mahlzeiten, keine Duldung, kein Zuzug und kein deutscher Pass, dann könnte man etwas bewirken.

CasusKnaxus
14 Tage her
Antworten an  Walter.Reichert

Gar nicht reinlassen. Endlich Grenzschutz. Die korrupten FrontexKommandeure rausschmeißen und wirklich ihren Aufgaben nachkommen. Wird aber bei diesem EU Personal nicht passieren. Deshalb gehts nur national Schritt für Schritt um den Druck auf die EUdSSR-Kommission zu erhöhen und sie zu isolieren…

Elmar
14 Tage her
Antworten an  Walter.Reichert

Über Polen reisen hauptsächlich Ukrainer ein und sogenannte Südukrainer, mithilfe von korrupten ukrainischen Beamten, die nagelneue ukrainische Pässe auf eigene Rechnung verkaufen. Wenn mich recht erinnere, kann man in Deutschland von Ukrainern und Südukrainern immer noch nicht genug kriegen. Sozialbetrug hin oder her spielt keine Rolle. Ergo sitzen die Hauptübeltäter nach wie vor in Berlin und in Brüssel. Nicht in Polen.

Kassandra
14 Tage her
Antworten an  Elmar

Tja. Was halt so alles seit Jahren als „Ukrainer“ hier einreist. Nicht wahr? Betrachten Sie die Doku – und Sie erkennen anderes. Aber was Sie schreiben ist natürlich ein zusätzliches weites Feld, das schon zu Zeiten, als Fischer Außenminister war, zu unseren Lasten betrieben wurde: Und hier des Joschka Sause um das Jahr 2000, als er als Außenminister unter Duldung Otto Schilys über die Ukraine welchen Zugang nach Deutschland verschafft hat: »Für das Jahr 2001 wird erwartet, dass an der deutschen Botschaft ca. 400 000 Schengen-Visa ausgestellt werden. Ein großer Teil wird nach unseren Erkenntnissen von Schleusernetzwerken für die Schleusung… Mehr

Ronce
14 Tage her
Antworten an  Walter.Reichert

Wenn du einen Deppen gefunden hast, der sich freiwillig übers Ohr hauen lässt, dann soll man es nicht machen?
Warum? Polen spielt das System. Merkel hat gesagt wir schaffen das. Also rein mit denen. Der länger hier lebende ist halt auch einfach stur! Umvolken und Islamisierung findet nicht statt!

CasusKnaxus
14 Tage her
Antworten an  Walter.Reichert

Muß Schland ja nicht. Unsere Regierungen sind selbst schuld. So ein Quatsch. „Die EU sollte…“, die ist Teil des Problems! Schön, daß einzelne Regierungen da standhaft gegenhalten. Subventionsargument – so ein Blödsinn. Der Migrationsirrsin war bei EU-Beitritt überhaupt nicht absehbar und vorstellbar.