Zum Geisteszustand des Berliner Betriebs

In Scholzens Sommerpressekonferenz füllt der Kanzler 105 Minuten. Selten wurde wortreicher geschwiegen. Die wenigen kritischen Fragen lächelt er hinweg. Immerhin tadelt er Habeck, ohne ihn beim Namen zu nennen für seine „Rücksichtslosigkeit“. Als vermutlich einziger Mensch der Welt ist er von seinen Regierungskünsten geradezu beglückt.

Die erste Woche der parlamentarischen Sommerpause war keine Erholung, sondern gut gefüllt mit dem Elend der deutschen Politikerklasse – ablesbar an drei zentralen Figuren. Sie begann mit der „Sommerreise“ des Vizekanzlers und endete mit der „Sommerpressekonferenz“ des Kanzlers. Dazwischen gab der Oppositionsführer zu, dass es so nicht weitergehen kann, und feuerte seinen Generalsekretär.

I.

Es gab einmal eine Zeit, da waren die Generalsekretäre der CDU auf- und anregende Vordenker und alles andere als nur Sekretäre ihrer Vorsitzenden. Vor bald einem halben Jahrhundert hießen sie Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler, der das Amt zwölf Jahre lang ausübte – bis er eine Rebellion anzettelte. Beide lagen immer auch im fruchtbaren Clinch mit ihrem Vorsitzenden und Kanzler Helmut Kohl – zum Besten für die Union, die als Partei erkennbar und lebendig blieb. Das Elend begann mit einer Generalsekretärin namens Angela Merkel. Ihre Ernennung ging auf Wolfgang Schäubles Rechnung. Als sie selbst zur Parteichefin aufgestiegen war, hievte sie nur noch unbedeutende Wasserträger ins Amt ihrer Generalsekretäre, durch die Bank folgsame Karrieristen und inkompetente Versager, der erste hieß Polenz, der letzte Ziemiak, insgesamt waren es acht; alle sind vergessen. Merz wiederholte den Fehler. Sein erster Generalsekretär war ein Proporzossi, keiner, der die verhängnisvolle Ära Merkel hätte überwinden wollen. Seinen Namen muss niemand vergessen, er hat sich gar nicht erst eingeprägt. Allerdings korrigierte Merz jetzt seinen Fehler. Wenn der neue Generalsekretär Carsten Linnemann hält, was sein bisheriger Weg verspricht, wird er unbequem sein müssen, auch und gerade für Merz. Ein Generalsekretär darf vor allem eines nicht sein: konfliktscheu, weder nach außen noch nach innen. Zuzutrauen ist Linnemann, dass er die Standfestigkeit und den inneren Kompass besitzt, die Merz abgehen.

II.

Lange haben viele Wähler Robert Habeck für einen verkappten Liberalen mit grüner Agenda halten wollen. Seit er Wirtschaftsvernichtungsminister ist, wissen sie, dass er seinen Fanatismus nur mit liberalem Mäntelchen getarnt hat. Aber er versucht noch immer zu täuschen, hält die Bürger noch immer für geistig beschränkt, wenn er ihnen den Sommerreisesatz zumutet: „Der ganze Klimaschutz hat das Ziel, die Freiheit zu verteidigen.“ Ein Hammersatz! Der Märchenerzähler meint das schiere Gegenteil. Seine Freiheit ist Freiheitsentzug. Seine Parole wäre kein Unglück, träfe sie nicht auf ein Volk, das so wenig von Freiheit versteht wie das deutsche. Habeck hat noch keineswegs endgültig verschissen. Er hofft, sich zu retten, indem er nur noch „dauerhaft positive Geschichten“ erzählt. Das hat er wirklich gesagt. Im Klartext: Habeck hält die Vernichtung von Wohlstand für eine positive Geschichte, man muss sie dem Wahlvolk nur richtig herum erzählen. Zu diesem Zweck reitet Habeck einen weiteren Begriffsgaul. Neben der sozialen Gerechtigkeit ist seiner Meinung nach nun die „ökologische Verteilung“ das Wichtigste. Das Klima als Begründung für den Schwund des Mittelstands. Habeck hat nicht annähernd begriffen, weshalb die Leute trotz aller Bemühungen keine Angst mehr vor der AfD haben. Aber das hat ja bisher auch Merz auf seine Art nicht begriffen. Laut Habeck – so die Erkenntnis des bramarbasierenden Hampelmanns der global agierenden Klimasekte – wählen die Leute AfD, weil sie „in Ruhe gelassen“ werden wollen. Habeck unterstellt ihnen deshalb einen „pervertierten Freiheitsgedanken“. Er kann nicht verstehen, dass es ein elementares Freiheitsbedürfnis ist, vom Volkserzieher Staat in Ruhe gelassen zu werden. Wenn Habeck das Wort Freiheit in den Mund nimmt, ist Gefahr in Verzug. Es wäre dringend notwendig, dass der neue CDU-Generalsekretär diese autoritäre Ideologie auseinander nimmt. Bisher hat die CDU so gut wie alle grünen Idiotien stehen gelassen.

III.

Und dann Scholzens Sommerpressekonferenz. Der Kanzler füllt 105 Minuten. Selten wurde wortreicher geschwiegen. Die wenigen kritischen Fragen lächelt er hinweg. Immerhin tadelt er Habeck, ohne ihn beim Namen zu nennen für seine „Rücksichtslosigkeit“. Als vermutlich einziger Mensch der Welt ist er von seinen Regierungskünsten geradezu beglückt. Die Unzufriedenheit der großen Mehrheit der Bevölkerung perlt am Kanzler ab. Intellektuell so schmalbrüstig wie rhetorisch schmallippig ignoriert er den Niedergang des Landes und verdreht das Wirken seiner Regierung zur Erfolgsstory. Wäre man nicht betroffen, könnte man bewundern, wie tiefenentspannt Scholz das Wolkenkuckucksheim regiert, in dem alles „gut ausgehen“ wird und alles „funktioniert“, solange man nur „Fünfe gerade“ sein lässt. Er rechnet sogar damit, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht besser abschneidet als bei der vergangenen. Das ist schon kein Zweckoptimismus mehr, sondern irgendetwas zwischen krankhafter Begriffsstutzigkeit und böswilliger Irreführung. Mitregierende Radikalhysteriker wie Habeck und Lauterbach wird er so weder bremsen noch die Bürger beruhigen können. Aber vielleicht gelingt es dem Eigenlob-Kanzler wenigstens, die größte Oppositionspartei allmählich auf Trab zu bringen.

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Kommentare ( 67 )

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Rotraut
9 Monate her

„Als sie (Merkel) selbst zur Parteichefin aufgestiegen war, hievte sie nur noch unbedeutende Wasserträger ins Amt ihrer Generalsekretäre, durch die Bank folgsame Karrieristen und inkompetente Versager, der erste hieß Polenz, der letzte Ziemiak, insgesamt waren es acht; alle sind vergessen. Merz wiederholte den Fehler.“ Nein, das war kein Fehler, sondern beabsichtigt! So bleibt man länger unangetastet und schafft Konkurrenz beiseite. Solchen Politikern geht es nur um die eigene Karriere, die eigenen Pfründe. Dass ein Habeck von Freiheit spricht, ist genauso eine Plattitüde wie das Märchen von der Demokratie und der demokratiegefährdenden AfD. Fakt ist, dass die Freiheit nicht nur durch… Mehr

Bad Sponzer
9 Monate her

In meinem Umfeld haben die ersten schon zugegeben, dass es ein Fehler war die Grünen zu wählen. Ich war wirklich erstaunt. Allerdings sind das Leute die finanziel nicht am Grünen Tropf hängen. Bei den Systemgrünen wirds erst interessant, wenn man ihnen die grünen Pöstchen, d h. die Staatsknete, wegnimmt. Nur so können wir den grünen Spuk beenden. Dann verschwinden auch die grünen Merkelisten von der Bildfläche, so schnell, das wir unseren Augen und Ohren nicht mehr trauen.

Rene Meyer
9 Monate her

Totaler Realitätsverlust – genau wie damals. Unheilbar.

AnSi
9 Monate her

Davon gehe ich auch aus. Die letzten zwei Wahlen waren schon gefälscht. Die nächste wird es wieder sein. Ganz sicher!

AnSi
9 Monate her

Also in meinem Kollegenkreis hat noch niemand bemerkt, dass es ihm an die Freiheit geht. Fußball macht Sommerpause, danach geht es locker weiter „auf“ Schalke und in Dortmund. Schätze mal, die wählen auch weiterhin brav die Einheitspartei. Haben sie ja schon immer so gemacht, wird schon passen. Im Herbst gibt es dann bestimmt auch die neue Corona-Spritze. Momentan bangt man darum, nicht in der Sommerhitze zu sterben und plant den Heizungsumbau wegen des Klimas. Nein, meine Hoffnungen, dass die irgendwann mal aufwachen und ihren eigenen Kopf zum Denken benutzen, ist dahin. Die haben fertig und brauchen keine Freiheit und keine… Mehr

EinBuerger
9 Monate her

Die Bolschewiki mit ihrer Roten Armee wurden auch von sehr vielen abgelehnt. Von den sogenannten Weißen. Nur gab es einen Unterschied zwischen den Roten und den Weißen:
Die Roten waren geeint (die Armee z.B. unter Trotzki). Bei den Weißen kämpften viele verschiedene, die nichts einte, außer dass sie die Roten weg haben wollten.
Ohne ein wenigstens strategisches Bündnis der Weißen, können die Roten auch heute weiterhin machen was sie wollen.

Dr. Rehmstack
9 Monate her

Das ist in der Tat ein interessanter Gedanke, und nicht so abwegig: wenn bei den „Auszählungen“ stundenlang die SED/Nachfolge auf exakt 5 % kommt, nicht 5,1 oder 4,9, dann hat mich das schon immer irritiert. Hoffte man, solange der Abstand nach oben zu 5% nicht allzu groß würde, das noch korrigieren zu können?Statistisch wahrscheinlich waren diese rettenden 5% nie!

ramses82
9 Monate her

„Er (Habeck) kann nicht verstehen, dass es ein elementares Freiheitsbedürfnis ist, vom Volkserzieher Staat in Ruhe gelassen zu werden.“ Mit Verlaub, ich habe da meine Zweifel. Es gibt eine ganze Menge Leute, die regelrecht darauf warten, dass da jemand kommt, der ihnen die Verantwortung für ihre Lebensgestaltung abnimmt und vorgibt, wo es lang zu gehen hat. Typisches Beispiel hierfür waren die staatlich verordneten Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Pandemie, die für nicht wenige Zeitgenossen noch schärfer hätten sein können. Deutsches Obrigkeitsdenken mag da auch eine Rolle spielen. Insofern steht zu befürchten, dass die Grünen mit ihrem Dirigismus und Moralisierungsanspruch die nächste große… Mehr

Der Michel
9 Monate her
Antworten an  ramses82

Es kommt darauf an, ob die Leute merken, dass es an den eigenen Geldbeutel geht. Derzeit zeichnet sich eine Klagewelle gegen die Grundsteuerreform ab – nachdem die Bescheide die Immobilienbesitzer erreichen merken diese nämlich, dass es ihnen tatsächlich an das *eigene* Portemonnaie geht – und kriegen den Hintern hoch. Bei anderen politischen Katastrophen wie den Plänen der WHO oder auch dem Heizungsirrsinn (denen gegenüber die Grundsteuerreform ein Witz ist) regt sich hingegen nichts – da meinen die meisten, es gige nur den Nachbarn was an, und wieso sollte man sich für den aus dem Fenster lehnen?

Last edited 9 Monate her by Der Michel
Rotraut
9 Monate her
Antworten an  Der Michel

Was die Heizungsreform angeht, da geht schon einigen der A… auf Grundeis! Und daneben auch den Mietern, die ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können. 400 € für einen 2-Personen-Haushalt monatlich mit Nachtspeicherheizungen sind keine Seltenheit.
D.h. es geht massiv an den Geldbeutel der Leute, und sie werden sich wehren, Auswege suchen und auf keinen Fall mehr GRÜN wählen!

rainer erich
9 Monate her

Immerhin haben „wir“ nach der FDP nun einen neuen Hoffnungstraeger in der CDU. Auf diesen, in der Quasinachfolge des nun doch erkennbaren nackten Lindner erfreut sich dieser diverser Projektionen der Liberalkonservativen. Jeder “ Mucks“, nahezu jeder Augenaufschlag des Herrn L. wird als Zeichen eines Widerstandsgeistes bewertet und wieder einmal werden die Mittigen demnächst mehr oder weniger frustriert ihre erstaunlich grossen Hoffnungen einkassieren duerfen und aus dem Scheinriesen einen politischen Zwerg machen muessen. Zu erwarten ist, dass die braven Mittigen, sich selbst bürgerlich oder konservativ nennenden, was heute durchaus „zweifelhaft“ ist, zumindest der genauen Definition bedarf, sich dann einen neuen Hoffnungstraeger… Mehr

Mausi
9 Monate her

Bei Lanz hat jemand erklärt, dass Berlin das Wasser ausgeht, weil man aus Klimaschutzgründen den Braunkohletagebau eingestellt hat und Berlin bis zu 75% seines Wassers aus dem aus dem Tagebau abgepumpten Wasser bezog. Also verursachte nicht die Klimaerwärmung, sondern der Klimaschutz die Trockenheit in Berlin. Mit der Zeit wird sich auch der Rest der grünen Behauptungen zum Klimaschutz der Wahrheit stellen müssen. Man kann darüber spekulieren, ob das Leck im Rechtsstaat und in der Demokratie bis dahin zu groß ist, um es zu schließen. Die Aussage von Herrn Habeck bei der TAZ zeigt eindeutig, dass er alles tut, um die… Mehr