Im Namen der „Inklusion“ verlieren Frauen heute erneut Möglichkeiten

In den internationalen Sportverbänden scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Frauen Frauen sind und Männer Männer. Einigen geht dieser Fortschritt zu schnell. Die Aufregung um Riley Gaines zeugt von der Macht der Trans-Lobby, die sich hinter einem Diskriminierungswahn versteckt, wo tatsächlich eine Benachteiligung von Frauen im Sport droht.

IMAGO / ZUMA Wire

Drei Stunden vergingen, bevor die Schwimmerin Riley Gaines den Raum, in dem man sie verbarrikadiert hatte, verlassen konnte. Gaines hatte auf Einladung der konservativen Organisation „Turning Point USA“ an der San Francisco State University gesprochen. Der Titel der Veranstaltung: „Wie wir den Frauensport mit Riley Gaines retten“. Es ging um die Zulassung von Transfrauen für Wettschwimmen der Frauen.

Die Protest-Gruppe war erst am Ende ihrer Rede aufgetaucht, um die Rednerin mit lauten Parolen einzuschüchtern, so sehr, dass man eine Flucht für angebracht hielt. Während Gaines in dem Seminarraum festsaß, verhandelte der Universitätsdekan mit den Protestlern, die anscheinend sogar Geld verlangten, wenn Gaines sicher nach Hause kommen wollte.

“Don’t let her home!”

This will not end until everyone, including leftists, condemn this violence and start holding these beta soy boys and hate filled women accountable. Will the real… pic.twitter.com/xWHTB494tR

— Sarah Fields (@SarahisCensored) April 7, 2023

Piers Morgan kommentierte die aktuellen Vorfälle jüngst bei Bill Maher: „Jedes Mal, wenn sich eine Frau für die Rechte der Frauen einsetzt, egal ob es sich dabei um J.K. Rowling oder Riley Gaines oder wen auch immer handelt, werden sie beschämt, verleumdet, verfolgt und mit dem Tod bedroht – das ist einfach widerlich“, so Morgan, nachdem Gaines von US-Democrat Katie Porter kritisiert wurde.

Die Schwimmerin Riley Gaines schlägt derzeit einige Wellen in der US-Politik, weil sie sich den Kampf gegen die Auflösung der Frauenkategorie in verschiedenen Sportarten auf die Fahnen geschrieben hat. In einem Betroffenenbericht (testimony), mit dem sie ein neues Gesetz in Kansas für „fairness in women’s sports“ unterstützt, erzählt Gaines ihre Geschichte: wie sie am 17. März 2022 zusammen mit anderen Schwimmerinnen gezwungen wurde, gegen einen „biologischen Mann namens Lia Thomas“ anzutreten. Thomas hatte als Mann auf Platz 462 der US-Rangliste gestanden und schlug nach seinem Identitätswechsel zur Transfrau nun reihenweise die besten Schwimmerinnen der US-Universitätsteams. Das brachte nicht nur Gaines auf, praktisch alle Teammitglieder von Thomas, der für die University of Pennsylvania schwamm, waren gegen seine Teilnahme am Frauenschwimmen.

Die staatliche Universität von San Francisco gratulierte den Studenten und anderen Protestlern im Nachhinein dazu, der Schwimmerin in einer so „kontroversen Diskussion“ zugehört zu haben. In einem Interview mit dem Fernsehsender Newsmax fragt sich Gaines: Warum sollte es eine kontroverse Feststellung sein, dass die Körper von Männern und Frauen sich unterschieden? Wo und von wem war ihr zugehört worden? Auf den Videos, die von dem Vorfall existieren, hört man allenfalls fortgesetzte und sehr lautstarke Parolen wie „Trans-Rechte werden attackiert“, während Gaines von der Polizei an das Ende eines Ganges eskortiert wird, wo sie in dem besagten Raum in Sicherheit gebracht wurde.

„Ich möchte nicht auf sie reagieren, das ist nicht unser Punkt“

Auch in San Francisco sprach Gaines von der Ungerechtigkeit, die ihrer Meinung nach darin bestand, dass sie als Schwimmerin gegen einen biologischen Mann antreten sollte. Im Widerspruch zur Anti-Diskriminierungsgesetzgebung des Kongresses (dem Title IX von 1972) sei es heute wieder möglich, dass Frauen durch biologische Männer aus dem Sport und vom Siegerpodest verdrängt werden. Im Namen der „Inklusion“ verlören Frauen heute erneut Möglichkeiten und Gelegenheiten, würden traumatisiert oder verletzt. Dabei gehe es aber um viel mehr als nur um ein „Sport-Stück“.

Die Ideologie der Gegendemonstranten lässt sich problemlos aus ihren Meinungsbekundungen entnehmen. So sagte eine Nicotta: „Ich bin seit einiger Zeit offen trans auf dem Uni-Campus und wurde bei meiner Transition vom Campus unterstützt. Dann sah ich, wie man die Freiheitskarte für diese Veranstaltung zog. Aber so funktioniert Meinungsfreiheit nicht.“ So würden Menschen „ihre Freiheiten“ wieder genommen. Was die Kritiker der Transbewegung vorschlagen, sieht diese Nicotta als „Herabwürdigung oder Kriminalisierung“ des Trans-Seins. Außerdem sei Gaines mit ihrer Meinung ohnehin in der Minderheit. Menschen wie Gaines müsse man verdeutlichen, dass ihre Ansichten nicht toleriert würden, so Nicotta.

Das magische Denken, in dem diese ganze Trans-Bewegung an US-Campi befangen ist, zeigt sich auch an einer aktuellen, zahlenmäßig ziemlich bescheidenen Gegendemonstration an der Universität von Buffalo: Gaines wird vorgeworfen, eine schlechte Verliererin zu sein. Sie solle einfach härter trainieren, statt sich zu beklagen. Außerdem stehe ein „1936“ (das Jahr der Judengesetzgebung, offenbar gemünzt auf transitionierte Personen) bevor. Illusionär wird da zum netten Wort.

Vor der Veranstaltung hatte Gaines sich unbeeindruckt von der Widerrede einiger gezeigt (die wäre ja auch unproblematisch gewesen): Jeder sei „willkommen“, weil sie glaube, dass es „gerade für Menschen, die anderer Meinung sind, wichtig ist, offen für meine Perspektive zu sein, als die Perspektive von jemandem, der direkt von diesen Dingen berührt wurde“. Allerdings gab ein anderer Protestler, anscheinend ohne Verbindung zur Hochschule, zu Protokoll: „Ich will nur da sein, um meine Gemeinschaft zu repräsentieren. Ich möchte nicht auf sie reagieren, weil das nicht der Punkt ist, den wir kommunizieren wollen. Sie soll ins Publikum schauen und einen Haufen Trans-Menschen sehen.“

Wie kann ein gesellschaftliches Teilsystem nur so vergesslich sein?

Was noch erstaunt: Vor Gaines’ Rede in San Francisco war die Campus-Polizei nicht zu einer Vorbesprechung aufgetaucht, in der man eigentlich die Möglichkeit einer solchen Eskalation besprechen wollte. Auch Festnahmen gab es keine an diesem Tag. „Es muss Konsequenzen geben, diese Menschen (die gewaltsamen Demonstranten) müssen zur Verantwortung gezogen werden. Sie behaupten, all das im Namen von Liebe, Mitgefühl und Toleranz zu tun, aber in der Realität habe ich nichts davon erlebt“, sagt Gaines gegenüber Newsmax. Ihre Mimik in diesem Interview ist ein Ausdruck ihrer fast schon amüsierten Verblüffung angesichts der Art, in der sich Universität, Studenten und Polizei in diesem Fall verhalten haben. Teils ahnungslos, teils absurd.

In der Tat kann man sich fragen, wie ein gesellschaftliches Teilsystem nur so vergesslich sein kann. Die Verifikation des natürlichen Geschlechts ist ein altes Thema im Sport, etwa rund um die Olympischen Spiele der Antike wie der Moderne. In der neueren Zeit verließ man sich auf den Testosteronspiegel der Athleten, der für eine gewisse Zeit (normalerweise zwölf Monate) unter einem bestimmten Richtwert zu liegen hatte. Aber das sagt natürlich nichts über die körperlichen Grundlagen aus, die viel früher in der Pubertät gelegt werden.

Dass das so ist, konnte jedem Beobachter an dem Schwimmer Lia Thomas klarwerden, der als Transfrau bewies, dass auch längere Hormongaben die Auswirkungen der männlichen Pubertät keineswegs rückgängig machen können. Will Thomas, damals noch ein sogenannter Cis-Mann, hatte von 2018 bis 2019 im Männerteam seiner Universität geschwommen und war sich etwa zu dieser Zeit seiner Genderdysphorie bewusst geworden. Im Frühling 2019 begann er seine Transition, um im Sommer 2021 unter dem Vornamen Lia in das Frauenteam zu wechseln. Thomas gewann verschiedene Wettbewerbe und brach einige Rekorde.

„Wird das Frauenschwimmen zerstören“

Ende 2021 stellte der Chefredakteur der Fachzeitschrift Swimming World fest, dass eine einjährige Anti-Testosteron-Therapie keineswegs ausreicht, um ein „level playing field“ zwischen biologischen Männern wie Thomas und seinen weiblichen Wettbewerbern herzustellen. In dieser Zeit trat eine Funktionärin von USA Swimming zurück, weil sie die Trans-Politik des Verbands nicht mehr mittragen konnte.

Cynthia Millen sagte damals auf Fox News: „Schwimmen ist ein Sport, in dem Körper gegen Körper antreten, nicht Identitäten gegen Identitäten.“ Schwimmer würden je nach biologischem Geschlecht und Altersgruppen in verschiedene Kategorien aufgeteilt, wobei in jungen Jahren sogar einzelne Jahrgänge eine Gruppe bilden können, weil die körperlichen Veränderungen das notwendig machen. Mädchen machen in der Pubertät stärkere Veränderungen durch, so dass sie im Grunde noch einmal lernen müssen zu schwimmen, so Millen. Außerdem haben Jungen größere Lungen, größere Herzen und stärkere Knochen. Was Lia Thomas anging, war Millen sich vollkommen klar: „Er wird das Frauenschwimmen zerstören.“

Inzwischen sieht es so aus, als ob das abgewendet werden könnte. Denn immer mehr internationale und US-Sportverbände folgen den Ansichten von Gaines und Millen. Schon im Januar 2022 hatte die National Collegiate Athletic Association (NCAA), der US-Verband der College-Sportvereine, seine rund zehn Jahre alten Regeln revidiert und empfahl nun, dass eine Transfrau (also ein biologischer Mann) sich nicht mehr einem Frauenteam anschließen oder an einem Wettbewerb für Frauen teilnehmen konnte, soweit sie (er) die männliche Pubertät durchlaufen hatte. Das Tanner-Stadium II beziehungsweise ein Alter von zwölf Jahren gilt hierbei als Grenze. Glücklicherweise sind ja auch die Hormontherapien für Kinder auf dem Rückzug, etwa in Großbritannien, Norwegen und anderswo. Das ist aber nicht mehr als ein hoffnungsvolles Zeichen. Das Gesetz aus Kansas geht jedenfalls weiter als alle Verbandsregelungen: Es soll die Aufnahme von biologischen Männern in Frauen-Uni-Teams generell verbieten.

Kritische Stimmen sollen zum Schweigen gebracht werden

Im Januar 2022 schrieben 16 Schwimmerinnen der University of Pennsylvania einen Brief an die Universitätsleitung und den Sportverband Ivy League, in der acht Elite-Hochschulen in Neuengland vereint sind, um von beiden zu fordern, dass sie sich an die neuen Regeln der nationalen Vereinigung für Hochschulsport NCAA halten. Das Schreiben wurde durch die dreifache Olympionikin Nancy Hogshead-Makar übermittelt. Die unterschreibenden Schwimmerinnen blieben anonym – was bezeichnend war. Den Unterzeichnerinnen wurde mit ihrer Entfernung aus dem Team gedroht, falls sie offen über den Fall Lia Thomas redeten. Dabei beschwört der Brief der Frauen auch, dass man Thomas „vollständig darin unterstütze, ihre Gender-Identität zu leben und von einem Mann zu einer Frau zu transitionieren“. Nur sei eben das biologische Geschlecht im Sport noch von Belang. Auch Riley Gaines bestätigt: „Man hat versucht, meine Stimme zum Schweigen zu bringen, aber ich bin nicht bereit zu schweigen, weil ich sehe, um wieviel es geht.“

Immerhin haben sich verschiedene Sportverbände der neuen NCAA-Regel angeschlossen. Schon im Juni 2022 folgte World Swimming, die frühere Fédération internationale de natation (FINA). Der Weltschwimmverband schloss „trans Schwimmerinnen faktisch aus“, wie die Hamburger Zeit meinte. Durch den Beschluss würde eine „fragwürdige Geschlechtsprüfung“ wieder eingeführt, denn World Swimming verlange fortan auch die Angabe des „chromosomalen Geschlechts“ von ihren Schwimmern, wie sie schon einmal von 1968 bis zum Beginn der 1990er-Jahre verpflichtend war.

Erst am 24. März dieses Jahres folgte World Athletics. Mit dieser Entscheidung wolle man „alle biologischen Frauen in unserem Sport schützen“, teilte Verbandspräsident Sebastian Coe mit. Coe ist sich sicher, dass „ein vollständiges Verbot von Transgender-Athleten in der Frauenkategorie der richtige Weg“ ist. World Rugby hatte seine Regeln schon 2020 klargestellt, was allerdings Sinn ergibt: Man stelle sich eine Lia Thomas mit breiten Schultern und ordentlich Bizeps vor, wie sie auf Spielerinnen zustürmt. Erst im vergangenen Dezember 2022 kündigte einer der großen Boxverbände, World Boxing Council (WBC), eine neue Transgender-Kategorie an, in der Trans-Personen aber wiederum in zwei Unterkategorien, nach Geburtsgeschlecht unterschieden, kämpfen sollen.

DFB stellt es Spielern frei, in welchem Team sie spielen wollen

Allenfalls beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) drückt man sich noch um eine klare Aussage. Vor einem Jahr, als man die Regeln abänderte, sprach die IOC-Direktorin Marie Sallois von einem „sehr komplexen Thema“. Im wesentlichen hat man das eigene Testosteron-Kriterium bei dieser Gelegenheit zurückgezogen und die Entscheidung über die Zulassung den einzelnen Sportarten überlassen. Die FIFA scheint noch zu überlegen, was man angesichts der Bindenlastigkeit des internationalen Fußballs verstehen mag. Der DFB hat es mit Mitteilung vom 23. Juni 2022 transitionierenden Sportlern ebenso wie solchen mit „diversem“ Geschlecht (oder „ohne Angabe“) freigestellt, in welcher Mannschaft sie spielen wollen.

Auch der Deutsche Hockeybund (DHB) hat diese Regelung schon seit 2021 bundesweit eingeführt: Selbstbestimmung im Sport zu Lasten von Teams, die einen geringeren Trans-Anteil haben. Der DHB tröstet sich mit den „erwarteten Fallzahlen“, die man sich offenbar gering vorstellt. Das öffnet sicher Raum für künftige Diskussionen.

In Großbritannien hat Premier Rishi Sunak jüngst gesagt, dass 100 Prozent der Frauen keinen Penis besitzen, nachdem sein Opponent Keir Starmer von einem Anteil von 99,9 Prozent ausgegangen war. Riley Gaines fand auch die Anwesenheit eines männlichen Genitals in der Frauen-Umkleidekabine sehr problematisch: „Lassen Sie mich klar sagen: Wir wurden nicht vorgewarnt. Wir wurden nicht um unsere Zustimmung gebeten. Und wir haben unsere Zustimmung nicht gegeben.“ Die Privatsphäre der Frauen sei verletzt worden. Einige Schwimmerinnen seien durch das Geschehen unangenehm berührt, ja traumatisiert worden.

Derweil wird die Frage, warum es so gut wie keine Transmänner im internationalen Männersport gibt, sondern offenbar nur Transfrauen in Frauensport-Kategorien, bisher nur selten gestellt. Der nichtbinäre kanadische Fußballspieler namens Quinn, der sich auch als „transgender“ bezeichnet, spielt bezeichnenderweise noch immer im Frauenteam seines Vereins und der kanadischen Nationalmannschaft. Er wurde einst als Rebecca Quinn geboren und ist folglich mindestens auf dem Weg, ein Transmann zu werden – so gut wie Lia Thomas auf dem Weg zur Transfrau ist. Doch Quinn sieht bis heute keinen Anlass, die Frauenteams des kanadischen Fußballs hinter sich zu lassen.

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