Polens Justiz trotzt Tusk: Oberstes Gericht bestätigt Wahlsieg der Konservativen

Trotz politischer Druckversuche aus dem Tusk-Lager erklärt das Oberste Gericht in Polen die Präsidentschaftswahl für gültig. Der verzweifelte Versuch, mit Beschwerden und EU-Klagen das Ergebnis zu kippen, endet im Desaster für die Regierung.

IMAGO

Die Aufsichtskammer des Obersten Gerichtshofs Polens hat das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 1. Juni bestätigt. Dabei setzte sich der Kandidat der oppositionellen Konservativen (PiS) gegen Rafał Trzaskowski durch, den Kandidaten der Mitte-Links-Regierung von Premierminister Donald Tusk. Die Entscheidung vom 1. Juli, die trotz Einwänden von Justizminister Adam Bodnar getroffen wurde, war weithin erwartet worden – trotz Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung und Anfechtungen des Status der Kammer selbst, die von der vorherigen PiS-Regierung geschaffen worden war.

Nach polnischem Recht ist die Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof endgültig und kann im Inland nicht mehr angefochten werden. Aufgrund des umstrittenen Charakters der Aufsichtskammer könnten jedoch Klagen beim „Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“ des Europarats oder beim Gerichtshof der EU eingereicht werden. Wähler konnten innerhalb von 14 Tagen nach offizieller Bekanntgabe des Ergebnisses durch die Wahlkommission (PKW) Petitionen einreichen. Das Gericht war dann verpflichtet, jede Beschwerde zu prüfen und innerhalb von 30 Tagen nach dem Wahltag endgültig zu entscheiden.

Mehr als 53.000 Beschwerden wurden eingereicht, über 90 Prozent davon waren identisch und stammten aus einer Kampagne über angebliche Auszählungsfehler, die vom Familienanwalt Tusks und Abgeordneten Roman Giertych initiiert worden war. Zudem gab es Vorwürfe über statistische Auffälligkeiten bei Wahlbeteiligung und Stimmenanteilen, ungewöhnlich viele ungültige Stimmzettel sowie den Einsatz einer nicht lizenzierten digitalen „Check-in“-App, die angeblich späte Wähler blockierte.

Die PKW bestätigte in ihrem Bericht vom 16. Juni „Vorfälle, die das Ergebnis hätten beeinflussen können“, erklärte jedoch, dass nur der Oberste Gerichtshof über deren Bedeutung urteilen könne. In seiner Entscheidung stellte die Aufsichtskammer fest, dass zwar 21 Fälle von Unregelmäßigkeiten bestätigt worden seien, diese aber „das Ergebnis nicht beeinflusst haben“. Demnach gewann Karol Nawrocki mit fast 370.000 Stimmen Vorsprung. Nachgewiesene Verstöße traten in etwas mehr als einem Dutzend der 32.000 Wahlbezirke auf.

Die Regierung argumentierte, die Aufsichtskammer hätte nicht mit der Bestätigung des Ergebnisses betraut werden dürfen, da ihre Existenz und Besetzung sowohl vom Gerichtshof der EU, der Tusk-Koalition als auch einer Minderheit der polnischen Richter infrage gestellt werden. Bodnar stellte einen letzten Antrag, die Entscheidung an eine andere Kammer zu übertragen, doch dieser wurde abgelehnt. Einer der Richter wies darauf hin, dass Bodnar 2023 seine eigene Senatswahl von derselben Kammer bestätigen ließ, ohne Einspruch zu erheben.

Bodnar warf der Kammer außerdem vor, fast 50.000 Beschwerden abgelehnt zu haben, ohne sie angemessen zu prüfen. Sein Stellvertreter Jacek Bilewicz ergänzte, dass „wir immer noch nicht wissen, wie das Wahlergebnis aussieht“. Einige aus Tusks Umfeld forderten, die Vereidigung Nawrockis, unabhängig von der Entscheidung am 1. Juli, abzusagen. Sie verwiesen auf angebliche Zweifel an der Auszählung und an der Rechtmäßigkeit der Kammer.

Doch der Plan, Karol Nawrocki, den von der PiS unterstützten Sieger, daran zu hindern, am 6. August das Amt zu übernehmen, wurde von allen anderen Koalitionspartnern abgelehnt – der Linkspartei, der Bauernpartei PSL und der Zentrumspartei Polen 2050. Der Parlamentspräsident und Vorsitzende von Polen 2050, Szymon Hołownia, kündigte an, dass er am 6. August beide Parlamentskammern einberufen werde, damit Nawrocki seinen Amtseid ablegen könne.

Die Anfechtung scheint Tusks Partei in den Umfragen geschadet zu haben: Die Unterstützung fiel in zwei aktuellen Umfragen um sieben Prozent, die Partei liegt nun hinter der PiS. Würden jetzt Parlamentswahlen stattfinden, kämen PiS und die Konföderationspartei gemeinsam auf eine klare Mehrheit der Sitze.


Dieser übersetzte Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.

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Kommentare ( 14 )

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Micci
13 Tage her

Gerade wegen solcher Querelen schaffen Linke, sobald sie es können, echte Wahlen ganz ab!
Wie schreibt sogar die (Bolsche)Wikipedia über die Wahlen in der DDR?
„Es war üblich, mittels „Faltens“ alle vorgeschlagenen Kandidaten … zu wählen, Abweichungen wurden mitunter notiert und konnten negative Folgen … nach sich ziehen … Bereits die Nutzung der Wahlkabine konnte als verdächtig auffallen. Wahlen wurden so zu einer bloßen Akklamation des angeblichen Volkswillens.“

Ombudsmann Wohlgemut
12 Tage her

Was haben die erwartet? Das Verfassungsgericht hat Tusk bereits verschiedener Verbrechen bezichtigt, auch die Gleichschaltung der Medien, aber er hat es einfach ignoriert, weil ja Sozialisten immer die richtigen Entscheidungen treffen und nicht böse sein können…

Mozartin
12 Tage her

Durch meine politische Ausrichtung bin ich ein Fan von Trzaskowski, auf keinen Fall von Tusk.
Wenn aber soviele Oppositionsparteien die Wahl bestätigen wollen, würde ich das akzeptieren.
Selbst wenn „gezielt“ „Unbotmäßigkeiten“ bei den Wahlen eingesetzt wurden, eben um dann das Ergebnis anfechten zu können, werden sie evtl. nicht in dem Ausmass möglich gewesen sein, wenn überhaupt passiert.
Fehler hingegen passieren immer, aber die Zustimmung der anderen Oppositionsparteien könnten zeigen, wie dann das Ergebnis von Neuwahlen ausfallen dürfte.
Hauptsache Polen bekommt keine zurechenbaren politischen Verhältnisse?
Dann stehen Polen vielleicht doch enger zusammen, als wir glauben…

Mausi
12 Tage her

😉 „Einer der Richter wies darauf hin, dass Bodnar 2023 seine eigene Senatswahl von derselben Kammer bestätigen ließ, ohne Einspruch zu erheben.“
Es braucht anscheinend noch ein paar Jahre, bis Polen wirklich auf Linie ist. Aktuell sind die hächsten Richter dort unabhängiger als bei uns, so scheint es.
Wer bezahlte den/die Anwälte? Die EU geförderten NGOs?
Na ja, Hauptsache die Gesinnung unserer höchsten Richter passt der EU.

Last edited 12 Tage her by Mausi
Klaus Uhltzscht
13 Tage her

Diese supranationalen und EUdSSR-Pseudogerichtshöfe gehören natürlich abgeschafft, so wie EU, UNO und WHO auch. Oberste Organisationseinheit ist der Nationalstaat. Darüber kommt nur noch Gott.

CasusKnaxus
13 Tage her

Es sind fast immer die üblichen Verdächtigen, von denen die Klagen kommen. Sicherlich auch noch ein paar „NG“-Os im Schlepptau. Die haben ja Kohle&Langeweile & sind inkl. Tusk&Co notorisch schlechte Verlierer. Man muß bei Sozialisten und stalinistisch gestählten EU-Kadern immer aufpassen, ob sie nicht doch noch am Ende mit einer hinterf..tz..g..n Charade ankommen. Merke: wenn sie schon am Boden liegen, besser noch mal reintreten. Immer an Romika denken!

BKF
13 Tage her

Würden jetzt Parlamentswahlen stattfinden, kämen PiS und die Konföderationspartei gemeinsam auf eine klare Mehrheit der Sitze.“ Aber jetzt sind nicht Parlamentswahlen und nur das zählt bei einem Umsturz, was ist.

rainer erich
13 Tage her

Das konkrete Ergebnis mag durchaus erfreuen, es aendert jedoch rein gar nichts am eigentlichen Problem und auch das wird offenbar nicht wirklich begriffen. Es geht um nicht weniger als das „Verstaendnis“ der Machthaber von Wahlen und deren Folgen, bekanntlich ein Kernelement jeder Demokratie. Diese Machthaber machen inzwischen keinen Hehl daraus, was sie von Wahlen halten, naemlich die reine Akklamation ihrer Kandidaten bzw von ihnen selbst. Die „Gelassenheit“, mit der dieser offenkundige Versuch, Wahlen de facto abzuschaffen, in weiten Teilen, vor allem natuerlich in Sch’land, hingenommen wird, ist bemerkenswert. Nun koennen sich die Polen zumindest einstweilen noch auf ihre Justiz verlassen,… Mehr

Galen
13 Tage her

Wenn Trump Wahlen anzweifelt, ist es eben etwas anderes, als wenn das ein „Guter“ tut.

Rosalinde
13 Tage her

Dann werden wir mal sehen wie die Position dieser Partei zum Krieg in der Ukraine ist.

Haba Orwell
13 Tage her

> Aufgrund des umstrittenen Charakters der Aufsichtskammer könnten jedoch Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder beim Europäischen Gerichtshof eingereicht werden.

Gibt es ein „Menschenrecht“ auf manipulierte Wahlen? In der EUdSSR vielleicht, fürchte ich. Beide genannte Gerichte sind traditionell denkbar hörig dem Imperium gegenüber.