Italien will das Bürgergeld abschaffen: Was wirklich dahinter steckt

Plötzlich ist die Abschaffung des italienischen Bürgergeldes auch in Deutschland ein Thema. Doch die eigentlichen Absichten Roms bleiben dabei im Dunkeln. Was Giorgia Meloni wirklich vorhat, geht deutlich tiefer.

IMAGO / ZUMA Press
Plötzlich ist das italienische Bürgergeld auch in deutschen Zeitungen ein Thema. Nicht so sehr, weil die Thematik Anlass wäre, über gescheiterte Experimente zu sprechen. Das könnte schlechte Werbung für das deutsche Bürgergeld sein. Bekanntlich wird man ja auch bei der Umstellung auf die Wärmepumpe nördlich der Alpen alles anders und besser machen als südlich der Alpen. Anlass für die Berichterstattung sind eher die Unruhen.

In Neapel wurden 160.000 Haushalte über die Kürzung informiert. In der Folge kam es zu Protesten. Gewerkschaften haben zu Demonstrationen aufgerufen. In Induno Olona (Provinz Varese) drückte ein Graffito den Groll aus: „Meloni, du wirst für das Bürgergeld sterben!“ In Sizilien soll ein arbeitsloser Mann in das Rathaus eingedrungen sein und Benzin vergossen haben, unter der Drohung, alles anzuzünden.

Dabei war das Ende des Bürgergeldes schon lange absehbar. TE berichtete schon im letzten Jahr darüber und hat die Thematik mehrfach aufgegriffen. Zwar hat die Benachrichtigung per SMS Unmut geschürt, aber die Entwicklung war alles andere als überraschend. Das Belpaese spricht seit Monaten über die Zukunft des Sozialstaates, und die gedemütigte Linke versucht in diesem Prozess nach den letzten Strohhalmen zu greifen. Man will Meloni das Etikett der italienischen Maggie Thatcher anheften und hält es für eine Diffamierung.

Auffällig ist die ideologische Auseinandersetzung, obwohl das italienische Bürgergeld mehr ein Experiment denn eine Institution war. Der reddito di cittadinanza ist erst seit vier Jahren in Kraft, aber die Bezieher verteidigen es bereits wie ein verbürgtes Grundrecht. Diese Gefahr hat Rom erkannt. Das Mitte-Rechts-Bündnis hat deshalb schon im Wahlkampf seine Absichten deutlich gemacht. Denn je länger das Bürgergeld bleibt, umso schwerer wird es, dieses wieder einzukassieren.

Drei strategische Ziele liegen der derzeitigen Kürzung und anschließenden Abschaffung zugrunde. Am stärksten zeigt sich derzeit, dass der von 2018 bis 2022 regierende Movimento 5 stelle (Fünf-Sterne-Bewgeung) sich mit dem Grundeinkommen eine Wählerschicht erschließen wollte, die ihm als Stammklientel in der Zukunft Stimmen sichern würde. Der Konflikt um das Bürgergeld zeigt, wie sehr diese Rechnung aufgeht. Ex-Premier Giuseppe Conte, der für die Einführung verantwortlich war, zelebriert sich logischerweise als weißer Ritter und Verteidiger der Armen und Bedrängten. Dabei ist der Teufelskreis absehbar: je mehr Empfänger, umso mehr Wähler für die Sterne.

Der nächste Punkt betrifft den Rückbau des Sozialstaates angesichts der italienischen Haushaltsprobleme. Die Überschuldung des Landes muss hier nicht ausgebreitet werden. Die Vorgängerregierungen begnügten sich damit, durch die Einführungen von Steuern und Sonderzahlungen das Staatssäckel zu füllen, was jedoch nur den Unmut und die notorische Steuerunterschlagung verschärfte. Melonis Regierung setzt nun eher darauf, die Staatsausgaben zu senken. Das ist nicht ideologischen Überlegungen, sondern der Notwendigkeit geschuldet.

Das Ende des Bürgergeldes ist aber vermutlich nur ein Auftakt, um den italienischen Sozialstaat weiter zu beschneiden. Denn das eigentliche Ziel dürfte sein, das süße Nichtstun nicht nur für einheimische „lazzaroni“ (Faulenzer) unattraktiv zu machen. Die unausgesprochene Devise lautet, dass Italien auch für Migranten keine attraktive Adresse mehr sein sollte. Statt großangelegter „Remigrationsprojekte“ setzt man darauf, dass Migranten wegen geringer Aussichten auf staatliche Gelder fernbleiben – oder gar nicht erst ins Land kommen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 74 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

74 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Unglaeubiger
8 Monate her

Gute Zusammenfassung, danke. Aber erklären Sie bitte den Gutmenschen den Begriff einer Summe von Milliarden. Die meisten können und wollen sich diese nicht vorstellen und schon gar nicht darüber nachdenken, denn D ist doch sooooo ein reiches Land! Ja, D ist ein sooo reiches Land, an Deppen!

Gotthelm Fugge
8 Monate her
Antworten an  Unglaeubiger

Wann wird ENDLICH spürbar der Mangel von mehr als 50.000 Lehrern behoben?
GRÜNER MP und KBW-Enthusiast Kretschmann:
““Wir sehen, dass ein erheblicher Teil der Kinder nach der Grundschule weder lesen noch schreiben noch rechnen kann.““
Dank der koranaffinen Bildungsstätten in DE – Das sind doch Erfolge!
Das scheint sich schon bis zu Menschen im Wahlalter durchzuschlagen!
Und unbedingt nicht vergessen – Die Brandmauer:
““ Richtige Demokraten brauchen keine Brandmauern, da das bessere Argument die Lösung ist.
Angstmauern brauchen nur solche, die keine Argumente haben und sich dadurch ihre Machterhaltung sichern wollen und ständig darauf hinweisen müssen, dass sie Demokraten seien.““

Kassandra
8 Monate her
Antworten an  Gotthelm Fugge

@Gotthelm Fugge: auch wenn der Lehrermangel behoben würde gäbe es keine Kinder, die gebildeter wären. Denn Scholz et al scheinen die Lufthoheit über die Kinderbetten tatsächlich erlangt zu haben: „Bekannt ist sein (Scholz) Wort von der Lufthoheit über den Kinderbetten. Es stammt aus einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 3. November 2002, als die Republik über den staatlichen Einfluss bei der Kindererziehung debattierte und die rot-grüne Regierung Schröder das Krippensystem ausbauen wollte. Der Plan der damaligen Familienministerin Renate Schmidt (2002–2005) wurde später von ihrer Nachfolgerin Ursula von der Leyen eins zu eins übernommen und umgesetzt. Scholz, seinerzeit frisch gekürter Generalsekretär der… Mehr

Unglaeubiger
8 Monate her

Kann ja auch sein, dass die Neubürger eine Armee gegen die schön länger hier Lebenden werden wird. Erst holen wir sie alle rein und alimentieren sie bis zur Unterhose, wenn dann die Kasse leer ist, hetzen wir sie gegen die Altbürger und sparen Armeekosten, denn sie sind skrupelloser, härter, rücksichtsloser und geübt an den verschiedenen Waffen. Erst zum Schluss kommt Polizei und Armee gemeinsam dann auch gegen die Neubürger zum Einsatz, wer nicht pariert, der fliegt. Der Rest der aufmüpfigen, schon länger hier Lebenden und Neubürger ist bis dahin psychisch und physisch zusammengebrochen und wirft sich vor den Psychopathen in… Mehr

Riffelblech
8 Monate her

Glaubt jemand ernsthaft das in dem Idiotenhaufen der diesem Lande die Handlungen vorgibt jemand dran denkt den Italienern es gleich zu tun ? Dann würde ja plötzlich nicht mehr funktionieren was so perfide ausgedachten eingeleitet wurde. Nein,nein,nach Ansicht von Linksgrünrotschwarz steht jedem Zugewanderten und sonstigem Ankömmling die volle Alimentation zu. Das entscheidet in diesem Falle ein Politikerklientel das noch niemals zum Bruttosozialprodukt beigetragen hat. Bezahlen dürfen das diejenigen die tageintagaus vom ÖR Auftragsfunk und angeschossenen Propagandaorganen belagert werden wie toll wir unseren moralischen Verpflichtungen nachkommen . „ Seid fleißig und zahlt Steuern bis der Hut brennt ,wir sorgen für das… Mehr

giesemann
8 Monate her

„Bürgergeld“ lockt nur noch mehr Zuzug an, genauso wie höheres Kindergeld. Das wissen die Italiener. Denn: „Wir werden immer mehr und beanspruchen Deutschland für uns.“ Besser: »Die Reichen werden Todeszäune ziehen« – DER SPIEGEL, 1982! Und immer an die Bombe denken: Echtzeit-Statistiken. Bevölkerungsuhr jeden Landes
Beschleunigt durch „Kinderehen“ bei den Hyperfertilen: Kinderheirat – Wikipedia und UNICEF prangert Kinderehen an – DW – 07.06.2019. Sagts du was, dann: AG München, Urteil v. 04.09.2018 – 824 Cs 112 Js 101229/18 (2) – Bürgerservice
Wann werden sie es auch in DE begreifen?

Kassandra
8 Monate her

Herr Goergen hat irgendwann ziemlich früh versucht, wahre Zahlen über die uns zugemutete Einwanderung heraus zu finden – und ist damit gescheitert.
Ich denke, dass uns das Ausmaß des uns zugemuteten Rechtsbruchs nicht mal in Bruchteilen bekannt sein kann.
Schon das entspricht nicht dem, was man sich von „Demokratie“ erwartet.

Wahrheit
8 Monate her

Wenn die Kassen hier weiter so geleert werden, muss mit dieser Belohnung fürs Nichtstun auch Schluss sein. Ein Arbeiter mit 6 Kindern lebt perfekt vom Staat, soviel würde er nie erarbeiten können. Abartig und die heranwachsende Generation will das am liebsten auch so haben. Abartig.

Eco
8 Monate her

Alle reden drüber, aber bisher hat mir niemand erklärt worum es denn nun konkret geht. So wie ich es verstanden habe war das Bürgergeld bis Ende 2023 begrenzt und sollte ab 2024 „reformiert“ gelten. Die Regierung Meloni hat die regeln aber noch einmal verschärft und sie gelten im wesentlichen ab September 2023. Berechtigt sind dann Familien zu denen Kinder unter 18 zählen, Behinderte, Menschen über 65. Wer im Alter zwischen 18 und 65 (oder 60?) liegt erhält Bürgergeld nur noch für 8 Monate und muss 6 Monate (Um)schulung machen. Wenn ich es richtig sehe erhalten Bürgergeld auch nur italienische Staatsbürger… Mehr

HeinerL
8 Monate her

Ich glaube, ich schau mich jetzt mal nach einem hübschen kleinen Häuschen mit Weinberg in der Toskana oder in Ligurien um. Oder doch Südtirol? Egal, Hauptsache Spanien.

Kaltverformer
8 Monate her

In normalen Volkswirtschaften würden zuerst einmal alle Nichtmitglieder, sprich die nicht Staatsbürger sind, vom Bezug ausgeschlossen werden und dann die Staatsbürger zum Arbeiten bewogen werden.
Aber über die Misere EU werden die Nationalstaaten in ihren Freiheiten und Möglichkeiten massiv negativ beschnitten.
Das einzige Recht das nicht beschnitten wird ist das Steuerrecht. Da dürfen sich die Nationalstaaten bei der Eintreibung der Steuern austoben. Auf allen anderen Gebieten versucht die EU die Nationalstaaten auf so etwas wie Regionen, oder Bundesländer zu degradieren.
Deshalb entweder raus aus dieser EU, oder ein Rückbau zu einer EWG.

schwarzwaldmaedel
8 Monate her

Ein Bekannter, Italiener, hat mir schon vor 2 Jahren erzählt, dass es schwierig ist, für bestimmte Jobs, Leute zu finden. Das hätte sich durch das Bürgergeld schlagartig so ergeben. Wieso soll man arbeiten, wenn man auch so durchs Leben kommen kann? Meine Meinung bezieht sich natürlich nicht auf Personen, die krank oder behindert sind.