Israels Meta-Strategie im Nahen Osten

In den Monaten vor dem Schlag gegen Iran spielte Israel seine Karten fein abgestimmt aus: Luftangriffe in Syrien, Cyber- und Drohnenangriffe auf Teherans Luftabwehr sowie ein stilles Abkommen mit Damaskus über Luftraumzugang. All diese Schritte gipfelten dann in der Operation „Rising Lion“.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Planet Labs PBC
Satellitenaufnahme von Planet Labs PBC zeigt die Nuklearanlage Natanz in Iran nach dem israelischen Luftangriff

Als Ende 2024 das Assad-Regime in Syrien zusammenbrach, verschaffte sich Israel rasch Zugang zu zuvor unerreichbaren Flughäfen und Radarstationen. Innerhalb weniger Tage nahm die Luftwaffe mehr als 40 Stellungen unter Beschuss, von Flugabwehrbatterien bis zu Munitionsdepots, um eine Verteidigungs- oder Pufferzone südlich von Damaskus zu errichten – und offenbar auch, um künftige Operationen gegen Iran vorzubereiten.

Parallel baute der Mossad sein Netz in Teheran deutlich aus. Gezielt eingesetzte Drohnenangriffe und Cyber-Sabotagen beseitigten kritische Elemente der Luftabwehr, sodass israelische Jets fortan mit höherer Präzision über iranischem Territorium operieren konnten. Den bisherigen Höhepunkt dieser Abfolge bildet bisher die Operation „Rising Lion“. In einem koordinierten Schlag trafen IAF-Jets über 100 Ziele, darunter Urananreicherungsanlagen in Natanz und Fordow sowie zentrale Kommandoposten der Revolutionsgarde. Innerhalb weniger Stunden setzten sie hunderte Tonnen Präzisionsmunition frei und untergruben Irans nukleare Infrastruktur.

Verhandlungen in Amman und Kairo

Doch selbst diese massive Luftschlagwelle stieß an technische Grenzen: Tiefe Bunkeranlagen blieben außerhalb der Reichweite. Deshalb intensivierte Tel Aviv seine Zusammenarbeit mit Washington und forderte US-Bunkerbrecher-Munition an, um verborgen liegende Kernanlagen erreichen zu können. Im Hintergrund lief ein ebenso entscheidender diplomatischer Prozess: Im Mai 2025 fanden in Amman und Kairo heimliche Verhandlungen zwischen israelischen Militär- und Geheimdienstvertretern und Syriens Interimspäsident Ahmad al‑Sharaa statt. Erstmals ging es um die formelle Öffnung des syrischen Luftraums für Einsätze gegen Iran – ein Schritt, der Israels Kampffähigkeit deutlich erweiterte.

Mit dem neuen Überflugkorridor gewinnen Israels Kampfjets nicht nur Zeit, sondern auch Spielraum. Anstatt lange Routen über den Irak oder den Persischen Golf zu fliegen, können sie direkt in Richtung Natanz und Fordow steuern und dabei volle Bombenlasten mitführen. Die Reichweitenbegrenzung fällt weg und erlaubt Einsätze, die zuvor logistisch kaum realisierbar waren. Zudem reduziert die direkte Route den Bedarf an Luftbetankung deutlich. Zwar bleibt die IAF auf Tankflugzeuge angewiesen, doch das enge Zeitfenster und die kürzeren Flugdistanzen bedeuten, dass weniger Tanker notwendig sind und Kräfte schneller umgeschlagen werden können. Die verkürzten Flugrouten reduzieren den Bedarf an Luftbetankung und ermöglichen eine höhere Zahl an Einsätzen.

Nachhaltigere Angriffsserie ermöglicht

Ein weiterer Vorteil liegt in der operativen Sicherheit: Über Syrien operieren Tankflugzeuge und F-35I „Adir“ in freundlichem Luftraum, geschützt durch vorherige Absprachen. Dieser Korridor minimiert Risiken und ermöglicht eine nachhaltige Angriffsserie, die Irans Luftabwehr kontinuierlich unter Druck setzt. Für Damaskus war das Zugeständnis ein kalkulierter Pragmatismus: Solange Israel keine Angriffe gegen syrisches Territorium plante, blieb der syrische Himmel für IAF-Flugzeuge offen. Ein solches Arrangement verdeutlicht, wie eng militärische Abschreckung und Diplomatie inzwischen verzahnt sind.

In der israelischen Bevölkerung herrscht unterdessen eine Mischung aus Erleichterung und Zynismus. Der überwiegende Teil der Israelis, die ihr Leben lang in Angst vor einem iranischen Atomschlag verbracht haben und nun seit Jahren immer wieder Zuflucht in Schutzräumen oder in U-Bahnen suchen müssen, sehen in der jüngsten Luftoffensive einen überaus notwendigen Akt der Selbstverteidigung. Doch einige Veteranen warnen vor Übermut und unterstreichen den schmalen Grat zwischen Abschreckung und Eskalation und hoffen immer noch auf ein friedliches Miteinander, irgendwie. Wie realtitätsfern dieser Wunsch ist, offenbart jeder Staatsobere oder Anführer der Region, die zu keinem Zeitpunkt verhehlen, dass sie Israelis „ins Meer treiben“, sprich: vernichten wollen.

Wandel der Machtarchitektur

Während Tel Aviv seine Operationen offensiv vorantreibt, wählt Peking eine distanzierte Haltung. China verurteilte die Luftschläge als Verletzung iranischer Souveränität und forderte im UN-Sicherheitsrat einen sofortigen Waffenstillstand. Gleichzeitig lancierte Beijing diplomatische Appelle zur Deeskalation und leitete Evakuierungen eigener Staatsbürger auf dem Landweg ein, ohne Soldaten zu entsenden. Pekings Zurückhaltung entspringt nüchternen Interessen: China bezieht einen erheblichen Teil seines Öls aus Iran und kann eine Destabilisierung der Lieferketten nicht riskieren. Anders als Israel, das seine Existenz absolut bedroht sieht, misst Peking seine Macht vor allem an wirtschaftlichem Einfluss und internationaler Vermittlerrolle.

Dieses Nebeneinander von offensiver Prävention und defensiver Diplomatie markiert einen Wandel in der Machtarchitektur des Nahen Ostens. Israel demonstriert seinen Anspruch auf Lufthoheit und Frühwarnfähigkeit, während China als Mahner und Mittler agiert.

Neue Ära geopolitischer Komplexität

Analysten bewerten Israels Vorgehen als Höhepunkt der präventiven Doktrin, weil die Kombination aus gezielten Luftschlägen, Geheimdienstoperationen und diplomatisch abgesicherten Lufträumen eine außergewöhnliche Flexibilität schafft und den Abschreckungserfolg deutlich steigert. So stellen Beobachter fest, dass Israel mit der Operation „Rising Lion“ nicht nur einen massiven Schlag gegen iranische Nuklearanlagen landete, sondern sich zugleich die Lufthoheit über zentrale iranische Militärziele gesichert hat; eine seltene Errungenschaft, die weit über übliche Luftkampftaktik hinausgeht.

Gleichzeitig wird analysiert, dass sich der israelische Luftangriff nicht als isolierte Tat, sondern als koordinierte Manöverstrategie präsentiert: Angriff, Aufklärung und Versorgung wurden in enger Folge orchestriert.

Die künftige Herausforderung besteht darin, den strategischen Vorteil zu bewahren, ohne in eine umfassende Eskalation abzugleiten. Israel wird seinen Fokus auf ständige Weiterentwicklung der Luftabwehr und präventive Cyber-Initiativen legen, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und punktgenau zu bekämpfen.

Gleichzeitig bleibt die politische Komponente entscheidend: Israel muss seine diplomatischen Partnerschaften aufrechterhalten und ausbauen, damit militärische Maßnahmen nicht isoliert stehen und stets von breiter internationaler Unterstützung getragen werden. Nur so lässt sich ein Gleichgewicht zwischen effektiver Abschreckung und langfristiger Stabilität in der Region erzielen.

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Kommentare ( 52 )

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Karlito
19 Tage her

Hat Israel für seine Nachbarschaft eine Strategie über Drohpotential aus militärischer Stärke hinaus? Mit den kurzsichtigen Schlägen gegen den Iran bestätigt sich einmal mehr das Gegenteil. Argumente für Israels Gebaren, die nicht den Intellekt neutraler Beobachter verletzen, gibt es nicht. Es ist weder ersichtlich, warum die Angriffe unabwendbar waren, noch, warum ausgerechnet das aggressive Israel die einzige Nation des Nahen Ostens sein sollte, bei der Atomwaffen in guten Händen sind. Und Israel schickt den bedauernswerten Völkern seiner Nachbarschaft die klare Botschaft, dass nur der erwiesene Besitz von Atomwaffen vor Angriffen zur Vermeidung des Erwerbs derselben schützt. Jedenfalls keine Zusammenarbeit mit… Mehr

Novillo
20 Tage her

Man liest so viel Nachgeplappertes überall, auch hier. „Bunker brechend.. „, „60 Meter.. “ etc. Besonders an den 60 Metern sieht man deutlich das naive Nachplappern. Glaubt man tatsächlich, dass die Mullahs ihre Anlagen zum Schutz in die Berge gebaut haben, aber nur die berühmten 60 Meter..nicht ahnend, das die Amis „bunkerbrechende“ Bomben haben könnten? By the way, 60 Meter im Berg ist nicht gleich ein Bunker aus Beton.
Die „60 Meter“ sind nur das Narrativ, um die evtl. Beteiligung der USA herbeizuführen.

Deutscher
20 Tage her

Wie links hier plötzlich alle werden, in der Kommentarspalte. Der Lieblingsfeind ist also nicht, wie man meinen könnte, der Islamismus, der auch in Deutschland schon etliche Leben gekostet hat, sondern immer noch „der Ami“. Erbärmlich.

Last edited 20 Tage her by Deutscher
Ludwig von Gerlach
20 Tage her

Anders als die Deutschen, die sich wie Schafe auf ihrem eigenen Territorium täglich von Allahu Akbar-Rufern widerstandslos abstechen lassen, haben die Juden aus dem Holocaust gelernt und vernichten den Feind, bevor er sie vernichtet. Großartig! Die von Israel liquidierten iranischen Staatsverbrecher und Hamas-Häuptlinge verdienen genauso wenig Mitleid wie die Gehängten von Nürnberg 1947. Uns hat man nach 12 Jahren erlöst, die Iraner werden seit mehr als 40 Jahren geknechtet. Und Hitler war leider ein deutsches Eigenprodukt, während Chomeini vom Westen in den Iran exportiert wurde. Wer in der Lage war, Chomeini zu exportieren, wäre im Sinne eines Folgenbeseitigungsanspruchs eigentlich verpflichtet,… Mehr

Buonarroti
20 Tage her

Die Corleone Familie verteidigt ihr erobertes Territorium auch mit allen Mitteln, so wie sie es gewonnen hat.

Last edited 20 Tage her by Buonarroti
Kuno.2
20 Tage her

Zunächst einmal wurde die aktuelle Regierung in Teheran in der 2024 erfolgten Parlamentswahl mit Mehrheit gewählt und zwar unter 223 zugelassenen Parteien wobei nur 12 Parteien relevant sind.
In Deutschland haben wir rund 49 Parteien, wobei aber nur 6 Parteien relevant sind.

Lars Baecker
20 Tage her
Antworten an  Kuno.2

Ein geradezu vorbildliches Land. Wäre das nichts für Sie? So ein schmuckes Appartement in Teheran?

Kuno.2
20 Tage her

Sollte Israel nukleare Massenvernichtungswaffen einsetzen, war es das mit dem halbwegs friedlichen Zusammenleben auf der Erde.
Dann beginnt das was in der Bibel vorausgesagt wurde.

Deutscher
20 Tage her
Antworten an  Kuno.2

Und warum sollte Israel das tun?

Kuno.2
20 Tage her
Antworten an  Deutscher

Warum? Weil das jetzt keine Folgen hätte!
Aber sobald der Iran eine oder zwei nukleare Waffen hätte wäre dies eine Abschreckung.
Israel hat rund 100 nukleare Sprengköpfe. Warum sollte der Iran seine nationale Existenz gefährden?

Nibelung
20 Tage her

Was hier als Strategie bezeichnet wird ist das Versagen anderer und darüber konnten sie in Syrien zunächst punkten und mal sehen wie sie das ganze überstehen, denn auch Atomsprengköpfe müssen nicht aus der Welt sein, egal ob selbst produziert oder gehandelt, denn das ist nur eine Frage einer gemeinsamen Strategie der Gegenseite und dann ist es geschehen, auch wenn man die Amis im Rücken hat, denn ist die Heimat mal erst hin, dann muß man sich eine andere Bleibe suchen oder lange dafür arbeiten bis das Dorf mal wieder schöner wird. Diese Erfahrung mußten viele schon machen, wenn man es… Mehr

Leroy
21 Tage her

Kann sich jemand vorstellen wie das wäre, hätte Frau Bärbock an solchen Verhandlungen teilgenommen?

Lars Baecker
20 Tage her
Antworten an  Leroy

Klar. Lächerlich, peinlich, zum Fremdschämen. Baerbock halt…

gmccar
19 Tage her
Antworten an  Lars Baecker

Die Baerbock halt….soll ja laut verbotener Medien von Trump ein Einreiseverbot in die USA erhalten haben.

Konradin
21 Tage her

Die Spionage- und Operationskünste des Mossad sind längst legendär. Wäre am 7. Oktober 2023 nicht gerade Betriebsfest, Wandertag o.ä. gewesen, hätte der Mossad sicher auch diesen Hamas-Angriff frühzeitig aufgeklärt und unterbunden. A propos Spionage: Wer ist wohl Marek Kaufmann, der bereits vor längerer Zeit im Iran (Provinz Markazi) beim fotografieren von Militärstützpunkten und Nuklearanlagen erwischt und darauf hin festgenommen wurde? Wie Informationen und Videoaufnahmen auf X nahelegen spricht der englisch mit deutschem Akzent. Er soll wohl einen deutschen Pass haben und jüdischen Glaubens sein. Daneben soll er ggf. noch einen weiteren (unsäglichen) Doppelpass eines weiteren Staates besitzen. Fun fact: Er… Mehr

wofi
20 Tage her
Antworten an  Konradin

Mossad: Auslangsgeheimdienst.
Shin Bet: Inlandsgeheimdienst.
Mossad war nicht zuständig und nicht verantwortlich für den 07.10.