Großbritannien: BBC-Rundfunkgebühr soll 2027 abgeschafft werden

Boris Johnson will zu den Themen zurückkehren, die ihm seinen großen Wahlsieg bescherten. Angeblich „populistische“ Aufreger sollen bald in Politik verwandelt werden. Die BBC soll als gebührenfinanzierter Verbund abgeschafft werden – allerdings nur, wenn Johnson 2027 noch Premierminister ist.

shutterstock/Willy Barton

Großbritannien befindet sich mitten in einer Regierungskrise. Die Gartenparty-Nachrichten aus Downing Street wollen nicht recht abreißen und zeigen überdeutlich, dass der Glaube an Sonderrechte bei den Regierenden auch in Westminster anhält. Während die Welt der Briten auf ihren Haushalt „plus eine Person“ – die sogenannte „bubble“ – zusammenschrumpfte und Hochzeiten wie Trauerfeiern unmöglich waren, feierte man im Garten von Downing Street eine Party nach der anderen, zum Teil mit hundert Eingeladenen.

Nun klingt das exzessiver, als uns die Bilder zeigen. Es ging nicht gerade hoch her auf diesen „Parties“, wie Bilder zeigen, auf denen der Premierminister neben einem Mitarbeiter Platz genommen hat und vielleicht schon wieder über Regierungsgeschäfte redet. Allerdings war das Erlauben der Party sicher instinktlos. Für die Kritiker der Maßnahmen belegt es von Neuem deren Lächerlichkeit und die quasi-pietistische Selbstgängelung, die in ihnen liegt. Inzwischen sind auch Regelbrüche von Oppositionsführer Keir Starmer aufgetaucht.

But here he is, on the 30th April 2021, when indoor gatherings were banned by law, at a house party in Durham (with Mary Foy MP)#ResignStarmerpic.twitter.com/ysEJXk2CZa

— #MoggMentum (@MoggMentum) January 15, 2022

Schlecht ist allerdings, wenn Regierungsbeamte nicht fähig sind, den von ihnen entworfenen Regeln zu folgen. Es belegt zuletzt sowohl die Praxisuntauglichkeit der Regeln wie die Abgehobenheit der Regierenden. Insofern ist auch der Zorn über Boris Johnson verständlich. Inzwischen fordert eine vielfältige Koalition über die Parteigrenzen hinweg den Rücktritt Johnsons. Zu ihr gehören auch mindestens sechs konservative Mitglieder des Unterhauses und 26 Tories aus dem schottischen Parlament.

Weitere Misstrauensbriefe aus dem Unterhaus sollen an die Parteiführung adressiert worden sein, ohne dass sich das in öffentlichen Erklärungen niederschlug. Die Rede ist von 20 bis 35 Briefen. Heraus ragt der von Andrew Bridgen, einer der profiliertesten Hinterbänkler und Brexiteers, aus dessen Erklärung man auch Kritik an Johnsons Corona-Politik herauslesen kann. Und zumindest in einem Teil der Öffentlichkeit wächst auch das Unbehagen an Johnsons Schmusekurs mit der urbanen Linken, der Wokery.

Bang fragt die Presse: „Ist ein Kulturwandel in Downing Street möglich, solange Boris Johnson Premierminister bleibt?“ Nachdem er sich für den Bruch der von ihm und seiner Regierung veranlassten Corona-Regeln entschuldigt hat, will Johnson angeblich den Befreiungsschlag wagen. Zum einen soll mehr als eine Handvoll Mitarbeiter aus Downing Street. die an dem Debakel in der einen oder anderen Weise mitwirkten, ihren Hut nehmen müssen. Das wären übliche Bauernopfer, die den König retten sollen. Ob man Johnson sinnvollerweise durch Schatzmeister Rishi Sunak oder Außenministerin Liz Truss ersetzen könnte, bleibt offen. Beide haben sicher nicht Johnsons Profil und ursprüngliche Volkstümlichkeit.

Johnsons Bedrängnis könnte auch ihr Gutes haben

Laut einer YouGov-Umfrage unterstützt ein Drittel der konservativen Wähler einen Rücktritt des Premiers, während eine knappe Mehrheit von ihnen (52 Prozent) Johnson weiterhin stützt. Es könnte sein, dass dieser Wert dem Premier den Kopf rettet. Eine ähnlich hohe Zustimmung hat er nur unter jenen Wählern, die für den Brexit gestimmt haben. Doch sie sind zweigeteilt: 42 Prozent unterstützen Johnson, doch ebenso viele fordern seinen Rücktritt.

Aber Johnsons Bedrängnis hat vielleicht auch ihr Gutes. So sickerte durch, dass der bekennende „One-Nation Tory“ in den nächsten Wochen einige populäre („populistische“) Ankündigungen machen will, um zumindest in den Umfragen etwas Boden gutzumachen. Zu diesen Themen, die jene Wähler, die Johnson 2019 neu für die Konservativen gewinnen konnte, besonders interessieren sollen, gehören der Abbau der Wartefristen beim NHS, die „Krise der kleinen Boote“ im Ärmelkanal oder auch ein Alkoholverbot in Downing Street. Das Letztgenannte wäre die offensichtlichste Folge aus den Gartenparties. Als sicher gilt daneben, dass die ebenfalls unpopuläre BBC-Gebühr von derzeit jährlich 159 Pfund (190 Euro) bis 2024 nicht mehr steigen soll.

Sogleich hob ein Wehgeschrei der BBC-Macher an, die warnten, dass beliebte Programme bald nicht mehr finanzierbar sein würden, etwa die Naturfilme eines David Attenborough – der allerdings, mit der beständigen ökologistischen Schlagseite seiner Filme, zugleich zu den wichtigsten Ideologie-Produzenten des Senders gehören dürfte. Die Konservativen erwarten, dass auch die BBC lernen kann, „Überflüssiges zu kürzen wie jedes andere Unternehmen auch“. Eine Gebührenerhöhung sei den Bürgern angesichts steigender Energiepreise und Steuern nicht zuzumuten. So muss die BBC vorerst auf den Inflationsausgleich verzichten und in der kommenden Periode Hunderte Millionen Pfund einsparen.

Keine Haftstrafen mehr wegen Gebührenrückstand

Doch das war noch nicht das Ende der Regierungsankündigungen in Sachen BBC. Nachdem die BBC, wie nicht anders zu erwarten, die Kritik an Johnson und die Rücktrittsforderungen in verschiedenen Sendungen befeuert hatte, trendete erneut der Hashtag #DefundTheBBC, unter dem seit einiger Zeit zur völligen Abschaffung der Zwangsfinanzierung für den öffentlich-rechtlichen Senderverbund aufgerufen wird. Der Ruf, so kann man nun feststellen, wurde erhört. Am Sonntagmorgen verkündete die Ministerin für Digitales, Kultur, Medien und Sport (DCMS), Nadine Dorries, dass die gerade angekündigte Gebührenerhöhung für das Jahr 2025 die letzte derartige Ankündigung sein werde.

2027 soll die Gebühr definitiv auslaufen: „Die Tage, da älteren Menschen mit Gefängnisstrafen und Gerichtsvollziehern gedroht wird, sind vorbei.“ Nun sei die Zeit, neue Finanzierungswege zu debattieren. Dorries sieht offenbar optimistisch in diese Zukunft, denn sie bemerkt, dass man auch weiterhin „großartige britische Inhalte“ unterstützen und verkaufen wolle. Die Ministerin galt schon bei ihrer Berufung als „Alptraum“ für die Mächtigen in der BBC, denn beruflich hatte sie zuvor beim privaten Konkurrenten ITV gewirkt. Als Gesundheitsministerin hatte Dorries das Rundfunkhaus scharf kritisiert: „Die BBC bevorzugt schrille, sehr linksorientierte, häufig heuchlerische und bevormundende Ansichten, die die Menschen von ihr abstoßen.“

Politische Weggefährten der Kulturministerin sekundierten: „Die Tage des staatlich finanzierten Fernsehens sind vorbei.“ Alternative Finanzierungsmodelle wären ein Abonnementsystem oder die Ausgabe von Aktien. Daneben besitzt die BBC schon heute einen kommerziellen Arm – die BBC-Studios, die durch Lizenzgebühren für Serien, Filme und Dokumentationen im letzten Geschäftsjahr 137 Millionen Pfund verdienten. Der Gesamtprofit erhöhte sich so – vor allem dank steigender Rundfunkgebühren – im Geschäftsjahr 2020/2021 auf 314 Millionen Pfund.

Der neue Direktor versuchte noch seine Mannschaft zu bändigen

Weniger geschätzt wird seit einiger Zeit – zumindest unter konservativen Briten – die politische Kommentierung im Programm der BBC, dem nicht ohne Recht ein starker Linksdrall vorgeworfen wird. Und es gab zwar den einen oder anderen Brexit-Befürworter im Programm, aber auch in dieser Frage waren die Positionen der Redakteure oft allzu voraussehbar kritisch. Daneben hat jüngst auch eine Zensur von Alt-Eigenmarken eingesetzt – so der Humor-Klassiker von Monty Python –, die zum Teil nicht mehr in der Mediathek abrufbar sind.

Der jüngst eingesetzte BBC-Generaldirektor Tim Davie hatte versucht, den Schaden für seine Institution zu begrenzen, indem er die Social-Media-Aktivitäten der Redakteure stärker kontrollierte und den Nachrichtensprechern von Neuem Neutralität abverlangte – eigentlich eine uralte Grundforderung der BBC an ihre Mitarbeiter, die aber in den letzten Jahren immer seltener eingehalten wurde. Man muss nur das auch in Deutschland empfangbare weltweite TV-Programm des Senders mit seiner häufig woke-koketten Präsentation und Kommentierung anschauen.

Fun Fact (im Grunde aber nicht lustig): Verfahren wegen Rückstands beim Zahlen der BBC-Gebühren machen ein Drittel aller Verurteilungen von Frauen aus. Angeblich betreffen diese Verfahren mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer. Könnte das daran liegen, dass man die Gebühr zuletzt für Rentner – aus welchem Kalkül auch immer – verpflichtend gemacht hat? Alle anderen bleiben in Großbritannien ungeschoren, wenn sie keinen Fernseher besitzen oder das angeben. Ein Gefühl wie aus den Neunzigerjahren der Bundesrepublik Deutschland …

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