In Australien kommt das Social-Media-Verbot für Nutzer unter 16 und damit die Altersprüfung für alle. Kritiker warnen vor Datenlecks und Scheunentor-Schlupflöchern. Doch das EU-Parlament fordert Ähnliches. Im UK zeigen sich schon jetzt die Probleme, einzelne US-Staaten folgen. Wo bleibt die Freiheit?
picture alliance / PHOTOPQR/LA PROVENCE/MAXPPP | david ROSSI
Und wieder scheinen die Regierungen des globalen Westens fast wie mit einer Stimme zu sprechen. Man mag sich fragen, wieso das so ist. In diesem Fall geht es um das ferne Australien (auch Down Under genannt) und die EU, inzwischen viel eher eine Entität, die man sich „am unteren Ende“ vorstellen muss, eine Art bodenlose Wasserlache.
Die Mehrheit der EU-Abgeordneten unterstützte nun ein Social-Media-Verbot für Unter-16-Jährige. Die Gründe lägen in den Gefahren für die seelische Gesundheit und in der „Desinformation“, kann man lesen. Geplant ist in der Folge natürlich eine Ausweitung der Kontrollstrukturen. Kommen soll eine EU-App zur Altersüberprüfung und eine EU-Wallet für digitale Identitäten. Darin scheinen sich Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen einig, obwohl die USA der EU vorgeschlagen haben, das Rad etwas zurückzudrehen – etwa beim Digital Services Act und Digital Markets Act –, um bessere Handelsbedingungen zu bekommen.
Die EU-Mächtigen wollen offenbar das Gegenteil. Und die Pflicht zur Altersverifikation auf Social Media mag ein schönes Sicherheitsinstrument für faule oder nachlässige Eltern sein, aber am Ende trifft sie alle Nutzer, die dadurch etwas gläserner werden und ein Stück mehr an Datensicherheit verlieren, vielleicht aber auch einfach aus den betroffenen Plattformen auswandern.
In Australien ist man schon einen Schritt weiter. Am kommenden Mittwoch soll dort das Social-Media-Verbot für Unter-16-Jährige kommen. Die EU will angeblich laxer sein und Kindern von 13 bis 16 Jahren den Zugang mit Einverständnis der Eltern erlauben, nur Kinder unter 13 Jahren sollen absolut vom EU-Social-Media-Bann getroffen werden. Wie man diesen Regelwust umsetzen will, bleibt schleierhaft. Da ist die australische Lösung klarer – bleibt aber nicht ohne Widerspruch.
Teenager klagen gegen ihren Ausschluss
Schon haben Teenager zusammen mit der Initiative „Digital Freedem Project“ gegen die Neuregelung geklagt, wie die Seite Cybernews berichtet. Zwei 15-Jährige treten als Kläger vor dem High Court of Australia auf. In Australien gibt es wohl mehr als eine Million Teenager-Accounts auf sozialen Medien wie Youtube, TikTok, Snapchat, Twitch, Facebook und Instagram. Aus den Reihen des „Digital Freedom Project“ heißt es nun, die Teenager würden der Möglichkeit beraubt, sich über politische Themen auszutauschen, was ein Recht gemäß der australischen Verfassung ist. Ein ausdrückliches Recht auf freie Rede hat Australien nicht, aber eben dieses andere Recht auf politischen Austausch, was ja irgendwie auf dasselbe hinausläuft.
Auf dem Weg dieser Altersverifikation aber, so die australischen Kritiker, gelangen Daten von minder- wie volljährigen Nutzern „außer Landes“, etwa in singapurische Datenknotenpunkte. Auch für die Sicherheit der Daten wird dann nicht die australische Regierung verantwortlich sein, sondern andere – wenn überhaupt. Und wenn es dabei um biometrische Daten geht, dann wäre das wohl besonders heikel. Denn man kann nicht wissen, wo die Daten letztlich landen. Daneben wird gemutmaßt, dass es einfach sein könnte, die Regelung zu umgehen, indem sich ein 15-Jähriger einen falschen Bart anklebt oder sich anderweitig verkleidet.
Das freie (?) Britannien ist vorne mit dabei
Im UK gibt es die verpflichtende Altersüberprüfung schon. Und betroffen waren keineswegs nur Pornographie- oder sonstwie „gefährliche“ Seiten. Am 25. Juli erwischte es auch einen Teil der Reddit-Gemeinde. Reddit ist ein zumeist ziemlich harmloses Internetforum, in dem sich Nutzer zu allen möglichen Themen austauschen und Fragen stellen können, an denen sie bisher gescheitert sind. Die Antworten können außerdem auf ihre Nützlichkeit bewertet werden. Am 25. Juli wurden britische Reddit-Nutzer vor die Alternative gestellt, entweder ihr Alter nachzuweisen oder auf den Login zu verzichten. Sie konnten dann ein Bild ihres Ausweises hochladen oder sich durch ein Live-Selfie über die Persona-Anwendung verifizieren. Persona ist übrigens lateinisch für Maske, und es ist durchaus vorstellbar, dass Minderjährige das Programm mit Masken überlisten können.
Betroffen waren auch Gruppen und Posts, in denen es um politische Themen geht, etwa einige Videos auf X und einige Subreddits zum Gaza-Krieg oder zum Ukraine-Krieg, wie die BBC berichtet. Auch ein Redeausschnitt der konservativen Abgeordneten Katie Lam zu den „Grooming-Gangs“ wurde unterdrückt, was Lam mit den Worten quittierte: „Der britische Staat schützt Kinder nicht vor Massenvergewaltigungen durch Gangs. Aber er ‚schützt‘ Erwachsene davor, davon zu erfahren.“
Betroffen: WWII, die Periode und das Ausdrücken von Pickeln
Auch Bilder von „gewaltsamem Protest“ wurden ausgeblendet oder hinter eine Altersschranke gestellt, ebenso Subreddits zu den Themen „periods“, „stopsmoking“, „stopdrinking“ oder „sexualassault“, wie die Seite Usermag berichtete. Und es geht noch weiter mit den scheinbar willkürlich oder doch sehr weitgehend blockierten Reddit-Themengruppen, darunter „poker“, „worldwar2“ und einige absurdere Beispiele, etwa eine Seite über das Ausdrücken von Pickeln, die von großem Interesse gerade für Heranwachsende sein könnte.
Eine noch erstaunlichere Auswirkung ist wohl die, dass die Wikimedia-Stiftung, Trägerin von Wikipedia, davon ausgeht, dass die bekannte, aus anderen Gründen umstrittenen Online-Enzyklopädie unter den Bedingungen des Online Safety Act nicht mehr so funktionieren kann wie gewohnt. Denn bisher können auch unangemeldete Besucher Inhalte – unter Preisgabe ihrer IP-Adresse – beisteuern und verändern. Das wäre nicht mehr erlaubt, wenn Wikipedia in die höchste Stufe der Sicherheitserfordernisse einsortiert wird, wie es die Stiftung erwartet. Aber noch gibt es keine Einstufung der beliebten Seite, was allein schon zeigt, wie fadenscheinig und chaotisch das UK-Gesetz und seine Anwendung bisher sind. Natürlich hat aber Labour keinen Anschlag auf die Wokery-Zentrale Wikipedia geplant. Der wäre allenfalls ein Kollateralschaden.
In den USA: Bluesky verlässt Mississippi
Sogar in den USA befürchten Nutzer und Kommentatoren, dass es über kurz oder lang zu ähnlichen Regelungen kommen wird, wie es etwa bei der Electronic Frontier Foundation heißt. In dem Fall könnte die Suche nach Ausweichländern für den Login mit eingeschaltetem VPN schwierig werden. Vermutlich fänden sich vorerst noch genügend „freiere“ Länder, aber die Auswahl wird monatlich knapper, und die beste Internet-Infrastruktur bieten nun einmal bisher noch westliche Länder, die zunehmend in den Sog der „Internet-Sicherheit“ geraten.
Michigan ist der nächste Bundesstaat, der über verpflichtende Altersverifikation für Social Media zumindest nachdenkt, mit Argumenten wie diesem der Demokratin Carrie Rheingans: „Ich glaube, manche junge Menschen verfügen noch nicht über die geistige Reife, um zu unterscheiden, was real ist und was nur online generiert wurde.“
Dänische Digital-ID kommt 2026 – auch Kanada will die Verifikation
Aber auch in Europa geht die Fahne der Freiheit gerade auf Halbmast: Das perfektionistische Dänemark wird nächstes Jahr eine digitale Identitäts-Wallet einführen, die auch zur Altersverifikation dienen soll. Das ist das skandinavische Modell der einheitlichen Nutzeridentität, das bisher durch bankengestützte Identitätssysteme in Schweden und Norwegen aufgebaut wurde. Es handelt sich nichtsdestoweniger um eine digitale Identität, mit der sich letztlich alles Mögliche anstellen lässt. Auch die von Labour geplante „BritCard“ weist in dieselbe Richtung und dürfte am Ende nicht der Vermeidung von illegaler Migration und Schwarzarbeit dienen, wie behauptet, sondern der Überwachung der Briten.
Italien, Frankreich und Spanien haben jeweils Gesetze zur Altersverifikation eingeführt, um den freien Zugang zu Erwachsenenunterhaltung, alias Pornographie, zu beschränken. In Spanien erfordert eine von der Polizei gestartete Anwendung Zugang zum Personalausweis von Nutzern und generiert darauf basierend Zugangsschlüssel.
Allerdings gelten solche Modelle als fragwürdig, weil die privaten Daten der Nutzer dabei an Dritte weitergegeben werden. Zudem sollen die Schranken häufig mit einfachsten Programmierkenntnissen überwindbar sein, schreibt auch Euronews unter Berufung auf Non-profit-KI-Forensiker.
Kollektive Verbote sind der falsche Weg
Auch in Deutschland gibt es erste, nicht sehr entschiedene Versuche, den Zugang zu bestimmten „Erwachsenen-Seiten“ zu beschränken. Aber die EU-Version der Altersverifikation könnte diesen Versuchen zuvorkommen.
Natürlich kann auch Kanada nicht fehlen, wo es um Altersverifikation geht. Der neue Gesetzentwurf S-209 wird von Kritikern als gefährlicher Schritt mit unabsehbaren Folgen („slippery slope“) gesehen. Man könnte nun paranoid werden ob so viel internationaler Übereinstimmung im woken Westen, aber am Ende ist das Thema ein aktuelles und viele fragen sich, wie sie die Kinder vor dem Versinken im virtuellen Morast bewahren können.
Nur sind kollektive Verbote der ganz falsche Weg und im übrigen eine Wählertäuschung. Die Jüngsten werden vorgeschoben, wo es um Kontrolle an sich geht, wie auch die Verquickung mit Chatkontrolle und DSA zeigt. Am Ende geht es immer darum, die Anonymität im Netz auszuhebeln und den Internet-Nutzer gläsern genug zu machen, um ihm die eigene Meinung möglichst auszutreiben – in Furcht vor Sanktionen. Der Jugend- und Kinderschutz, der eigentlich bei den Eltern liegen sollte und ihnen allein zukommt, wird dabei nur missbraucht.
Statt kollektiver Verbote sollte es eher eine gesellschaftliche Offensive für gute Erziehung – natürlich nur durch die Erziehungsberechtigten – geben. Das wäre die beste Maßnahme für mehr Kinder- und Jugendschutz, nicht Internetmaulkörbe für alle.





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Die Eliten hinter den Kulissen die über Institutionen wie WEF, Bilderberger, Open Society Foundation unsere „Top“-Politiker wie Merz und Macron auswählen wollen offenbar den EU-Zentralstaat mit Totalüberwachung und Zensur – so lassen sich die Bürger leichter steuern und überwachen, Kontrolle über Medien und Informationen kann leichter ausgeübt werden.
Leider haben viele Eltern keine Ahnung, was ihre Kinder im Netz so treiben.
Die schlimmsten Dystopien werden Wirklichkeit… gut noch bleibt die Frage ob man all diesen digitalen Sch.. wirklich braucht… also ich lebe auch noch ohne jemals ein Gescichtsbuchaccount, Instablablab oder irgend einen anderen Sozialschmodder jemals auch nur angesehen zu haben…
Aber wenn es bald soweit ist, dass man sich nur beim online gehen ausweisen muss… dann ja dann ist Polen offen… Ich renne ja auch nicht mit einer Fotokopie meines Ausweises auf dem Kopf durhc die Strasse damit jeder gleich weiss wer ich bin und wo ich wohne….
Das Ergebnis wird sein, daß irgendwann das Kind der EU mit dem Bade ausgeschüttet wird. Was ich dann sehr begrüße. Je feiner man ein (Überwachungs-)netz knüpfen will, desto reißanfälliger wird es, wenn man es nicht vielfach wickelt. Der Effekt ist doch, daß sich die Leute dann unverfängliche Code-Wörter ausdenken, die dann umgehend einen Bedeutungswandel erfahren. Schöne Beispiele sind „Goldstücke“, „Unseredemokratie“ und dergleichen. Für Corona war es „Corinna“ oder „das böse C“. In der DDR gab es ja auch schon solche Worte, wie z.B. „Bückware“. Die „Behörden“ (= schmierige Stasi-Spitzel – A. Weidel) werden dauerbeschäftigt sein, die immer neuen kreativen Wortschöpfungen… Mehr
Altersüberprüfung bei TikTok….das gibt es doch schon längst* wird halt nur nicht entsprechend von den diensten gehandhabt. Das hier früher oder später die politik druck macht war doch zu erwarten.
*TikTok ist grundsätzlich ab 13 Jahren erlaubt, wobei unter 18-Jährige offiziell die Zustimmung der Erziehungsberechtigten benötigen. Diese Zustimmung wird bei der Einrichtung nicht aktiv überprüft. Für einige Funktionen wie Direktnachrichten (ab 16) oder Live-Streaming (ab 18) gelten höhere Altersgrenzen (google KI)