Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Zentrum für politische Schönheit

Steckt Björn Höcke dahinter? Wie weit reicht der Arm des AfD-Politikers, wenn eine thüringische Staatsanwaltschaft seit Ende 2017 gegen den Leiter des „Zentrum für politische Schönheit“ wegen §129 StG „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt?

imago/snapshot
Nachbau als symbolische Außenstelle des Berliner Denkmals fuer die ermordeten Juden Europas durch das Zentrum für politische Schönheit in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnhaus von Björn Höcke (AfD) in Bornhagen, 22.11.2017

Steffen Dittes ist Abgeordneter der Partei „Die Linke“ im thüringischen Landtag. Auf telefonische Nachfrage sieht er seine Aufgabe auch darin, die Regierung zu kontrollieren, sogar unabhängig davon, ob seine Partei selbst Teil davon ist (rot-rot-grün). Also stellt Dittes gelegentlich kleine, teils bissige Anfragen, die dann in einem bestimmten Zeitraum beantwortet werden müssen.

Keine Geschmacksfrage
Darf Kunst wirklich alles?
Eine Antwort der thüringische Landesregierung hat jetzt das Potential für eine gehörige politische wie Medienaufregung zu sorgen, als Dittes u.a wissen wollte, „welche Ermittlungs- und Strafverfahren“ wegen §129 StGB „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ bzw. wegen §129a StGB „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ wegen welcher Delikte im Land anhängig seien.

Eine Tabelle gab in der Beantwortung Aufschluss darüber, dass es sowohl Ermittlungen gegen Rechts- wie Linksextreme ebenso wie gegen Islamistengruppen gab. Soweit keine übermäßig große Überraschung.

Viel überraschender war eine weitere Gruppe auf der Liste, gegen die schon länger ermittelt wird: namentlich eine „Gruppierung von Aktionskünstlern“. Ermittelt wird hier seit dem 29.11.2017 gegen eine bestimmte Person dieser Gruppe. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, erfährt Dittes in der Antwort der Regierung.

Schnell wurde bekannt, was für eine mediale Bombe die Landesregierung dem Linkspolitiker da ins Antwortschreiben geschmissen hatte, als sich die „Künstler“ als das mit provokanten Auftritten bekannt gewordene „Zentrum für politische Schönheit“ und derjenige gegen den ermittelt wird als Philipp Ruch, der Leiter dieses Zentrums herausstellte.

Abwertung des echten Mahnmals
Üble Effekthascherei mit Holocaust-Mahnmal: Wie weit darf man gehen?
Leute um Ruch waren es, die dem AfD-Politiker Björn Höcke eine Nachbildung des Holocaust-Mahnmals in den Nachbargarten bauten und Höcke observierten samt Gästelisten usw. Ebenso verantwortlich war die Gruppe für eine Pranger-Aktion nach dem Mord in Chemnitz und beispielsweise für eine a-historische wie ziemlich pietätlose Versetzung der Kreuze für die Mauertoten aus Berlin an die EU-Außengrenze.

Vergleiche mit dem Aktionismus der Identitären Bewegung sind hier für Beobachter durchaus naheliegend, einmal unabhängig von der Stoßrichtung bzw. Durchführung der Aktionen gedacht, dann, wenn man sich beispielsweise an die Besteigung des Brandenburger Tors durch die Identitären erinnert.

Besonders pikant an der „Enthüllung“ in der Beantwortung der Landesregierung ist das Datum des Beginns des Verfahrens nach §129 StGB, wenn es also etwa eine Woche nach Errichtung des Mahnmals vor 16 Monaten eingeleitet wurde. Hat Björn Höcke in Thüringen schon so einen langen Arm, dass der noch am politischen Willen einer rot-rot-grünen Landesregierung vorbei die Ermittlungsarbeiten von thüringischen Staatsanwaltschaften wie auch immer beeinflussen kann?

Kunst-AG Zentrum für politische Schönheit
Aufruf zur Denunziation soll Kunst sein?
Immerhin hatte der damalige Thüringer Parlamentspräsident Christian Carius (CDU) kurz nach der Stelenaufstellung die Einleitung „erforderlicher Ermittlungen“ gegen das politische Künstlerzentrum gefordert und Höcke hatte nachgelegt, als er bereits kurz nach der Aktion des Zentrums gegen ihn öffentlich über die Gruppe um Phillip Ruch von einer kriminellen wie terroristischen Vereinigung sprach.

Steffen Dittes „selbst war „überrascht“, dass in einer solchen Tiefe gegen „Aktionskünstler“ ermittelt wird – und das schon seit so langer Zeit. Ihm stelle sich die Frage, „ob das politisch instrumentalisiert wird“, berichtete der Spiegel.

ZPS-Gründer Philipp Ruch äußerste sich mittlerweile zu den bekannt gewordenen Ermittlungen gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit den Worten, er sei „tief erschüttert“. Ihm sei durchaus klar, dass es sich hier um eine „ernste Anschuldigung“ handelt. Für Ruch soll hier das Grundrecht auf Kunstfreiheit eingeschränkt werden. „Wir sollen ausgeleuchtet, kriminalisiert und stigmatisiert werden.“

Nun kann man allerdings auch niemandem verübeln, in den Worten Ruchs bald eine Parallelität zu vergleichbaren Vorwürfen aus den Reihen der AfD zu denken, wenn die sich ihrerseits über Diffamierungen und Stigmatisierungen beschweren. Eine Bumerangeffekt der besonderen Art, präsentiert von der rot-rot-grünen Landesregierung, angeregt durch eine kleine Anfrage eine Linkspolitikers.

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Kommentare ( 63 )

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Alexander Wallasch
5 Jahre her

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Achso
5 Jahre her

Hallo Herr Wallasch,
heute mal aus Versehen in die falsche Richtung gefahren ?
Macht nix, kommt vor.

Alexander Wallasch
5 Jahre her
Antworten an  Achso

Nein, nein. Alles gut, aberSie sitzen im falschen Abteil. Noch nicht gemerkt? Dann wird’s aber Zeit. Tschüss!

Alexis de Tocqueville
5 Jahre her

Wenn der Terrorist Ruch mit der Begründung „Kunstfreiheit“ rauskommt, dann such ich mir ein grünes Ziel /(z.B. den Habeck) und werde auch Künstler.

leonaphta
5 Jahre her

Wozu die Staatsanwaltschaft in Berlin fähig ist, zeigt die Erledigung einer Anzeige gegen Unbekannte, die Frau V. Lengsfeld auf Plakaten denunziert hatten: „Lengsfeld, halt’s Maul! Kein Podium für rechte Hetze!“ Die Staatsanwältin: Keine Beleidigung, weil „die von Ihnen geäußerte Sympathie für die AfD“. https://www.achgut.com/artikel/deutschland_im_april_2019 Um das Gebaren dieser Staatsanwaltschaft – und die steht gewiß nicht alleine – könnten Sie sich mal kümmern, lieber Herr Wallasch.

Sidetrack
5 Jahre her

Man kann nur hoffen dass diesen radikalen Typen der öffentliche Geldhahn zugedreht wird.

Imre
5 Jahre her

Also wenn ich mir so betrachte, welche Aktionen gegen die sogenannten Rechtsrockkonzerte anlaufen – bin kein Fan davon – aber der Herr Ruch darf jeden Mist veranstalten, dann fehlt mir schon das ausgewogene Maß an Gerechtigkeit.
Oder man denke an die Linksrockfeier (mit der verdorbenen Sahne auf alten Fischen) in Chemnitz, quasi Tanz auf dem Grab des Abgestochenen, das hat mit Ausgewogenheit und Anstand nichts zu tun. Schauen Sie da lieber nochmal auf den Kompass, Herr Wallasch.
Gleiche Rechte für Alle, mögen Linksradikale vielleicht nicht besonders, Otto Normalo jedoch linke Schläger auch nicht!

P.Reinike
5 Jahre her

Das erschreckende an dieser Gruppierung, die sich als künstlerische Vereinigung tarnt, ist doch der totalitäre Grundduktus, der an die frühe Phase der sowjetischen Kulturpolitik oder gar an stalinistischen Habitus erinnert. Toxisch soll das Poltische das Private zerstzen, manche Aktion noch mit Staatsgeld gefüttert.

Daß die Staatsanwaltschaft hier im konkreten Fall einen Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung unbeeindruckt prüft, ist mehr als plausibel und ein Momentum, noch an von vorhandene rechtsstaatliche Grundstrukturen zu glauben. Ob sie ein Verfahren angesichts der erwartbaren politischen Empörungsorchester aus dem linksgrünen Block auch wirklich durchzieht, das ist eine ganz andere Frage.

Protestwaehler
5 Jahre her

Wie lange regiert LinksRotGrün jetzt in Thüringen?
In der kurzen Zeit konnte man sicher noch nicht alle vorhandenen Strukturen der Vorgängerregierung beseitigen… und gabs da in Thüringen nicht damals diese „Vorfälle“ im Bezug auf die NSU?!?

Protestwaehler
5 Jahre her
Antworten an  Protestwaehler

Der Fall schlägt seit Tagen auch über Thüringen hinaus hohe Wellen: Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Gera bereits seit 16 Monaten gegen den Gründer der Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS), Philipp Ruch, ermittelt. Die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht auf „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach. Ausgangspunkt der Ermittlungen waren Aktionen der Künstler gegen den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke in dessen Wohnort Bornhagen im Eichsfeld. Nun richten sich auch Fragen an den verantwortlichen Staatsanwalt Martin Zschächner. Am 1. April 2018 habe dieser der AfD 30 Euro gespendet, berichtet „Zeit Online“. Die Überweisung soll via den Bezahldienst Paypal gelaufen… Mehr

Ali
5 Jahre her

Also wenn das permanente „Beschatten“ der ganzen Familie Höcke (Sippenhaft) incl. Kinder für Sie für Sie unter „Kunst“ fällt, dann müssten sowohl die Nazis als auch die DDR-Faschisten mit zu den größten „Künstlern“ zählen die dieser Planet jemals gesehen hat.

Ruhrler
5 Jahre her

Die Staatsanwaltschaft ist (leider) gezwungen jedem (Anfangs-)Verdacht nachzugehen, auch wenn dieser sich dem Normalbürger als absurd und im Nachhinein als unbegründet darstellt. So auch in Thüringen. Wer möchte kann sich ja selber mal ansehen, gegen wen und weswegen da in Thüringen wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ so ermittelt wurde. Das reichte von Nachbarschaftsstreitigkeiten bis zu Posts im Internet oder Jux-Überweisungen.
http://www.parldok.thueringen.de/ParlDok/dokument/63783/ermittlungs-und-strafverfahren-nach-%C2%A7%C2%A7-129-129a-129b-stgb-in-th%C3%BCringen-seit-dem-jahr-2015.pdf