FDP fordert Asylantrag schon im Ausland zu stellen

Die Schweiz hatte diese Möglichkeit schon 2012 aus guten Gründen abgeschafft, die FDP wollte es in Deutschland 2017 einführen: Die Möglichkeit auch im Ausland einen Asylantrag zu stellen.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Die Schweizer Bundesversammlung hat „mit der dringlichen Änderung des Asylgesetzes vom 28. September 2012“ beschlossen, die Möglichkeit abzuschaffen, Asylanträge auch aus dem Ausland zu stellen. War das bis dahin beschränkt möglich, müssen seitdem Auslandvertretungen der Schweiz aufgesucht werden, die nach Prüfung ein Visum erteilen können, das zunächst die Einreise in die Schweiz erlaubt. Geprüft wird dabei, ob die Bedingungen für die Einreichung eines Visums aus humanitären Gründen vorliegen.

Hier bleibt zunächst schwammig, was eigentlich den Unterschied zu vorher ausmacht, außer, dass die Bürokratie zweifach tätig werden muss. Interessant wird es, wenn man die Anzahl der Grenzübertritte seit der Zuwanderungskrise aus der Schweiz nach Deutschland betrachtet. Schon Mitte 2016 meldete die Welt hier eine Zunahme der Migration um vierzig Prozent. Nun ist die Schweiz Teilnehmer im Eurodac-Fingerabdruckverfahren ebenso, wie es via Assoziierungsabkommen am Dublin-Verfahren teilnimmt. Anfang 2014 vermeldeten die Eidgenossen, die Dublin-II-Verordnung in die Tat umgesetzt zu haben.

Selbstbewusst verkündete das Schweizer Staatssekretariat für Migration (SEM) damals allerdings auch: „Bislang konnte die Schweiz bedeutend mehr Personen an andere Dublin-Staaten überstellen, als sie selbst übernommen hat. Für die Schweiz ist es vorteilhaft, das System Dublin weiterhin umfassend anzuwenden.“

Wenn nun die Schweiz seit 2012 keine Asylanträge mehr im Ausland annimmt, sondern nur noch die Möglichkeit eröffnet, ein Visum zu beantragen, dann besteht also theoretisch für die so Eingereisten die Möglichkeit, nach Deutschland durchzureisen und dort einen Erstantrag auf Asyl zu stellen. Die Schweiz als Transitland.

In Deutschland beginnt das Asylverfahren gesetzlich mit dem Asylantrag in einer der Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Abgesehen vom nicht unerheblichen Familiennachzug gibt es in Deutschland also bisher grundsätzlich keine weitere Möglichkeit, einen Asylantrag bereits im Ausland zu stellen.

Wenig Beachtung fand hier eine Forderung der Freien Demokraten, die noch in ihrem Bundestagswahlprogramm explizit eine Änderung des Asylgesetzes forderten: „Stellen von Asylanträgen im Ausland möglich.“ Die FDP trat nämlich 2017 mit einem „Menschenrecht auf Asyl“ zur Bundestagswahl an. Im Wahlprogramm heißt es wörtlich dazu: „Um Menschen die lebensgefährliche Flucht zu ersparen, möchten wir es ermöglichen, Asylanträge auch bereits im Ausland zu stellen.“ Die FDP geht also über die Neureglung der Schweiz noch hinaus, erwähnt die strengere Regelung des Nachbarstaates allerdings als ergänzende Option: „Ein Visum aus humanitären Gründen sollte (im Einzelfall) nach Schweizer Vorbild ebenfalls erteilt werden.“

War also bisher beim Asylantrag die „persönliche Vorsprache“ in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Regel erforderlich, forderte die FDP im Wahlprogramm 2017 diese Vorsprache auszudehnen auf die Vertretungen der Bundesrepublik im außereuropäischen Ausland.

Ebenfalls nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen in Vergessenheit geraten ist die Forderung der FDP eine so genannte „Chancenkarte“ einzuführen, nach der „weitere Fachkräfte ins Land gelassen“ werden. Asylbewerber sollten hier sogar die Gelegenheit bekommen, ihren Status zu wechseln und mit der „Chancenkarte“ ein dauerhaftes Bleiberecht zu erlangen.

Wenn also Christian Lindner im Juni 2018 den Hardliner gibt, dann hat sich seine oder die Position der FDP innerhalb von einhundert Tagen entweder dramatisch gewandelt oder es gibt hierzu keine klare Haltung innerhalb der FDP. Denn wenn Christian Lindner fordert, „Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sollten keine langwierigen Verfahren durchlaufen“, dann stellt sich die Frage, wie das mit der Forderung des Bundeswahlkampfprogramms deckungsgleich gebracht werden kann, das ja forderte, Asylverfahren bereits in den Herkunftsländern zuzulassen.

So betrachtet, wünscht sich die FDP in der Frage ein Deutschland nach dem Vorbild der Schweiz von vor 2012, möchte im Bundestag der AfD gerne den Rang ablaufen in Sachen harte Haltung in der Asylfrage, distanziert sich aber im selben Moment von der AfD, will die FDP doch im Gegenteil sogar eine Ausweitung der Möglichkeiten, in Deutschland Asyl beantragen zu können.

Nun bestätigt die Pressestelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge per Telefonat, dass ein deutscher Asylantrag ausschließlich in Deutschland gestellt werden kann. Auf die Einrichtung von Transitzentren im außereuropäischen Ausland angesprochen, wird deutlich, dass solche Zentren auch nur dann ihre Arbeit aufnehmen könnten, wenn das Asylrecht dahingehend geändert wird, dass Asylanträge auch dort gestellt werden können. Nach geltendem Recht wäre eine solche Antragstellung aktuell nicht möglich. Würden diese Transitzonen nun eine solche Gesetzesänderung erforderlich machen, kann man diese Änderung dann auf diese Transitzonen beschränken oder wäre es von da an überall im außereuropäischen Ausland möglich, einen deutschen Asylantrag zu stellen? Ist man sich im Klaren darüber, welche Folgen so eine Gesetzesänderung haben könnte? Die Juristen haben jedenfalls viel zu tun.

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Kommentare ( 31 )

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Falk Kuebler
5 Jahre her

„Ist man sich im Klaren darüber, welche Folgen so eine Gesetzesänderung haben könnte?“

Lieber Herr Wallasch, Sie wären der letzte, den ich je auch nur ein Stück weit für naiv halten würde… Aber weil es ja Leser geben könnte, die noch nicht so viel Erfahrung mit Politik-Mechanismen haben, möchte ich darauf hinweisen, dass ein heute real existierender Politiker sich NIEMALS die obige Frage stellen würde (die Antwort darauf wäre ihm nämlich völlig egal). Er würde sich immer nur die Frage stellen:

„Ist man sich im Klaren darüber, welche Folgen für das politische Image eine so formulierte Gesetzesänderungs-Forderung haben könnte?“

dienbienphu
5 Jahre her

Die Schweiz war schon mal soweit, Asylanträge an ihren Auslandsvertretungen in den „Herkunftsländern“ entgegenzunehmen. Sie haben es dann aber aufgegeben, weil es nicht den gewünschten Effekt brachte.
Wird das von der FDP überhaupt thematisiert, wie soll sichergestellt werden, dass wir nicht die gleichen Probleme bekommen, wie die Schweizer?
Oder ist das nur wieder einer dieser populistischen Vorstöße dieser FDP?

Archophob
5 Jahre her

Zwei Vorteile hat es, wenn der Asylantrag in einer deutschen Botschaft im Heimatland des Antragstellers gestellt wird:

1. der Antragsteller muß nicht für die Dauer des Verfahrens in einem Asylbewerberheim untergebracht werden!

2. wenn der Antrag abgelehnt wird, befindet sich der Antragsteller bereits dort, wohin er sonst abgeschoben werden müßte.

Insofern eine echte Alternative zum Status Quo.

Bambu
5 Jahre her

Die FDP ist zu einem Wackeldackel verkommen. Je nach Kurvenlage ändert sie ihre Meinung. Wer will schon so ein Überraschungspaket, wo man nicht weiß was man bekommt, wählen.
Die FDP hat sich dank einiger guter Werbeagenturen mit einem beachtlichen Erfolg in den Bundestag zurück gekämpft. Leider hat sie, nachdem sie Platz genommen hat kaum noch irgendetwas geleistet und überrascht immer wieder mit ihren Stimmungsschwankungen.

Sabine W.
5 Jahre her
Antworten an  Bambu

‚… zu einem Wackeldackel verkommen…‘? Sie sind lustig, liebe(r), Bambu. Das ist quasi das Markenzeichen der FDP. Politische Wendehälse seit Jahrzehnten, ohne wirkliches Konzept, und immer gerne bereit, auf den Zug aufzuspringen, der ihnen gerade im Aufwind erscheint. Eine Partei, die die Restnischen abgreift, die sich die größeren noch nicht abgegriffen haben. Genau aus diesem Grund sind sie zuletzt aus dem Bundestag geflogen. Dass sie nun wieder drin sind, mag dem Umstand geschuldet sein, dass sie ein paar wenige Ex-CDU-Wähler aufgefischt haben inkl. solcher, die sich vielleicht ansonsten der AfD zugewandt hätten – quasi als AfD ‚light‘. Trotzdem sind sie… Mehr

Patrick S
5 Jahre her

„Ist man sich im Klaren darüber, welche Folgen so eine Gesetzesänderung haben könnte?“ Das ist die Schlüsselfrage nach der ein jeder Politiker eigentlich sein Handeln ausrichten müßte. Ich frage mich seit ziemlich genau drei Jahren ob unsere hoch verehrten Volksvertreter ÜBERHAUPT noch (über Konsequenzen) nachdenken. Alles scheint rein spontan, emotionalen Impulsen oder momentanen Stimmungen – abgebildet durch veröffentlichte Meinung und Umfragewerte – folgend, entschieden zu werden. Hat man sich dann geirrt, die Lage völlig falsch eingeschätzt und ergo den falschen Weg eingeschlagen, besitzt man nichtmal den Anstand dies auch einzugestehen – an Kurskorrektur oder (Gott bewahre!) Rücktritt gar nicht zu… Mehr

Waehler 21
5 Jahre her

Ah ! man kann keinen Asylantrag in einer deutschen Botschaft stellen ? Ich würde das Bundesamt noch einmal bitten dies schriftlich zu bestätigen !
Dann würde ich noch einmal das AsylVfG zu rate ziehen. Es wurde explizit kein Ausschlusskriterium aufgenommen. Das Botschaftsgelände ist deutsches Territorium.
Zumindest ist die Meldung als Asylbewerber möglich- was dann die Botschaft macht ist Dank schwammiger Gesetzesformulierung ein Fall fürs Gericht.

Berlindiesel
5 Jahre her

In der Regel stimmen auch viele konservative oder nationalliberale Menschen dem Axiom zu, daß man denen „zu helfen“ habe, die vor „Krieg und Unterdrückung“ flöhen. Ich möchte einmal fragen: Was macht einen Menschen wertvoller, der aus einem Volk kommt, das einen Krieg angefangen hat, der nun beginnt, Auswirkungen auf Volksangehörige jenseits der Streitkräfte zu haben, gegenüber einem, der „nur“ wegen der Folgen von Mißernten oder Überbevölkerung migriert? Wollte man eine Wertigkeit definieren (eben solche wäre vonnöten, wenn die deutschen Einwanderungspolitik nicht mehr rein moral- und mitleidsgetrieben wäre) dann wäre der Migrant, der aus einem friedlichen, aber mit schlechter Scholle gesegnetem… Mehr

LaLicorne
5 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

Ganz ausgezeichneter Beitrag – nur dass die Leute nicht den Unterschied zwischen den Bildern aus Deutschlands Osten von 1945 (Frauen, Kinder, Alte…) sehen können, begreife ich nicht. Vor allem stellten die Heimatvertriebenen nicht die geringsten Ansprüche, sondern waren froh, wenn sie sich ein neues Leben aus eigenen Kräften aufbauen konnten.

Diese Glücksritter aus Afrika dagegen verachten doch unser (mehrheitlich noch vorhandenes) Ethos, möglichst niemandem auf der Tasche liegen zu wollen. Dass sich die braven Bürger unseres Landes von ihren sog. Eliten so brutal und dreist ausplündern lassen wie kein anderes Volk der entwickelten Welt, ist der eigentlich Skandal.

Nachdenkerin X
5 Jahre her
Antworten an  Berlindiesel

Im übrigen möchte ich betonen, daß die Deutschen aus dem deutschen Osten (Breslau, Königsberg, Stettin etc.) INNERHALB ihres Landes flüchteten. (Wäre Deutschland im Westen beschnitten worden, wären die Leute in umgekehrter Richtung geflüchtet oder vertrieben worden.) Und die sogenannten Volksdeutschen wurden vertrieben, weil sie ethnische Deutsche waren – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.

Gisela Fimiani
5 Jahre her

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass…..die Devise der FDP. Messen wir sie an ihren Taten und ihrer Haltung und stellen fest, dass auch hier der Opportunismus siegt. Soeben konnten wir vom EU Abgeordneten Lambsdorff erfahren, was sich die Partei unter „frei“ vorstellt: frei vom Grunsatz des lieberalen Staates und dessen kritischen Bürgern. Kann man selbst denkender Mensch diese Partei noch ernst nehmen?

Marc Hofmann
5 Jahre her

Die FDP kann fordern was sie will…solange die FDP für Offene Grenzen in Deutschland ist solange wird jeder Vorschlag der FDP zum Thema Einwanderung und Asyl ins LEERE laufen!