Salvinis Abseitsfalle: Kabinett Draghi steht schon kurz vor der Krise

Die Mehrparteienregierung von Mario Draghi pendelt in der Coronapolitk zwischen Öffnung und Strenge. Draghi blickt wohl nicht zuletzt auch auf Deutschland. Doch Salvinis Lega, die auch in der Regierung vertreten ist, will mehr Öffnung.

IMAGO / Insidefoto

Wird das Kabinett Draghi nicht einmal die Hälfte der Legislatur schaffen, fragen sich dieser Tage viele Beobachter des politischen Italiens, aber auch viele Bürger. So richtig überrascht wäre wohl niemand, würde auch die 67. Regierung seit 1945 scheitern, denn die Verweildauer italienischer Kabinette ist seit jeher recht kurz.

Klar, dass Mario Draghi Ministerpräsident bleiben und nicht ständig ein Kabinett umbauen, beziehungsweise, neu gründen will. Draghi, als früherer EZB-Präsident ein Mann der Finanzen und Zahlen, wollte sich jedenfalls nicht im ‚Kleinklein‘ der Parteipolitik vertendeln, sondern Italien zu einer festen und verlässlichen Größe innerhalb der EU machen, auch mithilfe des EU-Wiederaufbaufonds. Viele aber meinen auch, für den Weltmann Draghi sei das „Spielfeld Italien“ zu klein. In die Geschichte des Landes einzugehen, war für den ehemaligen EZB-Chef nie die Hauptmotivation. Vielmehr, die wackelige EU irgendwie zusammen zu halten – und den Euro.

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Unbedingt aufs Spielfeld, um in der Sprache des Calzio, des italienischen Nationalsports Fußball, zu bleiben, wollte die Lega mit Matteo Salvini. Gleich drei Ministerien sicherte sich die Lega im Kabinett Draghi, in dem alle politischen Strömungen vertreten sind, von tieflinks über die Mitte mit den Fünfsternen, ein paar parteilosen Ministern als eine Art neutraler „Expertenrat“, sowie eben das Mitterechtslager um Salvinis Lega und Forza Italia. Salvini wollte mitspielen, ohne persönlich ein Ministeramt zu übernehmen. Die Umfragewerte der Lega sind gleichbleibend hoch, Draghi kam nicht an ihr vorbei, um eine breite Zustimmung in der Bevölkerung hinter sich zu sammeln.

Nun will aber offenbar ausgerechnet die Lega mit Salvini, der mit Mario Draghi nach eigenem Bekunden, „das beste und ein offenes Verhältnis“ pflegt, eine Abseitsfalle aufbauen, um die Linke der sozialistischen PD, aber auch Draghi schlecht aussehen zu lassen. Das Kabinett kann schon bei der nächsten Abstimmung eine gestandene Krise durchmachen.

Zunächst erschien die Lage nach dem letzten Treffen des Kabinetts in Rom einigermaßen harmonisch. Zu den sachten und wohlkalkulierten Öffnungen in Italien steht Draghi weiterhin. Im Freien wird, passo dopo passo, Schritt für Schritt, quasi vieles wieder erlaubt sein, wonach sich (nicht nur) der italienische Bürger so sehnt. An die Bar gehen, oder ins Restaurant, und draußen am Tisch bedient zu werden. Wieder ein bisschen Normalität, Theater und Kinos, sollen nur wenig später wieder öffnen. Präsenzunterricht in den Schulen wieder geordnet stattfinden. Soweit so gut, dachte man.

Als Premier eines Mehrparteienkabinetts musste Draghi wohl auch als Vermittler mit dem Blick auf die Bedenkenträger auf der Linken, unter Journalisten und in der EU auch ein Entgegenkommen durch Vorsicht einbauen. Das heißt, überall in den gelben Zonen, und bis Ende Juli, soll der coprifuoco, die Sperrstunde, doch um 22 Uhr starten, wo sich doch besonders die Gastronomen eine längere Öffnungszeit im Freien wünschten. Sprach Draghi nicht von einem kalkulierten Risiko? Der Premier kennt aus seiner Zeit in der Frankfurter EZB Deutschland natürlich gut, konsumiert deutsche Medien und erfährt die ‚Rumori‘, wie und was man über Italien in Berlin denkt. Dass die Italiener ja so unverantwortlich seien und ein großes Risiko eingehen würden, usw.

Matteo Salvini, der Mailänder Tribun der Lega, hatte nach den Ankündigungen, das Echo in der Bürgerschaft schnell ausgelotet: Viele sind eher unzufrieden. Die Menschen und Gastronomen lamentierten lautstark. Salvini daraufhin, ganz Bauchmensch mit dem Herz auf der Zunge, gab mit seiner Lega die Order aus, diesem neuen Dekret, in dieser Form, nicht zuzustimmen. Das war dann der Hammer des Tages.

Sofort formierten sich die Gelbroten, also die frühere Koalition aus Cinque Stelle (Fünf Sterne) und PD, um gegen die Lega Stimmung zu machen, so berichtet es die Zeitung Il Giornale. Salvini und dessen Lega wurden zu Prügelknaben, immerhin erhielt der Legaführer von seiner Verbündeten in der Opposition, Giorgia Meloni, und deren Fratelli d’Italia viel Applaus.

Aber selbst aus Draghis Regierungsbüro wurde vom Premier selbst vermeldet, sobald die Vereinbarungen unterzeichnet werden, müssten sie auch respektiert werden. Quellen berichten sogar von einem ungewöhnlich hart klingenden und wütenden Mario Draghi.

Salvini drängt Draghi
Lockerungen in Italien: Geschäfte und Restaurants öffnen sachte
So sind nun im Mittelinkslager alle sauer über Salvinis Kehrwende, er würde den Zeitplan durcheinander bringen und unnötig Zeit verspielen. Schließlich habe die Lega doch das Dekret mitgestaltet. Nun, die Lega war wohl von einer längeren Sperrstunde ausgegangen. Dass Draghi wohl überhaupt so schnell sein ‚Si‘ für Lockerungen gab, war auch dem Pressing der Lega geschuldet, außerdem haben die Infektionszahlen stetig abgenommen: Von rund 21.500 Menschen am Tag, sind es einen Monat später nur noch 14.500, und vorgestern fiel die Zahl der Neuinfektionen sogar unter 9.000. Doch die Staatsvirologen und viele Politiker halten die Zahlen für trügerisch. Die Menschen wollen jedoch nicht auf Hilfen warten, sondern endlich arbeiten, skandieren sie auf den Straßen. Die Demos werden größer, von Nord bis Süd.

Matteo Salvini sagt, dass die Italiener verantwortungsvoll mit Abstand und Masken umgehen würden, und man sie nicht für das Impfstoffdesaster verantwortlich machen könne, und auch nicht seine Lega.

Auch die Tageszeitung Il Fatto Quotidiano schreibt über Giftpfeile gegen Salvini, besonders vom neuen ultralinken PD-Chef, Enrico Letta. Der meinte im Fernsehen, man müsse mal sehen, ob Draghi das Ende der Legislatur erreichen würde, er hoffe es, schob er giftig nach. Den Sozialisten der PD ist Salvini immer ein Dorn im Auge. Die PD ist ganz auf EU-Linie, was die Lockdowns und die Migration betrifft: gerne immer länger und immer mehr, bis der Systemchange vollzogen ist.

Der Konter von Salvini, wenn auch nicht direkt auf Enrico Letta, lautete dann im Fernsehen so: „… Die Bürger und das ganze Land sind müde, von all den Opfern, die sie gebracht haben. Wir möchten einen Neustart bei maximaler Sicherheit, aber endlich wieder Planungssicherheit und Normalität für die Bürger und Unternehmen“, während sich andere, gemeint ist das linke Bündnis um die PD, mehr um die illegale Migration als um die Italiener kümmern würden.

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Kommentare ( 11 )

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Thorsten
3 Jahre her

Die Neuinfektionen in Deutschland sind auch recht gering, wie auch die Sterberate. Vermutlich zählt mittlerweile jeder Tote mit Schnupfen als an Corona gestorben.
Es soll nur noch der „Notstand“ prolongiert werden, um im Sommer in den Klima-Lockdown zu wechseln und die Mißwirtschaft bis zu den Wahlen zu übertünchen.

HBS
3 Jahre her

Demokratie und „faire Wahlen der Bürger“ – kann man in Italien völlig abhacken, wenn 2 Personen zum MP ernannt wurden, die an einer Wahl überhaupt NICHT !!! teilgenommen haben.

Mario Draghi und sein Vorgänger standen auf KEINEN !!! Wahlzettel und trotzdem wurden sie Ministerpräsidenten in Italien, – dank der Merkel-bemühungen.

Etwas Satire – aber CDU und AfD könnten sich im Ernstfall auch auf „Andrea Berg“ als Bundeskanzlerin einigen,- wenn die Wahl 2021 eng wird.

Boris G
3 Jahre her

Italiens Stern wird weiter sinken. Die EU-Milliarden können das demographische Desaster dieses einst quirligen Industriestaates nur kurzfristig verzögern. Die klugen jungen Italiener haben einfach aufgehört sich zu vermehren. Mit dem einstigen Spitzenwert von 102 IQ-Punkten unter den Nationen dieser Erde ist es längst vorbei. Dazu das desolate auf Egalität getrimmte Schul- und Universitätssystem – voila, der Untergang ist nahe. Aber über diese sozialbiologischen Wurzeln einer (europäischen) Misere darf niemand reden – Gunnar Heinsohn schreibt gelegentlich darüber auf tichyseinblick, Heiner Rindermann hat es in „Cognitive Capitalism“ untersucht.

Sonny
3 Jahre her

Salvini hört also auf die Stimmen der Straße. Soso. Ist das nicht auch eine Grundvoraussetzung, um überhaupt in verantwortungsvolle, politische Positionen gewählt zu werden? Schließlich sollen das unsere Abgesandten sein, um des Bürgers Positionen zu vertreten. Im Politbetrieb ist es allerdings üblich geworden, die „Volks“vertreter selbst zu bestimmen und das Volk da draußen muss nur genügend erzogen, mitgenommen, mehr erklärt werden. Auch wenn die beschlossenen Maßnahmen nur Nachteile und Unmut bei den Bürgern nach sich ziehen. Die sind ja dumm und ansonsten unfähig, ihr Leben selbst zu leben. Das muss man ihnen schon sagen und beibringen, wie das richtig ist.… Mehr

aphaea
3 Jahre her
Antworten an  Sonny

Mein volle Zustimmung und Dank für Ihre Reflexion. Sicherlich erwartet Deutschland als Dank für seine Unterstützung ( Zahlung ) bei der Organisation der 250 Milliarden „Wiederaufbauhilfe“ uneingeschränkte Zustimmung zu und Folgsamkeit bei den undemokratischen Umbaumaßnahmen dieses Landes im Corona-Fieber. Es gibt aber mMn zumindest noch wesentliche Unterschiede zwischen Italien und Deutschland: 1. gibt es in It eine starke Opposition, die trotz aller medialen Bemühungen weder von den anderen Parteien noch von Verbänden oder der Kirche so systematisch diskriminiert, terrorisiert und niederträchtig „entmenschlicht“ wird wie hier. 2. gibt es sowohl bei den elektronischen- als auch den Druck-Medien eine starke Konkurrenz, die… Mehr

Iso
3 Jahre her

Mario Draghi, …kandidiert hatte der doch nicht für ein politisches Amt, oder? Wie Demokratie richtig geht, sollte ich mir nochmal erklären lassen. Ich verstehe das hier alles nicht mehr. Da geht es in Russland gesitteter zu. Oder China vielleicht. Da brachen die Leute wirklich nicht wählen.

November Man
3 Jahre her

So lange Salvini nicht Ministerpräsident in Italien ist wird das nichts mehr mit diesem Land.
Aber ansonsten leben die ja ganz gut von unserem Geld.
Und die Migranten kaufen wir ihnen auch noch ab.

Wilhelm Roepke
3 Jahre her

Das ganze Theater ist typisch italienisch, quasi eine Tragikomödie. Mit links und rechts hat das m.E. nicht viel zu tun.

Roland Mueller
3 Jahre her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Das hat viel mit Ideologie, Eitelkeit und Raffgier zu tun. Die PD ist zum Beispiel ein Zusammenschluss von sechs linken bis linksextremen Splitterparteien, die sich zusammengeschlossen haben, weil sie allesamt durch den 4-Prozent-Rost fallen würden, wenn sie getrennt bei den Wahlen antreten würden. Es war also die einzige Möglichkeit um Pöstchen zu ergattern. Die PD benötigt daher keinen politischen Gegner, weil es reichlich politische Gegner in den eigenen Reihen gibt. Dem entsprechend ist der Parteivorsitzende immer nur ein Sprücheklopfer, der versucht, es allen recht zu machen oder er wirft nach kurzer Zeit das Handtuch wie der Herr Zingaretti. Oder er… Mehr

Engelbogen
3 Jahre her

Draghi ist der Verantwortlich für die Gelddruckerei und die 0% Zins Politik der EZB.

Er ist der entscheidende finanzpolitische Sargnagel der EU…. Der Grund warum die Politiker jetzt einen big rest, bzw. eine Enteignung aller Bürger anstreben.

Er ist einer der mächtigsten Männer der Welt und in diversen Vereinen aus denen die US Bankster ihre Eliten? generieren.

Roland Mueller
3 Jahre her
Antworten an  Engelbogen

Verantwortlich für die Gelddruckerei und die Nullzinsen sind die Politiker mit ihren jahrzehntelangen Verschuldungsorgien. Insbesondere der Wählerstimmenkauf auf Pump. Zur Erinnerung,ohne Gelddruckerei und Nullzinsen wären zumindest die Eurozonen-Mitglieder ausnahmslos bankrott. Ohne Nullzinsen wäre auch Deutschland definitiv bankrott. Der Herr Draghi taugt in diesem Zusammenhang ganz und gar nicht als Sündenbock.