Nigel Farage verspricht den Briten Massenabschiebungen

Sicherung der Grenzen und Abschiebung von Personen ohne Aufenthaltsrecht sind in Großbritannien politischer Konsens geworden. Behalten die Umfragen Recht, wird Reform UK die nächsten Wahlen gewinnen und Nigel Farage der nächste Premierminister. Wird Deutschland der britischen Politik folgen? Von Elisabeth Dampier

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Joanna Chan
Nigel Farage stellt das Programm "Operation Restoring Justice" vor, Kidlington, UK, 26.08.2025

Nigel Farage hat seinen britischen Wählern nicht weniger als Massenabschiebungen versprochen. Bei einer großen Pressekonferenz seiner Partei Reform UK trat er in der vergangenen Woche vor einer riesigen Union-Jack-Flagge auf und präsentierte seine neuen Pläne. Es war ein medial aufsehenerregender Auftritt, wie er ihn seit den Tagen des Brexit perfekt beherrscht. Seine Selbstsicherheit war unübersehbar, denn glaubt man den Umfragen, wird Reform UK die nächsten Wahlen gewinnen und Farage der nächste Premierminister.

Neben ihm auf der Bühne stand als Requisite eine große Abflugtafel, auf der Flüge nach Afghanistan, Eritrea und in den Iran verzeichnet waren. Unter dem Titel Operation Restoring Justice („Operation Wiederherstellung der Gerechtigkeit“) kündigte Reform UK an, Hunderttausende illegal eingereiste Menschen ausweisen zu wollen.

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In einem dazu veröffentlichten Informationsblatt heißt es, die Zahl der Menschen ohne rechtmäßigen Aufenthaltsstatus liege „fast sicher über 1.000.000“. Genau weiß das jedoch niemand im Vereinigten Königreich, da das Innenministerium seit Jahren jegliche Erhebung oder Nachforschung dazu verweigert. Das renommierte Migration Observatory der Universität Oxford hat frühere Schätzungen zusammengetragen: Die meisten Berechnungen kamen im Jahr 2017 auf etwa 600.000 bis 750.000 Personen ohne legalen Status. Acht Jahre später dürfte die Zahl die Millionengrenze überschritten haben. Möglicherweise liegt sie sogar deutlich darüber.

Auch in Deutschland wird inzwischen von ähnlich hohen Größenordnungen ausgegangen. Nach Einschätzungen des Pew Research Center leben hierzulande über eine Million Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus, einschließlich abgelehnter, aber weiterhin geduldeter Flüchtlinge.

Der Plan von Reform UK skizziert ein fünfjähriges Notfallprogramm. Kernstück wären tiefgreifende Gesetzesänderungen: Reform UK will die Europäische Menschenrechtskonvention verlassen, den Human Rights Act aufheben und ein neues Gesetz zur illegalen Migration (Mass Deportation Bill) verabschieden. Dieses Gesetz soll die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, der UN-Antifolterkonvention und des Europarats-Übereinkommens gegen Menschenhandel für fünf Jahre außer Kraft setzen. Auf die Frage nach der Umsetzbarkeit sagte Farage, ein Austritt aus der EMRK würde eine Neuverhandlung des Karfreitagsabkommens in Nordirland erfordern, dies sei jedoch möglich, wie in einer jüngsten Studie des Prosperity Institute, einer Denkfabrik aus London, dargelegt wurde.

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Das Gesetz würde auch neue Befugnisse zur Inhaftierung schaffen, die nicht mehr durch die Hardial Singh-Grundsätze beschränkt wären. Dieses Urteil besagt, dass das Innenministerium nur dann Menschen festhalten darf, wenn eine baldige Abschiebung wahrscheinlich ist. In der Praxis führte das bisher wegen langer Gerichts- und Berufungsverfahren oft dazu, dass illegale Einwanderer auf Kaution freikamen und untertauchten, was Abschiebungen erschwert oder gar unmöglich macht.

Der Innenminister wäre künftig gesetzlich dazu verpflichtet, illegale Einwanderer abzuschieben. Jeder, der illegal nach Großbritannien käme, wäre dann automatisch vom Asyl ausgeschlossen. Da ihre Fälle nicht geprüft werden dürften, hätten illegale Einwanderer keinen Zugang mehr zu Berufungsinstanzen oder Gerichten, was schnelle Abschiebungen ermöglichen würde. Wer nach einer Abschiebung erneut illegal einreist oder absichtlich seine Ausweisdokumente zerstört (wie es bei den meisten Migranten, die via Ärmelkanal einreisen, der Fall ist), würde eine Straftat begehen. Diese könnte mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Abgeschobene illegale Einwanderer dürften als Folge nie wieder nach Großbritannien einreisen. Dieses Prinzip ist zentral im US-Modell: Wer sich freiwillig zur Rückkehr animieren lässt, wird unterstützt und kann später einen legalen Antrag stellen. Wer jedoch zwangsweise abgeschoben wird, bleibt lebenslang ausgeschlossen, genau wie im von Reform UK vorgestellten Plan.

Die Umsetzung soll durch ein neu geschaffenes UK Deportation Command erfolgen, das ein Illegal Migrant Identification Centre umfasst. Dieses Zentrum soll laut der Partei auf „modernster Datenfusion“ basieren, möglicherweise nach US-Vorbild, wo das Datenanalyse-Unternehmen Palantir für ähnliche Zwecke eingesetzt wird. Vorgesehen ist ein automatischer Datenaustausch zwischen Innenministerium, Gesundheitsdienst NHS, Steuerbehörde, Führerscheinamt, Banken und Polizei. Zwar hat die britische Verwaltung bei großen IT-Projekten in der Vergangenheit häufig Schwierigkeiten gehabt, dennoch betont Reform UK, dass eine solche Vernetzung technisch machbar und ohnehin längst notwendig sei.

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Illegale Einwanderer, die identifiziert werden, sollen in spezielle Abschiebezentren überführt werden. Reform UK plant, innerhalb von 18 Monaten Kapazitäten für 24.000 Plätze zu schaffen, unter anderem durch modulare und vorgefertigte Unterkünfte. Bei der Pressekonferenz verwiesen die Verantwortlichen auf die während der Covid-Pandemie errichteten Nightingale-Krankenhäuser als Vorbild. Zia Yusuf, der jetzt DOGE für Reform leitet, führte zudem an, dass in Florida innerhalb von nur acht Tagen 3.000 Haftplätze gebaut worden seien; in vergleichbarem Tempo könnten in Großbritannien mehr als 24.000 Betten in etwas über zwei Monaten entstehen.

Als „Anreiz“ für eine freiwillige Rückkehr sieht der Plan ein sechsmonatiges Zeitfenster vor, in dem illegale Einwanderer mit finanzieller Unterstützung und mithilfe einer eigens entwickelten App nach dem Vorbild der CBP Home App in den USA ihre Rückreise beantragen könnten. Nach Ablauf dieser Frist will Reform mit großangelegten Razzien beginnen. Zwar sei dieser Zeitraum notwendig, um Infrastruktur und Personal aufzubauen, doch im Vergleich zu den USA, wo es eine solche Frist gar nicht gibt, wäre er dennoch relativ kurz.

Bis zu fünf Abschiebeflüge sollen täglich starten. Ein RAF-Voyager-Flugzeug stünde ständig als Reserve bereit, falls ein Charterflug ausfällt. Das Außenministerium soll vorrangig Rücknahmeabkommen mit den wichtigsten Herkunftsländern aushandeln. Kooperative Länder erhielten weiterhin Hilfen, unkooperative müssten mit Visa-Sperren oder Sanktionen rechnen. Wenn Rückführungen weiterhin verweigert würden, wolle man Abkommen mit Drittstaaten schließen. Als letzte Möglichkeit kämen auch britische Überseegebiete wie die Ascension-Insel im Südatlantik infrage.

Reform UK schätzt die Kosten ihrer Pläne auf rund 10 Milliarden Pfund innerhalb von fünf Jahren. Nach eigener Darstellung handele es sich dabei sogar um eine massive Einsparung, da das derzeitige Asylsystem jährlich etwa 7 Milliarden Pfund verschlinge. Bemerkenswert war bei der anschließenden Fragerunde, dass die Idee von Massenabschiebungen kaum grundsätzlich hinterfragt wurde, selbst der Guardian konzentrierte seine Kritik vor allem auf die finanziellen Aspekte.

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Natürlich sind die Pläne von Farage und Co. wagemutig, doch auch in Deutschland wurden bereits ähnliche Überlegungen angestellt. So erklärte Jens Spahn 2023 in der Sendung von Markus Lanz, man müsse sich „wirklich mal fragen, ob die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer jetzigen Form noch funktionieren“. Nach seinen Aussagen hagelte es jedoch heftige Kritik, weshalb die Union bis heute am Status quo festhält. Abgesehen von verstärkten Grenzkontrollen und der Einschränkung des Familiennachzugs hat sich seitdem kaum etwas verändert.

Hans-Georg Maaßen, der frühere Verfassungsschutzpräsident, betont hingegen, ein grundlegender Kurswechsel sei gar nicht notwendig, es genüge bereits, das bestehende Recht konsequent anzuwenden. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel zog kürzlich in der BZ eine ernüchternde Bilanz nach zehn Jahren: „Alles andere als offene Grenzen wäre nur mit Waffengewalt möglich gewesen.“ Doch welche Partei wäre heute tatsächlich bereit, Migration wirksam unter Kontrolle zu bringen und geltendes Recht konsequent umzusetzen, selbst wenn Medien und Teile der Politik sofort Widerstand leisten würden, sei es aus Angst vor „unschönen Bildern“ oder wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen?

Jedenfalls zeigt der Blick nach Großbritannien, wie sehr sich die Stimmung dort verändert hat: Labour betont inzwischen auf X lieber die eigenen Abschiebebemühungen, statt die Notwendigkeit von Massenabschiebungen grundsätzlich infrage zu stellen. Die politische Klasse passt sich zunehmend der öffentlichen Meinung an, und selbst Nigel Farage wurde in den vergangenen Monaten dafür kritisiert, diesen Kurs nicht schon viel früher eingeschlagen zu haben.

Fest steht: Die Sicherung der Grenzen und die Abschiebung von Personen ohne Aufenthaltsrecht sind in Großbritannien zum neuen politischen Konsens geworden. Die entscheidende Frage lautet nun, ob Deutschland diesem Beispiel folgen wird oder ob CDU, SPD, Grüne, FDP und andere Parteien weiterhin an ihrem „Fairness-Abkommen“ und einer faktischen Kartellabsprache in der Migrationspolitik festhalten. Ein politisch derart wichtiges wie brisantes Thema allein der AfD zu überlassen, erscheint jedenfalls kaum taktisch klug.

Elisabeth Dampier ist freie Journalistin und schreibt für britische Print- und Onlinemedien wie The Spectator, The Daily Telegraph und The Critic.  

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Kommentare ( 41 )

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HansKarl70
3 Monate her

Versprechungen haben schon Viele gemacht. Anstelle der Briten würde ich genau hinsehen was daraus wird. Wir in Deutschland kennen das ja schon.

ashoka
3 Monate her

Nigel Farage hat seinen britischen Wählern nicht weniger als Massenabschiebungen versprochen.
Was hat uns der Merz versprochen?
Olaf kann sich nicht mehr erinnern….

Thorsten Maverick
3 Monate her

Rupert Lowe sitzt Farage im Nacken. Lowe war früher auch bei ReformUK, hat aber seine eigene Bewegung Restore Britain gegründet, die sehr viel radikaler für Deportation/Remigration nicht nur illegaler Ausländer eintritt und dem Islam den Kampf angesagt hat. Farage glaubte bisher, er brauche die muslimischen Wähler in den großen Städten. Er wollte auch keine Ausweisung von Ausländern. Das ganze ist vor allem ein Versagen der Tories. Da gab es sehr einflußreiche Kreise, die ein Migrationswende verhindert und die Partei dadurch in die Bedeutungslosigkeit geführt haben.

HansKarl70
3 Monate her
Antworten an  Thorsten Maverick

Einflussreiche Freunde vor allem im Königshaus. Bin mal gespannt wie lange die Briten sich diese Geldverschwendung noch leisten (können).

Vati5672
3 Monate her

Suuupiiieee!!

TE „vergisst“ zu erwähnen das die nächsten landesweiten Wahlen
in GB 2029 sind.

Zudem: Ich würde ihn wählen aber er könnte auch ein brit. Meloni
sein, oder noch besser ein briz. Merz.

Sonny
3 Monate her

Wenn Nigel Farage das schafft, ist er ein Held.
Und wir haben auch jemanden, der das schaffen kann:
Alice Weidel.

Last edited 3 Monate her by Sonny
Endlich Frei
3 Monate her

Nigel Farage ist ein Politiker, wie Deutschland ihn bräuchte. Ich traue ihm zu, Großes für die Briten zu leisten.

Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Abschiebung in großem Stil zur Rettung der Insel zu erfolgen hat, sondern wie. Mit der Zimperlichkeit muss Schluss sein. Man wird um die Schaffung von großen Abschiebelagern nicht umhinkommen. Leuten mit ungeklärter Herkunft müssen in solchen Lagern psychologisch zum Aufgeben und Mitarbeit an Abschiebung gezwungen werden. Der britische Staat darf nicht nur fördern, sondern muss auch fordern.

Für Deutschland gilt dies nicht minder.

Rob Roy
3 Monate her

Ich höre unsere Linken schon aufschreien alleine bei der Ankündigung von Herrn Farage. Bei uns dagegen dürfen solche Ideen nicht diskutiert, am besten nicht mal auch nur gedacht, werden.

Der-Michel
3 Monate her

In der TAz findet sich heute einer der üblichen „Flüchtlings“-Berichte: https://taz.de/Bundesaufnahmeprogramm/!6107784/ „Die Geflüchteten gehören zu den 2.300 Afghan:innen, die eine Aufnahmezusage der Bundesregierung haben, jedoch teils seit Jahren in Islamabad auf ihre Ausreise warten. Erst durch Klagen konnten die Familien ihre Einreise durchsetzen und erhielten schließlich ihre Visa. Noch immer laufen mehr als 80 ähnliche Verfahren. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte dem Auswärtigen Amt Zwangsgelder von bis zu 10.000 Euro angedroht, wenn weiterhin keine Visa ausgestellt würden.“ Wieso drohen Verwaltungsgerichte im anderen Fall, wenn es um Abschiebungen und Ausreisen geht, nicht mit Zwangsgeld? Kann mir das jemand schlüssig erklären? Das könnte… Mehr

hansgunther
3 Monate her

In diesem unserem Land feiert der Defätismus Urstände … Ein Bundestagsvize, Kommunist, will derweil die Fahne und die Hymne austauschen. Er hat seinen Job nicht verstanden. Wie auch? Er hängt Honecker und Konsorten nach. Bezeichnend ist, dass er aus dem Westen stammt. Hoffnungsloser Fall! Hier nagelt noch keiner eine deutsche Fahne irgendwohin aus Protest. Die parasitären Kreise hissen lieber ein buntes Laken, ersatzweise. Sie können keine Beziehung zu diesem Land herstellen, welches Sie auch noch ernährt. Das ist die verschärfte Form von seniler Fäulnis in Körper und Geist, auch schon in jungen Jahren, unheilbar. Solche Gestalten werden überwunden durch starke… Mehr

karlotto
3 Monate her

Zerstörung der Nationalstaaten und Umwandlung in ein multikulturelles Chaos , ist das Ziel.
Daran , wird Farage auch nichts ändern.