Nach Anschlag auf Charlie Hebdo: Für die Meinungsfreiheit und gegen religiösen Fanatismus

12 Tote in Pariser Redaktion

Es ist erschütternd, die Bilder aus Paris anzuschauen. Kollegen werden niedergeschossen, weil sie sich ironisch mit dem Islam auseinandersetzen. Der Vorfall ereignete sich demnach in den Räumen des Satire-Magazins, das in der Vergangenheit mehrfach mit provokanten Mohammed-Karikaturen für Schlagzeilen gesorgt hatte. B6wcXsDIUAAdQ0r

Nach Angaben der Polizei drangen mindestens zwei vermummte Männer mit einer Kalaschnikow und einem Raketenwerfer bewaffnet in die Räume der Zeitung ein. Der Angriff im elften Arrondissement im Zentrum von Paris habe sich gegen 11.30 Uhr ereignet. Danach gab es laut Polizei einen Schusswechsel mit den Sicherheitskräften. Die Terroristen hätten mehrfach „Allah ist groß“ skandiert. Nach Augenzeugenberichten sollen sie bei dem Überfall auch „Wir haben den Propheten gerächt“ gerufen haben, so die aktuelle Nachrichtenlage. Hier der Film des französischen Fernsehens.

Wenn es eine Botschaft an die Mörder gibt, dann die, und wenn es eine Lehre gibt, dann auch: Meinungsfreiheit ist nicht teilbar, nicht verhandelbar.

Gerade in Deutschland gibt es eine große, eine zu große Bereitschaft, die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit an den Rand zu stellen, wenn es um angebliche Minderheiten geht.

Es begann mit dem Mordaufruf gegen Salman Rushdie

Schon nach dem Mordaufruf gegen Salman Rushdie, der 1988 wegen seines Werks Die satanischen Verse vom damaligen iranischen Staatschef Khomeini mittels einer Fatwa am 14. Februar 1989 zum Tode zu verurteilen worden war, demonstrierten Muslims auf deutschen Straßen mit „Kill Rushdie“. Der Aufruf zum Mord auf deutschen Straßen wurde nicht verhindert. Rushdie lebt seither versteckt.

Von 2005 an ging es um die harmlosen Mohammed-Karriakturen des dänischen Jyllands Posten; in diesem Zusammenhang wurden weltweit europäische Botschaften und Europäer von irren Muslimen angegriffen. Eine besonders peinliche Rolle spielte dabei der Deutsche Journalistenverband: Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), kritisierte den Nachdruck der Karikaturen in einigen deutschen Zeitungen; nach Ziffer 10 des Pressekodex des Deutschen Presserats seien „Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können, mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren“. Später holte der DJV-Vorsitzende diese Unterwerfungs-Aussage des Verbands zurück. Aber das war symptomatisch und hat seither zu einer Schweigespirale geführt: Viele in Deutschland schweigen, wenn unser freiheitliches Grundgesetz im Namen einer Religion ausgehebelt wird; Wenn es Strafmilderung gibt, für Verbrechen, die mit islamischen Hintergrund begangen werden; Wenn Frauen hinter Schleiern weggesperrt werden, das Schwimmbad zur verbotenen Zone wird und Mädchen zur Verfügungsmasse von Männern degradiert werden. Wir schauen weg, wir verharmlosen.

Das jetzt angegriffene französische Magazin ist mutiger. Am 1. März 2006 veröffentlichte Charlie Hebdo das Manifest der 12, in dem sich zwölf überwiegend aus dem islamischen Kulturkreis stammende Intellektuelle (unter ihnen auch Ayaan Hirsi Ali und Salman Rushdie) gegen den Islamismus als „neue weltweite totalitäre Bedrohung“ richten. Dieses Manifest nimmt unter anderem ausdrücklich Bezug auf „die jüngsten Ereignisse nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen“.

Bereits am 2. November 2011 war dann in Paris auf die Redaktion des Satiremagazins am Boulevard Davout ein Brandanschlag verübt worden, der mutmaßlich mit dem Abdruck einer Mohammed-Karikatur auf der Titelseite in Zusammenhang stand.

Seine neueste Ausgabe vom Mittwoch widmete das Magazin dem neuen Roman des französischen Skandal-Autors Michel Houellebecq, der darin die Machtübernahme durch einen muslimischen Präsidenten in Frankreich im Jahr 2022 beschreibt.

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„Unterwerfung“: Houellebecq`s Roman wird Realität?

Houellebecq gilt als einer der besten Romanschriftsteller, der den Finger in die Wunde legt – von Sextourismus bis hin zur Gewalt. In seinem neuesten Roman „Unterwerfung“ wird der Muslim Ben Abbés zum französischen Staatspräsidenten gewählt und das laizistische Frankreich verwandelt sich in einen muslimischen Gottesstaat. Frauen müssen sich verschleiern, werden zur Ware. Die meisten Franzosen passen sich schnell an. Homosexuelle, Schwarze und Juden werden gnadenlos verfolgt. Es ist eine Parodie auf die fragwürdige Trennung zwischen Islam und Islamismus; spielt mit den Erfahrungen Frankreichs unter der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg. Alain Finkielkraut, einer der großen Intellektuellen des Landes, nannte den Roman „eine Zukunft, die keine Gewissheit ist, aber sehr plausibel“.

Bereits um die Weihnachtszeit gab es verschiedene Mordanschläge in Frankreich; dabei fuhren Männer nordafrikanischer Herkunft mit Autos in Passanten; es gab Tote und Verletzte. In mehreren Fällen berichten Augenzeugen, dass die Killer „Allah ist groß“ gerufen hätten. Die französischen Sicherheitsbehörden versuchten, die Aktionen als von verwirrten Einzeltätern begangen, zu beschönigen. Dies war wohl der Anlass für Charlie Hebdo, sich mit dem Thema des gewalttätigen Islamismus zu beschäftigen.

In Deutschland fehlt eine Auseinandersetzung diesen Formats. Es werden fragwürdige Islam-Konferenzen abgehalten, in denen die muslimischen Verbände sich bislang weigerten, den Vorrang des Grundgesetzes anzuerkennen. Formel-Kompromisse haben verschleiert, dass diese Verbände gegen das Grundgesetz opponieren.

In Deutschland würde Houellebecq vermutlich ausgegrenzt, weil er sich zu kritisch mit dem Islam auseinandersetzt. Hier hat ja die Jagd auf Pegida allmählich kuriose, geradezu lachhafte Züge. In Münster demonstrieren 4.000 gegen eine Mügida, die gar nicht stattfindet. In Frankfurt verfolgen Hunderte von Hotel zu Hotel ein paar Versprengte, die sich über eine mögliche Demonstration verständigen wollen. In Köln werden auf Vorschlag des Domkapitels die Dombeleuchtung und die Brückenbeleuchtung abgeschaltet – alles städtische Einrichtungen. Eine wahnhafte Jagd auf Nazis findet statt, obwohl in Dresden gerade ein paar 1000 demonstrieren, die keinesfalls Nazis sind. Der Begriff des Nazis wird trivialisiert; der Nazismus letztlich verharmlost, wenn jeder Demonstrant pauschal zum Nazi abgestempelt wird.  Man muß kein Pegida-Anhänger sein um zu erkennen:

Das Demonstrationsrecht ist unteilbar. Demokratie bewährt sich nicht, wenn staatsfreundliche Demonstrationen abgehalten werden, sondern wenn kritische Demonstrationen durch die Staat marschieren. Niemand in der Presse hat sich bisher damit auseinandergesetzt, dass Deutschland neuerdings die einzige Demokratie ist, in der Demonstrationen danach bewertet werden, ob sie der Regierungschef für hilfreich erachtet. Noch einmal: Ich bin kein Pegida-Anhänger. Aber Grundrechte dürfen nicht beseitigt werden, nicht von Gegendemonstranten, und schon gar nicht von staatlichen Stellen, wenn sie ihr nicht passen. Und das Schlimme ist: Es scheint so zu sein, dass in Paris die schlimmsten Befürchtungen, die abenteuerlichsten Pegida-Phantasien Realität werden. Und nun?

Auf Facebook schreibt die deutsch-türkische Schriftstellerin Hatice Akyün („Hans mit scharfer Soße“) nur zwei bittere Worte:

„Religion abzugeben“.

Vielleicht muß das nicht sein. Aber zeigen wir unser Gesicht. Im Namen der Freiheit. Unabhängig von Religionen, die niemals unser Grundgesetz torpedieren dürfen. Meinungsfreiheit ist nicht teilbar. Mittlerweile drücken unter #JesuisCharlie viele Journalisten und Medien ihre Solidarität mit den Opfern aus, auf die ich in diesem Text zurückgreife.

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