Migration: Selten war Politik unehrlicher

Aufrichtigkeit von Politikern bei ihrem Handeln und vor allem dessen Begründung war schon immer Mangelware. Doch so gelogen und geheuchelt wie bei der Migration wurde selten.

Getty Images

Der Ex-Grüne Chris Veber schrieb hier auf TE: »Anna Goldenberg schreibt in der österreichischen Zeitung Die Presse, es gäbe keine Belege für einen “Pull-Faktor” in der Migration, also könne man die 13.000 Menschen aus Moria problemlos aufnehmen. 2015 ging es um 70.000 Migranten, die in Ungarn gestrandet waren. Gekommen sind 2015/2016 nach Öffnung der Grenzen über 2.5 Millionen. Und wären die Grenzen nicht geschlossen worden, würden wohl immer noch Hunderttausende jeden Monat Zuflucht in Europa suchen.«

Ich weiß nicht, wie viele Migranten seitdem nach Mittel- und Nordeuropa nicht über den Balkan und das Mittelmeer, nicht zu Fuß und nicht in dafür ungeeigneten Booten gekommen sind, sondern mit dem Flugzeug, der Bahn, dem Automobil – also auf ganz zeitgemäße Reiseweise. Ich weiß das nicht und auch nicht, wie ich es herausfinden könnte. Denn nach meinen Gesprächen mit Leuten, die Leute kennen, die das dienstlich wissen würden, dürfen in den diversen Ämtern Deutschlands keine Statistiken darüber geführt werden.

Im August 2018 schrieb ich hier unter dem Titel Bedingungslose Einwanderung: Ohne Legitimation an den Bürgern vorbei:

Die Auffassung, dass jeder in die Wohlfahrtsgesellschaften der Welt einwandern darf, dem es in Afrika, Asien, Südamerika und Osteuropa nicht so gut geht wie der Mehrheit in den Wohlfahrtsländern, ist eine legitime. Wer sie vertritt, soll dafür in seiner Gesellschaft um die Zustimmung eines ausreichend großen Teils der Bürger seines Staates zur bedingungslosen Einwanderung werben und diese Position zur demokratischen Abstimmung stellen. Für ausreichend bei einer so grundlegenden Frage wie der tiefgreifenden Änderung von Kultur und Lebensgewohnheiten der Bürger halte ich die in vielen Staaten verfassungsändernde Zweidrittel-Mehrheit.

Diese Stelle zitierte ich in einem anderen Beitrag im April 2019 mit dem Titel Bedingungslose Einwanderung: Warum tricksen die Befürworter? und fragte rhetorisch:

An die über 200 Abgeordneten, NGO und so weiter richte ich die naheliegende Frage, warum fordern sie nicht die Einrichtung eines Transports aller, die bis jetzt Schlepper dafür bezahlen, damit sie in Seenot manövriert werden, mit sicheren Verkehrsmitteln? Warum wollen sie mit ihren Seenotrettungsaktionen das Lebensrisiko für illegale Einwanderer zur Dauereinrichtung machen? Warum fordern sie nicht, die illegalen Einwanderer in ihren afrikanischen Heimatländern abzuholen, statt sie erst in ein Maghrebland auf Wanderung gehen zu lassen? Welche anderen Interessen als die der illegalen Einwanderer verfolgen sie? Wer entlang der heutigen Schleuserrouten würde sein Geschäft verlieren, das Experten für lukrativer halten als Waffen- und Drogenschmuggel? 

Mein Beitrag von April 2019 schloss so: Migrationspakt, Grenzöffnung, und so weiter: Ist dieser Politikstil des permanenten Tricksens der unfreiwillige Ausdruck eines schlechten Gewissens oder das eiskalte Ausmanövrieren der demokratischen Austragung verschiedener Meinungen oder ist dieser Stil von Staatshandeln über den Bürger hinweg einfach nur der Spiegel des Endes von Freiheit durch Recht und damit auch von Demokratie? Ist es der Politikstil eines autoritären Parteien-Staates auf dem Weg zum totalitären?

Dieser Tage geht es um ein neues Produkt der EU-Kommission mit dem Namen: »A New Pact on Migration and Asylum and accompanying legal proposals«. Alexander Wallasch hat dazu eine erste Bewertung geliefert, deren Titel das wesentliche sagt: Das Asylkonzept der EU-Kommission ist eine Mogelpackung.

Auf meine eigene Frage an die Befürworter der bedingungslosen Einwanderung, warum sie nicht die Einrichtung eines Transports aller, die bis jetzt Schlepper dafür bezahlen, damit sie in Seenot manövriert werden, mit sicheren Verkehrsmitteln im ordentlichen politischen Prozess durchsetzen, habe ich inzwischen nach vielen Gesprächen eine Antwort gefunden. Vor allem das Bootsgeschehen im Mittelmeer muss weitergehen, weil das PR-Netz der Aktivisten von UN-EU-NGOs die ans Herz gehenden, an die Gefühle der Mitmenschlichkeit appellierenden Bilder braucht, um den Plan von der bedingungslosen Einwanderung medial zu unterstützen.

Das verdeckt die Tatsache, dass die Masse der Migranten, die keine Flüchtlinge sind, aber zur Aufrechterhaltung des Humanitären Narrativs so genannt werden müssen, gar nicht in dafür gefährlich ungeeigneten Booten kommen, sondern mit dem Flugzeug, der Bahn, dem Automobil – also auf ganz zeitgemäße Reiseweise. Mit allen möglichen legalen Titeln vom sogenannten Fanmiliennachzug über X und Y und Z – es ist mit normalen Mitteln nicht rauszufinden, was da alles täglich läuft.

Noch einmal Chris Veber: »… laut UNHCR stammen nur 19% der Menschen auf den griechischen Inseln aus Syrien, 49% kommen aus Afghanistan, der Rest großteils aus afrikanischen Ländern. Es handelt sich also nicht um Leute, die vor Krieg um ihr Leben rennend ins Nachbarland geflüchtet sind, sondern um Migranten, die viele tausend Kilometer in ihr Wunschzielland gereist sind. Ich verstehe die große Anziehungskraft, die Europa auf arme Menschen weltweit ausübt. Aber ich sehe keine Möglichkeit, ihnen allen in Europa zu helfen. Sinnvoller wäre es, dazu beizutragen, den Menschen vor Ort ein besseres Leben zu ermöglichen.
Wie schon erwähnt, mir ist klar, moralisch einfacher wäre es zu sagen: Kommt, wir nehmen alle auf. Aber in der Realität ziehe ich einen unperfekten, aber funktionierenden Lösungsansatz einer schönen Fiktion vor.«

Aufrichtigkeit von Politikern bei ihrem Handeln und vor allem dessen Begründung war schon immer Mangelware. Doch so gelogen und geheuchelt wie bei der Migration wurde selten.

Ich verstehe wie Veber die große Anziehungskraft, die Europa auf Menschen weltweit ausübt. Bis aber seine simple Wahrheit keiner »Möglichkeit, ihnen allen in Europa zu helfen« im öffentlichen Raum Platz greift, dauert wohl noch.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 107 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

107 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Spandexpanda
3 Jahre her

An den Parlamenten vorbei ist das Gleiche wie an den Bürgern vorbei…

elly
3 Jahre her

„Selten war Politik unehrlicher“ oder auch selten waren Zeiten verlogener. Das Thema ist austauschbar: Migration, Feinstaub- und Klimahysterie, Kampf gegen rääächts, Alters-, Kinderarmut bekämpfen wollen …
Die Bevölkerung hängt an den Lippen der Phrasendrescher die ihre Platituden in Mikrophone plappern. Narrative bedienen die große Sehnsucht der deutsche Bevölkerung die Guten zu sein, zur Supermacht der Moral zu gehören. Wir leben in Zeiten der großen Scheinheiligkeit.

Sagen was ist
3 Jahre her

Deshalb schätze ich die Aussagen von Trump:

Bei ihm kann man davon ausgehen, daß er lügt, wenn er spricht.

So die NYT.

Die Nomenklatura der EU wie in D lügt nach Bedarf.

Kassandra
3 Jahre her
Antworten an  Sagen was ist

Die NYT ist lange nicht mehr das, als was sie eingeschätzt wird. Aber das sind die Medien ja hier auch nicht. Trump verkündet über twitter.
Und wenn man die uns bescherten Dissonanzen klären will, sollte man ihm dort folgen:
https://twitter.com/POTUS
Sciencefiles berichtet übrigens gerade zu seinen Gunsten über den „Müller-Report“: https://twitter.com/sciencefiles

Johann Thiel
3 Jahre her

„Die Auffassung, dass jeder in die Wohlfahrtsgesellschaften der Welt einwandern darf, dem es in Afrika, Asien, Südamerika und Osteuropa nicht so gut geht wie der Mehrheit in den Wohlfahrtsländern, ist eine legitime.“ Das, Herr Goergen, denke ich nicht. Auch nicht wenn man dafür eine Zweidrittel-Mehrheit findet. Die Idee, solch eine Auffassung sei legitim, belegt eine Art politischen Denkens, welches der Form den Vorzug vor dem Inhalt gibt und ist damit ein Vorläufer der PC. Es ist nicht legitim, demokratisch zu entscheiden, die eigene Kultur zu zerstören oder zur Abwechslung mal eine Diktatur zu errichten. Wer glaubt, dass soetwas legitim sei,… Mehr

Besserwisser
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Na, die Bundeskanzlerin aus Südafrika! Und C. Lindner entschuldigt sich artig für den Fauxpas, einen demokratisch gewählten MP der eigenen Partei zum Wahlsieg gratuliert zu haben. Stattdessen hat er auch noch versagt, als die Familie des Kurz-MP von den Linken bedroht wurde. Das ist dann wohl alles liberal. Naja. O, by the way, wer definiert eigentlich, was „liberal“ist in der FDP.

Peter Gramm
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Sehr geehrter Herr Dr. Goergen, in einer FDP-nahen Stiftung waren Sie aber schon zu gange. Auf welcher nachvollziehbaren Rechtsgrundlage werden solche Stiftungen eigentlich finanziert?

Peter Gramm
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Danke für den Tip. Bei Amazon kaufe ich aber nicht.

Johann Thiel
3 Jahre her
Antworten an  Fritz Goergen

Natürlich ist es die Gesellschaft insgesamt, die einen tradierten Werte-Rahmen resultierend aus ihrem Zivilisationsprozess lebt. Dieser ist in westlichen Gesellschaften ein dynamischer, mit positiven und negativen Entwicklungen. Insbesondere durch die modernen Medien hat sich die sog. Zivilgesellschaft zu einer Art „Treiber“ neuer, die bestehenden Werte in Frage stellenden, Auffassungen entwickelt. Ein Vorgang der sich in kürzester Zeit derart beschleunigt hat, dass mittlerweile die gesamte westliche Zivilisation negiert wird. Grund dafür ist ein falsch verstandener und grenzenloser Liberalismus, der sich in der Legitimierung gesellschaftszerstörender Auffassungen offenbart. Ob grenzenlose Einwanderung, Ehe für alle, Genderideologie, Rassisten- oder Nazi-Hysterie, die Treiber aus der Zivilgesellschaft… Mehr

Manfred_Hbg
3 Jahre her

Zitat 1: „Ich weiß nicht, wie viele Migranten (……) nicht über den Balkan und das Mittelmeer (…..) gekommen sind, sondern mit dem Flugzeug“ > Ein kleines Beispiel welches ich grad erst vor kurzem gelesen hatte und ein Paar aus dem Kongo erzählt hatte(glaube es war in ein Bericht über Moria bei „Junge Freiheit“): Es ging also erst einmal gemütlich per Flieger vom Kongo nach Istanbul und von dort per Flieger weiter nach Marokko wo es dann per Boot nach Spamien gehen sollte. Hatte aber nicht geklappt. DESHALB wieder per Flieger von Marokko zurück nach Istanbul und von dort weiter durch… Mehr

fatherted
3 Jahre her

Das mit der Behauptung über den Pull-Faktor ist ein altbekannter Trick der Grünen….behauptet man lange genug, dass etwas so ist wie man es gerne hätte, dann glauben letztlich fast alle dran. Siehe….Deutschland ist ein Einwanderungsland…..das haben die Grünen so lange wiederholt bis sogar die CSU davon geschwaffelt hat. Merke….dumme Menschen brauchen viele andere dumme Menschen um ihre Dummheiten zu verbreiten. Menschen die nachdenken und nicht ganz so dumm sind….sind gefährlich für die Dummen…..oder Neudeutsch eben RECHTS.

Mankovsky
3 Jahre her

Wir müssen NICHTS. Auch nicht für Wohlstand in Afrika sorgen. das müssen die Afrikaner, so wie die Ostasiaten SELBER tun, noch dazu sitzen sie auf vielen Bodenschätzen.

Thrym
3 Jahre her

Das unehrlichste ist der Begriff „Seentorettung“ für die Reise auf einen anderen Kontinent:
Alle erklären ihrem Strohmann eifrig, dass man verdammt nochmal niemanden ertrinken lassen darf. Wenn ich dann absolut zustimme und fordere, dass die EU der libyschen Küstenwache 100 Schiffe samt Gehalt für die Besetzung finanzieren soll, damit niemand mehr ertrinken muss, sind sie plötzlich empört. Ja was denn jetzt?!

Kassandra
3 Jahre her

Ich nehme mal an, dass insbesondere an der Ostgrenze der Draht zum schnellen Zaunbau für den Fall des Falles schon lagert. Und die Dänen sollen ja schon wegen der Schweinepest ein Zäunchen gezogen haben.
Die Schweizer werden sich eh zu helfen wissen – die Bundesarmee scheint intakt und Soldaten dürfen ihre Waffen mit nach Hause nehmen.

Frank v Broeckel
3 Jahre her

Wann ich wusste, das die Migrationswelle in den Jahren 2015 ff genannt Flüchtlingskrise SELBST das einzige(!) strategische Ziel der westlichen Staaten in Libyen, Ukraine und insbesondere Syrien war?

Nach zwei Stunden!

Bekomme ich hierfür eigentlich einen Trostpreis?

Weiß das jemand?

Andreas aus E.
3 Jahre her
Antworten an  Frank v Broeckel

Der Trostpreis für die richtige Interpretation ist es, für die richtige Ahnung heute als Nazi und herzloser Fremdenfeind bezeichnet zu werden.
Willkommen im Club! 🙂