Trump, die Zölle und der große Treck nach Westen

Allein schon die Ankündigung des nächsten US-Präsidenten, hohe Strafzölle zu verhängen, sorgt bei Deutschlands Exportwirtschaft für eine mittlere Panikattacke. Doch Druck erhöht bekanntlich Drehzahl. Und so werden viele Unternehmen unerwartet kreativ.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Hamsterkäufe kennt man ja: Wenn Verbraucher sich aus Angst vor kommenden Lieferengpässen mit ganz viel Ware eindecken. Donald Trump hat der Wirtschaftswelt ein neues Phänomen geschenkt: Hamsterlager.

Seit Wochen füllen Unternehmen aus Deutschland – und aus dem Rest Europas – ihre Lagerbestände in den USA massiv auf. Die Customs Support Group (CSG) bietet international Zoll-Lösungen an und verrät: „Industrieunternehmen geben an, dass sie seit den 80er-Jahren keine so großen Lagerbestände an Ersatzteilen mehr in den USA gesehen haben.“

Nicht nur Hersteller von LKW-Teilen, von Baukränen und von Baggern verschiffen auf Teufel komm’ raus Ware in die USA und lagern sie dort ein. Auch italienische Feinkost-Produzenten stapeln ihre Edel-Schinken in eilig angemieteten Kühlhallen. „Ein Drittel unserer europäischen US-Exporteure setzt aktuell auf eine Extra-Lagerhaltung in den USA“, berichtet CSG im „Handelsblatt“.

Politische Potenz
Donald Trump und der präsidiale Praecox
Ziel ist es, möglichst viel Ware vor dem 20. Januar 2025 vor Ort in Amerika zu haben. An dem Tag wird Donald Trump vereidigt und tritt sein Amt an. Noch am selben Tag könnte er Strafzölle auf alles Mögliche verhängen. Doch die würden dann nicht für jene Produkte gelten, die sich schon in den USA befinden. Mit diesen Lagerbeständen könnten die europäischen Anbieter zumindest für einige Monate die Zölle umgehen – und müssten derweil nicht ihre Preise erhöhen.

Also bringen viele Unternehmen, die vom Export in die USA abhängig sind, jetzt so viele Waren wie möglich über den Großen Teich. Das treibt die Transportkosten in die Höhe: Vor einem Jahr kostete ein 40-Fuß-Container auf dem Spotmarkt im Schnitt umgerechnet 1.315 Euro. Derzeit muss man dafür umgerechnet satte 3.145 Euro hinblättern.

Reeder müsste man sein.

Zusätzlich bindet die Haldenbildung natürlich auch massiv Kapital, was ebenfalls viel Geld kostet. Doch das erscheint den Unternehmen immer noch günstiger als die Alternative: Wenn Trump seine Drohungen wahrmacht und Waren aus der EU mit Strafzöllen in Höhe von zehn Prozent belegt, würde Deutschland nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (Ifo) wohl 15 Prozent weniger in die USA exportieren.

Die deutsche Pharma-Industrie zum Beispiel liefert etwa ein Viertel ihrer gesamten Exporte nach Amerika. Deutsche Maschinenbauer schicken 13 Prozent ihrer gesamten Produktion in die USA, ungefähr genauso viel ist es bei der Auto- und Zuliefererbranche. Und so geht es munter weiter: Elektrotechnik, Datenverarbeitung, optische Industrie – alle enorm abhängig vom Export in die USA. Waren für 158 Milliarden Euro hat Deutschland 2023 über den Atlantik geschickt. Mit einem Exportanteil von 9,9 Prozent sind die USA unser größter Auslandsmarkt.

Geopolitische Verschiebungen:
Das Zeitalter des Donald
Auch anderswo sorgen allein schon Trumps Zoll-Ankündigungen für Hektik. Chinas Exporte in die USA sind im November auf das höchste Niveau seit September 2022 gestiegen. Auch die Ausfuhren nach Südostasien haben ein Allzeit-Hoch erreicht. Offenbar sollen diese Waren über Umwege noch vor Trumps Amtsantritt die USA erreichen.

Denn auch für das Riesen-Reich China wird der Export – angesichts der anhaltenden Immobilienkrise und einer chronisch schwachen Binnennachfrage – immer wichtiger. Britische Bank-Analysten haben jüngst errechnet, dass im Falle von US-Strafzöllen Chinas Wirtschaftswachstum um zwei Prozentpunkte niedriger wäre.

Die Ankündigung von Zöllen schafft sozusagen ein virtuelles Damokles-Schwert – das sehr reale Reaktionen erzeugt. Ende Oktober hat die EU ja selbst Strafzölle in Höhe von bis zu 35 Prozent gegen Elektrofahrzeuge aus China verhängt: Weil die Regierung in Peking ihre heimische E-Auto-Branche massiv subventioniert. Im Vorgriff auf diese angekündigten Zölle haben schon im Juni und Juli chinesische Anbieter von Elektrofahrzeugen die deutschen und europäischen Übersee-Häfen geradezu geflutet.

Das war bares Geld wert: Für die vor Oktober angelandeten Autos wurden satte 3.000 Euro weniger Zoll fällig als für die Ware, die erst danach ankam.

Durch Trumps Zoll-Politik werden Deutschland und Europa nach Ansicht von Branchenfachleuten in eine Art Zangengriff geraten: Einerseits werden die europäischen Exporte in die USA teurer – manchmal bis an den Rand der Unwirtschaftlichkeit. Andererseits wird China, dem Trump Strafzölle von 60 Prozent angedroht hat, dann versuchen, noch mehr seiner Waren in den EU-Markt zu drücken.

In jedem Fall hat das Thema Zölle die Chefetagen erreicht: Das berichtet die Beratungsfirma Zollcoaching aus Braunschweig. Selbst in Großkonzernen waren bisher selten mehr als eine Handvoll Mitarbeiter mit der Zollabwicklung befasst. Mittlerweile ist der Bereich sehr oft direkt bei der Geschäftsführung bzw. beim Vorstand angesiedelt.

Und, so hat Zollcoaching erfahren: Anfang Januar führen fast alle Zollabteilungen Krisensitzungen durch.

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Kommentare ( 24 )

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verblichene Rose
1 Monat her

Wenn die Transportkosten und zukünftige Zölle so hoch sind, um wieviel günstiger könnten dann die Waren in der EU angeboten werden?
Und hätte Deutschland einen echten Wirtschaftsminister, der sich tatsächlich für die heimische Wirtschaft stark macht und nicht nur auf die Verteuerung sämtlicher Waren setzt, dann könnte Trump (ohne ihn schlecht machen zu wollen!) seine Zölle vergessen. Ganz im Gegenteil ist es nämlich Trump, der all den europäischen Sesselfurzern jetzt mal richtig Dampf unter deren Hintern macht.
Hoffentlich verzeihen es ihm die Amis, dass es dann demnächst den Parmaschinken womöglich nur noch auf dem Schwarzmarkt gibt 😉

Raul Gutmann
1 Monat her

Angesichts Bildes, das Trump mit der wunderschön Melania in der NYSE zeigt: Trumps Kernbotschaft besteht darin, die Amerikaner zu GEWINNERN zu machen…

„Wir wollen, daß es ihnen gut geht. … Und wir wollen tolle Jobs, fantastische Gehälter. Wir möchten, daß die Menschen … wenn sie morgens aufwachen, gerne zur Arbeit gehen. Sie sollen gerne zur Arbeit gehen. Wir wollen, daß Menschen gerne arbeiten. Und wir wollen, daß sie gerne für viel, für möglichst viel Geld arbeiten.“

Welch ein Unterschied zu dem hiesigen sozialistischen Wohlfahrtsstaat, in dem Unwillen und Faulheit unendlich entschuldigt wird.
»Der Sozialstaat folgt dem Sozialismus« – Michael Klonovsky

Last edited 1 Monat her by Raul Gutmann
BK
1 Monat her

Erst hat man den Dollar zur Waffe gemacht und wollte Russland vom Welthandel abschneiden, nun will man einen Handelskrieg und wird selbst eine Menge Strafmaßnahmen ertragen müssen. Rechtssicherheit scheint es hüben wie drüben nicht mehr zu geben. Jeder macht die Gesetze, wie er gerade will. Am Ende bricht immer Chaos aus.

joly
1 Monat her
Antworten an  BK

Es gibt doch internationale Verträge, die den internationalen Handel regeln. So lange wie die nicht gekündigt sind, werden solche Handelssanktionen sogar gerichtlich bekämpft, verhandelt und sanktioniert.

BK
1 Monat her
Antworten an  joly

Was sind internationale Verträge wert? Man denke nur an Maastricht.

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Das sehe ich völlig entspannt. Die Zölle sind ein Witz gegen das Strommangelproblem, das wir uns gerade selbst basteln. DAS bringt die wirkliche Deindustrialisierung.

chloegrace1312
1 Monat her

Nun ja, bevor wir uns hier über Trump/USA echauffieren, nicht vergessen: Wer hat einen extra Zoll für Importe beschlossen? Richtig, die EU mit ihrer CO2-Grenzausgleichsabgabe (ab 2026). Aber da geht es ja um Klimawandel oder so, dann ist das natürlich was anderes. Im Übrigen warte ich noch darauf, dass im Gegenzug andere Steuern in der EU gesenkt werden. Wir als Endverbraucher werden den ganzen Spaß doppelt und dreifach bezahlen müssen.

H. Hoffmeister
1 Monat her

Dieser Zollkrieg wird nur Verlierer kennen. Ausser die Staatsapparate, denen die Zölle zufliessen. Weltweit wird der Wohlstand sinken und die drangsalierenden Staatsapparate wachsen. Dies gilt für die USA, wie auch die EU. China ist als gigantischer Binnenmarkt mit viel eigener Grundstoffproduktion und billigem Kohlestrom möglicherweise weniger betroffen als die Gutmenschensiedlungsgebiete.

Aegnor
1 Monat her

Ist halt die Frage was die Trump-Administration mit den Zolleinnahmen macht. Wenn sie dafür in gleicher Höhe die Verbrauchssteuern senkt, wird es erstmal ein Nullsummenspiel für die Verbraucher, aber die einheimische Industrieproduktion wird massiv gestärkt, weil die inländisch produzierten Waren dann günstiger im Vergleich zu den Ausländischen werden. In Europa dagegen gehen die Zolleinnahmen direkt an die EU, die sie für ihren eigenen Wasserkopf und Uschis neue Ponyherde verplempert. Da wird nix günstiger.

Kaesebroetchen
1 Monat her

Der Außenzoll der EU für Importe aus Drittländern einschließlich der USA beträgt heute bereits genau die 10 Prozent, auf die der „böse“ Donald zum Entsetzen der Europäer den Importzoll der USA erhöhen will. Für günstige und technisch sicher hochwertige Elektroautos aus China hat die EU gerade den Gesamtzoll auf über 45 Prozent angehoben, wahrscheinlich für den Klimaschutz. Lautes Mimimi ist also nicht angebracht und nicht zielführend.

H. Hoffmeister
1 Monat her
Antworten an  Kaesebroetchen

Die EU und damit auch D sind Vorreiter dieses Zollirrsinns. Schon lange vor Donald.

Der Person
1 Monat her

Die Folge wird sein, dass immer mehr deutsche Unternehmen in die USA abwandern. Und das ist von Trump auch so gewollt, nicht vergessen: er war es, der Nord Stream 2 sanktioniert und ein US-amerikanisches Gesetz zum Schutz der deutschen Energieversorgung veranlasst hat.

Johny
1 Monat her

Möglicherweise besteht die Antwort darin, dass China und die EU ihrerseits die Einfuhrzölle auf USA- Importe erhöhen?