Thierry Breton wirft hin

Frankreichs mächtiger EU-Binnenmarktkommissar tritt überraschend zurück – und zwar sofort. Und er teilt nochmal heftig gegen Ursula von der Leyen aus. Die deutsche Kommissionspräsidentin wird zwar nun einen Intimfeind los. Paradoxerweise hat sie jetzt trotzdem mehr Probleme als vorher.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Virginia Mayo

„Ich trete mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Europäischer Kommissar zurück.“ Das schreibt Thierry Breton an Ursula von der Leyen. Den Brief teilt er zweckmäßigerweise dann auch gleich noch bei X-früher-Twitter.

Der Franzose ist im EU-Kosmos bisher ein mächtiger Mann, zuständig für die Industrie- und Digitalpolitik. Paris hatte ihn nach den EU-Wahlen gerade erst für eine weitere Amtszeit nominiert. Sein plötzlicher Rücktritt ist eine echte Überraschung.

Breton attackiert von der Leyen frontal: „Vor einigen Tagen, in den letzten Zügen der Verhandlungen über das zukünftige Kollegium, haben Sie Frankreich gebeten, meinen Namen zurückzuziehen – aus persönlichen Gründen, die Sie zu keinem Zeitpunkt mit mir persönlich besprochen haben.“ So etwas liest man in Brüssel selten. Um ihn loszuwerden, habe die deutsche Kommissionspräsidentin Frankreich im Gegenzug „ein angeblich einflussreicheres Ressort“ in der neuen Kommission angeboten.

Anders: Von der Leyen hat Breton mit einer handfesten Intrige aus der Kommission geekelt.

Zugegebenermaßen war der Franzose im EU-Kosmos alles andere als beliebt. Immer wieder geriet er in die Kritik, weil er einseitig die wirtschaftspolitischen Interessen von Paris vertrat. Das tun in Brüssel zwar alle (außer den Deutschen) – obwohl die EU-Kommissare eigentlich unabhängig von den nationalen Interessen einzelner Regierungen agieren sollen. Aber Breton tat das besonders schamlos und unverfroren. Zudem verlangte Breton – ganz im Sinne Frankreichs – eine viel stärkere Kontrolle über die großen Digitalkonzerne wie Apple, Google und Meta. Und er führte unabgestimmt eine Art Privatkrieg mit Elon Musk.

Bisher konnte Breton sich das alles leisten, weil Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine schützende Hand über ihn hielt. Gegen Macron traute von der Leyen sich nicht aufzubegehren: Dem französischen Staatsoberhaupt verdankt sie überhaupt ihren Job. Ohne seine Zustimmung wäre sie nie auch nur in die Nähe der EU-Kommissionspräsidentschaft gekommen.

Aber Macrons Lager hat sowohl die letzten EU-Wahlen als auch die jüngsten Parlamentswahlen in Frankreich krachend verloren. Der Franzose ist politisch arg gerupft und gilt bei sich zuhause längst als „lame duck“: als lahme Ente.

Das nutzt von der Leyen jetzt, um sich ihres lästigen Intimfeindes Breton zu entledigen. Macron hat im Moment so enorm viele Baustellen, dass er ihr unmoralisches Angebot annimmt: Er lässt Breton über die Klinge springen, wird jemand anderen als neuen französischen EU-Kommissar nominieren – und der dürfte dann im Gegenzug eine Art Super-Ressort bekommen.

Aber auch ganz ohne Thierry Breton hat Ursula von der Leyen mehr Probleme, als ihr lieb sein kann. Die CDU-Politikerin hat von den Mitgliedsländern verlangt, je einen Mann und eine Frau für das Amt in der Kommission vorzuschlagen. Mehr als die Hälfte der 27 EU-Staaten hat diese Vorgabe schlicht ignoriert (darunter übrigens auch Frankreich).

Aber auch dort, wo man von der Leyen erhörte, erweist sich ihr Quoten-Furor als sensationelles Eigentor:

Slowenien hatte einen (männlichen) Kandidaten, auf den sich Regierung und Opposition im Land schon verständigt hatten: den früheren Präsidenten des Rechnungshofs. Auf Druck von der Leyens wurde der Mann aber zurückgezogen – und gegen die frühere Ministerpräsidentin ausgetauscht. Das sieht die Opposition in Laibach nun aber nicht ein. Sie blockiert deshalb die formalen Schritte, die notwendig sind, damit Slowenien offiziell und rechtskonform einen Kandidaten für die EU-Kommission nominieren kann.

Sowas kommt von sowas.

Zusätzlich kompliziert wird es, weil die linken, sozialdemokratischen und liberalen Kräfte im EU-Parlament nicht wollen, dass von der Leyen den Kommissaren der (aus ihrer Sicht) rechts regierten Staaten Ungarn und Italien wichtige Ressorts zuteilt. Die nach den jüngsten EU-Wahlen enorm starken konservativen und rechten Fraktionen in Brüssel wollen aber genau das.

Im Ergebnis dürften die notwendigen Anhörungen zur Bestätigung der Kommissare viel länger dauern, als bisher geplant war. Wahrscheinlich ist die neue EU-Kommission nicht mehr vor den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November im Amt.

Für von der Leyen wäre das eine Blamage.

Darüber dürfte nun wiederum Thierry Breton nicht allzu traurig sein. Seinen Abschied aus Brüssel garnierte er mit einem Bild, das viele Deutungen zulässt:

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Kommentare ( 26 )

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Lizzard04
19 Tage her

Erstmal ein guter Tag für Europa! Der Abgang dieses französischen Eurokraten, der sinnbildlich für die totalitäre Gedankenwelt Brüssels steht und so gerne die Zensur in der EU etabliert, ist alles andere als ein Verlust. Allerdings muss man befürchten, dass „das“ was nach kommt noch schlimmer ist!

gast
20 Tage her

Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Breton in einem offenen Brief auf der Plattform X den Plattforminhaber Musk angewiesen, sein angekündigtes Gespräch mit dem Präsidentschaftskandidaten Trump auf X zu zensieren.
Da hat er sich wohl ein wenig übernommen. So schnell ist ja selten einer weg.

J.Thielemann
20 Tage her

Je mehr, umso besser. Hundert Prozent wären erstrebenswert. Ein teures „Vergnügen“ für Europas Steuerzahler. Aber: Da hätten wir nicht immer wieder neue teure und existenzbedrohende Vorschriften, ein Beispiel – das Verbrenner- Verbot- sondern endlich Ruhe.

J.Thielemann
20 Tage her

 Dass das alles der neue Feudaladel ist, wissen wir ja. Gesetze gelten nicht für Frau Bärbock- einreisen darf, wen Bärbock lässt. Kraftwerke werden abgerissen- ein kaum bezifferbarer Schaden- aber wer an der Macht ist, darf alles. Wahlen werden rückgängig gemacht. Oder Regeln geändert- natürlich erst NACH der Wahl! Bei der nächsten Plandemie wird ggf. Desinformation eine Straftat sein. „Die Impfung ist NICHT nebenwirkungsfrei“ wäre bei der letzten eine solche „Desinformation“ gewesen! Gesetze, dass man einen Mann nicht mehr Mann nennen darf, Frau dito- Nicht- Lügen als Straftat- alles, einfach alles ist nicht nur möglich, sonders schon wirksam! Und das alles… Mehr

Teiresias
20 Tage her

UvdL ist m.E. eine Marionette der USA – ihre „gelöschten“ e-mails liegen auf US-Servern, sie hat angekündigt, die „Zusammenarbeit mit der NATO zu vertiefen“ und die Wirtschaft der EU umzubauen im Sinne von Krieg und Klima. Könnte es sein, daß wir hier erste Absetzbewegungen der Franzosen von EU/NATO sehen? Aus der NATO sind sie ja schonmal ausgetreten. Da die EU eine Unterabteilung der NATO vielleicht schon ist, sicher aber dazu umgebaut wird, wäre das nicht einmal eine Premiere. Der Rafale-Kampfjet-Deal mit Serbien könnte demnach nicht etwa eine Bewegung Serbiens hin zur NATO, sondern eine französische Bewegung hin zu den BRICS-Staaten… Mehr

Wolfgang Schuckmann
20 Tage her

Frage mich nur was passiert, wenn die Dame die Folgen der Rechtsbrüche, geahndet vom EuGH , zu spüren bekommt. Aus dieser Richtung kommt sicher noch der ein oder andere interessante Beitrag für die europäische Gemeinheit. (x) Das wird noch spannend, denn wenn die Deutschen den Laden nicht mehr finanzieren, geht es auf Hauen und Stechen in der EU, wer dann für die Korruption zuständig sein wird, wollte sagen für deren Bekämpfung.
Und genau hier scheiden sich die Geister in der Beurteilung der EU, ob wir sie wirklich brauchen oder ob der Circus weg kann.
(x)Einheit, sorry.

hoho
20 Tage her

Ich würde hier eine wilde Vermutung einfach so hinstellen: er musste gehen, weil er sich in seinem Wahn in die US Wahlkampagne eingemischt hat. Das tolerieren die Amis nicht.

Ben Goldstein
20 Tage her

Falls Frau von der Leyen überhaupt eine Rolle gespielt hat – wofür mir die Belege fehlen – dann bin ich ihr ausnahmsweise mal äußerst dankbar. Breton hatte einen unbändigen Hass auf die Meinungsfreiheit und die Demokratie. So jemand hat in einer hohen gesellschaftlichen Position überhaupt nichts zu suchen.

Nibelung
20 Tage her

Ein Pleitegeier bittet andere Pleitegeier zu Tisch weil die Leute nicht verstehen was in Brüssel abläuft und wie undemokratisch es zustande kam, betrachten sie es aus der Ferne und merken noch nicht einmal wie sie um ihre Besitzstände von Pleitegeiern gebracht werden und übelst in rechtloser Weise drangsaliert werden, damit die noch was zu futtern haben, während die anderen sich schon auf das Darben vorbereiten müssen, was man in diesen „edlen“ Kreisen ja nicht kennt und es berühmte Vorbilder in der Historie gibt, wie man es nicht machen sollte.

Budgie
20 Tage her

Es ist nicht schade um diesen Totalitären. Aber was ist denn „besonders schamlos und unverfroren“ in Deutschland, in der EU? Das sind die Grundeigenschaften der heutigen Mainstream-Politiker, denn in totalitären Systemen sind die Führungsriegen frei von jeglicher Verantwortung. Das sieht man an der von der Politik extrem geförderten Migration und seinen Folgen (z.B.: Solingen, Mannheim) aber auch das Ahrtal, der Brückeneinsturz in Dresden oder die Corona-Terrorgesetze mit der Disziplinierung „Andersdenkender“. Was bei denen zählt, das ist die dekadente Ideologie der herrschenden Eliten (siehe 5 grüne Blockparteien) und die absolute Loyalität gegenüber den Auftraggebern. In diesem Fall ist es die Atlantikbrücke… Mehr