Neuer Klassenkampf

Dass Steuersünder aufgespürt und bestraft werden sollen, war und ist und bleibt doch eine Selbstverständlichkeit. Was soll dann diese angebliche Systemkrise, die von der Bundeskanzlerin und ihren Büchsenspannern gerade ausgerufen wird? Warum krähen sie mit im Chor der Klassenkämpfer, die die alte Leier vom „Die da oben – wir da unten“ intonieren? Es ist doch einfach falsch, „die“ Manager, „die“ Unternehmer oder „die“ Besserverdienenden pauschal der Steuerhinterziehung, der Unmoral oder sonstiger Sünden wider den Sozialgeist zu bezichtigen. Hier droht unserem Rechtsstaat Gefahr durch Populismus und schleichende Aufhebung von Gewaltenteilung: War das wirklich noch fair, das Fernsehen über die Hausdurchsuchung bei Klaus Zumwinkel zu informieren – und der Tipp kam aus Berlin! Jeder mutmaßliche Mörder bekäme recht, wenn er sich gegen diese Art der Vorverurteilung wehrte. Kann in Sachen Steuerstrafrecht noch irgendeiner der Betroffenen einen fairen Prozess erwarten, angesichts der Attacken des Bundesfinanzministers und des SPD-Parteichefs Kurt Beck gegen Klaus Zumwinkel, ihren Gehilfen in Sachen Mindestlohn?

Toll, wenn Peer Steinbrück mit Geheimdienst und Hehlerware ein paar Hundert Millionen zusammenkratzt! Zum Stück aus dem Tollhaus wird es, weil dies just in der Woche geschieht, in der Steinbrück weitere 1,5 Milliarden in der KfW und IKB verdummt, nachdem er seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist und die KfW einfach hat weiter murksen lassen.

Zu Recht gilt das deutsche Steuerrecht als extrem ungerecht und so kompliziert, dass der Ehrliche meist der Dumme ist. Und? Hat diese Regierung irgendeinen noch so kleinen Schritt zur Steuervereinfachung unternommen? Nein, sie hat mit jeder Reform nur den Unsinn potenziert, kann nicht einmal eine simple Pendlerpauschale grundgesetzkonform reformieren.

Die große Koalition ist aus den Fugen geraten. Die Protagonisten bekämpfen sich bis aufs Messer und tragen anschließend diesen Konflikt in die Gesellschaft hinein. Im hamburgischen Wahlkampf hat die SPD aus Angst vor der Linkspartei die Klassenkampfmaschine ausgepackt, die Reichen als die „neuen Asozialen“ entdeckt – und die CDU ist ihr willig gefolgt. Statt staatsmännisch zu reagieren, hat sie versucht, die nach links abgerutschte SPD noch weiter links zu überholen. Wenn es auf der Standspur zu Karambolagen kommt, ist die Linke nicht zu schlagen – wer linke Parolen plärrt, darf nicht erstaunt sein, dass die Bürger dann lieber das Ori-ginal wählen. Wir brauchen den Aufstand der Anständigen gegen die Beschimpfung durch die politische Klasse.

Und wir brauchen Gelassenheit gegen Maßlosigkeit: Leute, lasst die Tassen im Schrank! Einzelfälle sind das Beschäftigungsprogramm für Staatsanwälte und Gerichte, nicht für den Dauerwahlkampf der Parteien in der großen Koalition. Wenn die große Koalition einen Sinn hat, dann, dass sie die großen Themen anpackt, an denen jeder für sich scheitert. Also brauchen wir ein steuerpolitisches Abrüstungsprogramm, wie es ja Paul Kirchhof und andere längst vorgelegt haben. Aufrüstung und Perfektionierung des Überwachungsstaates sowie den Einsatz des Auslandsgeheimdienstes gegen seine Bürger brauchen wir nicht – sondern den Abbau der Kontrollnotwendigkeit.

Macht das Steuersystem einfacher! Transparenter! Steuern zahlt dann immer noch niemand gerne. Aber vielleicht bereitwilliger. Dann müssen sich unsere Volksparteien aus Angst vor dem Tod nicht mehr selbst umbringen.

(Erschienen auf Wiwo.de)

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