Die Transformation kommt in Schwung – in der SPD und in Deutschland

Eine Erkenntnis vieler Ostdeutscher lautete vor über dreißig Jahren: „Nie wieder Gesellschaftsarchitekten an der Macht!“ Die SPD der DDR hatte daraus ihre Lehre gezogen. Die heutige SPD hat sie vergessen.

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Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende, Zuwanderwende und Geschlechterwende sind die grünen Bausteine auf dem Weg in die große Transformation. Tatsächlich sind es nukleare Sprengsätze an den Grundlagen unseres über die Jahrtausende gewachsenen Zusammenlebens. Der Anspruch ist religiös überhöht und weltweit. In Deutschland scheint er am weitesten gediehen. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob eine Mehrheitsgesellschaft sowas tatsächlich in Abwesenheit von Diktatur und politischer Polizei mit sich machen lässt. 

Die Büchsenspanner von Links- und Rechtsaußen rühren bereits kräftig die Trommel. Die Mitte der Gesellschaft, die ebenfalls voller Unverständnis ist, hat das Problem, mit den linken und rechten Matadoren nicht mitlaufen zu wollen. Der Groll ist derselbe, das Ziel ist das Wiederfunktionieren der Bundesrepublik ohne Erziehung und mit Justitias verbundenen Augen.

1972 prognostizierte der „Club of Rome“ das Jüngste Gericht für das Jahr 2100. Die Menschheit sündige, vergehe sich an der Umwelt, die Rohstoffvorräte gingen zu Ende bzw. ihre Förderung wäre nicht mehr finanzierbar.

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Mit den Thesen des „Club of Rome“ hatte die weltweite Linke nach dem mörderischen Ende des „Prager Frühlings“ und dem mit ihm schal gewordenen dialektischem und historischem Materialismus eine Neue Heilslehre auf ihre Propagandakanzeln bekommen. Die Menschheit kann sich retten, sie muss nur Verzicht üben, wissenschaftlicher und technischer Fortschritt verschieben nur den zwangsläufigen Untergang, verhindern können sie ihn nicht. So die Enthaltungs- und Erziehungsstrategen. Das Paradies liegt zeitlich nahe – in der vorindustriellen Vergangenheit.

Warum haben die Enthaltsamkeitsprediger ausgerechnet Angst vor dem Ende der fossilen Ressourcen? In dem Fall wären doch Umweltverschmutzung, CO2, Energieverbrauch, Wertschöpfung in Verbindung mit fossilen Energieträgern und Rohstoffen ohnehin im Jahr 2100 seit Jahrzehnten längst Geschichte. Oder stimmt hier die Erzählung nicht? Das auf Wertschöpfung beruhende Ende ist wohl doch nicht absehbar, weder im Energiebereich noch bei vielen Rohstoffen?

Schon für 2020 war das Ende von Erdöl und -gas prognostiziert worden. Seit zwei Jahren gäbe es diese Energieträger nicht mehr, würden die Untergangsgurus richtig gelegen haben!

Die Untergangskünstler wissen genau, dass die Thesen vom baldigen Ende der fossilen Energieträger und der Unfinanzierbarkeit künftiger Erkundungen und Förderungen ihre eigenen Märchen sind. Genau deshalb werden die fossilen Energieträger und ihre Erkundungen seit Jahren finanziell erdrosselt.

Deutschland ist willens, sich mittels Energiehöchstpreisen und selbstverschuldeter Energienot aus der hochentwickelten Gegenwart zurück in das vorindustrielle Zeitalter zu verabschieden. Selbst das russische Gas wäre ohne diese Energiewende kein Thema. Weil wir es nicht bräuchten. Alles selbst gemacht.

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Dieses Gas ist Grundlage für den Ausstieg aus Atomkraft/Kohle und das Nichtnutzen eigener Gasvorkommen. Jeder Solar- und Windpark bedingt den zusätzlichen Bau von Gaskraftwerkskapazitäten. Deutschland besitzt dadurch ein doppeltes Energiesystem mit selbstverständlich doppelten Preisen. Des Wahnsinns fette Beute dabei ist das Merit-Order-Prinzip. Das teuerste Kraftwerk setzt den Preis für alle Abnehmer, was einer Gelddruckmaschine für Solar- und Windparks gleichkommt. Die haben geringe Betriebskosten und durch das Merit-Oder-Prinzip werden ihnen Höchstpreise geschenkt.  

Das Bundesumweltministerium twitterte 2019 folgende unglaubliche Botschaft in die Welt: „Grundlast wird es im klassischen Sinne nicht mehr geben. Wir werden ein System von Erneuerbaren, Speichern, intelligenten Netzen und Lastmanagment haben.“ Früher gab es Traumtänzer auf Jahrmärkten, in Ministerien wären sie chancenlos geblieben. Mit solchen Leuten wäre die Deutsche Einheit 1990 nicht geglückt. Lang ist es her, das mit dem Grundwissen und der Seriosität. 

Deutschland hat sich von Wind, Sonne und Russland abhängig gemacht. Alle drei, Wind, Sonne und Russland, machen mit Deutschland, was sie wann wollen. 2011 waren noch 18 Atomreaktoren in Betrieb, fünfzehn wurden seit dem Seebeben vor Fukushima abgeschaltet, drei laufen noch und liefern eine Strommenge, die derjenigen der dreiundzwanzig restlichen Kohlekraftwerke gleichkommt. Romancier Uwe Tellkamp bringt es auf den Punkt: „Wer zwei von drei grundlastfähigen Energien abschaltet, der wird eben von der dritten und ihrem Besitzer abhängig.“

Die Weltuntergangssektierer haben das Lebenselixier moderner Volkswirtschaften, nämlich preiswerte und zuverlässige Energie, künstlich verteuert, praktisch unbezahlbar und unerreichbar knapp gemacht. Die hohen Preise sind gewollt! Die Wirklichkeit wird wie zu Kommunistenzeiten den Wünschen durch eine Scheinwirklichkeit ersetzt. Die Weltbevölkerung wird das sicher nicht mittmachen, aber Deutschland läuft vorher Gefahr, über Bord zu gehen. Den anderen zur Abschreckung und als warnendes Beispiel. Das würde sogar Sinn machen. Für die anderen.

Es sei denn, die politische Elite der Bundesrepublik reißt das Steuer noch herum und verlängert die Laufzeiten der letzten Atomkraftwerke, entschließt sich, neue Atomkraftwerke bauen zu lassen, favorisiert die eigene Erdgasförderung, bleibt bei der Kohle und fördert selbstverständlich neue ergänzende Entwicklungen.

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Einzelne Menschen sind in schwierigen Situationen zu Reflexion und Umkehr in der Lage, Gruppen, große Gruppen, die auf irrigen Thesen ihr gesamtes ideologisches Dasein ausgerichtet haben, verhalten sich bis in die Katastrophe hinein verbohrt. Auch, weil es die Spitzen dieser Gruppen zuletzt existenziell trifft. Die deutschen Regierungs-Transformatoren sind noch nicht am Punkt der Einsicht angekommen. Im Gegenteil, trotzig halten sie erst recht Kurs auf den Eisberg der Titanic. Die Kommandobrücke tanzt noch, während Maschinenraum, Ober- und Unterdeck absaufen.

Täglich gibt es Meldungen industrieller Transformationsopfer. Stahlwerke müssen ihre Produktion herunterfahren, das Stickstoffwerk Piesteritz steht vor dem Aus, das 130 Jahre alte Familienunternehmen Eschenbach Porzellan Group Triptis muss schließen, die Blechverarbeitung GmbH Elster geht ins Ausland und wird damit nicht die letzte sein. „Transformations-Schlussverkauf“ Deutschland – alles selbstgemacht. Sehr viele werden folgen. Der russische Krieg verschärft die Situation nur.

Eine grundlegende Erkenntnis vieler Ostdeutscher, gewonnen in schwierigen Jahren der Bevormundung und staatlicher Gesellschaftspolitik, lautete vor über dreißig Jahren „Nie wieder Gesellschaftsarchitekten an der Macht!“.

In diesem Sinne beschloss die SPD der DDR im Februar 1990 in Markkleeberg in ihrem Grundsatzprogramm:

„Der von der Politik gesetzte Rahmen wird immer variabel sein müssen. Denn den Gang der Geschichte können wir nicht voraussehen. Wir können und wollen über die Absichten und Entschlüsse anderer Menschen nicht verfügen, sondern erhalten über sie Aufschluß nur durch die Erfahrung und den offenen, unabschließbaren Dialog. Darum bedürfen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keines fertigen Gesellschaftsmodells. Doch ist unser Bestreben, soweit als möglich alle entscheidenden Aspekte der gesellschaftlichen Entwicklung in den Blick zu bekommen und angemessen zu berücksichtigen. Deshalb suchen wir die Bedürfnisse und Interessen sowohl der Einzelnen als auch der Gesamtheit wahrzunehmen, ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen und den Ausgleich zwischen ihnen zu befördern. … Mit Demokraten können wir uns über gemeinsame Ziele verständigen, eine Zusammenarbeit mit Verfechtern totalitärer Ideologien, mit Links- und Rechtsextremismus lehnen wir strikt ab.“ (Grundsatzprogramm SPD/DDR, Seite 11).

Zweiunddreißig Jahre später maßt sich nicht nur die SPD einen Gesellschaftsarchitekturauftrag ohne Auftraggeber dafür an, statt ihren Grundgesetzauftrag als Mitwirkende an der politischen Willensbildung ernst zu nehmen. Das hat totalitäre Züge.

Passend dazu zwei beachtlich gegensätzliche Aussagen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte hinsichtlich Covid-19 in seiner ureigenen Art: „Wir kommen jetzt in eine Phase hinein, wo der Ausnahmezustand die Normalität sein wird“.

Was ihm wohl Willy Brandt (SPD), Bundeskanzler 1969/74, entgegnet hätte? Er stellte vor Jahrzehnten klar: „Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und das ist ganz wörtlich gemeint.“

Beide Aussagen stehen für den Niedergang der einst stolzen und freiheitlichen Sozialdemokratie.


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Kommentare ( 58 )

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Thorsten
1 Jahr her

Was die „Wessies“ nicht wissen: auch der Ostblock-Sozialismus hat nur mit Westgeld funktioniert. Ohne Westpakete und Westgeld aus Erbschaften wäre die DDR auch nicht so alt geworden.

Waldorf
1 Jahr her

Aus Politikern wurden Zauberlehrlinge Egal wer ihnen die Flausen in den Kopf gesetzt hat (Agora, WEF, Schwab, Gates, Tinkktanks, Club of Rome etc) sie wirken. Sie sind scheinbar wirklich davon überzeugt, auf einer wichtigen und moralisch hochstehenden Mission zu sein, die massive Eingriffe in unsere Gesellschaft und Wirtschaft rechtfertigt bzw sogar erfordert. Vieles spricht dafür, dass es die politisch willkürlich festgelegten „Pariser Ziele“ sind, die durch einen Blumenstrauß von Vorschriften, Regeln, Verboten, Abschaltungen etc „erreicht“ werden sollen, als ob diese wie „alleroberste Staatsaufgaben“ noch über dem Grundgesetz stünden, die „Pariser Klima-Präambel“ noch vor/über DER Präambel des Grundgesetzes. Wie immer wurden… Mehr

Freigeistiger
1 Jahr her

Um Honeker zu paraphrasieren: Die Transformation in ihrem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf. Wie die DDR wird auch die heutige „große Transformation“ ihr Ende finden, weil auch letztere ein Elitenprojekt ist, das mit den existenziellen Bedürfnissen und tatsächlichen Interessen der Bürger unvereinbar ist. Wie einst in der DDR werden die Machthaber autoritär bis diktatorisch regieren, um ihre Ziele durchzusetzen. Das Corona-Regime war die Einübung und soll nahtlos in das Klima-Regime übergehen. Daher auch Lauterbachs Feststellung, daß der Ausnahmezustand nun zur Normalität wird. Die deutsche Regierung ist dabei (wie in der Russland/Sanktionspolitik) nur ausführendes Organ, die eigentlich Herrschenden sind… Mehr

rainer erich
1 Jahr her

Gut, dass die Transformation zumindest ansatzweise angekommen schreibt. Die Machthaber tun ja auch Alles, um sich diesbezüglich erfrischend ehrlich zu offenbaren, zuletzt Frau Baerbock und ihre Waehlerbetrachtung. In diesem Fall ist allerdings nicht klar genug herausgearbeitet worden, fuer wen sie nun ihr spezielle Politik macht, wenn nicht einmal fuer (ihre) Wähler. Aehnlich war es ja auch bei Merkel und ihrer Transfirnationsankuendigung, als tatsaechlich niemand, keiner, auch nur vorsichtig angefragt hat, wie denn diese Transformation konkret aussaehe und wohin transformiert wuerde. Auch die Herren (Ex) Politiker, die sich hier oder auf Achgut zu Wort melden, sind mir diesbezüglich nicht in Erinnerung.… Mehr

pcn
1 Jahr her

Man muss kein Politiker, Makroökonom, keiner sein, der spezielle Kenntnisse hat. Man muss nur klar bei Verstand sein, die Wirklichkeit erkennen können und die Konsequenzen sehen, die sich aus den Entscheidungen von Fanatikern und Hasardeuren ergeben. Die Gewalt und die Skrupellosigkeit, die sich gegen uns richtet, ist evident. Keinesfalls geht es Fanatikern der Grünen um Naturschutz, oder gar ums Klima, das angeblich nur Deutschland im Vormarsch zu retten hat. Was eh ein Blödsinn ist, weil alle darüber nur den Kopf schütteln und niemals mitmachen. Es geht um Zerstörung und die Umerziehung des gesamten Volkes hin zu einer sozialistischen Gesellschaftsform, und… Mehr

Julian Schneider
1 Jahr her

„Beide Aussagen stehen für den Niedergang der einst stolzen und freiheitlichen Sozialdemokratie.“
Die Sozialdemokraten waren bei ihrer Gründung fanatische Sozialisten. Und sie sind es heute. Sie waren es nur in der Nachkriegszeit kurzzeitig nicht, als nüchtern und realistisch denkende Leute wie Helmut Schmitt die Politik der Partei prägten.

LiKoDe
1 Jahr her

Wir erleben seit Jahren die Herrschaft eines leistungslos wohlversorgten und deshalb wohlstandsverachtenden grün-rot-gelb-schwarzen Kleinbürgertums und des durch sie verbreiteten kleinbürgerlichen Handelns und Denkens, das sich durch Unverstand, Unvermögen, Dummheit und Grössenwahn auszeichnet.

Ulrich
1 Jahr her

“Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas – : vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahingegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen.” (Kurt Tucholsky) Daran hat sich seit 1932 nicht viel geändert. Und als Tucholsky das in der „Weltbühne“ schrieb, lag die Weimarer Republik in ihren letzten Zügen. Auch dieses Mal ist die SPD bei… Mehr

alter Preusse
1 Jahr her

Der Name Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist für mich allerspätestens seit 2015 Etikettenschwindel.

Maikmayer
1 Jahr her

Es ist leider wie auf der Titanic, eine sehr große Teilmenge, ich würde sogar sagen die Mehrheit, hält den bevorstehenden Zusammenbruch des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems in Deutschland für ein Hirngespinst der Rechten.Selbst der Verweis auf so einfach nachzulesende Verlautbarungen, wie „Notvorratanlegen“ des Innenministeriums oder der aktuelle Stresstest im Rheingau werden mit großem Unglauben wiederwillig zur Kenntnis genommen. Und hier geht es um einfache Fakten..um wieviel schwieriger es ist mit politischen Überlegungen durchzudringen, die dem Mainstream wiedersprechen, wird jeder hier schon selbst erlebt haben.Die in den 50igern und auch noch 60 igern geborenen und aufgewachsenen wurden noch mit den Folgen und… Mehr