Austritt von SPD-Politiker Florian Post: „Keine wählbare Partei mehr“

Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post verlässt seine Partei. In seinem Austrittsschreiben wirft er dieser vor, den Kontakt zum Bürger verloren zu haben. Die SPD sei für „Menschen mit gewöhnlichen Alltagssorgen keine wählbare Partei mehr“.

IMAGO / Christian Spicker

Der Münchener SPD-Politiker Florian Post hat seine Partei verlassen. Der frühere Bundestagsabgeordnete, der als Parteirebell galt, rechnete in seinem Austrittsschreiben mit den Sozialdemokraten und namentlich mit Generalsekretär Kevin Kühnert ab. Post veröffentlichte seinen Brief auf dem Nachrichtendienst Twitter.

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Der 41-Jährige konstatierte bei der SPD allgemein und bei der Münchener SPD im Besonderen eine „Entfremdung zwischen der heutigen Funktionärsschicht einerseits und der Mehrheit der Mitglieder, den noch verbliebenen Stammwählern und den massenhaft abgesprungenen Ex-Wählern andererseits“. Diese Entfremdung sei nicht mehr zu überwinden „und deren Überwindung auch nicht mehr angestrebt“. Sie wolle keine verlorenen Mitstreiter mehr zurückgewinnen, die Massenabwanderung der Wähler werde in München „nicht einmal zur Kenntnis genommen“.

„Früher setzte sich die Münchener SPD selbstverständlich für Handwerker, Gewerbetreibende und Gastronomen ein. Heute feiert man stolz, dass sie für diese Gruppen die Parkgebühren um mehrere hundert Prozent verteuert hat“, erklärte Post in seinem Brief. Mit dem Versuch, kleinsten Minderheiten nachzueifern, statt Mehrheiten anzustreben, werde aus der einst mehrheitsfähigen Volkspartei selbst eine „skurrile Minderheit“. „Das ist ein fataler Irrweg, der in den Untergang führen wird!“, warnte Post.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete beklagte, dass „Gender-Sternchen und Gender-Beauftragte in Kitas nun das Wichtigste“ sein sollten und kritisierte, dass die SPD gar nicht wissen wolle, wie ihre früheren Wähler denken würden. Sie hätte zugleich nicht mitbekommen, dass die „Anhänger der neuen Rituale“ längst eine andere Wahlheimat hätten. Seit dem letzten Wahlparteitag führe eine „Juso-Truppe“ die Münchener SPD.

Der Apparat, der Apparat hätte gern noch mehr Recht
Namentlich kritisierte er den SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. „Wie aber Personen mit einer derartigen beruflichen und politischen Vita glaubhaft zu einer Führung einer Arbeiterpartei gehören und Wähler überzeugen wollen, erschließt sich mir nicht.“ Dies alles lasse Post zur Einsicht kommen, dass die SPD für „Menschen mit gewöhnlichen Alltagssorgen keine wählbare Partei“ mehr sei. In einer solchen Partei könne er kein Mitglied mehr sein.

Post geriet in den vergangenen Jahren mehrmals in die Schlagzeilen. So unterzeichnete er als Bundestagsabgeordnete einen Brandbrief gegen die Verlängerung der Epidemischen Notlage. Er stimmte zudem gegen die Bundesnotbremse. Post zog sich den Unmut der LGBT-Community zu, als er einige Männer in Tierverkleidungen als „abstoßend“ bezeichnete. Der Diplomkaufmann sprang Wolfgang Thierse zur Seite, als dieser unter Beschuss seiner eigenen Partei stand, weil er Cancel Culture und Identitätspolitik kritisiert hatte. Post spottete damals über „Bonsai-Jakobiner“ in der Parteispitze.

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Kommentare ( 46 )

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Mann und Frau
1 Jahr her

Danke Herr Post, dass sie das Kernproblem der Parteien ans Tageslicht bringen.
Zwischen der Basis, wo durchaus realitätsnah Gedacht wird und dem Parteikopf wurde eine Mauer mit Stacheldraht errichtet.
Der Stacheldraht symbolisiert den ÖRR.
Wenn es in Deutschland zu einem Umbruch kommen soll, dann muss sich auch die Parteibasis erheben!

thinkSelf
1 Jahr her

Man kann ihm schon zu Gute halten das er durchaus gegen einiges auch vorher opponiert hat. Deswegen hat er ja auch keinen aussichtsreichen Listenplatz mehr bekommen.

TR
1 Jahr her

Meiner Meinung nach werden CDU/CSU und SPD dem italienischen Weg der Democrazia Cristiana und der italienischen Sozialisten folgen. Beide, ähnlich kaputt wie jetzt SPD und CDU/CSU, sind in den 90er Jahren aufgrund von Korruption, Schmiergeldskandalen etc un kürzester Zeit zerfallen sind. So gesehen nimmt jeder der jetzt aus diesen verkalkten Parteien austritt und nicht mehr bereit ist den Zeitgeist Wahnsinn mitzumachen den unweigerlichen Endabsturz von SPD und CDU/CSU nur vorweg. Florian Post hat völlig Recht: Die SPD ist nicht mehr wählbar, CDSU aber auch nicht. Zur FDP fällt mir nichts mehr ein, die sollte eigentlich schon längt verschwunden sein. Wer wählt… Mehr

Lizzard04
1 Jahr her

Sehr interessant! Schön, dass jetzt auch die eigenen Parteimitglieder erkennen, dass die SPD Vorderen irgend etwas sind, aber sicher keine Vertreter der arbeitenden und steuerzahlenden Mehrheit in diesem Land. Im Gegenteil, diese ehemalige Arbeiterpartei hat sich zu einem Sammelbecken von Selbstvermarktern entwickelt, mit den absurdesten gesellschaftlichen Vorstellungen (z. B. „… das Zusammenleben mit den Neuankömmlingen täglich neu auszuhandeln. „). Die Verfolgung einer halbwegs sinnvollen Programmatik im Interesse der „Hier-schon-länger-Lebenden“ ist spätestens seit dem vorletzten BT Wahlkampf (Schulz) und dem Schwerpunkt des Familiennachzugs nicht mehr erkennbar.

Peter Gramm
1 Jahr her

…“„Wie aber Personen mit einer derartigen beruflichen und politischen Vita glaubhaft zu einer Führung einer Arbeiterpartei gehören und Wähler überzeugen wollen, erschließt sich mir nicht.““…dieses Problem haben immer mehr Parteien und wird sich auch immer mehr bemerkbar machen. Parteien mutieren immer mehr zu Zirkusveranstaltungen wo jeder Clown eben versucht die Zuschauer zu bespassen..

a.bayer
1 Jahr her

Wenn ich mir die Umfragen ansehe, dann gewinne ich den Eindruck, dass die „massenhaft abgesprungenen Ex- Wähler“ vor allem zu den Grünen rübergemacht haben. Anders ausgedrückt: Die Sozis waren diesen Wählern einfach nicht verhaltensgestört genug. Da sollte eine „Arbeiterpartei“ doch froh sein, die los geworden zu sein.

Last edited 1 Jahr her by a.bayer
Waldorf
1 Jahr her

Er nennt das strukturelle Problem der SPD, wie ich es auch schon mehrfach benannt habe. Seit Nahles ist Identitätspolitik (und jetzt natürlich auch „Klima“) der Heilige Gral der Linken in Deutschland, ein US-Reimport, alter deutscher Theorien, die erst in den USA erfolgreich wurden, die ganze SJW-Szene prägen. Der klassische Klassenkampf der Marxisten ist im reichen Westen tot, der unterdrückte, ausgebeutete Arbeiter existiert nicht mehr (im regulären Arbeitsmarkt). Also hat sich die Linke andere ausgebeutete und unterdrückte Gruppen gesucht und gefunden, die man politisch „betreuen“ aka „vertreten“ kann. Ohne Ausbeutung und Unterdrückung, keine Linke! Aus den USA wurden die „Unsichtbaren“, die… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Waldorf
Richy
1 Jahr her

Natürlich kann man Post unterstellen, dass er aus Frust wegen seines Listenplatzes aus der Partei ausgetreten ist. Aber grundsätzlich ist es richtig. Und auch aus den anderen Parteien, namentlich CDU/CSU, FDP, sollten die Mitglieder massenhaft austreten, denn es wird weder liberale Politik in Regierungsverantwortung, noch konservative Politik in der Opposition gemacht. Aber insbesondere die Wähler sollten endlich mal aufwachen. Gerade gestern hatten wir eine Diskussion mit unserer Nachbarin. Sie und ihr Mann sind/waren schon immer SPD-Wähler. Gestern beschwerte sie sich über alle Gesetze und Verordnungen, die diese grün-linke Regierung auf den Weg gebracht hat. Sie muss mittlerweile Dank der grünen… Mehr

Waldorf
1 Jahr her
Antworten an  Richy

Ob AfD, Freie Wähler, die grauen Panther oder die Tierschutzparrei, egal, nur nicht Union, Spd, Grüne und FDP, also das alte politische Kartell, das uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt stehen – am kalten Waschlappen-Abgrund. Alle Parteien, die sich „Klima“ über alle sonstigen Punkte ihrer Agenda gesetzt haben, den 50% BIP-Staat, Hochsteuern u Abgaben etc für das normalste der Welt halten, nur imaginäre Minderheiten vertreten wollen etc, sind für die unteren 3/4 der Gesellschaft toxisch und unwählbar. Die etablierten o.g. 4 Parteien sind nur mit weit überdurchschnittlichen Einkünften oder mit solidem Vermögen wählbar, weil sie nur die Interessen des… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Waldorf
Richy
1 Jahr her
Antworten an  Waldorf

Frage ist nur, wer ist doof? Die Dauerstudenten, Studienabbrecher, die Betrüger und Veruntreuer aus HH, die Ideologen, die sich keinem realen Aspekt stellen usw. usw….-Oder sind es die Wähler, obwohl nicht einverstanden mit diesen Nichtsnutzen, sie aber trotzdem wählen und mit ihrem sauer verdienten Geld fürstlich entlohnen?

Sonny
1 Jahr her

Das Problem aber ist, dass mit dieser Meldung morgen schon der Fisch eingewickelt wird.
Wenn es keine massenhaften Austritte aus der spd gibt, wird sich nichts ändern. Die Blender und Lügner haben längst das Ruder fest in der Hand. Und der Bonsai-Jakobiner verdient gerade einen Haufen Geld, der ihm für den Rest seines Lebens ein äußerst angenehmes Dasein beschert. Egal, was für einen Scheiss er labert oder die spd beschließt.
Und weil das alles so ist wie es ist, wirft es ein bezeichnendes Bild auf diese völlig überflüssig gewordene Partei.

Exilant99
1 Jahr her

Es gibt in Deutschland keine einzige wählbare Partei, die nennenswert Stimmen gewinnen könnte.