Sturm auf den Reichstag: Gab die Kirche den „Befehl“?

ARD „Wort zum Sonntag“: „Wir müssen auf die Straßen gehen! Everyday for future and humanity. Wir müssen die Parlamente stürmen, in denen Neofaschisten sitzen und uns in Schreckstarre verfallen lassen genauso wie das Corona-Virus.“

imago Images/Stefan Zeitz

Da sage noch einer, auf die Kirchen höre niemand mehr. Am gestrigen Samstagabend war zu erleben, wie kirchenamtliche Worte sogar zu Handlungsanweisungen werden, die konsequent zur Tat führen. Ein paar Chaoten wollten nach Auflösung der Großdemonstration in Berlin das Reichtstagsgebäude „stürmen“, also auf die Treppe jenseits der Absperrungen gelangen, was die Polizei verhinderte.

Es war exakt 23.35 Uhr am Samstag, 7. März 2020. Es dauerte 4 Minuten und 15 Sekunden: „Wir müssen auf die Straßen gehen! Everyday for future and humanity. Wir müssen die Parlamente stürmen, in denen Neofaschisten sitzen und uns in Schreckstarre verfallen lassen genauso wie das Corona-Virus.“ Dies der Spitzensatz, neudeutsch „Message“, im ARD-„Wort zum Sonntag“ — an diesem Abend vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verantwortet und vom NDR ausgestrahlt. Es ging um die „Flüchtlingskrise”. Und das Corona-Virus, Thema bei der Berliner Demo, war ausdrücklich dabei. Die Sprecherin, Annette Behnken, ist ordinierte und finanzierte Pfarrerin und Studienleiterin der Evangelischen Akademie Loccum. Neben diesem Job moderiert sie im NDR die Sendung „Klosterküche“ und ist stets präsent in den Radio-Morgenandachten und diversen Talkshows. Gestern haben ein paar Demonstranten, in dem Fall zu recht Chaoten genannt, die Kirchenworte in die Tat umgesetzt.

Unter ideologischer Pressluft
„Wort zum Sonntag“ ruft zum Sturm auf die Parlamente auf
Bundesinnenminister Horst Seehofer, von dem man lange nichts mehr hörte, kommentierte die Vorfälle gegenüber BILD: „Meinungsvielfalt ist ein Markenzeichen einer gesunden Gesellschaft. Die Versammlungsfreiheit hat aber dort ihre Grenzen, wo staatliche Regeln mit Füßen getreten werden. Das Reichstagsgebäude ist die Wirkungsstätte unseres Parlaments und damit das symbolische Zentrum unserer freiheitlichen Demokratie. Dass Chaoten und Extremisten es für ihre Zwecke missbrauchen, ist unerträglich. Ich danke der Polizei, dass sie uns heute schnell und konsequent davor bewahrt hat. Der Staat muss gegenüber solchen Leuten mit Null Toleranz und konsequenter Härte durchgreifen.“ Recht hat er. Nur ist nicht erinnerlich, dass sich Seehofer seinerzeit genauso mit „Null Toleranz und konsequenter Härte“ gegen den Stürmer-Aufruf der Frau Pastorin gewandt hat. Oder gehen Bundesregierung, Verfassungsschutz und Polizei davon aus, dass die Stimme der Kirchen ohnehin von niemandem mehr gehört oder gar ernst genommen wird? Damals twitterte zum Beispiel die Grünen-Politikerin Renate Künast: „Zum 1. Mal beeindruckt vom #WortzumSonntag!“. Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, nannte es das „krasseste Wort zum Sonntag seit langem“.

Im Netz gab es eine heftige Debatte über das umstrittene „Wort zum Sonntag“. Übrigens jeweils zur besten Sendezeit zwischen Tagesthemen und Spielfilm positioniert. Die WELT zitierte diese Stimmen: „Damit ich ein ,Wort zum Sonntag‘ teile, muss schon einiges passieren. (…) Danke, Annette Behnken, für die deutlichen Worte. Ich könnte kotzen. Amen.“ Andere sahen einen Angriff auf die demokratische Verfassung: „Wer, wie die radikalisierte Pastorin Behnke beim ARD-,Wort zum Sonntag‘, offen zum Sturm auf die Parlamente aufruft, ist mental schon bei § 105 StGB (Nötigung von Verfassungsorganen) angekommen. Das ist nicht mehr harmlos.“ Das Magazin Focus schrieb dazu:  „Erfahrungen mit Negativkommentaren hat die 51-Jährige in der Vergangenheit bereits gesammelt. 2015 präsentiert sie beim „Wort zum Sonntag“ einen Beitrag mit dem Titel „Frauen im Test“ und spricht davon, dass es nicht nur Mann und Frau gebe, wie von der Bibel propagiert, sondern eine „Vielfalt von Geschlechtern“. Mit der Ansicht, die Geschlechterrolle werde nicht nur von Hormonen, sondern in erster Linie von sozialen Faktoren bestimmt, stößt Behnken damals vielen vor den Kopf. Der „Katholische Nachrichtendienst“– ein Portal, das seine Leser mit Informationen zu kirchlich relevanten Themen versorgen will, – sieht sich gar zu einer Gegendarstellung veranlasst.“

Das Unwort zum Sonntag - eine christliche Bankrotterklärung
Die evangelische Kirche dagegen stellte sich ausdrücklich hinter das „Wort“ und damit den Aufruf zur Stürmung der Parlamente. Ja, noch viel mehr: sie verniedlichte das „Stürmen“ plötzlich zu einem Windhauch. In einer semantischen Raffinesse, die sonst nur von Politikern bekannt ist, hieß es: Die pastorale Sprecherin habe nicht stürmen, sondern be-stürmen gemeint. TE-Autor und Historiker Dr. Klaus-Rüdiger Mai kommentierte: „Dieses „Wort zum Sonntag“ zeigt, wie die Totalitarisierung der Menschlichkeit in Unmenschlichkeit umschlägt, weil es nicht mehr um Menschen, nicht um den Glauben, nicht um das Christentum, sondern allein um eine Ideologie geht“. Ebenso der rheinische evangelische  Pfarrer Achijah Zorn (Mülheim an der Ruhr): „Das Wort zum Sonntag ist undemokratisch, unmenschlich, unvernünftig, unevangelisch und unbiblisch. Äußerlich wird den ,Neofaschisten‘ der Kampf angesagt. Doch innerlich geht es der Demokratie an den Kragen.“ Zum Sturm auf demokratisch und frei gewählte Parlamente aufzurufen, sei eine „autoritäre Anmaßung.“

Haben sich die paar Chaoten (im Gegensatz zu tausenden friedlicher Demonstranten!)  gestern also von diesem „krassen und beeindruckenden“ Kirchenwort inspirieren lassen? Sind sie etwa nicht in ideologischer Spitzfindigkeit geschult, dass da doch nur harmlos ein Be-Stürmen gemeint war, also vielleicht Sprechchöre? Haben sie, weil es damals außer der AfD keine Partei gab, die gegen diesen gefährliche Unsinn protestierte, es sogar als erlaubt und einladend betrachtet, diese kirchliche Handlungsanweisung in die Tat umzusetzen? Und warum waren Polizei und Verfassungsschutz nicht vorbereitet? Denn am Rande der Demo gab es wie bereits am 1. August Andachten, Gottesdienste, Gebete (der Uckermärkische Pfarrer Thomas Dietz schreibt darüber in TE).  Es waren also Christen da, denen die Stimme der Kirchen doch nicht gleichgültig ist. Da muß man doch wachsam sein als Rechtsstaat.

Grenzöffnung wird herbeigesendet
Deutschland torkelt nach links - geschoben von Kirchen und Medien
Polizeisprecher Thilo Cablitz erklärte zu der Tatsache, dass nur drei (von 3.000!) Polizisten zwischen den Demonstranten und dem Eingang zum Reichstag standen: „Wir können nicht immer überall präsent sein, genau diese Lücke wurde genutzt, um hier die Absperrung zu übersteigen, zu durchbrechen, um dann auf die Treppe vor dem Reichstag zu kommen.“ Hört der Herr Innensenator denn nicht das „Wort zum Sonntag“? Wusste er wirklich nicht, was sich da anbahnen konnte? Das Brandenburger Tor und die Demo-Meile Straße des 17. Juni ist doch nur einen Steinwurf (!) entfernt.

Es gibts nichts zu deuten: Das „Wort zum Sonntag“ ist die Stimme der Kirchen! Die evangelischen Beiträge in der ARD-Sendereihe werden inhaltlich vom Rat der EKD verantwortet, die Sprecher und die Verteilung (z.B. Anteil für Freikirchen) wie auch beim ZDF-Sonntagsgottesdienst in Absprache mit der Katholischen Kirche offiziell beschlossen. Es gab in der Vergangenheit immer wieder Interventionen des Rates gegen einige „Projekte“, die das zuständige Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in einer Sitzung vorlegt (Anm. d. Red.: der Autor war 18 Jahre Mitglied des 16-köpfigen Rates, des obersten Leitungsgremiums der EKD). ARD und ZDF stellen „nur“ die Sendezeit und die  technische Infrastruktur. Im Klartext: durch die Zwangsgebühren ist jeder Haushalt an der Ausstrahlung finanziell beteiligt.  Für die Finanzierung der Sprecherin Pastorin Annette Behnken steht der Kirchensteuerzahler gerade. Er zahlt quasi doppelt für die zweitälteste deutsche Sendereihe nach der Tagesschau, die einmal als Verkündigungssendung der frohen Botschaft (Evangelium) gedacht war und mehr und mehr zu rot-grüner Agitprop verkommen ist. Jetzt sogar mit fatalen Folgen.

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Kommentare ( 65 )

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Brotfresser
3 Jahre her

Herr Hahne, es ist sogar noch schlimmer: Wenn ich das alles richtig sehe, hat – Herr Geisel die Demonstration der unsere Verfassung ablehnenden Reichsbürger in unmittelbarer Nähe des Reichstages (RT) genehmigt, – standen etwa 100 Polizisten zum besagten Zeitpunkt am anderen Ende der Frontseite des RT, – ist der mittlerweile ausgezeichnete Polizist Karsten Bonack schon bei „Achtung! Kontrolle!“ aufgetreten, hat also Schauspielerfahrung, und – beziehen sich alle Mainstream-Berichterstattungen wieder auf ein manipuliertes Video, das „Antifa Zeckenbiss“ verbreitet hat. Wenn man dann sieht, dass alle Reichs- und sonstige Flaggen jungfräulich, mit reinstem Weißer-als-Weiß erstrahlen, muss doch jeder erkennen, was da gespielt… Mehr

Ruebezahl
3 Jahre her

Hier im Video die Dame, die auf einer Bühne direkt vor dem Gebäude, zum „Sturm“ auf den Reichstag aufruft. Sie redet irgendwas gegen Trump, für Weltfrieden und wir gehen da jetzt hoch und setzen uns auf die Treppe…friedlich. Und dann geht es los. Ab ca. min 1.27 laufen die Leute los. Wer ist diese Frau?
https://www.youtube.com/watch?v=lrk8KEF-1tI&t=4s

kdm
3 Jahre her
Antworten an  Ruebezahl

Die Frau, die zum Sturm auf den Reichstag rief, ist eine Heilpraktikerin aus der Eifel. Na sowas! Also DAMIT konnte ja wohl NIEMAND rechnen!

Das passiert halt, wenn man Leute, die sich von evidenzbasierter Lebensführung verabschiedet haben, auch noch einen „Heilberuf“ ausüben lassen, wo sie dann Fake-Autorität verbreiten können über ihren Aura-Bullshit und Bill Gates und seine orbitalen 5G-Gehirnwäschelaser.
(fefe)

Ruebezahl
3 Jahre her
Antworten an  kdm

Danke! 🙂

Karl Schmidt
3 Jahre her

In der Tat ist die Politisierung das Problem dieser Sendung, denn sie ist nicht als politischer Werbeblog konzipiert und auch nicht zu rechtfertigen. Die praktische Umsetzung des Glaubens ist eben keine kirchliche Angelegenheit, sondern eine politische. Für die Rotlichtbestrahlung dürfen indes keine festen Sendeplätze geschaffen werden, obwohl der Zwangsfunk mit diesem Problem seit Jahren auch in anderen Formaten kämpft. Nein, er kämpft leider nicht. Und genau deshalb ist er so in den Fokus gerückt und hat seine Daseinsberechtigung verloren – genau wie die Kirchen und das Wort zum Sonntag. Es ist eine Privilegierung und eine Plattform für linke Demagogen und… Mehr

Karl Heinz Muttersohn
3 Jahre her

Der „Reichstagssturm“ war zwar medienwirksam (ARD und ZDF haben sich darauf gestürzt wie der Mops auf die Graupen), er war aber schlecht produziert. Als Regisseur hätte ich die Gruppe der Polizeihelden, die sich den Nazis anfangs entgegenstellten etwas größer gemacht um plausibel zu bleiben. Dann hätte man noch ein paar Hakenkreuze zeigen sollen, um den Bürger noch effektiver zu erziehen.

Manfred_Hbg
3 Jahre her

SEHR LESENSWERT!

Von „Kritische PolizistInnen“,
ein interessanter Bericht zum gestrigen Demo-Tag mit hier geschätzten mind 100.000+ Teilnehmern.

> Eine vielseitige Situationübersicht inkl gewesener Polizei-Gewalt und -Versagen SOWIE die Frage, ob beim „Sturm“ auf den Reichstag evt auch V-Leute angestiftet haben könnten.

Einfach mal lesen……. -es lohnt!

„Berlin: Verbot des Demonstrationsverbots – Wie in den 70er, 80er Jahren“
https://www.kritische-polizisten.de/2020/08/verbot-des-demonstrationsverbots/

Wolfsohn
3 Jahre her
Antworten an  Manfred_Hbg

Mich stören bei dem Bericht die ganzen ‚-Innen‘ – es wirkt wie eine kleine, kindliche Frau in Latzhosen, die bei jedem Wort hochspringt und „Innen!!!“ ruft, weil sie um Geltung heischt.

November Man
3 Jahre her

Die Christliche Flagge, rotes Kreuz auf blauem Grund habe ich auf der Staffel des Reichstags nicht gesehen.
Aber sehr wohl ein türkische National-Flagge, Halbmond mit Stern auf rotem Grund.

Wolfgang Mueller-Wehlau
3 Jahre her

In den Nachrichten des Norddeutschen Rotfunks wurde den überschaubaren ‚Reichstagschaoten‘ die Stürmung des Reichstages unterstellt, helle Aufregung und Empörung beim regierenden Establishment. Diese Aktion gilt jetzt als ‚Blaupause‘ für den geplanten Wasserkanal um den Reichstag,…um unsere Volksvertreter vor den Bürgern zu schützen.
Die Grenze des uns Zumutbaren ist grenzenlos, wir parieren!

schwarzseher
3 Jahre her

Austreten!!!! Keinen Pfennig / Cent den Pharisäern . Denn wahrscheinlich wird demnächst die Kirchensteuer auch von Atheisten als Demokratieabgabe von der GEZ ( Gender Erziehung Zentrale ) automatisch einbehalten.

Sherry
3 Jahre her

Ich frage jetzt mal ganz doof: Was ist so schlimm, wenn Bürger sich auf die Treppe eines Gebäudes stellen, das ihnen gehört?

Deutscher
3 Jahre her

Der Reichtsag und das Gelände sind nicht Eigentum der Politiker, sondern gehören der Öffentlichkeit. Und dem Seehofer sein Hintern hat auch nur zwei Hälften, der soll sich mal nicht so aufplustern. Genau so wie die restliche versammelte Niedertracht des „Hohen Hauses“.