Wie die Grünen den Krieg in der Ukraine instrumentalisieren

Wer die Grünen kritisiert, verbreitet russische Desinformation: Mit dieser Behauptung wollen sich die Wahlverlierer aus der Verantwortung ziehen. Das ist egoistisch. Aber sie sind nicht die einzigen, die Politik auf dem Rücken der Ukraine betreiben.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Wer grüne Politik angreift, betreibt Putinsche Desinformation – das behauptete zuletzt Renate Künast bei Maischberger, und sprang damit auf den Zug auf, mit dem man unter Grünen versucht, das eigene Versagen bei den jüngsten Wahlen zu erklären, ohne auf so unzeitgemäße Tugenden wie Selbstkritik zurückgreifen zu müssen. Da die gesellschaftlichen und ökonomischen Umbauprojekte der Ampel maßgeblich als grüner Ideologie entsprechende Anliegen verstanden werden, fällt das Scheitern dieser Pläne nun eben auf die Partei zurück.

Der Absturz der Grünen
Bei Maischberger: „Desinformationskampagne von Russland gegen die Grünen“
So einfach ist das: Mittlerweile sind eben immer mehr Menschen immer unmittelbarer selbst betroffen von Deutschlands Absturz, und man kann ihn kaum noch ignorieren. Wo man vor zwei Jahrzehnten noch von Reisen aus dem europäischen Ausland zurückkehrte, um ein wenig herablassend zu berichten, wie gut es dort doch schon voranginge, kommt man nun aus Mitteleuropa zurück und ist beschämt über den Zustand deutscher Innenstädte, den Verfall der Infrastruktur, der spürbar mangelnden Kompetenz.

Doch anstatt innen- und gesellschaftspolitisch eine Wende zu vollziehen, versucht man bei den Grünen lieber, das Problem unter einen blau-gelben Teppich zu kehren: Der Krieg in der Ukraine muss es richten, und so instrumentalisiert man die außenpolitische Krise, um sich nach innen zu konsolidieren.

Das ist kurzsichtig und unverantwortlich. Das Vertrauen in die grüne Lesart der Wirklichkeit liegt zunehmend am Boden, was negativ auf die Solidarität mit der Ukraine zurückfällt: Denn wieso sollte man den Grünen in der Bewertung der außenpolitischen Situation trauen, wenn sie innenpolitisch zum Teil grotesk danebenliegen (zumal mit Annalena Baerbock ein Totalausfall das Außenministerium leitet)?

Erschwerend kommt hinzu, dass die Grünen weiterhin nicht davon Abstand nehmen, sich durch Moralisierung gegen Widerrede zu immunisieren: Wer an ihnen Kritik übt, ist eben Putin-Freund. „Wer die Grünen verteufelt, während Faschisten und Putin-Fans auf dem Vormarsch sind, sollte Politik anderen überlassen“, so der Grünen-Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak gegenüber der Funke-Mediengruppe.

So erspart man sich, der Bevölkerung erklären zu müssen, warum die Ukraine unterstützt werden muss. Man unterlässt auch sträflich, die Perspektive der östlichen Nachbarn sichtbar zu machen, die Haltung und die Sorgen der Balten oder Polen einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.

All das spielt jenen in die Hände, die an den rechten und linken Rändern unkritisch tatsächlich prorussische Propaganda betreiben: Mit dem BSW steigt eine Partei auf, deren Vorsitzende Putins Stalinismus-Nostalgie teilt, und auch die AfD klingt in dieser Angelegenheit auffallend sozialistisch. Erstaunlich, dass dies in Ostdeutschland verfängt: Fatalerweise überlagert die Erfahrung, dass Mainstream, Eliten, „die da oben“, kreativ mit der Darstellung der Wirklichkeit umgehen, die Erinnerung an vierzig Jahre lügnerischer Verzerrung von Worten wie „Frieden“ und „Freundschaft“.

Russland ergeht sich derweil in Geschichtsfälschung, deren Effizienz gerade darin liegt, dass sie völlig unverfroren ist: Am 17. September veröffentlichte das russische Außenministerium ein Video, das den Einmarsch in Polen 1939 als Schutzmaßnahme gegen den Aggressor Polen darstellt: Hitler-Stalin-Pakt? Fehlanzeige. Die so konstruierte Kontinuität der Sowjetunion respektive Russlands als friedlicher, zu Unrecht verurteilter Riese, der lediglich ab und zu Imperialisten in ihre Schranken weist, und ethnische Minderheiten schützt, ist in vielerlei Hinsicht beunruhigend, vor allem aber im Hinblick auf die Sicherheit der westlichen Nachbarländer Russlands.

Bei aller angebrachten Skepsis gegenüber jeglichen historischen Narrativen liegt hier nicht einfach eine andere Lesart vor, sondern die Schaffung einer fiktiven Faktenbasis, ein historisches Paralleluniversum, das natürlich auch in die Zukunft hinein Wirkung entfaltet, und nicht zuletzt den Weg zu Versöhnung und Ausgleich erschwert.

Mittlerweile scheint also ein Großteil deutscher Politik auf dem Rücken der Ukraine ausgetragen zu werden: Die traditionell in Russland verliebte SPD weiß nicht wohin, BSW und AfD arbeiten mit der Nuklear-Angst der Generation Friedensbewegung, und die Grünen waschen sich mit Hinweis auf angebliche russische Desinformation von der Verantwortung für das eigene Scheitern rein: Angesichts der Sicherheitslage in Europa und der anstehenden Wahlen in den USA sollten alle Beteiligten in Erwägung ziehen, das Kreisen um sich selbst einzustellen.

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Kommentare ( 40 )

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Je me souviens
2 Monate her

Der US Publizist und Politikwissenschaftler der University of Chicago John J. Mearsheimer, der in den Präsidentschaftswahlkämpfen 2016 und 2020 den linken Demokraten Bernie Sanders unterstützte, also völlig unverdächtig ein Trump-Sympsthisant zu sein, veröffentlichte Anfang August einen beachtenswerten Aufsatz zu den Hintergründen des Ukraine-Kriegs, den die Plattform ‚ansage.org‘ ins Deutsche übersetzen ließ.

twsan
2 Monate her

Man höre sich die Argumente von Frau Krone-Schmalz an:
https://www.youtube.com/watch?v=EoQUHAVEqWM
Dass Propaganda allgemeiner Teil der Politik ist – geschenkt.
Dem sollte eigentlich ein seriöser Journalismus entgegenhalten.
Nur hat dieser absoluten Seltenheitswert.

Kaktus 61
2 Monate her

Das treffliche Titelbild erinnert trotz des neutralen Hintergrunds an alte Gemälde „bei Hofe“. Die genannte Diskrepanz bei Reisen durch Mitteleuropa und zukünftige EU- Beitrittsländer wird immer offensichtlicher. Gefördert durch EU prangt häufig an Großprojekten, manches ist erst bei persönlichen Kontakten erkennbar, vieles bleibt verborgen. Da braucht man sich bei der Heimkehr zum größten Nettozahler der EU über dessen Verfall nicht zu wundern.

Gerhard-66
2 Monate her

War doch schon immer so.. wenn ich von den Problemen im inneren Ablenken möchte bzw. will suche ich mir einen „Feind“ im äusseren..:-) .. Oder warum steht die EU Kommission „von der Leyen“ .. (Ist zwar eine informelle Beichnung) aber das Ding heißt wirklich so..:-) ..bei der Sanktionsrunde XIV
Was nehmt ihr eigentlich an Schlaftabletten..?

Diese baluen 50iger Packs Tavor von Pfizzer.. die absolut wirklich jede Hosentasche passen.. und jedem Medizinischen Standard nur Hohn entsprechen..?

Metric
2 Monate her

Nix für ungut, aber das Thema Polen/Sowjetunion ist komplexer, als Sie vielleicht wussten: Das noch junge Polen hatte ab 1918 die ebenfalls noch jungen Nachbarstaaten Ukraine und Sowjetunion angegriffen und ihnen gewaltige Gebiete abgenommen. Die dortige ukrainisch-weißrussisch-jüdische Bevölkerungsmehrheit wurde drangsaliert und sah sich einer massiven Polonisierung ausgesetzt. Ironischerweise bekämpfte die faschistische ukrainische ONU damals erbittert die Polen. Das gehört auch zur Vorgeschichte des Angriffs.
https://de.wikipedia.org/wiki/Zweite_Polnische_Republik

Haba Orwell
2 Monate her
Antworten an  Metric

Litauen und Polen sollten nicht vergessen, dass Litauen im 14. Jahrhundert die Schwächung durch Mongolen nutzte und halb Russland eroberte – heutige Weißrussland und Kleinrussland (ungefähr die Gebiete, die noch aus dem Ukrostan geblieben sind). Später brachte Litauen das Land in die Union mit Polen ein. Neurussland hat übrigens Katharina die Große im 18. Jahrhundert dem Osmanischen Imperium abgenommen – erst in der Sowjetunion wurde dieses Gebiet der Ukrainischen SSR zugeordnet. Polen nutzte Chaos Anfang des 17. Jahrhunderts und besetzte Moskau – die Vertreibung der Polen 1612 wird bis heute als einer der wichtigsten Feiertage gefeiert. Ferner erinnert man sich… Mehr

Last edited 2 Monate her by Haba Orwell
Axel Fachtan
2 Monate her

Auffällig ist, dass immer wieder Fotos verwendet werden, auf denen Cem Özdemir als grüner Minister außen vorbleibt. Steckt da mehr dahinter als eine Vorauswahl ? Hat Özdemir keinen Bock auf die anderen Vögel und erträgt nicht, was die so treiben ? Stellt er es sich anders vor, wie grüne Politik funktionieren sollte ? Immerhin ist das nach der Bonusmeilenaffäre und Hunziger Kredit schon mindestens sein zweiter politischer Frühling. Wegen solchem Zeug hatte er 2002 ein zweijähriges Loch, bevor man ihn nach Brüssel delegierte. Heute kann eine Baerbock sich für 136.000 Euro jährlich auf Steuerzahlerkosten schminken und frisieren lassen, ohne zurücktreten… Mehr

Maja Schneider
2 Monate her

Es sind ganz offensichtlich leider nicht nur die Grünen, die hauptsächlich um sich kreisen und mit sich selbst, ihren Ideologien und ihrem Machtrausch beschäftigt sind, das trifft in etwas abgeschwächter Form ebenso die anderen Altparteien, die ihre Pfründe halten oder neu erwerben und Brandmauern pflegen wollen. Das verstellt völlig den Blick für die existenziellen Probleme dieses Landes, dessen Niedergang allein die grüne Politik verursacht hat, allerdings mit tatkräftiger Unterstützung der anderen Parteien (mit Ausnahme der AfD und des BSW), der Medien, der Kirchen und Teilen von Industrie und Gesellschaft. Das wird inzwischen von immer mehr Bürgern erkannt und kritisiert.

Nibelung
2 Monate her

Wir sollten einfach mal zur Kenntnis nehmen, daß Putin einer der letzten Europäer zusammen mit Orban ist, die noch alle Tassen im Schrank haben und der große Rest ist die Vergangenheit alter Soziallistenherrlichkeiten wo sich fast alle Parteien darunter vereinen und die haben sich auch noch vertrakter Weise mit dem Oligarchen-Kapital Amerikas verbunden, während Putin und Orban die gleichen aus dem Land geworfen haben. weil sie keine Unruhestifter mehr wollen und noch bessere „Demokraten“ geworden sind als unsere linken Revoluzzler von vorgestern. Die Linken dieser Welt taugen nicht einmal mehr für eine Revolution, wenn es zum Schwur gegen Trump kommt,… Mehr

imapact
2 Monate her

Es war schon immer probates Mittel autoritärer Systeme, Kritik an den herrschenden Zuständen und den dafür Verantwortlichen als von außen gesteuert, also als das Ergebnis mentaler Sabotage zu diffamieren. Die Kritiker wurden damit zu Volksverrätern, mindestens jedoch zu nützlichen Idioten auswärtiger Finstermänner abgestempelt. Ablehnung der Massenzuwanderung, des Coronaregimes, der „Energiewende“, des Gender-und Transwahns etc. bestand lange vor dem Ukrainekrieg. Zuvor wurden die Kritiker als Rechtsextreme und Nazis diffamiert, danach kam dann noch die Brandmarkung als „Putinknecht“ hinzu. Ich kann der Autorin nicht zustimmen, daß die deutsche Politik auf dem Rücken der Ukraine ausgetragen wird. Zuvörderst wird sie auf dem Rücken… Mehr

Laurenz
2 Monate her

Vielleicht Frau Diouf erklären Sie mal Ihren Lesern, warum unser wichtigster NATO-Partner Truppen im Irak & Syrien stehen hat? Richtig, um Öl zu klauen. Oder warum Sleepy Joe neben unserem Kanzler-Simulanten Nordstream vernichten will? Genau, weil er’s kann. Was ist mit den Russischen Truppen in Kuba & Mexiko? Ach, das sind keine? Haben Kubaner & Mexikaner jetzt auch Angst, weil der Kuhtreiber das kostenlose Russische Öl klauen will, daß Putin dahin liefert? Kenen Sie nur Oberst Reisner oder kennen Sie auch Willy Wimmer? Letzterer bildet, auch Möchtgern-Journos. Warum treten Sie nicht aus der Grünen Partei aus?