Die zornigen Franzosen und die lahmen Deutschen

Die Sache, für die die Franzosen auf die Straße gehen, ist für Deutsche angesichts unserer viel schlechteren Altersversorgung nicht so leicht zu bejubeln. Aber immerhin wehren sich die Franzosen gegen ihre Regierung und lassen sich nicht wie die Deutschen alles gefallen.

IMAGO / Le Pictorium
Demonstration in Paris in der Nacht vom 20. auf den 21. März 2023

Man kann geteilter Meinung sein über den Volkszorn in Frankreich. Ist das wirklich so schlimm, dass die Regierung den Franzosen eine längere Arbeitszeit bis zur Rente abverlangen will? Aus deutscher Perspektive dürfte das Verständnis für den brennenden französischen Protest dagegen nicht allzu groß sein. Deutschland ist noch immer der weitaus größte Nettozahler der EU – wobei die Summe 2021 mit über 21 Milliarden mehr als doppelt so hoch lag wie die Frankreichs.

Auch liegt das Renteneintrittsalter hierzulande bei 67 und die Rente beträgt knapp 53 Prozent vom letzten Netto. Die Wohneigentumsquote liegt bei 50,5 Prozent – in Frankreich bei 64, in Italien sogar bei 75 Prozent. Die Franzosen und Italiener dürfen bislang mit 62 Jahren in Rente gehen und erhalten 74,4 bzw. 81,7 Prozent vom letzten Netto. 

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Nun also sollen die Franzosen erst mit 64 ihren Rotwein als Rentner trinken dürfen. Dagegen gehen sie in bewährter Tradition auf die Straße. Barrikaden werden errichtet, Pflastersteine und Feuerwerkskörper auf Polizisten geworfen, Holzpaletten und Autos in Brand gesetzt, man kennt sich damit aus. Seit Tagen wird in Paris und in etwa dreißig anderen Städten der Müll nicht mehr abgefahren. Es stinkt, allen.

Dennoch hat die Regierung die Reform durchgesetzt, pikanterweise ohne darüber im Parlament abstimmen zu lassen. Das ist ein Vorgehen, das die Verfassung erlaubt, aber das heißt nicht, dass es legitim wäre. Eine solche autoritäre Ermächtigung ist nun wirklich ein Grund dafür, auf die Straße zu gehen. Gut möglich, dass dieses Vorgehen noch zum Sturz der Regierung führt – auch wenn ein erster Misstrauensantrag in der Nationalversammlung knapp gescheitert ist.

Wir hier in Deutschland müssen auf solchen Protest wohl noch lange warten. Bei uns wird schon lange alles Mögliche im Parlament durchgewinkt. Das zahlenmäßig größte der Welt muss man gar nicht erst hintergehen, das ist handzahm. Und die sogenannte „Reform“, die es auf ein vernünftiges Maß verkleinern soll, dürfte vor allem dazu dienen, die Linke und die CSU zu marginalisieren und ausgerechnet jene Abgeordneten benachteiligen, die „direkt“, also nicht über die Parteiliste gewählt worden sind. 

Und deshalb beneide ich sie manchmal doch, die Franzosen. Sie wehren sich wenigstens.

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Die Deutschen aber lassen sich noch immer einreden, sie wären ein reiches Land, weshalb sie alle Mühseligen und Beladenen ins Sozialsystem einladen und auch noch stolz darauf sind, den reichen Onkel in der EU zu geben – während man sich in Brüssel anschickt, an Vermögen und Lebensqualität der hier schon länger Wohnenden zu gehen. Die Landwirtschaft wird zugunsten des Welthandels ruiniert. Der Klimarettungswahnsinn wird, wenn er weiter so betrieben wird, zur faktischen Enteignung der im EU-Vergleich nur wenigen Hausbesitzer führen. 

Die unfassbaren Schäden der Panikpandemie werden nicht aufgearbeitet und der irrlichternde Karlatan Lauterbach ist noch immer im Amt, während die Außenministerin ganz nebenbei Russland den Krieg erklärt, was ja heutzutage unter „Feminismus“ firmiert. 

Es ist Wahnsinn und es hat Methode. 

Glückliches Frankreich! Dort geht man bei vergleichsweise Kleinigkeiten auf die Straße. Hierzulande lässt man sich jeden Blödsinn gefallen.

Wie lange noch?


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Kommentare ( 58 )

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Niklas
11 Monate her

Wenn der Deutsche sozial absteigt, schämt er sich und glaubt, er sei selber schuld. Der Franzose nimmt statt dessen denjenigen ins Fadenkreuz der ihn – pardon, aber man muss die Realität schon beim Namen nennen dürfen – der Franzose nimmt denjenigen ins Fadenkreuz, der ihn gef… hat.

Davon sollten wir uns in Deutschland eine gehörige Scheibe abschneiden. Hierzulande arbeiten Menschen wie Habeck AKTIV daran, uns zugrundezurichten!

Autour
11 Monate her

Wie sie schreiben es ist ein zweischneidiges Schwert, da die Franzosen für jeden Pups auf die Straße gehen sind Reformen in diesem Land so gut wie unmöglich.
Ob man das nun begrüßen sollte sei Mal dahingestellt denn Frankreich ist wirtschaftlich auch nicht auf Rosen gebettet. Klar ist es schön wenn das Volk sich wehrt aber bitte mit Maß.

lauterbachleugner
11 Monate her

Ob Kohl einen Feiertag klaut (Buss-und Bettag), oder Merkel die Leute 2 Jahre länger arbeiten lässt, man hört kein Wort des Protestes, nicht einmal von den Gewerkschaften. Angeblich können wir uns das nicht mehr leisten. Kurz darauf werden dann Millionen Sozialhilfeempfänger ins Land gelassen. Das die Hälfte der Bevölkerung als Miet-Sklaven leben und sich dabei noch reich fühlen, ist sicher auch Ausdruck dieser gnadenlosen Dummheit.

Niklas
11 Monate her
Antworten an  lauterbachleugner

Wie Sie jüngst erleben durften, ist es eine absolute Illusion, dass ihr Wohneigentum wirklich Ihnen gehört. Der Staat kann zugreifen, wann immer er will. Von den 200.000€ Energie-Sanierung, die Sie bezahlen müssen, damit Sie nicht abreißen müssen, kann ich 20 Jahre lang mieten.

Rosalinde
11 Monate her

Revolutionen in Deutschland brauchen erfahrungsgemäß lange.
Sind dann aber, siehe 1989, erfolgreich.

Steven Bollig
11 Monate her
Antworten an  Rosalinde

Ohne Stasi wäre die vermeintliche Revolution einfach weggeprügelt worden so konnte man diese vermeintlichen Helden der Wende die in Wirklichkeit nur nützliche Idioten waren als tolle Ausrede dafür dazu nutzen das die Stasi sich in Wirklichkeit nur tot Gestellt hat und die Demonstranten das Trojanische Pferd waren mit dem der Sozialismus die BRD übernommen hat jeder der das Buch Psychologie der Massen gelesen hat weiß das Demokratie auf Staaten Ebene und Massen Gruppierungen wie BLM, Piraten Partei, oder eben Demonstration wie die Querdenker sich sehr leicht von innen manipulieren und beliebig steuern lassen ich rede da übrigens aus eigener Erfahrung… Mehr

Dr. Hansuli Huber
11 Monate her

Das Kriterium kann nicht sein, ob Menschen ihre Wut auf der Strasse ablassen – oder die Fast im Sack ballen. Die normalen Menschen haben genug an ihrem eigenen Leben zu tragen. In der Verantwortung stehen hingegen die sogenannten Eliten, insbesondere jene, die partout meinen, gestaltend wirken zu müssen. Gestaltend zum Wohl der Nation, der Gesellschaft, der Menschen, der Umwelt und den Tieren, das wäre das Ziel. Leider ist es das heutzutage zugunsten von fragwürdigen Visionen, unbeherrschtem Tatendrang, Selbstüberschätzung und -bereicherung der Eliten nicht mehr. Die repräsentative Demokratie hat abgewirtschaftet. Es gälte, denjenigen, welche die Suppe auslöffeln müssen, den Bürgern, das… Mehr

albert deutsch
11 Monate her

Revolution in Deutschland ? Das wird nie etwas .Wenn die Deutschen einen Bahn stürmen wollen ,kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte.
Lenin oder Engels
Und da es keine Bahnsteigkarten mehr gibt….

Biskaborn
11 Monate her

„Wie lange noch“? Gute Frage , ich würde behaupten noch sehr, sehr lange!

Kartoffelstaerke
11 Monate her

Die Deutschen müssten sich ja gar nicht mit Protesten auf der Straße wehren.

Sie müssten erstmal nur:

a) Hinterfragen und sich selber informieren, vor allem über die angebliche wissenschaftliche Einhelligkeit bezüglich einer angeblichen „Klimakatastrophe“ und dem angeblichen „CO2 verursacht Temperaturanstieg“, die angeblich hochgefährliche Corona-„Pandemie“, und die angeblich „ungefährliche Covid-Impfung“ dagegen.
b) Sich damit von der eigenen Panik emanzipieren. Erkennen, daß die „German Angst“ von Interessengruppen und der Politik gezielt verstärkt und benutzt wird, um politisches Stillhalten und Gefügigkeit zu bewirken.
c) Und dann richtig wählen.

Querdenker73
11 Monate her
Antworten an  Kartoffelstaerke

c) Geschlossen keine Zwangsgebühren mehr entrichten.

Kuno.2
11 Monate her

Von 62 auf 64 Jahre und dann auch noch mehr vom letzten Brutto- das erinnert an Griechenland, wo die Gesetze ähnlich komfortabel sind. Trotzdem mussten deutsche Sparer für griechische Luxusrentner haften. Bei uns gelten 67 Jahre und die sollten nach Ansicht nicht Betroffener auf 69 Jahre erhöht werden. Aber klar: wer keine Kinder hat sollte nicht erwarten das andere Kinder seine Rente bezahlen.

HavemannmitMerkelBesuch
11 Monate her

Nananana, sehr geehrte Frau Stephan. Im besten abgeschafften Deutschland aller Zeiten, in dem nun jeder auch ganz offizieller Mitarbeiter staatlicher Sicherheit vor Kritik sein darf, weil es dafür inzwischen Lob, Titel, Pöstchen und Steuermittel zur „Demokratiestärkung“ hagelt, könnte Ihre Analyse schnell als Delegitimierung eigentlich nicht legitimer Politik betrachtet werden. Und Ihr letzter Satz ist aber sowas von dicht daran, wegen Aufruf undso zum Einsatz einer 3000schaft untertänigster Demokratieroboter mit Gesinnung und Haltung auszulösen. Wir leben in den besten Demokratien aller Zeiten, die zwar überall auf der Welt Demokratiedefizite erkennen und benennen, aber ihre „Reformen“ genannten Diktate einfach umsetzen, egal ob… Mehr