Kernfusion: Der Durchbruch

Die vor einigen Wochen erfolgte Zündung einer Fusionsreaktion mit Netto-Energiegewinn ist ein technischer Durchbruch. Sie markiert das zwangsläufige Ende der deutschen Energiewende, die diesem und anderen Fortschritten nicht standhalten kann. Verdrängen nutzt nichts, die Kernfusion ist nah. Sehr nah.

shutterstock/Yurchanka Siarhei
Am 5. Dezember 2022 erzielten US-amerikanische Forscher an der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien einen bedeutenden Durchbruch in der Fusionstechnik. Wie eine Woche später bekannt gegeben wurde, gelang an diesem Tag erstmals eine kontrollierte Fusion unter künstlich geschaffenen Bedingungen, die mehr Energie freisetzte, als zu ihrer Zündung erforderlich war.

Der Unwille, dieses bedeutende Ereignis angemessen zu würdigen, prägte die darauf folgende Berichterstattung in den deutschen Medien. Man war bemüht, es als rein wissenschaftlichen Erfolg ohne jede praktische Relevanz herunterzuspielen. Eifrig trug man Zitate von Forschern zusammen, die nach wie vor die kommerzielle Nutzung der Kernfusion als weiterhin ferne Utopie charakterisierten, wenn sie denn überhaupt jemals gelänge. Unter keinen Umständen sollten in Lesern, Zuhörern und Zuschauern Zweifel an der ökologistischen Lehre aufkommen, nach der es keine vorstellbare Energiequelle jenseits volatiler Umgebungsenergieflüsse gibt, die nicht des Teufels ist. Und keinesfalls durfte das Dogma grüner Politik in Frage gestellt werden, nach dem Energieproduktion und -verbrauch hochindustrialisierter Gesellschaften in Art und Umfang für immer administrativ festgelegt werden müssten und könnten. Eine nicht mehr zu ignorierende Neuerung, die dieser Ideologie die Grundlage entzieht, ist da natürlich kleinzureden.

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Sofern man den innovativen Charakter des Geschehens überhaupt erkennt, was ja schon den Zeitgenossen Denis Papins, des Erfinders der Dampfmaschine, und Thomas Newcomens, des Konstrukteurs ihrer ersten kommerziell erfolgreichen Applikation, überraschend schwer fiel. Der Durchbruch am NIF markiert in gewisser Weise den Papin-Moment der Kernfusion.

Bei dem ein Deuterium-Tritium-Gemisch in einen mit Gammastrahlen erfüllten, zylindrischen Hohlkörper eingebracht wird. Der Brennstoff befindet sich in kleinen, kugelförmigen Kapseln mit einer Hülle aus nahezu reinem Kohlenstoff. Diese Schale absorbiert die Strahlung, erhitzt sich und dehnt sich aus, bis sie platzt und letztendlich zu großen Teilen verdampft. Ein Vorgang, der eine nach innen gerichtete Schockwelle auslöst, die den Brennstoff komprimiert und in ein Plasma verwandelt. Findet diese Implosion schnell genug mit einer hinreichenden Materialmenge statt, werden einige der beteiligten Atomkerne fusionieren. Die kinetische Energie der Reaktionsprodukte (Helium und Neutronen) muss das Plasma auf einem für weitere Kernverschmelzungen ausreichendem Temperaturniveau halten, um eine sich bis zum nahezu vollständigen Brennstoffverbrauch selbst erhaltende und dadurch einen Netto-Energiegewinn liefernde Fusion zu induzieren.

Die Energie der Gammastrahlen, die Größe der Brennstoffkapseln und die Dicke und Zusammensetzung ihrer Hüllen sind die drei entscheidenden, in diesem Konzept zu variierenden Größen. Am 5. Dezember 2022 wurde erstmals eine geeignete Kombination erprobt.

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Dies ist primär ein technischer, über eine iterative, rein experimentelle Vorgehensweise erzielter Erfolg. Es gibt bislang keine wissenschaftliche Erklärung für den Grund, aus dem die gewählte Konfiguration im Gegensatz zu allen anderen vorher getesteten funktionierte. Manche Forscher mögen sich auf diesen Umstand beziehen, wenn sie weiterhin behaupten, die kommerzielle Nutzbarkeit der Kernfusion läge noch immer Jahrzehnte in der Zukunft. Nur ist ein die Vorgänge abstrakt erläuterndes theoretisches Modell für einen marktfähigen Leistungsreaktor gar nicht notwendig. Papin verfügte im Jahr 1706 auch nicht über eine thermodynamische Beschreibung des Dampfzylinders, den er da gebaut hatte. So wie Papins Experimente heuristisch, also beobachtend, abschätzend und ratend, erst Thomas Savery und schließlich Thomas Newcomen als Wegweiser dienten, vermag auch das NIF-Experiment heutige Konstrukteure und Entwickler anzuleiten.

Zahlreiche Kommentare verweisen auf den Umstand, man hätte keinen Netto-Energiegewinn demonstriert, da ja die für die Laser aufgewendeten Energiemengen einzuberechnen seien. Die Laser im NIF dienen jedoch lediglich der Erzeugung des Gammastrahlenfeldes durch Bestrahlung einer an der Innenseite des Reaktionsraums aufgebrachten Goldschicht. Sie sind daher nicht als eine zwingend dem Fusionsexperiment zuzuordnende Komponente aufzufassen. Zumal die Generierung von Gammastrahlen über Laserlicht noch erheblich optimiert werden kann, wenn sich nicht ohnehin eine andere Methode als günstiger erweist oder eine noch bessere Brennstoffkonfiguration mit geringeren Strahlungsenergien auskommt. Papins Maschine litt einst ebenfalls unter den Mängeln der bereits verfügbaren Komponenten. Und die notwendige Optimierung von Ventilen und Rohrleitungen veranlasste die Konstrukteure natürlich nicht zur Aufgabe.

In gleicher Weise wie Papins Dampfzylinder belegt der Durchbruch am NIF das Potential eines Prinzips, die Realisierbarkeit einer Idee. Er ist der endgültige, zuvor noch ausstehende Beweis für die Option, mit einer in einer rein artifiziellen Umgebung ausgelösten und regulierbaren Kernfusion Energie gewinnen zu können. Er stützt insbesondere alle derzeit verfolgten Ansätze, in denen kinetische Impulse oder Strahlung ein Plasma zünden sollen. Er zeigt sogar einen konkreten Pfad vom validierenden Experiment zur kommerziellen Nutzung über eine effizientere Gammastrahlenquelle und eine effektivere Brennstoffkonfektionierung.

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Letztere ist wiederum für viele andere Fusionstechnologien bedeutend. Nun, da klar ist, wie es gelingen kann, und nicht mehr nur, wie es vielleicht gelingen könnte, bedarf es primär ingenieurtechnischen Handelns. Ob die Kernfusion kommt, ist nicht mehr von Zufällen und Forscherglück abhängig, sondern allein von dem Willen, genügend Ressourcen in ihre Realisierung zu investieren. Zwischen Papins Dampfzylinder und Newcomens marktfähiger Kolbendampfmaschine lagen lediglich sechs Jahre. Natürlich ist ein Fusionsreaktor um Größenordnungen komplexer, aber das heute vorhandene Fundament an Wissen, Methoden und Werkzeugen ist ebenfalls um Größenordnungen reifer. Angesichts dessen erscheint die hier vor einigen Monaten geäußerte Prognose, nach der die Kernfusion im Jahr 2030 als Energiequelle zur Verfügung steht, eher pessimistisch.

Nur sollte man sich hüten, davon eine ähnlich umfassende Umwälzung zu erwarten, wie sie die Dampfmaschine einst auslöste. Der Menschheit steht bereits mehr als ausreichend Energie aus anderen Reservoiren zur Verfügung (auch wenn manche politische Strömungen sich beharrlich wünschen, diese nicht zu nutzen). Bau und Betrieb von Fusionsreaktoren verursachen außerdem erhebliche Kosten, zum Nulltarif produzieren sie nicht. Der Wettbewerb zwischen neuen Kernspaltungsreaktoren der vierten Generation, weiter verbesserten, fossil befeuerten Kraftwerken und der Kernfusion ist daher völlig offen. Zumal letztere keine Hochtemperatur-Wärmequelle darstellt.

Aufgrund ihrer spezifischen Charakteristik, die sich durch verschwindend geringe Brennstoffkosten sowie Emissions- und Abfallfreiheit auszeichnet, wird die Kernfusion als verlässliche, Systemdienstleistungen bereitstellende Grundlastquelle im Strombereich vor allem Windkraft und Photovoltaik verdrängen. Das wissen die Energiewende-Gläubigen genau. Und deswegen sind sie gezwungen, dem Publikum einzureden, es dauere noch ewig, man könne sich nicht darauf verlassen, man dürfe mit der Fusion nicht rechnen oder planen. Deswegen sind sie gezwungen, zu bremsen und zu blockieren, wenn möglich. Deswegen sind sie gezwungen, die Energieversorgung der Zukunft auf Basis heutiger Technologien für Jahrzehnte festzuschreiben und alle Marktmechanismen auszuhebeln.

Sie werden darin nicht nachlassen, selbst wenn im Jahr 2025 die ersten Prototypen künftiger Leistungsreaktoren die Welt in Staunen versetzen. Aber Innovation ist mächtiger als Politik, sie schafft, was hierzulande den Wählern nicht gelingen will. Das Ende der Energiewende ist seit dem 5. Dezember 2022 nicht mehr zu verhindern.

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Kommentare ( 54 )

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niezeit
1 Jahr her

Für vernunft- und phantasiebegabte Menschen, die noch dazu von Physik in der Schulzeit ein wenig behalten haben, schafft diese Meldung eine der wenigen Glücksgefühle in heutiger Zeit. Fortschritt siegt immer über Borniertheit.

Wilhelm Roepke
1 Jahr her

Dazu gibt es einen alten Witz:

Spitzenphysiker zum Bundesforschungsminister: „In 30 Jahren werden wir die Kernfusion kommerziell nutzen können!“

Forschungsminister zum Physiker: „Das hat Ihr Vorgänger vor 30 Jahren auch schon behauptet.“

Physiker: „Ja, und der Satz ist immer noch richtig!“

??

powerage
1 Jahr her

Abgesehen von der Kernfusion war es der große Fehler von FJS, dass er damals vor der Anti-Atomkraft Bewegung eingeknickt ist und der Bau der WAA Wackersdorf eingestellt wurde. Damals wurde eine große Chance vertan, auch weil durch die Grünen das Wissen und die Forschung rund um das Thema Atomenergie aus dem Land getrieben wurde oder zu Gunsten der sinnlosen Gender-Ideologie eingestellt wurde. Der Dual-Fluid Reaktor könnte so schon heute Energie erzeugen und damit wäre zum großen Teil auch das Entsorgungs und Lagerproblem gelöst. Damit wurde auch eine riesige Chance verpasst, den DF zum Exportschlager zu machen und günstige und sichere… Mehr

PidderLueng
1 Jahr her

Man muss ehrlicherweise dazusagen, das das Experiment an der NIF noch in den Kinderschuhen steckt, und es momentan keine Möglichkeit gibt die Laserfusion auf Kraftwerksebene zu nutzen. Es wurde lediglich an einem Einzelevent demonstriert, dass man in sehr kleinen Volumen eine positive Energiebilanz(Faktor 1,5) erzielen kann. Um das zu erreichen musste jedoch ein monströser Laser betrieben werden, der etwa das 300-fache der im Experiment gewonnenen Energie verschlingt. Andere Experimente, die Technologien erforschen bei denen das Plasma durch Magnetfelder eingeschlossen wird, wie der Wendelstein 7-X(Stellarator) oder JET(Tokamak), sind auf einem deutlich höheren Forschungsniveau und können bereits vollständige Fusionskreisläufe zeigen. Eigentlich geht… Mehr

Gerro Medicus
1 Jahr her

Zitat: „Das Ende der Energiewende ist seit dem 5. Dezember 2022 nicht mehr zu verhindern.“ Da wäre ich mir zumindest in Deutschland mit seinen grünlinken Spinnern nicht so sicher. Die haben sich noch nie durch Fakten beeindrucken lassen. Denken Sie an die Amish-People. Obwohl alle ringsherum Technik nutzen, fahren diese Leute aus Überzeugung und Glauben immer noch mit Pferdekutschen, nur ganz wenige Telefone gibt es, keine Fernseher, wenige Radios. Kein elektrisches Licht. Das stellen sich die Grünen wohl auch für uns vor – nicht für sich selber, natürlich. Da soll das volltechnisierte Leben mit Handy, TV, Spielkonsole, Laptop etc. natürlich… Mehr

DrRobertFord
1 Jahr her

Das Ergebnis ist ein Meilenstein, dem jedoch noch viele folgen müssen. Netto wurde noch keine Energie gewonnen, denn die Laser muss man mit berücksichtigen.
Trotzdem ist Fusion die Technologie der Zukunft, keine Frage. Wichtig ist auch, in der Forschung mehrgleisig zu fahren (Stellarator etc.). Kein Mensch kann vorhersagen, wie lange der Weg zu breit verfügbaren Fusionsreaktoren noch ist, denn zu viele Probleme sind noch ungelöst. Mit Glück zehn, mit Pech 25 Jahre.
Bis dahin hat die Kernfission noch genügend Potenzial, wie in Form der Thorium-Reaktoren.

Homer J. Simpson
1 Jahr her

Zunächst herzlichen Glückwunsch an die Wissenschaftler, die diesen Meilenstein möglich gemacht haben. Dann muss ich bei diesen Berichten oder Diskussionen immer an die Situation zwischen J. P. Morgan, Edison und Tesla denken. Tesla wollte freie und kostenlose Energie für alle, Edison hingegen konnte Morgen davon überzeugen, dass Energie immer künstlich knapp, teuer und von wenigen kontrolliert und beherrscht sein muss. Diesem Irrglauben hängt man bis heute an, hat er sich doch durchgesetzt. Die Grünen haben das ganze System dann noch verschärft und wir bezahlen heute den Preis dafür. In kommenden Jahren, wenn die Franzosen den Fusionsreaktor in Betrieb nehmen werden… Mehr

bfwied
1 Jahr her
Antworten an  Homer J. Simpson

Das sind die Auswirkungen der Dekadenz! Schule leichtgemacht, Abitur leichtgemacht für jedermann, Berufsausbildung leichtgemacht, auch für die, die gar nicht od. fast nicht lesen und schreiben können. Bestehen in der Konkurrenz leichtgemacht durch Unter-Strafe-Stellung von Kritik bzw. anderer Meinung …!
So ist man schnell das Schlusslicht, verlacht, verspottet, und das mit Recht!

Franjo
1 Jahr her

„Sie markiert das zwangsläufige Ende der deutschen Energiewende, die diesem und anderen Fortschritten nicht standhalten kann. Verdrängen nutzt nichts, die Kernfusion ist nah. Sehr nah.“
Nicht in Ideologistan, das gibt es viele Pseudogründe den Fortschritt aufzuhalten auf dem Weg in einen Agrarstaat.

Ede
1 Jahr her

Hoffentlich, ja wirklich hoffentlich, haben Sie Recht. Ich stelle mir ein Szenario vor in der die ganze Welt an der Fusionstechnik arbeitet und optimiert und ein winziger Fleck auf der Landkarte, Deutschland, wiedersetzt sich und vegetiert vor sich hin, zugepflastert mit Solarzellen und Windrädern …

Ralf Poehling
1 Jahr her

Wenn das endlich anläuft und der erste Fusionsreaktor irgendwo auf der Welt eine Stadt oder vielleicht mehr konstant mit Strom versorgt, wird die Lage kippen. Vorher nicht. Ich gehe nicht davon aus, dass wir diesmal die Vorreiter sind, sondern das der erste funktionierende Fusionsreaktor irgendwo anders auf der Welt gebaut werden wird. Aber letztlich ist das egal, denn wenn die Praxistauglichkeit bewiesen ist, werden auch die Deutschen erkennen, dass das die Zukunft ist. Solarpanels und Windräder sind eigentlich alte Technik von Gestern, die in ihrer maximalen Energieausbeute doch stark begrenzt sind. Wenn man sich die Digitalisierung der Welt und die… Mehr