Politik nach Pawlow

So vorhersehbar wie nervtötend: die lobbyistische Panikmache der deutschen Bauern geht bei Politik und Medien auf. Die kleinen Bauern müssen für die Großen herhalten.

Getty Images

Potzblitz: die Sonne scheint. Und das im Sommer! Im August sogar! Seit Mai genaugenommen scheint sie, es regnet weniger als es die Jahre zuvor der Fall gewesen ist. Wer hierin einen durchaus normalen Lauf der Wetter-Dinge sieht und es mit dem angeratenen Gleichmut nimmt, sollte sich eine Weiterbildung, ein Coaching gönnen: wie verfalle ich in Hyperventilation, wie verstärke ich den Chor der lobbyistischen Panikmacher, ach ja, und nicht vergessen, bitte: ein wohlfeiles Statement (will heißen: alles von uns umweltzerstörerischen Erdbewohnern verursacht) zur Klimakrise darf keinesfalls fehlen!

Heiße Tage
Ökonomie der Hitze
Der alte Pawlow hätte seine reine Freude in diesen Tagen: die Reaktionen auf eine in diesen Breitengraten zwar seltene, aber keineswegs unübliche partielle Hitzewelle sind wohl nur mit seinem Gesetz zu erklären. Es ist so vorhersehbar wie nervtötend, der Parade der selbsternannten Experten zuhören und die ewig gleichen Bilder auf allen Kanälen anschauen zu müssen. Natürlich ergehen sich die öffentlich-rechtlichen Sender in Sondersendungen, deren nachgerade sensationelles „nutzwertiges“ Ergebnis ist: viel Abkühlung, viel Schatten suchen, viel Kühles trinken. Da sind unsere Gebühren doch gut angelegt bei so geballter Expertise. Und im Winter, nach reichlich Schneefall, dann bitte das Gegenstück: viel Wärme, viel Sonne suchen, viel Warmes trinken.

Wirklich ärgerlich, weil unanständig, ist aber das Gebaren der Bauern-Lobbyisten. Beim ersten trockenen Weizenhalm schwoll er an, der Gesang der eilfertigen Funktionäre: der Staat muss helfen, fordert Bauernpräsident Joachim Rukwied finanzielle Unterstützung. „Eine Milliarde Euro wäre wünschenswert, um die Ausfälle auszugleichen“, sagte er. Und nicht genug: „Wir fordern jetzt Liquiditätshilfen, damit wir Betriebe, deren Ertrag mehr als 30 Prozent unter dem Schnitt der letzten Jahre liegt, direkt unterstützen können.“ Zudem müsse eine Risikoausgleichsrücklage eingeführt werden – sodass Landwirte in guten Jahren nicht den kompletten Gewinn versteuern und so Rücklagen bilden können. Und weil das alles noch nicht wirklich reicht, fiel auch noch der Begriff des „nationalen Notstandes“.

Wen die Sanktionen gegen Putin treffen
Die Milchbauern sind Opfer staatlicher Intervention
Eine Milliarde Euro wäre wünschenswert. Aber wer erhält sie? Bauer ist nicht gleich Bauer. Man mag es den kleinen Bauern ja gönnen. Aber die Fläche bestimmen längst Großagrarier, und das sind häufig Großunternehmen. Die kennen das Geschäft, sie haben es studiert. Den Kleinbauern gibt es nur noch in den romantischen Vorstellungen und als nützliche Vorzeige-Landwirte. Wünschenswert wäre zunächst, Herr Präsident, ein wenig Studium von Ökonomie, speziell die Rubrik „das Risiko des Unternehmers“.  Wird sich schon eine VHS in Ihrer Nähe finden, die Ihnen da weiterhilft. Und bei der Gelegenheit diskutieren Sie doch gleich auch noch folgendes: wohin kommt eine Volkswirtschaft, wenn alle Selbstständigen, wenn alle Unternehmen bei der erstbesten für sie negativen Marktveränderung mit Steuergeldern gepampert werden. Wenn der Kurs, den Sie belegen, Herr Präsident, auch nur mittelmäßig ist, so lautet die Antwort: vor die Hunde! Sowas nennt die Volkswirtschaftslehre „Staatswirtschaft“, weil hier die Entscheidung über den Einsatz knapper Güter (Steuergelder, Herr Präsident) nicht von „privaten, sondern von staatlichen Stellen getroffen, d.h. nichtmarktliche Bedürfnisbefriedigung unter Einsatz hoheitlicher Gewalt“ (Gabler Wirtschaftslexikon, gibt’s auch in der VHS Ihrer Wahl!).

Es ist schlechter Stil und eine Missachtung der Bürger dieses Landes als Steuerzahler, das private Risiko eines Landwirtes zu negieren und sich permanent, bei den ersten Widrigkeiten aus dem Topf des Staates zu bedienen. Vollends unanständig ist es aber vor allem, schamlos Phantasiesummen zu fordern und dabei geflissentlich das Geld zu verschweigen, was der deutsche Michel dem deutschen Bauern ohnehin schon in die Taschen steckt. Im vergangenen Jahr „empfingen“ die deutschen Landwirte 6,5 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen, es handelt sich bei den Bauern hierzulande schon lange nicht mehr um wirkliche Unternehmer im eigentlichen Sinne. Denn diese tragen ihr Risiko meist ohne staatliche Nannyleistungen, diese sorgen aus eigenem Ertrag vor (BWL, 1. Semester) und schreien nicht nach einer „Risikoausgleichsrücklage“.

Das Soziale als Herrschaft
Solidarisches Grundeinkommen – aber ja, selbstverständlich!
Dass die Politik diesen Rufen erliegt, darf niemanden wundern, damit lassen sich Spalten und Sendungen füllen, es gibt gerade in Bayern und Hessen (Landtagswahlen im Herbst) ausreichend bäuerliches Klientel. Wenn nun der Fraktionsvorsitzende der CDU, Kauder, die anfangs zögerliche und damit durchaus richtig reagierende Landwirtschaftsministerin Klöckner „überstimmt“ („wir sollten nicht kleinlich sein, es handelt sich um eine Ausnahmesituation“), so beweist er sich einmal mehr als stillos, weil er den gleichen mangelhaften Respekt vor dem zahlenden Souverän hat wie der unsägliche Bauernpräsident auch. Es redet sich ja gut. Die kleinen Bauern werden trotzdem weiter verrecken, denn bei denen kommt nichts an: Derzeit kein Regen und später keine Subventionen, die gehen immer zuerst an die Großen.

Herr Kauder, bevor Sie unsere Kassen plündern, wollen Sie den Herrschaften Groß-Landwirten als erstes vielleicht noch einmal das Einmaleins der Marktwirtschaft vorrechnen (könnte aber sein, dass Ihnen dafür die Kenntnisse fehlen). Und als zweites eine Empfehlung gratis: wenn mein Produkt durch äußere Einflüsse, die ich nicht beeinflussen kann, Schaden nimmt, so muss ich vielleicht eine „Produktionsart“ wählen, die unabhängiger von solchen Einflüssen ist (zugegeben: das ist jetzt schon eher 2. Semester BWL).  Gerade hat EU-Europa die Anpassung daran durch ein dummes Gerichtsurteil erschwert – das Klima ändert sich, es wird wohl trockener, die Saaten und Pflanzen sollen bleiben wie sie sind. Aber das ist pure Ideologie – alles ändert sich, auch die Furche, die der Bauer zieht, schon von jeher. Vulgo: die Landwirtschaft muss sich weiter verändern, muss bodenschonender und widerstandsfähiger werden, das fordern wirkliche Experten schon lange. Die wundern sich jetzt über plötzliche „Medienkonjunktur“.

Wir nicht, wir kennen die politischen und medialen Pawlow’schen Reflexe: die Sau war fett genug, sie musste jetzt durchs Dorf. Egal, ob der Bauernpräsident quietschvergnügt oben drauf saß!

Unterstützung
oder

Kommentare ( 37 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

37 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
5 Jahre her

Es ist schon erstaunlich, wie unsere Politiker, die zumeist ein Jurastudium in der Tasche haben und vor Sachkenntnis auf fremden Gebieten strotzen, alles erdenkliche nutzen, um Forderungen geltend zu machen. Zur Zeit scheinen alle Klima und Wetter- Experten zu sein und sich in Sachverstand auf dem Gebiet der Landwirtschaft zu rühmen. Nur das ihr lang- und kurzzeit- Gedächtnis nicht so richtig funktionstüchtig zu sein scheint. Der letzte heisse Sommer mit einer recht ausgeprägten Hitzeperiode war 2003. Das heisst er liegt einige Jahre zurück. Zwischendurch sprach man immer von Sommer, die zu kalt und nass waren und die Bauern machten Panik… Mehr

humerd
5 Jahre her

wir beziehen Öko-Strom und zahlen dafür, weil dieser das schlechte Gewissen beruhigen soll. Wir kaufen „faire“ Produkte und zahlen dafür, natürlich kaufen wir lokale Produkte und zahlen dafür mehr, wir kaufen nur Bio-Fleisch und Bio Eier und Bio Milch usw. usw.usw Aber was auch immer wir machen, wir sind schuld. Wir sind schuld an der Überproduktion der Landwirtschaft, an vergiftetem Grundwasser, Bodenerrosion, Luftverschmutzung etc. Nahezu täglich gibts irgendwelche Zahlen wie z.B. Tonnen an weggeworfenen Lebensmitteln, natürlich nur von den Verbrauchern weggeworfen, niemals von Landwirten, wir sind schuld, daß Menschen im Mittelmeer ertrinken,nicht die NGOs, die Schlepper, nein wir sind es… Mehr

Herbert Wolkenspalter
5 Jahre her

Wie wäre es mit einem Hungerstreik gegen die Regierung? Zumal wer Hunger durch Unterbezahlung der Landwirtschaft sowieso inkauf nehmen würde.

boxfrank
5 Jahre her

Warum muss die Landwirtschaft eigentlich permanent staatlich subventioniert werden? Die Gründe sind: Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Oder anders ausgedrückt: zu warm, zu kalt, zu nass, zu trocken – irgendwas trifft immer zu!

benali
5 Jahre her

Früher war Jammen die Sprache der Kaufleute. Die gibt es heute kaum noch. Folglich ist Jammern als Sprache für andere freigegeben.

Dass die Bauern jammern in einem Staat, der als übermächtiger Erlöser von allen Sorgen und Problemen gilt, weil es die Parteien oder Bürger (wer war zuerst da: Henne oder Ei?) so wollen, ist nicht verwunderlich. Dass Politiker der Versuchung, eine weitere Abhängigkeit schaffen zu können, nicht widerstehen können, ist auch nicht verwunderlich.

Übrigens, bei Hitze Kühles zu trinken ist ungefähr so sinnvoll, wie Sorgen in Likör zu ertränken, wenn man an die Wirkung glauben will.

Kassandra
5 Jahre her

Ist das nicht ein herrliches sommerliches Ab-lenk-thema von der wirklichen Misere der in der Straße von Gibraltar beständig anlandenden Afrikaner auf noch europäischem Grund und Boden?

Bambu
5 Jahre her
Antworten an  Kassandra

Nicht nur das. Endlich finden die Panik machenden Klimaschützer wieder eine Plattform. Dabei wird geflissentlich unterschlagen, dass es solche Jahrhundert Sommer schon früher gab und dass die lange Trockenperiode im Jahr 1540 noch weitaus schlimmer war.
Wir sollten uns alle mal entspannen und abwarten was in den nächsten Jahren passiert. Nur wenn dann die Sommer vergleichbar trocken und heiß mit einer ernsthaften Bedrohung der Vegetation werden, können wir uns ernsthaft Sorgen machen. Wir sollten dann aber auch darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, unser Land immer enger zu besiedeln.

Norbert S.
5 Jahre her

Werter Autor, natürlich kann jederzeit über die Sinnhaftigkeit von Subventionen in der Landwirtschaft diskutiert werden und gehen Sie davon aus, dass die Landwirte gerne darauf und die damit verbundenen Gängelungen verzichten würden. Anderseits ist mir nicht klar warum Sie bei einem Volumen, dass möglicherweise 1 Mrd. Euro betragen wird, so auf die Pauke hauen. Verglichen mit den Bankenrettungen, den Subventionen bei Industrieansiedlungen, den Subventionsmilliarden für die Energiewende etc. haben wir es hier dann mit einer klitzekleinen regional beschränkten Krise zu tun. Und da wollen Sie keine Hilfe gewähren? Warum? Die neueste Subventionssau, die durchs Dorf getrieben wird, heiß Baukindergeld. Das… Mehr

Ingolf Paercher
5 Jahre her
Antworten an  Norbert S.

Die Kosequenz heißt dann aber: Keine Subvention für gar nichts und niemand! Quasi über Nacht abschaffen, anders geht’s nicht.
Eigentlich ein erwägenswerter Gedanke …

Kassandra
5 Jahre her
Antworten an  Ingolf Paercher

Das gäbe einen Volksaufstand.
Wenn wir dann plötzlich die „richtigen“ Preise für Lebensmittel beim Einkaufen zahlen müssten…

Norbert S.
5 Jahre her
Antworten an  Ingolf Paercher

….. das geht nur mit der Salamitaktik, dann können sich alle darauf einstellen. Es würde sich aber gewaltiger Widerstand rühren und da wäre die Bauern eine der kleinsten Gruppen, die wir auf der Straße sehen würden.

Ingolf Paercher
5 Jahre her
Antworten an  Norbert S.

Nein, man erinnere sich an Neuseeland. Salamitaktik hat man vermieden, um Widerstandsformierungen zu vermeiden. Die große Katastrophe ist ausgeblieben. Der hochsubventionierte Agrarmarkt hat ein paar Prrozent Betriebe verloren, das war’s.
Warum fehlt uns nach wie vor der Mut, Staatsdirektiven (und dabei handelt es sich um Subventionen) einfach komplett abzuschaffen? Der Staat ist erwiesenermaßen so ziemlich der schlechteste Wirtschafter.

Gerd Koerner
5 Jahre her
Antworten an  Norbert S.

Subventionen sind ja nichts anderes als die Bestechung der Bürger mit ihrem eigenen Geld. Und gerade die Landwirte kassieren doppelt ab und kompensieren so ihre Ernteausfälle mit dem EEG. Wer betreibt denn privat die meisten Solardächer, Windräder und Biogasanlagen in DE? Das sind doch ausschließlich Landwirte und Großgrundbesitzer, die auch sonst gerne bei jeder Gelegenheit Vater Staat anbetteln und die Hand aufhalten. Und jetzt noch 1 Milliarde Euro oben drauf, sauber!

Norbert S.
5 Jahre her
Antworten an  Gerd Koerner

Da liegen wir nicht weit auseinander, die Aufgeregtheit im aktuellen Fall ist mir auch zu groß. Wir können uns jetzt gegenseitig aufzählen wer wann wie viel bekommen hat,bringt aber nichts.
Es wäre wichtig im Subventions- und Steuerdschungel jeweils die Axt anzusetzen, aber da sind wir wieder beim ersten Satz aus Ihrem Kommentar. Das tut sich kein Politiker gerne an.

andreashofer
5 Jahre her

Ich vermute außerdem, dass die Subventionen dafür dienen, die gefühlte Inflation niedrig zu halten. Wann gehen die Leute auf die Barrikaden? Weil das Handy teurer geworden ist? Nein, wenn sich die Brotpreise verdoppelt haben. Insofern sind die Subventionen für mich verständlich.
Sie sorgen unterm Strich für eine hocheffiziente Landwirtschaft, die gute und günstige Produkte liefert. Die eigentlichen Verlierer dabei sind die Gesellschaften, in denen die Bauern noch wie vor Jahrhunderten arbeiten. Die Überschüsse aus unserem System machen natürlich auch deren Märkte kaputt.
Also: Das System ist kaputt, aber gibt es ein besseres?

Ingolf Paercher
5 Jahre her

Wetter ist nicht planbar.
Es war ein patschnasses oder furztrockenes Jahr – jedesmal wird nach der Stützung durch den Staat geplärrt.
Risikenvorsorge ist in der Hinsicht längst nicht mehr Staatsaufgabe, weil die Behörden wesentlich Überversorgung glattbügeln müssen und ins Preisgefüge massiv eingreifen. Geht auch privat.
Ih hätte mal ganz ehrlich den Preis fürn Liter Milch ohne Gedöns, geht ja nicht mehr.

ioeides
5 Jahre her

Unser Malermeister fragte vorgestern zum Thema:
Wenn ich nicht genügend Aufträge bekomme, kann ich dann auch Staatshilfe beantragen?