#WirMachenAuf – Verzweiflungstat von Ladenbesitzern und Gastronomen

Ein Ladenbesitzer will trotz Lockdown öffnen, sein Vorhaben ging als #WirMachenAuf viral. Andere wollten ihm folgen. Doch die Assoziierung der verzweifelten Unternehmer mit den schon kontaminierten Querdenkern folgte auf dem Fuß.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bernd Wüstneck

Ein Twitter-Nutzer missversteht den Hashtag verzweifelter Einzelhändler, der Fitness-Branche und von Gastromomen absichtsvoll falsch. Er twittert zu #WirMachenAuf, er fände die Aktion gut, es würde ja auch Zeit, „dass wir die aus Moria endlich aufnehmen.“ Er meint die Aufnahme von Migranten aus dem Camp auf den griechischen Inseln.

Dieses Kapern eines Hashtags ist nur bedingt lustig, denn es gibt in Deutschland Hunderttausende von Selbstständigen, Angestellten, Studenten und weiteren Bürgern, die unmittelbar davon betroffen sind, dass Einzelhandel, Fitness-Einrichtungen und Gastronomie trotz oft weitreichender Hygienemaßnahmen geschlossen bleiben müssen. Diese gewichtige Gruppe nun auszuspielen gegen die Migranten auf Moria, kann man durchaus schäbig finden. Erst recht, wenn das hier als eine Art Faustpfand angesehen würde: Erst Moria, dann Laden auf bzw. Bier über den Tresen.

Verzweiflung nach Lockdown-Verlängerung
"Wir machen auf" - Gastwirte wollen Lockdown nicht mehr einhalten
Bedenkenswerter ist die Intervention vereinzelter Mitarbeiter des Pflegepersonals in Krankenhäusern, die davor warnen, dass #WirMachenAuf weitere Intensivpatienten in die Krankenhäuser spülen könnte. Aber auch das bleiben Mutmaßungen. Denn so könnte dann jede öffentliche Begegnung von Menschen zur Gefahr für andere werden. Zumal die öffentlichen Verkehrsmittel und die Schulen (die mit dem verschärftem Lockdown jetzt allerdings geschlossen wurden) deutlich höhere Risiken darstellen als der Einzelhandel.

Wie sieht es aus mit Hygienekonzepten in Bussen, Straßenbahnen und Zügen? Wie oft sind da beispielsweise an den Zugängen zu den Großraumabteilen Desinfektionsmittel kontaktfrei verfügbar? Wie oft und wie gründlich werden die Sitze dort von Reinigungsfachpersonal desinfiziert? Und vor allem: Wer überprüft eigentlich die hinreichende Sicherheit der von den Fahrgästen und dem Personal getragenen Masken?

Es gibt Fragen genug, die es keineswegs rechtfertigen, die Hygienekonzepte des Einzelhandels, der Fitness-Branche und der Gastronomie einfach wegzuwischen. Zweifellos ist ein Restrisiko verhanden. Aber was wiegt schwerer? Dieses Restrisiko oder die ohne jeden Zweifel prekäre und immer prekärer werdende Situation derer, die finanziell vom Einzelhandel und der Gastronomie abhängen? Die versprochenen Novemberausfallgelder? Die sind noch immer nicht gezahlt. Sie sollen, so versprachen die Kanzlerin und die Länderregierungschefs nach ihrem jüngsten Treffen, nun endlich ab dem 10. Januar ausgezahlt werden. Kommen sie nicht bald, werden wohl viele Betroffenen Hartz IV beantragen müssen, mit allen damit verbundenen Folgen auch für ihre Selbstständigkeit. Die nämlich kann unter Hartz-IV-Bedingungen nicht einfach so weiter laufen. Aufstocken?

Die fast zeitgleich auch für Österreich und die Schweiz ausgerufene #WirMachenAuf- Protestaktion sind Verzweiflungstaten. Denn zunächst einmal lohnt sich so ein Aufmachen, sollte es nicht nur symbolisch, sondern auch monetär funktionieren, nur, wo insbesondere Gastronomen nicht nur Personal anfordern, sondern auch Lebensmittel vorhalten, Mittel für die Hygiene-Maßnahmen zukaufen müssen usw., um den Betrieb gewinnversprechend wiederzueröffnen. #WirMachenAuf erfordert also über das reine Türöffnen hinaus ein Investment. Das hatte schon Gastronomen davon abgehalten, an eine Weihnachtsplanung zu denken, als das Öffnen an Weihnachten 2020 noch als vage Option zur Diskussion stand.

Anstoß zur Aktion gab der Besitzer eines Kosmetiksstudios, die Betreiber eines Rosenheimer Sportgeschäftes zogen nach. Eine örtliche Zeitung formulierte, das Sportgeschäft wolle ab kommenden Montag den „Aufstand gegen Lockdown“ versuchen –  „egal wie“.

#WIR MACHEN AUF
Jeder Lockdown scheitert: Die Regierenden kennen die Regierten nicht
Sein Vorhaben hatte der Ladenbesitzer, dem noch vier weitere Sportläden gehören, in einem offenen Brief an den Bayrischen Handelsverband verkündet. Die Aktion ging viral, fand viele Nachahmer, die sich ebenfalls anschließen wollten. Aber die hier schon eingangs erwähnte Aktivisten machten dem Rosenheimer einen Strich durch die Rechnung. Der von der Politik billigend in Kauf genommene bzw. aktiv beförderte Graben quer durch die Gesellschaft funktionierte: Der Rosenheimer zog seine Teilnahme an der Aktion zurück. Er wolle nicht mit Rechten zusammengehen, er sein kein Querdenker, erklärte er gegenüber den Medien, die das gerne und dankbar aufnahmen.

Den Querdenkern allerdings wurde jüngst sogar vom BKA bescheinigt, nicht rechts zu sein. Es sei nicht einmal erkennbar, dass sich daran in Zukunft etwas ändern könnte. Ist der Rosenheimer nun ein Opfer der Querdenker oder eher der Medien und der Politik, die die Erkenntnisse des BKA ignorieren? Zunächst einmal ist er Opfer der Corona-Maßnahmen.

Der Sportwarenhändler betont, er sei ein Befürworter einer offenen Diskussion. Gleichwohl lässt er sich aber vor den Karren jener spannen, die eben genau das nicht zulassen wollen. Der Mann allerdings verfügt über keine Lobby, ihm ist sein Rückzug daher kaum vorzuhalten – zumal ja noch nicht einmal restlos ausdebattiert ist, ob das Vorhaben an sich nicht bereits fragwürdig war. Aber dazu kam es nicht, viel einfacher war es, die bekannte Nazi-Diffamierungskarte zu ziehen und dem Mann und der Bewegung damit massiv Angst zu machen.

Michael Ballweg, der Gründer der Querdenker rief übrigens neulich per Presseerklärung die Regierung dazu auf, jetzt einen viel schärferen Lockdown zu machen, damit dieses Theater ein Ende hätte, lieber ein harter Lockdown mit Schrecken als ein weicher ohne Ende, oder so ähnlich, hatte er es formuliert. Ernst gemeint? Viele Anhänger werden sich diese Frage gestellt haben.

#WirMachenAuf könnte nun tatsächlich eine neue Bewegung sein, deren Potential gemessen an den Betroffenen mindestens so groß sein dürfte wie das der kontaminierten Querdenker, die für die Bundesregierung und die Alt-Medien in besseren Zeiten zu einer echten Herausforderung geworden waren.

Gemessen am raschen Erfolg der Querdenker werden die Diffamierungs-Maßnahmen über die von vom Staat quersubventionierten Nichtregierungsorganisationen und Sympathisanten gegen #WirMachenAuf verständlich. Man ist alarmiert und setzt so schnell wie möglich seine Fußsoldaten in Bewegung. Ab Montag also auch Antifa gegen geöffnete Sportläden? Der Rosenheimer Sportladenbesitzer ist Geschäftsmann, also geht er in Deckung.

#WirMachenAuf war übrigens von der Grundidee her bereits im Dezember ein Thema u.a. in den Niederlanden. Hier schlossen sich frustrierte Selbstständige – vornehmlich Gastronomen zusammen, um am 17. Januar den Lockdown in ihrem Land zu durchbrechen. Die Niederländsichen Gastronomen sind sich übrigens hinsichtlich der Infektionsketten relativ sicher: „Wir sind überzeugt, dass unsere Branche nicht das Problem ist.“

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Kommentare ( 83 )

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Physis
3 Jahre her

Sehr geehrter Herr Wallasch. Ich gebe zu, Ihrem Kommentar nur notdürftig folgen zu können. Worum geht es es Ihnen also? Wollen Sie dem geneigten Leser erzählen, was Sie glauben zu wissen, oder können Sie tatsächlich verstehen, wie es einem Selbständigen geht, der nicht nur ein Laptop sein Eigen nennt, welches er lediglich zusammenklappt, um dann am Ende des Tages den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen? Entschuldigung, aber ich lese Ihren Beitrag nun schon mehrmals und erkenne keinen tieferen Sinn. Aber ich möchte nicht bösartig sein und erkläre Ihnen, worum es wirklich geht/gehen könnte. Nämlich darum, dass gar… Mehr

Unglaeubiger
3 Jahre her

Ich schlage vor, wir gehen gleich Alle sterben und überlassen das Land einfach den so gebildeten und wohlstandsfördernden Neubürgern. Wir sind doch eh nur mehr die zu lange in diesem Land Lebenden, die durch Inzucht das Wohl der Intelligenz und des Reichtums in diesem Lande gefährden. Wenn es so weitergeht, gebe ich die Leihgabe des Lebens freiwillig ab, als letzte Bezeugung meiner persönlichen Freiheit. Dieser Irrsinn verursacht schon heftige körperliche Schmerzen zu den normalen Zipperlein meines Alters. Der Neid auf Jene, die diese wahnsinnig gewordene Menschheit schon verlassen durften, wächst mit jedem Tag mehr und ich frage mich, muss ich… Mehr

Susa
3 Jahre her
Antworten an  Unglaeubiger

Ich würde Ihnen gerne hundert Daumen-nach-oben geben! Sie sprechen mir aus dem Herzen. Auch ich finde alleine das, was wir jetzt schon von der „Neuen Weltordnung“ zu schmecken bekommen, so wenig lebenswert, dass ich hoffe, die Möglichkeit des freiwilligen Abgangs wird uns nicht eines Tages auch noch genommen.

Alexander Wallasch
3 Jahre her

??

Stephan Lindemann
3 Jahre her

Als erfolgreicher Selbständiger kann man nicht einfach ALG II beantragen. Man muß dafür alles offenlegen, was man an Vermögen hat. Wer also noch Zweitwagen, Wohneigentum, Aktienbesitz, sogar eine Lebensversicherung (!) hat, muß sich zuerst von all diesem trennen, bevor man ihm den ALG II-Satz auszahlt. Treibt man Selbständige in die Arbeitslosigkeit, treibt man sie automatisch in den Ruin und das abrupte Ende des bisher erreichten Lebenswerks. Sie verlieren alles.

EndemitdemWahnsinn
3 Jahre her
Antworten an  Stephan Lindemann

Das gilt ja allgemein, nicht nur für Selbständige. Man muss sich erst völlig nackt machen, bevor man irgendetwas vom Staat bekommt.

E. Pohl
3 Jahre her
Antworten an  Stephan Lindemann

Ja und,meinen Sie das geht dem abhängig Beschäftigten anders? Da müssen Sie sich genauso nackig und arm machen, bevor Sie in den Segen von ALG II kommen. Es sei den Sie sind hierher „gefüchtet“ dann können Sie in Ihrer alten Heimat Immobilien besitzen und Geschäfte betreiben. Das ist dann leider nicht nachprüfbar.

AlNamrood
3 Jahre her

Wenn den Deutschen noch ein minimaler Rest an Verstand geblieben ist, könnte die strafrechtliche Verfolgung dieser ausscherenden Gastwirte der Tropfen sein der das Fass zum überlaufen bringt. Denn verfolgt werden sie mit absoluter Sicherheit.

Ein Mensch
3 Jahre her

Ich schätze ihre Beiträge sehr Herr Wallasch, aber 2 Sachen sind mir wieder mal bitter aufgestoßen. Nennen sìe die linken Terroristen bitte nicht Aktivisten denn das sind die nicht. Das 2. ist die Formulierung ,,kontaminierte Querdenker. Wenn Sie persönlich die Querdenker dafür halten,okay jeder wie er will. Dennoch sollte auf jeden Fall das ,,angeblich“ davor gesetzt werden, nur wegen der eigentlich gebotenen Neutralität.
Zu dem Sportladenbesitzer fällt mir nur ein, typisch neudeutsch der Mann. Lieber untergehen als mit den ,,Falschen“ in Verbindung gebracht werden.

Hubr Jeuss
3 Jahre her
Antworten an  Ein Mensch

Das witzigste ist ja noch, dass die Querdenker gar nicht quer denken.

Hubr Jeuss
3 Jahre her
Antworten an  Ein Mensch

Wenn man Terroristen „Aktivisten“ nennt, ist man wohlmöglich auch geneigt, Straßenräuber als „Robin Hoods“ zu sehen. Sechs Jahre Fernsehverbot!

Alexander Wallasch
3 Jahre her
Antworten an  Ein Mensch

Das ist leider Unsinn, denn selbst Michael Ballweg hat eingestanden dass er Fehler gemacht hat und exakt diese Fehler haben die Querdenker meiner Auffassung nach kontaminiert. Und das schreibe ich auf. Kontaminiert haben können natürlich auch Angriffe von außen. Und das haben sie auch.Was sie nun davon halten ist ihre persönliche Angelegenheit. Aber ich muss mir von ihnen keine fachlichen Belehrung anhören.

Hubr Jeuss
3 Jahre her
Antworten an  Alexander Wallasch

Hat sich die sogenannte ANTIFA eigentlich auch irgendwann mal „kontaminiert“ ? Ich frage ja nur, denn davon habe ich noch nie auch nur ein Wort gelesen.

Christoph
3 Jahre her

Jeder Einzelhändler sollte sich ein kleines Sortiment Tierfutter und ein paar Getränkedosen hinstellen;dann kann er legal öffnen.Das entspricht dem System aller Raiffeisenmärkte bzw der “ grünen “ Warenhäuser.

ratio substituo habitus
3 Jahre her

Ich will diese Bewegung aus Interesse im Internet begleiten, schon weil dich mir von den angekündigten Beiträgen von Rechtsanwälten mal eine nicht regierungsamtliche Meinungen erwartet habe. Hier einmal meine rein persönlichen Eindrücke: Zunächst habe ich mir einen Account auf der zugeordneten Website Coronapedia erstellt und die Telegramgruppe mit einigen ausgewählten Bekannten geteilt. Wie alles Neue ist die Website noch chaotisch, ungeordnet und die Foren finden sich erst – also mühsam sich zu den interessanten Themen durchzuarbeiten. Das halte ich für so eine Bewegung im Anfangsstadium für normal. Erstaunlich fand den relativ hohen Anteil an nicht Betroffenen (Verbrauchern, nicht Händlern), die… Mehr

Dr. Michael Kubina
3 Jahre her

Man darf sich gar nicht auf den „Narrativ“ der Politik einlassen. Sie haben sich verrant und wissen nicht, wie da herauskommen. Das Virus ist keine Epidemie. Wir haben plus/minus normale Sterbe- und Krankheitszahlen, nur ein kleiner und relativ genau auszumachender Teil der Bevölkerung ist ernsthaft betroffen, die Gesellschaft als ganzes ist in keiner Weise bedroht, ein Platz auf der Intensivstation ist keine Grantie fürs überleben etc. etc. Es ist eine Krise des westlichen Menschen- und Weltbildes. Wir hindern Jahr für Jahr hundertausend Ungeborene ein Leben führen zu können und drehen durch, wenn ein paar tausend Hochbetagte an einer bisher unbekannten… Mehr

Endlich Frei
3 Jahre her

Grenzen schließen, Clan-Hochzeiten verbieten und Großfamilien-Treffen unterbinden. Busse, Bahnen- und Züge aussetzen.
Das bringt mehr als das Schließen Hunderttausender Geschäfte, aber ist offenbar politisch „nicht korrekt“.