Weihnachten ist die rote Linie

Das Weihnachtsfest steht wie Ostern unter Vorbehalt. Staat, Medien und Wissenschaft werten es in ihren Nützlichkeitserwägungen zum bloßen Pandemiefaktor ab. Sein religiöser, kultureller und gesellschaftlicher Stellenwert - nachrangig, angesichts des Kampfs um ein "höheres" Gut. Doch Weihnachten als Geburtsfest Christi und unserer abendländischen Welt ist zu groß, um es abwerten zu können.

IMAGO / Leemage
Gentile da Fabriano, Adorazione dei Magi (1432).

Weihnachten ist das Fest der Anti-Pandemie. Es ist das Fest des Lichts in der Dunkelheit. Der Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit. Der Liebe in der Indifferenz. Es ist das Fest, an dem der Engel die Hirten mit den Worten begrüßt: „Fürchtet euch nicht!“ Platte Zitate jeder ordinären Weihnachtspredigt? Vielleicht. Die Worte verlieren dennoch nicht ihre Wahrheit. Im rastlosen Alltag sehnt sich der Mensch nach dem Außergewöhnlichen. Im getakteten Ablauf der Zeit mit Schichten, Arbeit- und Freizeit, mit Programm und Terminen bricht nur wenig die Routine auf. Am Ende der Moderne steht eine Pandemie, die Eintönigkeit, zugleich Unberechenbarkeit betont. Da ist einerseits die verlorene Initiative, die verlorene Freiheit, die verlorene Entscheidung in schicksalsartigen Mühlen, angetrieben von Verordnungen und Verboten; das Individuum kann nur ohnmächtig darauf blicken. Da ist andererseits der unberechenbare, täglich neu entworfene Plan zur Überwindung einer Krise, deren Ende nie bestimmt wird. Konferenzen, von denen zwei Tage zuvor noch niemand sprach, beschließen Gesetze, an die niemand vorher dachte.

Weihnachten ist kein Trostmittel in einer kafkaesken Welt. Weihnachten ist größer als die Welt. Es hat deswegen den Geist von Millionen eingenommen. Es existiert das Diktum, dass die Menschen an Gott glauben, weil sie an Gott glauben wollen. Dann ist Weihnachten bloßer Eskapismus, eine sprichwörtliche Blume an der Kette, sedierendes Opium, um Probleme auszublenden. Dann wäre Petrus allerdings auch aus Rom geflohen, statt sich dem Martyrium zu stellen; dann hätte der Heilige Stephanus den Mund gehalten, statt gesteinigt zu werden; dann wäre Franz von Assisi ein in Luxus schwelgender Kaufmannssohn geblieben; dann wäre der Heilige Franz Xaver nicht bis ans Ende der bekannten Welt gereist, um das Christentum zu predigen; dann wäre Dietrich Bonhoeffer nicht in den Widerstand gegangen und Maximilian Kolbe hätte nicht sein Leben für ein anderes in Auschwitz eingetauscht.

Christen sind nicht für die Bequemlichkeit, sondern für das Große geschaffen

Man kann dies als religiösen Wahn verbuchen. Oder man kann es als Beweis dafür verbuchen, dass nicht das Leben allein gilt, sondern etwas existiert, das über den Menschen hinausgeht, ihn über sich selbst hinauswachsen lässt. Dass er sich nicht allein an die nackte Existenz krallt. Benedikt XVI. hat wenige Tage nach seiner Wahl gesagt: „Bequem sind die Wege des Herrn nicht, aber wir sind ja auch nicht für die Bequemlichkeit, sondern für das Große, für das Gute geschaffen.“

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Weihnachten ist das Größere, das, was über uns hinausgeht. Christus ist Weg, Wahrheit, Leben. Sein Geburtstag ist der Geburtstag der Rettung. Nichts kann uns noch Furcht einflößen, wenn das Leben keine bloße Abfolge des grauen Alltags in selbst gewählter oder staatlich verordneter Quarantäne ist. Mit der Geburt des Messias weicht die zyklische Trostlosigkeit der Hoffnung auf das ewige Leben. Die neurotisch gewordene Gesellschaft des Westens, die zwischen Angst und Hybris tangiert, hat dieses Geheimnis größtenteils vergessen.

Das ist kein Aufruf, an Weihnachten Hygieneregeln zu brechen oder dezidiert „Corona-Partys“ zu feiern. Wer es als Christenpflicht ansieht, mit Maske und Selbsttest die Inkarnation Christi zu feiern, dem ist dies überlassen; wer in der Messe darauf Acht gibt, dass der Priester sich die Hände vor jeder Kommunionsspendung desinfiziert, ebenfalls. Es ist aber eine ganz andere Sache, wenn der Staat für sich beansprucht, die Entscheidung darüber an sich zu reißen. Wenn der Gesundheitsminister Karl Lauterbach meint, dass Modellkurven wichtiger sind als die Zelebrierung der Ankunft des Herrn – „Dieser Trend darf durch Weihnachten nicht gefährdet werden“ –, dann sind die Prioritäten klar verteilt. Wenn die Ministerpräsidentin Marie-Luise Dreyer Ungeimpften gar empfiehlt, Weihnachten gar nicht zu feiern, dann ist das schon deutlich als Verachtung des Weihnachtsfestes zu deuten. Die Mentalität, die dahintersteckt, fasst ein Tweet einer Professorin zusammen, die vorschlägt, Weihnachten am besten im Februar nachzufeiern.

Dabei sei gesagt: aus historischer Perspektive ist letzteres Argument nicht einmal so dramatisch, wie es klingt. Christen haben das Weihnachtsfest nicht immer am selben Tag gefeiert. Aber Christen haben ihre Feierlichkeiten auch nie von Virologinnen, Gesundheitsministern und Ministerpräsidentinnen abhängig gemacht. Ein historischer Vergleich zu der Kirche prä-konziliarer Zeit, die Bittprozessionen mit Menschenmassen zu Pestzeiten durchführte, ihre Tore als Lazarett der Ärmsten weit öffnete, und deren Bekenner und Märtyrer mitten unter den Kranken wandelte im Gegensatz zur Kirche der Gegenwart, die auf einen 3G- oder gar 2G-Nachweis beim Besuch des Messopfers besteht, könnte zwar sicherlich Bücher füllen; es zeigt aber vielmehr, dass auch die Kirche ihren Widerstand gegen die Welt aufgegeben hat, statt sich ihr eigenes Regelwerk zu verordnen. Geschlossene Kirchen zu Ostern – was für ein Bild in zweitausend Jahren!

Die Abwertung Weihnachtens zu einem bloßen „Event“ im politischen Zahlenspiel

Doch das Kuschen des Klerus einerseits und die Nonchalance der Politik andererseits zeigen eine deutlich gefährlichere Entwicklung. Es handelt sich um eine Enthemmung auf mehreren Ebenen. Das christliche Weihnachtsfest und die Verordnungshoheit darüber hat mehrere Facetten. Die erstaunlichste ist die unwidersprochene Erniedrigung jenes Festes, das zusammen mit Ostern und Pfingsten zu den höchsten Feierlichkeiten des Jahres zählt. Weihnachten darf „Trends“ nicht zerstören, es kann verschoben werden, und Familien soll vorgeschrieben werden, wer am Tisch sitzen darf und nicht. Das ist keine bloße – man will sagen: himmelschreiende – Übergriffigkeit. Das ist die Herabwürdigung des Geburtstages Christi zu einem „Happening“, zu einem Ereignis, das man wie ein Rockfestival absagen kann, oder bei dem man Bändchen am Eingang vorschreibt. Weihnachten: ein „Event“ wie jedes andere.

Der Verlust, der sich in der Moderne massiver denn je zeigt, ist der Verlust des Unterschieds zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Es ist gerade dies das Erbe des christlichen Abendlands, die weltliche von der geistlichen Macht zu unterscheiden. Sie können zusammenwirken wie im Ottonenreich, sie können gegeneinander stehen wie im Investiturstreit, aber nie ist der Kaiser Pontifex Maximus wie etwa im Römischen Reich oder im Kalifat. In der Hand Christi glänzt die Münze, während er hervorhebt, dem Kaiser zu geben, was dem Kaiser gebührt, Gott aber zu geben, was Gott gebührt; da gibt es den Staat auf Erden und den Staat Gottes bei Augustinus; und da sind die beiden Schwerter des Gelasius, das einmal den weltlichen, und einmal den geistlichen Autoritäten gegeben ist. Beide Kräfte können ein Bündnis eingehen, sie sind aber verschieden, nie eines zugleich. Wo das Heilige gilt, darf das Weltliche nicht eindringen.

Der Verlust des Gespürs dafür, was „heilig“ und was „profan“ ist

Zu diesem „Heiligen“, das eng mit dem Tabu verbunden ist, gehört nicht nur der religiös-christliche Bereich. Er hat auch in anderen Kulturen Vorläufer und Parallelen, ohne auch über eine Gewaltenteilung zu verfügen, die schon aus politischen Gründen eigentlich eine Einmischung in religiöse Angelegenheiten verbietet. Das Profane ist endlich, das Heilige ewig; das Profane darf berührt werden, das Heilige nicht. Im Judentum war die Bundeslade so heilig, dass selbst ein Träger der Lade, der diese vor einem Sturz retten wollte und sie dabei aus Versehen berührte, von Gott bestraft wurde. Die Regel lautet: es gibt Angelegenheiten, die sind unhinterfragbar. Dadurch, dass das Heilige aber seinen Raum, seinen Bereich hat, ist es festgelegt.

In der Gegenwart sind diese fest umgrenzten Territorien verschwommen. Nicht nur das Profane hat das Heilige entwertet; das Heilige ist auch in das Profane geflossen. Paradoxerweise hat die Säkularisierung mit ihrer vermeintlichen Trennung von Religion und Staat die Religion nicht abgetrennt, sondern durch ihr Exil ins Private geschwächt und selbst religiöse Elemente aufgenommen, die sich in den totalitären Systemen des beginnenden 20. Jahrhunderts am deutlichsten zeigen, aber ihren Vorläufer schon in der Französischen Revolution haben. Dazu gehört der quasireligiöse Personenkult; die prozessionsartigen Aufmärsche; die Steuerung durch eine Gruppe, Clique oder Partei; die alternativlose Politik als Pervertierung des religiösen Dogmas; die Verachtung des Lebens als Umkehr des Lebensschutzes und zuletzt Selbstzerstörung statt Erlösung. Auf der anderen Seite wird das eigentliche Heilige „verwaltbar“, zu einer Behörde im religiös-staatlichen Komplex, zu einer gesetzhörigen statt autonomen Organisation, zur Empfängerin und Senderin des politischen Auftrags.

Die Menschwerdung Christi ist kein Verwaltungsakt

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Alles wie immer, und doch ganz anders
In einer solchen Mentalität sind die Äußerungen zu verorten, die auch Weihnachten als Akte im Schuber betrachten, die mit einem Behördenstempel bewilligt oder verworfen wird. Rationalistisch soll festgelegt werden, mit wem und wann es sich gehört zusammen zu feiern. Als ob der durch die Corona-Politik angefachte Zwist in den Familien selbst nicht genug wäre, fühlen sich Experten, Politiker und Journalisten dazu berufen, noch einmal zu verdeutlichen, was beim Familienessen statthaft ist oder nicht, ja, ob die Messe zu welcher Urzeit von welchen Personen mit welchem Impfstatus besucht werden darf. Die Moderne hat das Individuum bereits zur Zahl entstellt, die Zerstörung und Rationalisierung des Weihnachtsfestes zuerst durch Säkularisation eingeleitet; die Unterordnung unter den Staat ist demnach ebenso logische Konsequenz wie das Ende der christlich-abendländischen Geschichte zugunsten einer maschinellen Bürokratie, die gefühlskalt nach Erwägungen von Nützlichkeit und – nicht nur gesundheitlicher – Sicherheit entscheidet. Vielleicht können diese menschlichen Maschinen auch irgendwann ganz das Denken für die Bevölkerung übernehmen?

Doch die Menschwerdung Gottes ist kein bloßer Verwaltungsakt, sie ist kein bloßes Datum mit aufgebauschter Weltgeltung wie die vielen „Welttage“ an denen Bekenntnisse zu Feminismus, für den Klimaschutz und gegen Rassismus propagiert werden. Die Fleischwerdung ist der Wendepunkt der Geschichte aus christlicher Sicht: Gott gibt sich in einer Art und Weise zu erkennen, die für die Menschen – ob Juden oder Heiden – in dieser Form undenkbar war. Christus übertrifft die Propheten des Alten Testaments und die Heroen der antiken Mythologie; zugleich macht er sich im Stall von Bethlehem so klein und schwach, dass er bereits von dem Moment an, da er in die Welt tritt, in Gefahr schwebt, als König Herodes vom neugeborenen König der Juden erfährt. Die Geburt Christi weist bereits auf den Kreuzestod hin – und damit auf die Auferstehung und Erlösung. Das moderne Diktum, im Angesicht der Pandemie könne es Gott egal sein, wie wir ihn feiern, entbindet den Christen nicht von der Pflicht zu überlegen, wie wir ihn feiern sollten. Wie kleinmütig erscheint die heutige Welt gegen die Sterndeuter, die sich auf den beschwerlichen Weg ins Heilige Land machten, um ihre Gaben darzubringen.

Die Geburt in Bethlehem ist die Geburt unserer Zivilisation

Für eine friedliche Festtafel
Fünf goldene Weihnachtsfriedensregeln für den politischen Streit
Selbst für diejenigen, denen es schwerfällt, zu glauben, und die sich eher als Kulturchristen, denn Christen verstehen, ist das Ereignis von identitätsstiftender Bedeutung. In Betlehem wurde unsere Welt geboren: das Johannes-Evangelium gibt mit dem Wort, das Fleisch geworden ist, einen Hinweis auf die Symbiose aus antiker Philosophie und jüdisch-christlicher Religion, die unsere heutige europäische Kultur maßgeblich prägt. Es ist ein Mythos, das Christentum habe die antike Kultur auf dem Gewissen; in Wirklichkeit war sie deren Hüterin und Erbin. Das Wort – im Griechischen: der Logos – kam in die Welt; das war für viele heidnische Gelehrte eine unfassbare Antwort auf der Suche nach dem Göttlichen, für Stoiker, Neoplatoniker und andere. Eine wahrhaft „logische“ Antwort.

Die Kirchenväter haben stets den Gedanken gepflegt, die heidnische Religion zu bekämpfen, aber nicht auf das große kulturelle Erbe des Mittelmeerraumes zu verzichten. Christus ist nicht das Ende Roms und Griechenlands. Er ist das fehlende Glied. Das literarische, philosophische, historiographische und sprachliche Werk wurde von Mönchen in Jahrhunderten der Wirren gerettet, selbst, wenn sie nicht mehr verstanden, was sie abschrieben. Nicht aus frommem Dienst, sondern weil Kultur ein Eigenwert war. Dass Europa über Jahrhunderte nur noch die Bücher besaß, die bereits der römisch-christliche Gelehrte Cassiodor in seiner Bibliothek gerettet hatte, ist kein Ausweis von Bildungsfeindlichkeit, sondern das komplette Gegenteil.

Die Gelehrten der letzten Jahrhunderte haben genügend über die drei Hügel Areopag, Kapitol und Golgatha philosophiert. Doch die Hügel sind nicht gleichwertig, sprechen wir über den Einfluss auf das Abendland. Golgatha übertrumpft sie; und das Erbe der griechischen und römischen Welt wurde historisch durch die christliche Linse interpretiert. Bis heute prägen die Apostel und Heiligen das Verständnis des Kontinents, ob bewusst oder unterbewusst, ähnlich, wie die Stadtregierungen des Mittelalters mehr mit unseren Auffassungen von Politik gemein haben als die athenische Polis. Nicht in der Antike, sondern im christlichen Mittelalter bildet sich Europa, bilden sich die Nationen. Die Silhouetten europäischer Städte sind von Hochhäusern und Funktürmen gekennzeichnet – doch es sind die Rathäuser und Kathedralen, an die wir denken, sprechen wie von den Wahrzeichen unserer Heimat. Warum schmerzt der Verlust mittelalterlicher und frühmoderner Substanz im Zweiten Weltkrieg so sehr? Warum war uns die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt ein solches Anliegen?

Das zu Weihnachten in die Welt tretende Christentum ist Grundlage europäischer wie deutscher Kultur

»Pardon, ich bin Christ!«
Eine Weihnachtspredigt für Heiden
Unser Verständnis für Jahresabläufe, unsere Vorstellung von Liebe, unser Begriff von Rechtschaffenheit, unser Sinn für Bildung – die Universität ist Frucht des Mittelalters, nicht der Moderne! –, unser kaufmännisches Denken, unser Bürgerstolz, unser Ringen um Freiheit und Autonomie, unsere Idealisierung der Ritterlichkeit, unser Streben nach zunftähnlichen Gemeinschaften, unsere Achtung vor dem Handwerk, unser tiefsitzendes Bewusstsein für Sünde und Reue, ja sogar unsere gängigsten und alltäglichsten Dinge wie Vornamen, am Bett vorgelesene Märchen und Tischbesteck nehmen alle ihren Ausgang in diesem vermeintlich düsteren Zeitalter, das in Wirklichkeit die eigentliche Herkunft unseres heutigen Seins bildet. Was kann aussagekräftiger sein, als dass die westliche Welt trotz Säkularisierung, trotz Atheismus, trotz Revolutionen und trotz Suizid der abendländischen Kultur ihre Jahre immer noch nach Christi Geburt zählt?

Auch das Schicksal der Deutschen ist eng mit dem Christentum auf geheimnisvolle Weise verwoben. Vor der Missionierung kamen und gingen germanische Stämme, deren Namen nur von römischen Geschichtsschreibern erhalten sind; wir wissen so gut wie nichts über sie. Doch in dem Moment, da ein germanischer Stamm das Christentum annahm, blieb er mehr als eine Fußnote. Arminius prägte eine Generation und verschwand wieder, ähnlich wie ein einmaliges Feuerwerk, das bald wieder verglühte; die konvertierten Westgoten, Angelsachsen und Langobarden gründeten dagegen Reiche, die über Generationen Bestand hatten, weil sie mit dem Christentum auch die römische Kultur und deren Institutionen übernahmen. Dem berühmtesten germanischen Stamm, dem der Franken, oblag es in Verbindung mit dem Christentum jenes Reich aus der Taufe zu heben, das durch eine päpstliche Krönung zum europäischen Reich par excellence werden sollte. Das Reich Karls des Großen ist der Ursprung Frankreichs wie Deutschlands, seine Idee überlebt im Heiligen Römischen Reich ein Jahrtausend. Die Krönung Karls durch Leo III. erfolgte am Weihnachtstag. Das, was wir sind, das, was Europa ist, das, was Deutschland ist – wird an Weihnachten in die Krippe gelegt, lange, bevor es existiert.

Zuletzt: wer weder mit dem Christentum noch der kulturellen Identität etwas anfangen kann, muss sich an den Gedanken gewöhnen, dass die Familie in ihrer heutigen Konstitution – die vom Zeitgeist gehasste „traditionelle Familie“ – Produkt abendländischer Geschichte ist. Weihnachten ist Zentrum des christlichen Familienbildes und hat sich in den säkularen Westen als Familienfest hinübergerettet. Ab dem 19. Jahrhundert ist die Familie damit selbst zu einem Stück „heiliger“ Sphäre geworden, im Sinne dessen, das mit dem aufstrebenden Bürgertum das „Private“ den Status der Heiligkeit zuerkannt bekam, im krassen Gegensatz zum Politischen. Das Familiäre ist der Rückzugsort der Welt. Es hatte seine Gründe, dass bei Familienfesten Politik- und Gesellschaftsthemen Anlass für Debatten und Diskussionen waren, aber nicht den familiären Zusammenhalt spalteten. Hier hat sich in den letzten Jahren Entscheidendes geändert. Bereits 2015 sorgte die politische Agitation für ein Auseinanderdriften von Familien. Seit 2020 hat der Riss eine neue Qualität gewonnen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Politik an den Weihnachtstisch setzt, mit der Medien aufzählen, was jetzt zu tun sei und mit der Experten warnen – ist kein bloßes Warnsignal. Die Frage ist: Wie konnte es so weit kommen? Und: Wann hat die Ansage von Herrn Drosten oder Herrn Lauterbach ein ähnliches Gewicht bekommen wie Onkel Willys Anwesenheit? Dass es nur „zu unserem Besten“ sei, ist die Standardfloskel, die man sonst nur den Eltern und Großeltern einräumen darf, aber keinesfalls dem Staat.

Der Angriff auf Weihnachten ist ein Angriff auf familiäre Autonomie

VORWORT ZUM WEIHNACHTSFEST
Weihnachten und der Wert eines Menschen
Man könnte die arrogante Bevormundung als Ignoranz abstempeln. Man könnte damit argumentieren, dass Lauterbach – aus der Kirche ausgetreten – und Dreyer – Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken – kein Gespür für das Fest haben, das ihnen nicht bekannt ist, welchen zentralen Nexus das Fest im kulturellen Gedächtnis unserer Zivilisation und im Familienleben einnimmt. Es gewinnt aber an diabolischer Verworrenheit, wenn etwa der Ministerpräsident des einst erzkatholischen Bayerns den kreuzerlass an Schulen durchsetzt, und etwa zu Weihnachten 2020 die Messe nach 21 Uhr wegen Ausgangssperre verbietet. Die Gestattung der Religion wird zum Gnadenakt, und die Kirchen stotterten, dass Weihnachten trotz allem – mit Auflagen – stattfände. Und wie heuchlerisch ist es dann, wenn Söder betont, Bayern sei ein „christlich geprägtes Familienland“? Man kann solcherlei willkürlichen Vorgänge nur als das benennen, als das, was es ist: ein mehrdimensionaler Angriff auf Gewohnheiten, Traditionen, Selbstverständlichkeiten, auf unseren Lebensstil.

Dieser Angriff zielt daher gegen Sie, gegen mich, gegen uns alle. Er richtet sich aber noch viel mehr auf das, was wir sind. Es zielt auf ihn, auf Christus, auf das Kreuz. Es ist der Angriff einer amorphen Masse, die sich gegen das Konkrete stellt. Es ist nicht nur der Angriff auf eine bestimmte Konfession, auf eine bestimmte Religion, auf einen bestimmten Glauben. Es ist die alte Frage danach, was dem Kaiser gebührt. Es ist die alte Frage, ob und was man dem Kaiser opfern darf. Es ist die alte Frage nach dem Heiligen und dem Profanen. Es ist die alte Frage, was privat, und was politisch ist. Es ist die alte Frage danach, was in den Bereich der Familie, und was in den Bereich des Staates gehört. Es ist die alte Frage danach, ob man lieber an der Welt oder an der Seele verliert.
Es ist die älteste Frage danach, wer wie Gott ist.

Viele Menschen ohne Gottesbezug denken an Gott als alten Mann auf einer Wolke. Gott ist aber das Absolute im Gegensatz zum Endlichen. Gott ist die Schönheit. Gott ist das Gute. Gott ist die Wahrheit. Nichts davon kann „endlich“ sein, nichts ist nur „etwas wahr“ oder „etwas gut“, oder „etwas schön“, auch, wenn der moderne Sprachgebrauch dies glauben machen will. Die Behauptung „die Wahrheit liegt dazwischen“ ist das relativistische Argument, denn relative Wahrheiten sind keine. Die Angst vor der Wahrheit belebt die manische Suche nach „Fakten“, das manische Ringen nach Zahlen und Studien, die aber immer nur Momentaufnahmen bleiben, weswegen zuletzt niemand Verantwortung übernehmen will, wenn sich die Fakten plötzlich geändert haben. Solcherlei veränderliche Fakten haben wir genügend erlebt, am berühmtesten am Beispiel der Wirksamkeit einer vermeintlichen Immunisierung, deren Haltbarkeitsdauer von versprochenen Jahren auf mehrere Wochen herunterschrumpfte, die als Serum der Nächstenliebe bejubelt wurde und sich als bedingter Eigenschutz mit Infektionsmöglichkeit entpuppte.

Wer eine absolute Direktive über Weihnachten stellt, macht diese zum neuen Gott

Experten und Politik sind eitel wie fehlbar, verkünden aber Ergebnisse und Entscheidungen mit einer Wahrheitsüberzeugung, als hätte ihnen Gott die Tafeln auf dem Sinai gegeben. Sie bedienen sich religiöser Sprache, ohne dabei selbst religiös zu sein oder durch die Religion wirken zu können. Sie sprechen apokalyptisch, wollen dieser übernatürlich wirkenden Bedrohung jedoch mit menschlichen Mitteln – ihren eigenen Mitteln – Herr werden. Insbesondere Politiker, aber auch einige Journalisten üben sich dabei in der Pose von Übermenschen, wenn sie der Masse dieses oder jenes Verbot auferlegen, ohne Rücksicht auf „rote Linien“.

Wer alles zur Disposition stellt, stellt das Absolute zur Disposition, und damit Gott im übertragenen wie buchstäblichen Sinn. Wer die Ziele seiner eigenen Politik als höchstes Ziel formuliert, für den sind nicht nur Geschichte und Identität, Geschlechterzugehörigkeit und Herkunft zweitrangig; für den sind selbst Liebe, Hoffnung und Glauben, sogar die Schönheit und die Wahrheit Opfer, die man im Krieg bringen muss. Das Ziel, die Politik, wird „total“ und durchdringt jeden Lebensbereich. Das Profane durchdringt das Heilige, verzehrt und zerstört es. Wer selbst Weihnachten und Ostern zu „Events“ degradiert, zeigt deswegen mehr als mangelnde Feinfühligkeit für christliche Gefühle. Er dringt selbst in die privatesten und intimsten Sphären unserer Seele ein.

Es ist unser Fest. Es ist sein Fest. Es ist nicht das Fest von Expertenräten, nicht das Fest der Bürokratie, nicht das Fest der Verordnungen, nicht das Fest der Propaganda, nicht das Fest der Verbote, nicht das Fest der Politik, nicht das Fest von Bund-Länder-Runden und vor allem: nicht das Fest des Staates.
Weihnachten ist die rote Linie. Und Ostern sollte sie es wieder sein.

Christus vincit. Christus regnat. Christus imperat.

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