Wattebäuschchen statt Wortgefecht

Verbale Wattebäuschchen und geschwurbeltes Geschwafel von Unions-Politikern nach den Sondierungen: Zwischen Klartext und Wolkenkuckucksheim liegt nur noch sprachliches Brachland. Zum Weglaufen – wie es die Wähler laut aktueller Umfragen ja auch massenhaft tun.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Wenn auch die Nachrichten aus Berlin für Normal-Denkende schwere Kost sind, wenigstens gibt es verbale Gaumen-Freuden, die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. So viel geschwurbeltes Geschwafel war selten. Der geneigte Zuschauer erlebt auf der Bühne der Pressekonferenzen die entlarvende Lyrik einer singulären Sondierungssprache. Weltmeister ausgerechnet die einstige Klartext-Union.

So klingt die Bilanz nach zweieinhalb Stunden: Die Gespräche seien „vom Willen geprägt gewesen“, herauszufinden, „wo eine gemeinsame Basis ist, welche Brücken man gemeinsam beschreiten kann, wie weit die Wege dann möglicherweise sind und wie stabil die Pfeiler sind, auf dem dieser Weg zurückzulegen ist“. Das ist keineswegs die Bilanz des Kongresses für Hoch- und Tiefbau oder des Deutschen Statiker-Bundes, auch nicht der guten alten IG Bau, Steine, Erden. Nein, mit dieser verbalen Urgewalt fasst der Vorsitzende der einstigen Strauß-Partei offiziell und vor laufenden Kameras die Sondierungen mit den Grünen zusammen.

Um noch hinzuzufügen: „Es waren sehr konstruktive Gespräche, aber auch sehr ehrliche.“ Was bedeutet denn Söders entlarvendes „Aber“ in dem Zusammenhang? Klar, konstruktiv ist ein Synonym für verlogen. Ähnlich einem Arbeitgeber-Zeugnis: „Er hat sich immer redlich bemüht.“ Doch mit dem „Ehrlich“ offenbart Söder sein Trauma. Wieder einmal. „Wir müssen uns ehrlich machen“ oder „wollen wir mal ehrlich sein“ gehören interessanterweise zu seinen Lieblingsfloskeln. „Er hat’s wohl nötig,“ hätte einst meine Oma gesagt.

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Hach, besonders blumig wird’s in der peinlich-plumpen Pennäler-Poesie der Unions-Generalsekretäre. Zu den Gesprächen mit der FDP weiß Paul Ziemiak zu berichten, man habe „ein gemeinsames Verständnis geschaffen, dass etwas Neues entstehen muss“. CSU-Kollege Blume sekundiert blütenreich: „Das war ein Treffen, das Lust auf mehr macht.“ Als handele es sich um Werbung für den Playboy, für Mon Chérie oder einen Freizeitpark. Lust auf mehr Neues, das entstehen muss… Du meine Güte! Verbale Wattebäuschchen und geschwurbeltes Geschwafel aus dem Mund derer, die eigentlich für die Abteilung Attacke stehen sollen.

Und Laschet weiß zu berichten, dass das (für ihn über-lebensrettende) Jamaika-Bündnis „eine Breite in der Gesellschaft hätte, die es wirklich möglich macht, das Land in den nächsten Jahren voranzutreiben“. Man stelle sich diese Leierkasten-Lyrik mal plastisch vor, was ja gar nicht so abwegig ist: Mit der Peitsche von Klima- und Corona-Zwangsmaßnahmen wird das Land vorangetrieben. Und zwar in den Abgrund! Kinder krank hinter Masken, der teuerste Heizungs-Winter seit Kriegsende, explodierende Inflation, gnadenlose Spaltung der Gesellschaft, millionenfacher Import von Antisemitismus und Sozialhilfeanspruch, Strom von Putins Gnaden …

Und dann noch die Etiketten für den Schwindel, diese schwindelerregenden Mogelpackungen: Klima-Koalition, Reform-Bündnis, Nachhaltigkeits-Regierung. Da müssen doch Millionen in Werbeagenturen verpulvert worden sein, um solchen Stuss zu erfinden. Auch Söders Basis-Brücken-Pfeiler-Wege-Satz muss lange vor dem Spiegel eingeübt worden sein. Kein normaler Mensch kommt doch auf solchen Quatsch. Erst recht nicht am Stammtisch.

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Ja, man stelle sich die ach so einträchtigen Männerfreunde Strauß und Kohl mal nach ihren legendären Wanderungen vor. Zum Beispiel am Tegernsee nach dem „Trennungsbeschluss“ von Kreuth im November 1976, als die CSU der CDU die gemeinsame Bundestagsfraktion aufkündigte, also alle Brücken und Pfeiler abriss: „Wir haben eine Basis gefunden, welche Brücken man beschreiten kann, um gemeinsame Wege zu finden …“ Da lachen doch die Hühner! Das klingt doch alles nach Willy-Wolke, dem Helmut Schmidt einst bescheinigte: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“

Ja, Sprache sagt mehr als tausend Worte. Zwischen Klartext und Wolkenkuckucksheim liegt nur noch sprachliches Brachland. Diese Pennäler-Politlyrik ist zum Weglaufen. Wie es ja die Wähler laut aktueller Umfragen auch massenhaft weiter tun.

Zwischen Dobrindts Klartext „Gurkentruppe“ zur FDP und Laschets „Breite der Gesellschaft“ liegt nur eine sprachliche Söder-Länge. Selbst ein Kauder wagte es noch 2014, die damalige Frauenministerin Schwesig mit dem Heulsusen-Verdikt zu belegen, „sie soll mal nicht so weinerlich sein“. Oder Merkel: „Multikulti ist gescheitert!“ Punkt! Oder Schröders „Ministerium für Gedöns“ und „Lehrer sind faule Säcke.“

Da war noch was los! Da gab es echte Wortgefechte. Da gab es „viel zu verzeihen“, um Spahn zu zitieren. Doch heute, so erinnert man sich mit dem alten Song von Reinhard Mey (1981), „spricht alles wie die Micky Maus“. Sprache verrät alles. Die Flucht ins Wolkige besagt, dass längst Sonnenfinsternis herrscht in der Union. Die Lyrik entlarvt das Unvermögen, für den Bürger handfeste Politik zu machen.


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Kommentare ( 27 )

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Judith Panther
2 Jahre her

Immerhin wurden die hier zitierten Hohlphrasen noch von einem grammatikalischen Gerüst gestützt und hätten bei einer Versammlung der „guten alten IG Bau, Steine, Erden“ sogar Sinn gemacht, ihrer Banalität wegen allerdings vermutlich auch Irritationen ausgelöst. Aber es steht zu befürchten, daß es sich hier um die letzte Generation von Politikern handelt, die wenigstens noch die Landessprache beherrschen, wenn auch in sehr rudimentärer Form und unter Einsatz vieler Fertigbausätze. Davon kann sich jeder überzeugen, der sich heute auf https://reitschuster.de/post/im-wortlaut-spahns-und-wielers-werbung-fuer-die-grippeimpfung/ angetan hat. Ganz besonders die Originalabschrift von Spahns äh, äh, äh – nein, Rede kann man „The Spahn´s Speech“ dort wirklich nicht… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Judith Panther
Silverager
2 Jahre her

Es gilt, was ich schon vor der Wahl gesagt habe. Es gibt lediglich zwei Parteien:

  1. den Einheitsblock CDUCSUSPDFDPGrüneLinke und
  2. die Oppositionspartei AfD

Die Wähler haben sich nun mal mit gewaltiger Mehrheit für den Einheitsblock entschieden und bekommen daher genau das, was sie gewählt haben.

Manfred_Hbg
2 Jahre her

ANBEI

> DIE CHAOSWAHL!

Anscheinend gab es während der !BTW in verschieden Bezirke wiederholt zu Behinderungen von Wahlbeobachter die unter anderm,erst polizeilich geklaet werden mußten

Und in Dresden besteht unter anderem wohl die Möglichkeit das der CDU durch einen AfD’ler ein Direktmandat genommen werden kann(es fehlen 35 Stimmen) weshalb man sich dort scheinbar weigert 1674 ungültige Stimmen neu auszuzählen.

Auch in Berlin gab es natürluch Behinderungen der Wahlbeibavhter sowie Problemen und Fehler auf denen schon bei der vorigen Wahl hingewiesen wurde.

Näheres und Genaueres gibt es bei Interesse hier zu lesen….:

https://www.einprozent.de/blog/wahlbeobachtung/chaoswahl-das-vertrauen-in-wahlen-wird-verspielt/2882?mc_cid=ecaf66e27c&mc_eid=5f70df0a07

Andreas aus E.
2 Jahre her

Ich als Politiker bräuchte keine Sondierungsgespräche.
Ich läse einfach die Programme der Konkurrenz, ließe deren Reden und Taten Revue pasieren und beschlösse dann, ob es da irgendwelche tragfähigen Schnittmengen gibt.

Ich halte dieses Sondierungsgeblubber für Popanz, in Wirklichkeit ist das nur ein Test, welcher der regierungsnahen Pseudojournalisten für ein Amt als Parteisprecher taugt.

JamesBond
2 Jahre her

Danke Herr Hahne für die klaren Worte: “ Du meine Güte! Verbale Wattebäuschchen und geschwurbeltes Geschwafel aus dem Mund derer, die eigentlich für die Abteilung Attacke stehen sollen.” Und das die Union die AfD bekämpfen will, selbst dafür gibts ja gerade die AfD ?

Tc Tc
2 Jahre her

Was für ein erbärmliches Bild haben die beiden Herren, der ehemaligen Volksparteien CDU /CSU, als unterwürfige Bittsteller dargestellt? Sie wirkten sehr sehr „klein“ Die Grünen wirkten sehr überheblich, als der Große Gewinner und das mit 14 %. Fragen wurden von der Presse , wenn ich es richtig gesehen habe, überwiegend den neuen „Machern“ von den Grünen, gestellt. Die Selbstaufgabe der CDU /CSU unter Frau Merkel ist vollzogen. Rotgrüne Politik wird dieses Land und seine Bevölkerung endgültig vom Rand der Klippe in die Tiefe stürzen.

Juergen Schmidt
2 Jahre her

Ich habe den Eindruck, die meisten haben den Ernst der Lage noch nicht verstanden. Es steht eine Bundesregierung von Linksradikalen vor der Tür, mit ein paar pseudo-liberalen Einsprengseln. Zwischen SPD und GRÜNEN wird das bißchen FDP untergehen.
Dann geht es mit Volldampf gegen das Grundgesetz, die deutsche Souveränität und Nation, gegen die deutschen Bürger und ihre Grundrechte, den Mittelstand, gegen die Familie, Selbstständige und Unternehmer, rein ins utopische Wolkenkuckucksheim.
RRG in Berlin sollte Mahnung genug sein. Lüge, Propaganda, Rechts- und Verfassungsbruch und Realitätsverweigerung werden regieren, und das kann länger als acht Jahre gehen. In der DDR waren es 40.

Pragmatiker
2 Jahre her

Was die Politikerdarsteller nach den Verhandlungsrunden absondern, ist eine Prosa der Verlogenheit. Und dann gibt es Journalisten, die bis tief in die Nacht vor den Verhandlungsräumen stehen und uns diese Plattitüden in kostbarer Sendezeit als Breaking News verkaufen. Peter Hahne vergleicht den Sprachmüll zu recht mit der Tarnkappentaktik von Job-Zeugnissen. Die Minister und Parteisoldaten um „Mutti“ hätten endlich ein ehrliches Zeugnis verdient – und ganz ohne Versetzung in die nächste Koalition.

Skeptischer Zukunftsoptimist
2 Jahre her

„Zum Weglaufen – wie es die Wähler laut aktueller Umfragen ja auch massenhaft tun.“ Erst laufen sie massenhaft hin. Dann fangen sie drei Tage vor der Wahl noch mal an zu zweifeln. Dann wählen sie apathisch, nur dass sie sagen können: „Ich habe auch gewählt“. Und drei Tage nach der Wahl laufen sie wieder massenhaft weg. So ist er, der deutsche Wähler. Wer vier Wochen vor der Wahl immer noch nicht weiß, was er wählen soll, am besten einfach bleiben lassen. Da kommt mehr dabei raus. Das ganze Theater, das wir in diesen Tagen wieder vorgeführt bekommen, ist zum großen… Mehr

Carlos
2 Jahre her

Ja. Es wird grausam werden mit den Grünen an der Macht. Einen Hofreiter oder eine Baerbock auf der Regierungsbank, das ist schwere Kost. Aber ein Gutes hat die ganze Sache mit der Ampel. Versager, wie Seehofer, Altmeier und Dobrindt und Scheuer sind weg von der Bühne. Und als Sahnehäubchen obendrauf verschwindet auch die ewige Raute. Meine alte Silvesterrakete ist startbereit.