Friedrich Merz hält Robert Habeck an der Macht

Moralischer Anspruch war gestern: Robert Habeck will an seinem Staatssekretär Patrick Graichen und an seiner ideologischen Politik festhalten. Im Machtpoker hilft ihm ein Joker, der einst ein konservativer Hoffnungsträger war.

IMAGO/Chris Emil Janßen - Collage: TE

Robert Habeck (Grüne) hat in dieser Woche sein Bild zerstört. Das Image, das ihm ARD, ZDF, Süddeutsche und Co verpassten – vom Philosophen in der Politik, der anders ist als andere Politiker: ehrlicher, selbstloser, differenzierter und nicht am Machterhalt allein wegen des Machterhalts interessiert.

Diese Woche hat einen Robert Habeck gezeigt, der gereizt und aggressiv ist, wenn er kritisiert wird. Der einen Untersuchungsausschuss lieber hinter verschlossenen Türen abhält, wenn dessen Inhalt unangenehm für ihn ist. Der sein Wirtschaftsministerium zum Familienbetrieb macht – mit einem Staatssekretär, der so weit geht, seinen Trauzeugen in Topjobs zu hieven. Und der an diesem Staatssekretär trotzdem festhält, weil sonst die eigene Machtstatik hin ist und er früher oder später selbst gehen müsste – aber an der Macht bleiben will. Der Macht wegen.

Herzlich willkommen in der Realität
Bauministerin Geywitz widerspricht plötzlich Habecks Gebäude-Plänen
Von diesem Robert Habeck distanzieren sich seine Koalitionspartner. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hält seine Pläne zur Gebäudesanierung für unrealistisch. Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Dürr, sagt: „Wir werden kein Gesetz beschließen, bei dem Fragen offenbleiben.“ Damit stellt er Heizungsverbote und staatlichen Wärmepumpen-Zwang in Frage. Die Grünen sind allein zu Hause, möchte man meinen. Zumal der Trend in den Umfragen gegen sie läuft und laut Insa für rund 40 Prozent der Wähler die Grünen sogar die Partei sind, die sie unter keinen Umständen wählen würden.

Die Bundesländer sehen Habecks Politik ebenfalls kritisch. Ihre Kammer, der Bundesrat, hat einen Verbesserungsantrag beschlossen. Demnach sollen nicht nur Menschen über 80 Jahre vom Gas- und Ölheizungsverbot ausgenommen werden. Zudem soll das Gesetz erst später in Kraft treten und kommunal besser vorbereitet werden. Eingebracht hatten den Antrag fünf Länder, von denen vier von Grünen mitregiert werden.

Trotzdem wird Robert Habeck nun erst recht den Machtpolitiker alter Schule geben: Sein Festhalten an seinem umstrittenen Staatssekretär Graichen war nur der erste Schritt. Der Vizekanzler wird sich auch inhaltlich durchsetzen wollen. Aus dem Philosophen Habeck, der für den offenen Diskurs ist, wird der Machtpolitiker Habeck, dem zu widersprechen es sich nicht ziemt. Umso lauter und stärker die Argumente gegen ihn werden, desto stärker wird die grüne Partei hinter ihm stehen. Die Grünen werden sich als Opfer-Gemeinschaft sehen, denn sich selbst als Opfer zu definieren, ist die Urerfahrung von Grünen.

Und die anderen Parteien? Mit der Gasumlage hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) Habeck lange irrlichtern lassen: Die Preise stiegen, die Mitnahmeeffekte auch – und erst als dem Regierungschef klar wurde, dass diese von Habeck und Graichen ausgelöste Spirale sich immer weiter in gefährliche Bereiche hindrehen würde, stoppte er in letzter Sekunde seinen Vizekanzler. Bei der Atomkraft ließ er ihn laufen. Einen Topf voll „Sondervermögen“ genannter Klimaschutzschulden hat Scholz ebenfalls Habeck und Graichen bereitgestellt – zum Verteilen in der Familie der Erdrettungsindustrie.

Die Stunde der Julia Klöckner
Robert Habeck und Patrick Graichen wackeln im Ausschuss
Wie konsequent werden sich Scholz, Geywitz, Dürr und die anderen Koalitionspartner nun Habeck in den Weg stellen? Gar nicht. Denn sowohl die SPD als auch die FDP stecken in einem grünen Dilemma. Das kleinere Problem haben die Liberalen. Zur Erinnerung: Diese Koalition startete nicht als Rot-Grün-Gelb. Stattdessen hatten zuerst Grüne und FDP separat getagt und sich dann darauf geeinigt, gemeinsam und mit der SPD koalieren zu wollen. Die FDP ist der Geburtshelfer des Habeckschen Regierungsgebaren. Doch wenn diese Partei eine Stärke hat, dann ist es die, peinliche Fehler schnell vergessen und ignorieren zu können.

Das große grüne Dilemma erleben Scholz und die SPD. Denn Habeck hat einen Joker auf der Hand – und der heißt Friedrich Merz. Die persönliche Macht-Strategie des CDU-Vorsitzenden ist darauf ausgerichtet, dass die Ampel implodiert – und er an Stelle von Scholz dessen Koalitionspartner übernehmen kann. Deswegen ist der Merzsche Kurs so stark von Rücksichtnahme auf die Grünen geprägt, deswegen polt er die Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls auf Frauenquote, grüne Symbolpolitik und Zusammenarbeit auch mit der Linken um – zumindest im Osten.

Im Machtpoker mit Scholz sitzt Habeck dabei in einer bequemen Situation: Was immer er an ideologisch motivierten Vorstößen wagen will, Scholz muss es weglächeln und seine eigenen Prinzipien vergessen. Denn für die Show erlaubt sich die Merz-CDU zwar Kritik an den schlimmsten Auswüchsen der grün-ideologischen Politik – aber so wie es die erste Chance dazu gäbe, würde die gleiche CDU diese grün-ideologische Politik als Koalitionspartner umsetzen. So wie in Nordrhein-Westfalen auch.

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Kommentare ( 106 )

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hansmuc
11 Monate her

So sehr ich es bedaure, das sagen zu müssen – war vor längerer Zeit mal selber CDU-Wähler – so klar ist es mittlerweile für mich geworden: Nicht die Linken im Politzirkus hier, sondern genau die Zwitterpartei CDU/CSU, sind die eigentlichen Totengräber dieses Landes. Das ist sehr leicht begründbar, undzwar insofern, als es die CDU/CSU spätestens jetzt – als einzige Partei! – in der Hand hätte, den fürs Land mehr als gefährlichen Kurs sofort zu beenden, indem sie ein Stück wieder in die Mitte, vielleicht die rechte Mitte, rückt und ebendieses der FDP, der ansonsten der sichere Untergang droht, ebenfalls suggeriert.… Mehr

Ede Kowalski
11 Monate her

Ob er unter Drogeneinfluss steht kann ich nicht beurteilen, weil ich damit keine Erfahrung habe. Aber wovon ich fest überzeugt bin ist das Habeck kein Demokrat ist und unter massiver Selbstüberschätzung leidet.

Evero
11 Monate her
Antworten an  Ede Kowalski

Habeck erzählt Märchen im Auftrag der weltmächtigen US-Finanzindustrie.
Er ist quasi ein Accountmanager von Soros und Konsorten.
Was diese Regierung mit ihrer Politik betreibt mit dem Bürger ist Hochverrat an deutschen Staatsinteressen.

hassoxyz
11 Monate her

Merz braucht den Betrüger Habeck als seinen Partner in einer kommenden Jamaika-Koalition. Deswegen läßt er ihn gewähren. Verhältnisse wie in einer Bananenrepublik. Merkel hat die CDU zu einer korrupten Funktionärsclique gemacht, der die Interessen ihrer Wähler völlig egal sind.

Albert Pflueger
11 Monate her

Das ist das ganze Dilemma, daß es außer der AfD niemanden gibt, der die Grüne Partei aus dem Sattel schubsen will.

Kuno.2
11 Monate her

Die einzige Sorge von Baerbock & Co. ist, dass Erdogan gewinnen könnte. Wenn das geschieht, behält Russland seinen halben Verbündeten und kann von dieser Seite nicht eingekreist werden.

Christa Wallau
11 Monate her

Wenn ich Herrn Merz und seine CDU-Truppe im Bundestag beobachte, wie sie sich bei Reden von AfD-Abgeordneten innerlich winden, dann weiß ich: Sie spielen ein derart falsches Spiel, daß einem dabei nur schlecht werden kann. Es wäre i h r e Aufgabe, so auf den Putz zu hauen, wie es die AfD tut, und das wissen vieel von ihnen ganz genau, aber sie trauen sich nicht!!! Merkel hat sie alle so weit in Richtung links-grünen Zeitgeist gerückt, daß sie inzwischen dessen Gefangene sind. Merz ist das Schicksal Deutschlands sowieso piep-egal! Er steht für die Interessen des Kapitals, das weltweit agiert.… Mehr

Lars Baecker
11 Monate her

Graichens Interessen sind auch Blackrock-Interessen. Da hat sich die CDU ein schönes U-Boot zum Vorsitzenden gewählt…

Fieselsteinchen
11 Monate her

Fritze Merz ist doch über Blackrock direkt am Ausverkauf und Enteignung Deutschlands beteiligt. Daher hält er die Füße still! Blackrock und Vanguard sowie weitere bekannte Spekulanten stehen hinter Graichens Wärmepumperei, die von einem Kinderliteraten durchgesetzt werden soll.
Merz kann und will nicht! Alle, die in Merz eine Gallionsfigur der CDU gesehen haben, waren verblendet. Wäre Merz, der Mann mit Rückgrat, politischem Machtinstinkt, hätte er schon gegen Merkel opponieren können, s Werteunion und CDU-Basis. Nein, Merz war doch eigentlich froh, seine Ruhe haben zu können, ein bisschen angekratztes Ego kann man mit Geld heilen.

DrRobertFord
11 Monate her

BlackRock und konservative Werte passen nicht unter einen Hut. Insofern stimme ich zu: Merz vertritt die Interessen ganz Anderer, nicht die des deutschen Volkes.
Dennoch ist es nicht er, der Habeck an der Macht hält. Es ist objektiv betrachtet Lindner, der als einziger die Macht hat, diesen Albtraum zu beenden, indem er die Vertrauensfrage stellt!

mr.kruck
11 Monate her

Es ist ein Bäumchen wechsel dich der Meinungen und Haltungen. Letztlich geht es denen nur um den opportunen Machterhalt, und sie haben kapiert dass für die große Transformation, unter welchem Fähnchen auch immer, alle mitmachen müssen.
Ergo : Soll es einen realen Neuanfang bzw. pragmatische Neuausrichtung in der Politik geben, müssen ALLE Protagonisten, die heute irgendwie in Amt und Würden sind, ausgetauscht werden.