Die Entlarvung des Friedrich Merz: Von der Erweckungsfigur zum Totengräber

Noch ist Zurückrudern keine olympische Disziplin, da ist Merz schon medaillenverdächtig. Man kann nur noch Mitleid mit Friedrich Merz haben. Tiefstes Mitleid. So handelt nur noch ein Insolvenzverwalter. Oder ein Totengräber.

IMAGO / Chris Emil Janßen
Das war´s also, Herr Merz. Und ich bin durchaus ein wenig stolz, dass dies in meiner alten Sendereihe „Sommerinterviews“ geschah. Obwohl ich nie etwas über meine Nachfolger schreiben wollte. Das gehört sich nicht. Aber Theo Koll hat nun mal die richtigen Fragen gestellt. Chapeau!

Und Merz wollte alles weg lächeln, was da an jüngeren Zitaten von ihm auf den Tisch kam. Was mehr als peinlich wirkte. Der Zuschauer empfindet so etwas als Arroganz und Ignoranz.

Der Knüller waren die Fragen zur Stärke der AfD, immerhin noch vor der CDU in den Umfragen. Der Mann, der angetreten war, die Schwefelpartei zu halbieren, hat ein echtes alchemistisches Wunder vollbracht: er hat aus Schwefel Gold gemacht. Auch das wegzulächeln, das war oberpeinlich.

Und dann der Hammer: Merz schleift die von ihm höchstpersönlich errichtete Brandmauer. Fast schon im Ulbrichtschen Sinne: Da niemand die Absicht hatte, eine Brandmauer zu errichten, gibt es sie auch nicht mehr.

Ich habe hier bei TE seit Monaten prophezeit: diese ominöse Mauer löst sich schneller in Luft auf, als es eine Klimakatastrophe in Deutschland gibt. Und zwar durch die Kraft des Faktischen.

Schon längst gibt es Zusammenarbeit von CDU und AfD in den Kommunen. Und in Thüringen wählte man mit dem hervorragenden FDP-Mann Kemmerich sogar einen gemeinsamen Ministerpräsidenten. Und CDU und AfD stimmten dort gemeinsam ab bei den Gesetzen über Gender und Spielhallen zum Beispiel.

Die Brandmauer war ein verrücktes Wahlkampf-Bauwerk, was nun schnell ver-rückt wurde. Schließlich hat die CDU ja bereits die Brandmauer nach links niedergewalzt. Gegen so viel Unsinn hilft auch kein Linnemann.

Das Wahlvolk will alles, nur nicht veräppelt und auf den Arm genommen werden. Wer mit der Mauer-Partei paktieren will, nicht aber mit dem Fleisch vom eigenen Fleische, der macht sich nur noch lächerlich. Das, was die Basis längst macht, kann man nur mit Gewalt verbieten. Und Ulbrichts Mauer war ja auch nur mit Panzern zu verteidigen. Merz hat keinerlei Truppen in der entkernten CDU. Nur noch Linnemann.
Also blieb Merz nichts anderes, als sich selbst zu verleugnen. Diese Passage des Sommerinterviews, auch das klare Nein zum Verbot der AfD, war ein tiefer Kniefall eines Schwarzen vor Blau. So sieht echte Kapitulation aus. Wie aus einem militärischen Handbuch.

Verbotsantrag weg, Brandmauer durchlöchert. Und was kommt als Nächstes? Koalition, Tolerierung …. Meine Güte, wer hätte das noch vor einigen Wochen für möglich gehalten.

Nur irrte der Jurist Merz an entscheidenden Stellen (ohne dass das dem Moderator auffiel). Mit Blick auf die Kommunalpolitik meinte er, dass man in den Kommunalparlamenten nach Wegen suchen müsse, „wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet“. Die demokratische Wahl von AfD-Amtsträgern sei dabei zu akzeptieren.

Merz versuchte also einen Unterschied zwischen gesetzgebenden Körperschaften zu konstruieren, die nur Land und Bund, nicht aber die Kommunen seien. Sechs, setzen, Herr Jurist! Auch die Kommunen haben gesetzgebende Aufgaben. Satzungen der Kommunen sind sehr wohl recht-setzend und damit auch Gesetzgebung. Nein, nein, wer in den Kommunen A sagt, muss in Bund und Land B sagen.

Die links-grünen Genossen in der CDU haben das sofort erkannt und schießen nun aus vollen Rohren. So der nur sehr kurz im Amte weilender Linnemann-Vorgänger Polenz oder der CSD-Marschierer und Queer-Ideologe Kai Wegner aus Berlin. Und wetten, dass die Damen und Herren Wüst, Günther, Güler und Prien, dieses Kleeblatt des Untergangs, seit gestern Abend lüstern die Messer wetzen?

Und in völliger Panik reagierte auf den CDU-Chef sein „Freund“ aus Bayern: „Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene“, so Söder. Eine Zusammenarbeit sei „mit unseren Werten nicht vereinbar“. Man fragt sich: welche Werte? Und man hört förmlich das angsterfüllte Beben in Söders Stimme: der weitere Sinkflug der CSU in Bayern ist programmiert …. Im Oktober gibts die Quittung.

Es ist ein Hauch von November 1989, was sich da in der Union gerade abspielt. Mauer weg? Grenze auf? Zu dem neuen Reisegesetz (faktisch: die Öffnung der Mauer) meinte auf seiner legendären Pressekonferenz Günter Schabowski: „Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt; die Regelung gilt nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich“. Merkel war da nur eine schlechte Kopie, als sie eine demokratische Wahl in Thüringen aus dem fernen Südafrika rückgängig machen wollte.

Nun versucht Merz, seine Haut zu retten, und rudert schon wieder zurück. Nein, genauso wenig wie die DDR am Abend meines Geburtstages die löcherige Berliner Mauer wieder schließen konnte, wird es Merz gelingen, seine ominöse Brandmauer wieder zu stabilisieren.

Ich kann meinem ZDF-Sommerinterview-Nachfolger nur gratulieren, dem staunenden Wahlvolk dieses seltene Ereignis der Selbstdemontage eines Spitzenpolitikers präsentiert zu haben. Was müssen die Nerven blank liegen. So langsam verstehe ich übrigens die AfD-Frontfrau Beatrix von Storch, die im gemeinsamen TE-Talk meinte, mit solch einer wankelmütigen Zeitgeist-CDU könne man keine Bündnisse eingehen.

Stunden nach dem Interview schrieb Merz auf Twitter doch tatsächlich: „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.“ Das klingt schon fast wie Biden, der mal kurz die Vornamen von Putin und Selenskyj  verwechselt oder die Ukraine mit dem Iran. Merz wörtlich im ZDF: „Die demokratische Wahl von AfD-Amtsträgern ist zu akzeptieren.“ Es gilt das gesprochene Wort, nicht das postfaktische Framing!

Noch ist Zurückrudern keine olympische Disziplin. Man kann nur noch Mitleid mit Friedrich Merz haben. Tiefstes Mitleid. So handelt nur noch ein Insolvenzverwalter. Oder ein Totengräber.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 211 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

211 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
ketzerlehrling
9 Monate her

Er mag sich in Finanzen auskennen, aber nicht wirklich als Politiker.

Beat.Buenzli
9 Monate her

Auch scheint in der deutschen Öffentlichkeit noch nicht angekommen zu sein, dass der Nationalsozialismus eine sozialistische Partei war, wie auch Hitler vorher ein Mitglied der SPD war. So wie die SPD den kleinen Mann längst abgeschrieben hat und zu einer Apparatschik Partei geworden ist.

Beat.Buenzli
9 Monate her

Von Habeck lernen heißt, wenn man wie ein begossener Pudel dasteht, einmal kurz schütteln damit alles abtropft und weiter gehts. Deutschland braucht eine konservative schlagkräftige Partei, unabhängig von der AfD, und die AfD ist nicht das Maß der Dinge sondern die Ampel. Wüst un Günther müssen sich endlich eingliedern und Söder schreit förmlich nach einer Maulschelle. Keiner hat so rigoros Lockdown praktiziert wie Wendehals-Söder. Ich finde das Gespann Lindemann Merz gut.

November Man
9 Monate her

Die Linksextremisten zerfleischen sich in ihrer Verzweiflung gerade gegenseitig.
„Der Satiriker Böhmermann hatte sich über Aussagen von Merz zu möglichen Kooperationen seiner Partei mit der AfD auf kommunaler Ebene geäußert. „Keine Sorge, die Nazis mit Substanz wollen nach aktuellem Stand voraussichtlich nur auf kommunaler Ebene mit Nazis zusammenarbeiten“, schrieb Böhmermann.“
Auch der ZDF-Hetzer Böhmermann weiß anscheinend nicht was Nazi in Übersetzung heißt.

Del. Delos
8 Monate her
Antworten an  November Man

Der Böhmermann nimmt sich selbst ganz sicher nicht ernst. Was er da sagte, ist doch nur ein letztes Aufzucken… er wird wissen, dass sein höchst lukrativer Job demnächst beendet sein wird.
Dazu müssten nur sehr, sehr Viele (deutlich mehr als in den letzten Umfragen!) beim nächsten Mal die AfD wählen, dann endet unser Martyrium, für etwas bezahlen zu müssen, dass wir entweder gar nicht benutzen oder aber gar nicht haben wollen.

Last edited 8 Monate her by Del. Delos
Helfen.heilen.80
9 Monate her

Herrn Söders Aussage zu „unseren Werten“ lässt Fragen offen. Im diskursiven Alltagsgebrauch wird das Etikett „unsere Werte“ m.E. reichlich schwammig und beliebig verteilt. Ich wünschte mir im Gegenteil, er möge diese klar definieren und sich selbst an der Treue zu eben diesen Werten messen lassen. Welchen Ideen die Treue in diesen Tage gilt, vermag ich nicht zu verstehen, ich weiß nur, es sind keine traditionellen, konservativen, die auf Sicherheit und Wertbeständigkeit für den Mittelstand setzen. Welchen „unseren Werten“ folgen wir, in Zeiten wo CSU am liebsten mit den Grünen zusammenarbeiten würden, die Energiepreise selbstverschuldet durch die Decke gehen, Firmen unter… Mehr

Riffelblech
9 Monate her

Man sollte niemals vergessen wer die CDU zu einer linken Partei gemacht hat . Eine Ostdeutsche mit sehr sozialistischer Vergangenheit an deren Namen sich zu erinnern einem die Nackenhaare aufrecht stehen lässt . Nichts tun ,Hände zur Raute formen und dem linksgrünen Parteibündnis zur Politik Tür und Tor öffnend . Das ist Merkels politisches Erbe. Und damit endete auch jegliche Form des demokratischen Miteinander in Deutschland. Diese Frau war es die die demokratische Wahl der AfD Abgeordneten diffamiert hat und diese zu Unpersonen erklärte . Merz führt doch nur fort was unsäglich bedrückend begonnen hat und wo ewig Gestrige der… Mehr

Sabine Ehrke
9 Monate her

Merke: Merkel zog 2002 mit einer sehr restriktiven Migrationspolitik in den Bundestagswahlkampf. Und würde heute die CDU/CSU für seine ‚Noch’Wähler unter Eid beschwören, eine Regierung mit der AfD bilden zu wollen, nach der Wahl brechen sie ihr Wort – wie immer. Da sind FDP und CDU/CSU Brüder im Geiste: Nebelkerzen zum Stimmenfang. Dann schon lieber gleich das Original, was einst CDU/CSU war.

Diogenes
9 Monate her

Also, offen gesagt, ich fand dieses minimale Zugeständnis von Merz, nämlich auf unterster Ebene mit der AfD pragmatisch zu kooperieren garnicht so verdammenswürdig. Was der schwarzgrüne Haufen da mit der AfD treibt, hat als Motiv doch nur den unbedingten Willen, wieder zu herrschen, koste es was es wolle. Langsam wird dieses Gehetze gegen die AfD unappetitlich. Dabei werden jegliche Grenzen eines zivilisierten Umgangs mit dem politischen Gegner weit überschritten. Wo bleibt da die Substanz der Demokratie und die Achtung vor der Institution des Parlaments? Wenn wir fast 100 Jahre zurückgehen dann müssen wir konstatieren, daß im Verlaufe des Niedergangs der… Mehr

RauerMan
9 Monate her
Antworten an  Diogenes

Die Gier nach Macht und Geld läßt die Koalitionäre von L-L-G-S vergessen, daß sie für und nicht gegen das Land arbeiten müssen. Der schon unter der letzen,Merkel-Regierung begonnene wirtschaftliche Verfall D`s, verstärkt sich unter der jetzigen Laien-und Phamtastenregierung. Die AfD entstand schon aufgrund von damaligen Regierungsfehlverhalten, welche sich dann weiter potenzierten. Die AfD protestierte lautstark und beschrieb die bevorstehenden Zustände richtig. Davon ertappt, konnte/kann sich das Parteienkartell nicht anders als mit Diffamierungen und weiteren Unehrlichkeiten zumindest bis jetzt, über Wasser halten. Wenn diese Leute noch einen Rest von Anstand besitzen, dann sollten sie sich besinnen und trotz entgehender Pfründe wieder… Mehr

Ludwig von Gerlach
9 Monate her

Spätestens seit heute vermeldet wird, dass ein Herr Hans aus dem Saarland öffentlich Zweifel an der Eignung von Herrn Merz für den Parteivorsitz anmeldet, kann ich mich eines begrenzten Mitleids nicht erwehren. Wenn die größten und geradezu lächerlichsten Versager der Partei es wagen, derart das Maul aufzureißen, dann hat der Todeskampf eines Parteivorsitzenden ein Stadium erreicht, das man seinem schlimmsten Feind nicht gönnen sollte. Dazu noch die Sterbehilfe von Brutus und Iskariot in einer Person aus München sowie die Messerstiche des wählertäuschenden Schutzpatrons aller sexuell Devianten aus Berlin: wer da kein Mitleid empfindet, ist kein Mensch.

Waehler 21
9 Monate her

Eiertanz! Was ist wichtiger? Die Deindustrialisierung , Steuern, Energie, Destabilisierung der Sozialsysteme, Verwaltungschaos, Verarmung der Bevölkerung, Bereicherung der Politiker dies zu verantworten haben, Infrastruktur..
Stattdessen arbeitet man sich an einer Brandmauer ab! Offensichtlich scheint dies das größte Problem in Deutschland zu sein.

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  Waehler 21

Wenn man zu Lasten des Volkes vorgeht statt zum Wohle dessen richtet man den Fokus der Aufmerksamkeit auf die „Brandmauer“ Richtung derer, die es anders wollen.