Die freundliche Wikipedia-Hilfstruppe der Nancy Faeser

Der Pressesprecher der Innenministerin geht nach zwei Monaten von Bord. In einem Bild-Interview schafft Faeser immer noch keine Klarheit. Gut, dass der SPD-Politikerin wenigstens die Aktivisten der „freien Enzyklopädie“ zur Seite springen.

IMAGO / Frank Ossenbrink

Es läuft immer noch nicht rund für Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Dass die Affäre um einen Gastbeitrag in der antifa, dem Blatt der „linksextremistisch beeinflussten“ – so das Bayrische Landesamt für Verfassungsschutz – VVN-BdA, kein Sturm im Wasserglas war, zeigt der Rücktritt des Pressesprechers im Innenministerium. Obwohl Steve Alter bereits unter ihrem Vorgänger Horst Seehofer diese Stellung bezog, und damit unionsaffin war, galt er auch gegenüber der neuen Ministerin als loyal. Nur zwei Monate nach ihrem Amtsantritt wirft er hin.

Alter selbst hat sich nicht zu den konkreten Gründen geäußert. Offenbar ist dafür Faesers stures Agieren in der eigenen Causa verantwortlich. Die Ministerin hatte sich auf Twitter unvorteilhaft zur eigenen Sache geäußert. Statt die Chance zu nutzen, sich klar von Linksextremismus zu distanzieren, fachte sie die Diskussion nur weiter an.

— Nancy Faeser (@NancyFaeser) February 6, 2022

Faesers Pressesprecher war offenbar mit der öffentlichen Kommunikation nicht einverstanden

Der Tagesspiegel berichtet, er habe am vergangenen Mittwoch angefragt, ob Faeser zu den Vorwürfen Stellung nehmen könnte – in einem kleinen, schriftlich geführten Interview. Dazu kam es nicht. Zitat Tagesspiegel:

„Es wäre für Faeser eine Gelegenheit gewesen, auf kritische Fragen zu ihrem Text und ihrem früheren Kontakt zur VVN-BdA inhaltlich zu antworten. Steve Alter befürwortete das Interview, doch er konnte sich im Haus nicht durchsetzen. Einen Tag später beschloss er, den Posten des Sprechers aufzugeben.“

Alter ist nach Informationen derselben Zeitung zügig neu ersetzt worden: durch Maximilian Kall, früherer Sprecher des Bundesjustizministeriums. Er hatte seinen Dienst unter den SPD-Ministern Christine Lambrecht, Katarina Barley und Heiko Maas versehen. Faeser kann demnach darauf rechnen, dass Kall nicht so schnell das Handtuch wirft.

Mittlerweile gibt es tatsächlich ein Faeser-Interview. Nicht im Tagesspiegel, sondern in der BILD-Zeitung. Aber das Mosaik, das sich dort ergibt, weicht nicht sonderlich von dem ab, was sie bisher lieferte. Beispiel? Auf die Frage der Zeitung, ob Faeser von der Beobachtung der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz wusste, antwortet die Innenministerin:

„Ich habe vor allem das Wirken von Holocaust-Überlebenden wie der über alle Parteigrenzen hinweg geschätzten Esther Bejarano für diese Vereinigung der NS-Verfolgten wahrgenommen. Die Geschichte des Verbands ist komplex, selbst Adenauer war anfangs Mitglied.“

Auch im BILD-Interview gibt Faeser nur unzureichende Antworten

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Faeser gibt also – wie so oft – keine Antwort, sondern verteidigt sich mit der komplexen Geschichte des Verbandes. Dass Adenauer nicht lange Mitglied war, weil die Organisation von Kommunisten unterwandert war und sogar Faesers eigene Partei, die SPD, einen Unvereinbarkeitsbeschluss nur ein Jahr nach Gründung des VVN verabschiedete, spart sie aus. In Italien gilt das schöne Sprichwort: Wer schweigt, stimmt zu. Müssen wir Faesers Nicht-Antwort also als „ja“ deuten? Ähnliches Beispiel: Faesers Antwort auf die Frage, ob sie auf dem linken Auge blind sei:

„Ich habe in meinem Leben hinreichend bewiesen, dass ich auch gegen Linksextremismus klare Kante zeige. Nur ein Beispiel: Als bei Protesten im Dannenröder Forst in Hessen Polizisten brutal angegriffen wurden, habe ich mich deutlich gegen die Linksextremen gewandt und die Beamten verteidigt.“

Das ist eine interessante Antwort, denn nur wenige Zeilen später sagt die SPD-Politikerin, dass die Grenze bereits bei „Hass, Hetze und Beleidigungen“ überschritten sei. Was ist denn mit der Hetze des VVN, etwa, dass die DDR von Deutschland im Nachhinein kriminalisiert werden würde? Oder mit der Darstellung der Polizei als „Rechter Sumpf“? Und zuletzt mit der Darstellung von „Polizeigewalt“ gegen linke Rädelsführer bei den G-20-Randalen in Hamburg? Eine Verurteilung von Gewalt gegen Polizisten ist keine Auszeichnung gegen Linksextremismus, sondern kleinster gemeinsamer Nenner.

Erwähnung der Affäre Faeser könnte „Rechten“ in die Hände spielen

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Insofern gräbt sich Faeser noch tiefer in das Loch, in dem sie bereits sitzt. Bei so viel Hass und Hetze gegen die beste Innenministerin aller Zeiten ist es aber auch gut zu wissen, dass es genügend Verehrer gibt, die für die Hessin die Lanze brechen. Nicht nur in den sozialen Medien sind sie unterwegs, um eine „rechte Hetzkampagne“ zu entlarven. Nein, auch auf Wikipedia sind sie da, um die Ehre der Nancy F. zu wahren.

Denn wer auf die Wikipedia-Seite der Politikerin klickt, muss sich (Stand 14. Februar) wundern: kein Hinweis auf Faesers Gastbeitrag bei der antifa. Keine Silbe über die nachfolgende Affäre. Nicht einmal wird erwähnt, dass es jetzt fast zwei Wochen in allen größeren Medien eine Debatte zum Thema gibt. Auch, dass ein Pressesprecher nach nur kurzer Zeit von Bord aufgrund dieses Vorfalls ging, scheint immer noch keine „wichtige“ Sache zu sein. Während man auf Wikipedia alle wichtigen Informationen zu Bauchnabelfusseln findet, ist die „Affäre Faeser“ schlicht nicht wichtig genug. Nicht einmal die Migrationspolitik findet Einzug in die „freie Enzyklopädie“.

Schaut man auf die Diskussionsseite, bietet sich ein anderes Bild. Dort gibt es einen regelrechten Kampf zwischen den Fraktionen. Obwohl deutlich wird, dass die Mehrheit der Wiki-Autoren zumindest die Erwähnung der Debatte relevant findet, sperrt sich eine Minderheit dagegen. Keinen Fußbreit den Faschisten, die der Innenministerin schaden wollen. Argumente, Fakten, Verlinkungen, Hinweise auf die Debatte in den großen Blättern – alles prallt ab. Ähnlich, wie der Beitrag über die VVN-BdA nur Lobeshymnen erwähnt, aber keine einzige Kritik an dem Verein.

Der Fall erinnert an den Wikipedia-Aktivisten Andreas Lieb

VVN-BDA
Faeser-Affäre: Immer weniger Abgrenzung gegen den Linksextremismus
Der Umgang der Wikipedia mit dem Fall Faeser und der VVN-BdA reiht sich ein in frühere Vorwürfe gegen die Webseite. Alex Baur hatte bereits 2019 aufgedeckt, dass ein grüner Aktivist die Deutungshoheit über Beiträge wie „Klimaleugner“ und „Energiewende“ auf der Plattform behielt. Im Alleingang revidierte, editierte und zensierte er die Artikel. Hinter dem Pseudonym „Andol“ steckt vermutlich der grüne Politiker Andreas Lieb.

Bei allem, was man aus dieser Szene mittlerweile gewohnt ist, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Wikipedia nicht nur politische Schlagseite hat, sondern von Aktivisten gekapert wurde, die definieren, was Wahrheit, was Fakt, was relevant und irrelevant ist.

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