Cancel Culture oder Aufklärung? Claudia Roth vor ihrer großen Chance

Die abtretende Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat wahrlich genug angerichtet. Und jetzt ausgerechnet Claudia Roth! Sie hätte es in der Hand, alle zu erstaunen und für echte Vielfalt zu sorgen, nämlich dafür, dass künstlerische Projekte unterstützt werden, die nicht der rotgrünen Provenienz entstammen.

IMAGO / Leonhard Simon

Nüchtern betrachtet haben die Kulturstaatsminister in Merkels Vor-Ampel-Regierungen in Deutschland bisher weniger Kultur und Literatur, als die Bildung einer Gruppe von „Kulturschaffenden“ unterstützt, die nicht kulturell, nicht literarisch, nicht in der Schaffung außergewöhnlicher Filme oder Theaterinszenierungen sich hervor getan haben, sondern in der Ersetzung von Kultur und Kunst durch Ideologie. In Erinnerung bleiben nicht nur der Framing-Skandal des MDR, nicht nur die um sich greifende Cancel Culture in Öffentlich-Rechtlichen Medien und in Verlagen, die Marginalisierung aller nicht rotgrüner Standpunkte in Kultur und Medien bis zur Intrige, mit der man sich des aufrechten Historikers Hubertus Knabe als Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zu entledigen wusste. In der Amtszeit von Monika Grütters (CDU) erlebte das Amt seinen Tiefpunkt. 

Zu den Aufgaben des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der, weil er im Rang eines Staatsministers beim Bundeskanzler und zugleich Leiter einer obersten Bundesbehörde ist, kurz auch Kulturstaatsminister genannt wird, gehören laut Wikipedia: die „Förderung von kulturellen Einrichtungen und Projekten von überregionaler, nationaler Bedeutung, die Weiterentwicklung und Modernisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen künstlerischen Schaffens sowie die Sicherung einer freien und pluralistischen Medienlandschaft.“ Die Förderung von Freiheit und Pluralität kann man jedenfalls Monika Grütters nicht nachsagen. 

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Zum Aufgabenbereich des Kulturstaatsministers „gehören als Behörden sowie als von ihm getragene Einrichtungen z. B. das Bundesarchiv, das Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, das Bundesamt für äußere Restitutionen, die Deutsche Nationalbibliothek, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung sowie die Kunstverwaltung des Bundes“. Außerdem unterliegen seiner Verantwortung die Vergabe von Preisen und Stipendien, wie der Deutsche Filmpreis, der Deutsche Drehbuchpreis, der Innovationspreis und das Auslandsstipendium in der Villa Massimo in Rom oder im Deutschen Studienzentrum in Venedig. 

In all diesen Bereichen täte es not, für die Möglichkeit der Pluralität der künstlerischen Standpunkte, Sichtweisen und Methoden zu sorgen – denkt man nur daran, dass beispielsweise die deutsche Film- und Serienproduktion inzwischen einem von erzählerischen oder cineastischen Effekten wenig berührten Staatsbürgerkundeunterricht rotgrüner Prägung gleicht. Es täte not, nicht allein die Bilder, Filme und Romane zu fördern, die den von den Rotgrünen bezweckten Gesellschaftsumbau, die neue Utopie, feiern. Es täte not, nicht länger die neue brachiale Sozialchemie zu akklamieren, die sich als Kunst und Kultur verkleidet (ehemals sozialistischer Realismus und nun woker Realismus). Es täte not, Werke zu propagieren, die von der Wirklichkeit – in ihrer ganzen Vielfalt und Widersprüchlichkeit – erzählen, und nicht von dem, das sich einige wünschen. Denn woker Realismus ist das Gegenteil von Realismus. Die Kultur in Deutschland hat an Pluralität und damit an Relevanz eingebüßt.

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Auf Monika Grütters soll nun also Claudia Roth als neue Kulturstaatsministerin folgen. Die Frau, deren politisches Geschäftsmodell bislang auch darauf beruhte, kritischen Medien die Verbreitung von Hetze zu unterstellen, wird jetzt für Kultur und Medien zuständig sein. Sie kann die im Koalitionsvertrag genannte Aufgabe, „für eine vielfältige Kultur und freie Medien“ zu sorgen, annehmen oder ablehnen. Voltaire wird der Satz zugeschrieben: ich bin zwar nicht Ihrer Meinung, aber ich will alles tun, damit Sie Ihre Meinung frei äußern dürfen. Als Managerin der Politrockband „Ton Steine Scherben“ hat Roth Erfahrungen darin gemacht, eine Gegenkultur zum herrschenden Establishment zu vertreten. Doch hatte sie das Glück, dass der deutsche Staat in seiner Pluralität und Liberalität diese Gegenkultur letztlich auch unterstützte. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Im Modus des Klassenkampfes wird immer mehr gecancelt und marginalisiert, was nicht einer rotgrünen Weltanschauung entspricht. Man fühlt sich zum Teil in die Zeit eines Andrej Shdanows oder in die DDR zurückversetzt. Vor dem Hintergrund der Cancel Culture mag dem einen oder anderen Kurt Hager geradezu als liberale Gestalt erscheinen. 

In ihrer neuen Funktion könnte Claudia Roth alle erstaunen und sich eines Voltaires würdig erweisen. Sie könnte dafür sorgen, dass künstlerische Projekte – und nicht nur eins als Alibi und Feigenblatt – unterstützt werden, die nicht der rotgrünen Provenienz entstammen. Würde nicht auch das zur Diversität gehören, die im Koalitionsvertrag unzählige Male als Ziel genannt wird? Oder ist Diversität das Gegenteil von Pluralismus und Liberalität?

Fremd ist Claudia Roth der Kulturbereich nicht. Nach einem Studium der Fächer Theaterwissenschaft, Geschichte und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, das sie nach zwei Semestern abbrach, arbeitete sie an verschiedenen Theatern, bevor sie Managerin der Politrockband „Ton Steine Scherben“ wurde. 

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Der ehemalige Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, durfte im Deutschlandfunkkultur schon eine Lobeshymne auf Roth anstimmen: „Sie ist eine Ermöglicherin, sie steht für Meinungsvielfalt und weiß, dass Kultur nur in einem solchen Umfeld sich entfalten und gedeihen kann. Das ist etwas, das bei ihr leidenschaftlich vertreten sein wird.“

Genau das wird Claudia Roth unter Beweis stellen müssen, ob sie für Meinungsvielfalt steht, oder ob die Meinungsvielfalt nur für das rotgrüne Lager gilt, ob sie Kultur in ihrer ganzen Universalität ermöglichen will, ob die Förderung von Kunst und Kultur von Qualität abhängig ist, statt von Alter, Herkunft, Geschlecht, Sexualität und ideologischer Ausrichtung.

In diesem Zusammenhang sei nur an den grimmigen Spott des linken Dichters Pablo Neruda über die linke Orthodoxie erinnert: 

„Greuel und Entsetzen! Ich las Romane,

unendlich rechtschaffene,

und so viele Verse über

den Ersten Mai,

daß ich jetzt nur noch über den 2. dieses Monats schreibe.“

Das neue Amt stellt diese Fragen an Claudia Roth. Sie hat es in der Hand, diese Fragen zu beantworten: Aufklärung oder Ideologie? Toleranz oder Cancel Culture als Culture cancel? Ernst Jünger und Marieluise Fleißer oder nur Marieluise Fleißer? Martin Heidegger und Judith Butler oder nur Judith Butler? Ernst Nolte und Jürgen Habermas oder nur Jürgen Habermas? Thilo Sarrazin und Naika Foroutan oder nur Naika Foroutan? 

Hic rhodus, hic salta, Claudia Roth!

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Kommentare ( 44 )

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Peter Gramm
2 Jahre her

Die Frage sei erlaubt. Warum kommen in Deutschland immer die am schlechtesten qualifizierten Personen ganz nach oben. Kein Studienabschluß, kaum berufliche Expertise, außer Pleite bei Ton Steine Scherben. Kurz vor dem ökonomischen Aus der Sprung in die Politik und das wars. Seit dem auf öffentliche Kasse als Nehmerin unterwegs. So lange die Geber dies ermöglichen – nur zu. Vor solchen Leuten kann ich niemals Respekt entwickeln. Darf man dies im Land der Meinungsfreiheit noch sagen?

Till Kinzel
2 Jahre her

Es wäre nach den Erfahrungen der letzten Jahre wohl besser, das Amt ganz zu streichen. Einmal abgesehen davon, daß Herr Mai hier spaßeshalber annimmt, Politiker, die vor allem durch ihre Unsäglichkeit bekannt sind (Frau Roth z.B. kann erwiesenermaßen nicht zählen, etwa die für eine Abstimmung nötige Mindestzahl anwesender Abgeordneter), würden sich nun ausgerechnet bei TE Tips für ihre Amtsführung holen…Und nur mal nebenbei: wer ist Naika Foroutan? Es ist nicht fair, Sarrazin mit ihr sozusagen gleichrangig zu nennen, genauso wenig wie Heidegger mit Judith Butler…

Deutscher
2 Jahre her

„Sie hätte es in der Hand, alle zu erstaunen und für echte Vielfalt zu sorgen, nämlich dafür, dass künstlerische Projekte unterstützt werden, die nicht der rotgrünen Provenienz entstammen.“

Mit diesem Satz haben Sie bereits alles gesagt, was dazu zu sagen ist, Herr Mai.

Nachdenkerin X
2 Jahre her

Wenn eine Hochstaplerin Außenministerin dieses Landes werden kann, ist eine Claudia Roth als „Kulturbeauftragte“ eigentlich nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Meinetwegen auch der Tropfen, der das Faß überlaufen läßt.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Wer sich eine geldwerte Phase als rückgratloser, aber haltungsstarker „Künstler“ wünscht, sollte jetzt mit Hochdruck an Produktionen arbeiten.

Oder besser worken, denn antideutsch sollte es schon sein, woke sowieso, Qualität, Originalität, völlig egal, Hauptsache LGBTTQXYZ, migrantisch, wenn weiß, dann wenigstens gegen Rächtz, kolonialismusbetroffenlyrisch und gegen das Klima, dann wird es Fördergeld regnen.

Zwar wird sich den Müll niemand antun wollen, aber wurscht, TTT wird berichten, der Deutschlandfunk das spielen (GEMA, VGWort!), und die Preisgelder der Stiftungen sind auch nicht zu verachten.

Also, liebe Nichtskönner: Ran an die Geräte, irgendwas zusammenstoppeln und Knete vom Stück miesem Scheißstaat abgreifen!

Mig
2 Jahre her

Nun, damit bekommt das Sprichwort „den Bock zum Gärtner“ zu machen noch ein Beispiel mehr.
Ich wünsche dem Autor, dass er seinen Glauben an das Gute im Menschen nie verlieren wird. Allein bei Frau Roth wird es nicht reichen. Da wird er irren.
Sie sitzt hier genau am richtigen Propagandahebel, den die Grünen brauchen, um das Volk weiter zu „nugden“.
Wie wichtig Kultur und Medien für die Lenkung des Volkes sind, wussten schon die in den 30er Jahren an die Macht gekommenen.
Warum sollte es jetzt anders laufen?

G Koerner
2 Jahre her

CR kann nach eigenem Bekunden „gute Börek“ machen. Das ist doch auch schon irgendwie Kultur, oder etwa nicht?

Last edited 2 Jahre her by G Koerner
November Man
2 Jahre her

Wie kann man nur eine Frau ohne jegliche als Kulturstaatsministerin einsetzen. Eine Frau die unser Land und Leute als mieses Stück Sch… bezeichnet.
So was gibt es nur in der deutschen Politik. In einem anderen Land hätte man diese Frau nach deren beschämenden und beleidigenden Aussagen über und gegen unser Land und seine Menschen schon längst weggeschickt. So weit weg wie nur möglich. Hoffentlich kommt das noch. 

PUH
2 Jahre her

Immer wieder phänomenal, welche Typen, Charaktere, Blendgranaten und Vollzeitnulpen in der Politik Karriere machen. Das ist zwar fast überall auf der Welt so, bei uns aber stürmt der Irrsinn grade neuen Rekordhöhen entgegen.
Wenn je ein weit blickender Geist sich zum Ziel gesetzt hat, Deutschland als ehemals bewunderte Kulturnation durch Lächerlichmachung final zu marginalisieren, dann stand die Claudi auf seiner Liste derer, denen das locker zuzutrauen ist, ganz weit oben.
Ich bin unsicher, welches Gefühl mich beim Blick auf das „Ampel-Kabinett“ grade überwältigt – Grausen oder Verzweiflung. Oder beides?

Dieter Rose
2 Jahre her

Die guten ins Kröpfchen, die schlechten ins Töpfchen. So geht es im Märchen.
In der Realität geht es gerade andersrum.