Die Impfpflicht aus Brüssel wäre ein spürbarer Machtzuwachs für die EU

Kommissionschefin Ursula von der Leyen will die Impfpflicht in der ganzen EU. Von früheren Versprechen ist keine Rede mehr. Dieser Gesinnungswandel kann den deutschen Regierenden nur recht sein. Für die EU fordert von der Leyen damit letztlich mehr Macht ein. Das dürfte auf Widerstand stoßen.

IMAGO / Xinhua
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz in Brüssel am 1.12.2021

Nun spricht auch Ursula von der Leyen von einer allgemeinen Impfpflicht: „Es ist verständlich und angemessen, dass wir jetzt eine Diskussion darüber führen, wie wir eine Impfpflicht in der Europäischen Union fördern und möglicherweise in Erwägung ziehen können“, sagte die Präsidentin der EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel und kündigte eine „Prüfung“ an. Sie begründete dies mit der Ausbreitung der neuen Omikron-Variante und der Tatsache, dass ein Drittel der EU-Bürger bisher nicht gegen das Coronavirus geimpft ist.

Vor einem Jahr, am 17. Dezember 2020, hatte die promovierte Medizinerin gesagt: „Um die Pandemie zu beenden, müssen 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein.” Und am 31. August 2021 gab sie zu Protokoll: „70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind inzwischen vollständig geimpft.” Doch die Pandemie war nicht vorbei. Statt einzugestehen, dass sie sich geirrt und zu viel versprochen hatte – wie fast alle Politiker in Europa – soll jetzt also die Impfpflicht für alle Bürger folgen.

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Für die deutschen Politiker in den bisher und künftig regierenden Parteien (zu denen sie bekanntlich bis 2019 selbst gehörte) ist das in ihrer akuten Lage wohl höchst willkommen. Was aus Brüssel kommt, gilt schließlich immer als gut und richtig und alternativlos. Da kann man seine eigene Kehrtwende von der Ablehnung zur Forderung nach der Impfpflicht nötigenfalls bequem hinter Brüsseler Vorgaben verbergen. Und für von der Leyen selbst wäre es ein Höhepunkt der Brüsseler Machtentfaltung (also auch ihrer eigenen): Auf dem derzeit dominierenden Politikfeld könnte die EU etablieren, was die Berliner Ampel-Koalitionäre ein „souveräneres” Europa nennen.

Was von der Leyen „Prüfung” nennt, ist also wohl so zu verstehen: Brüssel testet aus, ob die Mitgliedsstaaten geneigt sind, einen solchen Präzedenzfall der Machtverschiebung hinzunehmen. Aus Berlin ist da wohl am allerwenigsten Widerstand zu erwarten. In einigen anderen Mitgliedsländern, die derzeit ohnehin einem wachsenden Druck ausgesetzt sind, wie etwa Polen und Ungarn, dürfte das anders sein. Da wird es nicht um die Frage von mehr oder weniger Geimpften gehen, sondern um die grundsätzliche Frage der Subsidiaritätsprinzips.

Eigentlich sollte man ja meinen, dass die EU-Kommissionspräsidentin genug mit anderen Themen als der Pandemie zu tun hat. Zumal der einzige größere Beitrag der Kommission in der Pandemiepolitik, nämlich die Impfstoffbestellung, ein Desaster war und kaum ein rationales Argument für eine europaweit vereinheitlichte Pandemiepolitik spricht. Sowohl die Impfquoten als auch das Ausmaß der wichtigen Corona-Zahlen sind schließlich höchst unterschiedlich in den EU-Mitgliedsländern.

Zum Beispiel könnte von der Leyen sich einmal um den in Deutschland seltsam unbeachtet gebliebenen Vertrag kümmern, den Frankreichs Emmanuel Macron und Italiens Mario Draghi kürzlich geschlossen haben. Dazu war von ihr bislang keine Kritik zu vernehmen. Diese neue Achse Rom–Paris ignoriert immerhin die Bestimmungen der Europaverträge, die vorsehen, dass bei einer Vereinbarung verstärkter Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union die EU-Kommission zu konsultieren ist, um sicherzustellen, dass sich nicht durch kleine Clubs von Mitgliedstaaten Politikbündnisse bilden, die die Integration der 27 Mitgliedsländer gefährden.

Das wäre allerdings für die Kommissionspräsidentin keine schöne Aufgabe. Es könnte schließlich die deutschen Steuerzahler, die vermutlich die Leidtragenden der italo-französischen Harmonie sein dürften, beunruhigen – und damit die schönen Berliner Europa-Traumtänzereien stören, die die bisherige Merkel-Regierung verordnete und die künftige Ampel-Regierung noch weiterführen möchte mit ihrem Wunsch nach einem „souveräneren“ Europa und einem „dienenden“ Deutschland.

Kümmern könnte sich Ursula von der Leyen aber auch um Missstände in ihrem eigenen Haus – eine noch viel weniger schöne Aufgabe. In der Kommission haben nämlich, wie Zara Riffler in einem lesenswerten Beitrag auf TE zeigt, islamistische Muslimbrüder-Netzwerke ein hohes Maß an Einfluss gewonnen. Über 300.000 Euro machte die Kommission deswegen locker für eine PR-Kampagne, die im Hijab ein Zeichen für „Freiheit“ und „Vielfalt“ behauptete.

Wer Ursula von der Leyens politische Karriere ein wenig nachverfolgt hat, der weiß, dass sie jenes Erfolgsgeheimnis gegenwärtiger deutscher Politiker perfektioniert hat: Nicht um die Aufgaben und Probleme, die die Wirklichkeit oder deine Kompetenzen dir stellen, sollst du dich kümmern, sondern ausschließlich um jene, die öffentliche Aufmerksamkeit bringen, also dich wichtig erscheinen lassen – und dir dadurch noch mehr Macht versprechen.

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Kommentare ( 43 )

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NickiNeuland
3 Jahre her

Also mal ehrlich, wer nimmt diese Person denn noch ernst. Erdogan jedenfalls nicht und die Osteuropäer lassen das Geschwafel der Fönfrisur einfach an sich abperlen. Und wie kommt man immer wieder darauf, dass der „deutsche Steuerzahler“ für alles mögliche aufkommt, also auch für die italienisch-französischen Mauscheleien? Deutschland ist jetzt schon ein Pflegefall und die neue „Regierung“ arbeitet fleißig daran, diesen todkranken Patienten möglichst schnell ins Grab zu bringen.

Mathias Rudek
3 Jahre her

Madame von der Leyen hat ein Maß an Inkompetenz erreicht, daß ihre Schauspielerqualitäten längst eingeholt hat. Als Politikdarstellerin ohne nennenswerte Inhalte gefällt sie lediglich einzig und allein ihrem Spiegelbild. Das diese Frau niemals gewählt, sondern von unserem lebenden Hosenanzug hinein geschubst wurde und das vor versammelter Öffentlichkeit war immer ein Affront gegen die Bürger der EU und der deutschen Wähler, deren Interessen zu vertreten dieser Polit-Moloch sich anschickt. Ich hoffe, daß diese Kaltmamsell der hohlen Phrasen, die nicht im Ansatz deutsche Interessen vertrat an ihrer eigenen Überheblichkeit gewaltig scheitert und von der Bühne der Politik-Darsteller ohne Bürger-Mandat so schnell wie… Mehr

FurnaceFace
3 Jahre her

…Seit 2020 ist Heiko von der Leyen Medizinischer Direktor des amerikanischen biopharmazeutischen Unternehmens Orgenesis Inc., das sich auf die Entwicklung von Zell- und Gentherapien spezialisiert hat….

Der Andere
3 Jahre her

Es ist das erstmal in der Geschichte der Medizin, dass das Versagen eines Medikaments denjenigen angelastet wird, die es nicht eingenommen haben.

Juergen Schmidt
3 Jahre her

Ist schon frech, wie offensichtlich sie ihrem Drehbuch folgen. Das Ziel ist das »Chinesische Modell« für die EU. Unterwerfung ALLER Bürger der EU durch erzwungene Gentech-Injektionen. Damit verbunden der obligatorische digitale Impfpass für JEDEN als Teil der digitalen Identität. Totale Kontrolle, totale Macht für die EU-Kommission und ihre Armee von linientreuen Apparatschiks. Plus – demnächst – digitaler Euro mit totaler Kontrolle durch die EZB. Endstation sieht dann so aus: Vorzeigen des QR-Codes überall als Berechtigung und Zugangskontrolle und Zahlungsmittel. Wie, Du hast die letzten drei Monate die EU-Sonder-CO2-Steuer nicht bezahlt? Dann geht am Bahnhof die Schranke für dich nicht auf.… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Juergen Schmidt
Brauer
3 Jahre her

Nur ein Gedanke, bald wird Frau Merkel in Brüssel das Zepter mitschwingen und dann gute Nacht.

Paul Brusselmans
3 Jahre her

Welche Rechtsgrundlage? Mehr als die Einladung zu Diskussionen ist nicht drin. Auf der anderen Seite eine gute Idee, die europäische Identität zu fördern, mindestens so gut wie eine europäische Steuer….zumindest springt dann eine europäische Impfagentur raus, ich bin Kandidat für den Direktorenposten von EUROVAC. Nizza waer nicht schlecht… PS: wo ist das Problem? wer nicht dem Impfzwang unterliegen will, kann sich ja freiwillig impfen lassen. Keine 200m vom Hauptgebäude, in dem vdl sich für 70000€ eine kleine Wohnung hat einbauen lassen, in der rue Archimède, gibt es ein Symbol der Ausgrenzung. Es ist der Stolperstein für den hervorragenden deutschen Maler… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Paul Brusselmans
Juergen P. Schneider
3 Jahre her

VdL hat es eben noch immer nicht mitbekommen, keiner nimmt sie noch ernst. Macron und Draghi wissen ja, warum sie die Deutsche als Kommissionspräsidentin durchgedrückt haben. Man wollte eben leichtes Spiel haben. Hat funktioniert. VdL wird es nicht wagen, den Deal des Franzosen mit dem Italiener zu kritisieren. Dafür fehlt ihr schlicht und einfach das Format. Um einem alten Cowboy wie Draghi in den Colt zu p…, müssen schon andere Kaliber antreten, als vdL mit der Drei-Wetter-Taft-Frisur. Wenn man schon Idioten in die EU-Bürokratie entsendet, dann sollten es schon nützliche Idioten sein, wie zum Beispiel Frau Lagarde, die von Macron… Mehr

Lars Baecker
3 Jahre her

„Das dürfte auf Widerstand stoßen.“
Ganz bestimmt sogar. Aber ebenso ganz bestimmt nicht aus Deutschland. Da schiebt man gerne Verantwortung auf andere, insbesondere, wenn man zu feige ist, unbequeme Maßnahmen zu verhängen. Das gilt für die Politik wie für das Bundesverfassungsgericht. Wenn’s drauf ankommt, erklärt man sich für „nicht zuständig“. Ich glaube, wenn der im Wohlstand degenerierte Deutsche etwas über Freiheit, insbesondere den Kampf um selbige lernen möchte, sollte er vermehrt in die osteuropäischen Länder schauen. Denn von dort wird es mit Sicherheit Widerstand geben.

Last edited 3 Jahre her by Lars Baecker
Alf
3 Jahre her

Die EU kopiert den gleichen Fehler wie Merkel-Deutschland.
Mitgliedsstaaten der EU/deutsche Bundesländer mit geringen Zahlen sollen zur Impfung verpflicht werden.
Ungleiches soll gleich behandelt werden.
Die Impfpflicht beendet die Pandemie nicht, auch nicht wenn 100 % der Bevölkerung geimpft sind.
Das weiß auch vdL.

gom jabbar
3 Jahre her
Antworten an  Alf

Es geht ja auch nicht um die sogenannte Pandemie, sonder darum die Chance der sogenannte Coronakrise politisch maximal zu nutzen.

Weiss
3 Jahre her
Antworten an  Alf

Ich würde das nicht als „Fehler“ der BRD bezeichnen. Da dürften aus „Gesundheitsschutzgründen“ ganz andere Ziele verfolgt werden ? Das wird jetzt auch im Nachhinein von folgender Meldung bzgl. Österreich bestätigt: Wer dort den Booster ab Februar 2022 nicht mitmachen sollte, dem droht eine hohe Geldstrafe und auch Gefängnishaft: Unvaccinated Austrians Face Prison Time, Huge Fines For Non-Compliance | ZeroHedge Es geht bei der Impfung also auch um die dauerhafte und permanente Kontrolle sowie Unterwerfung der Österreicher. M.E. wird das auch zukünftig so in der BRD und bzgl. aller EU-Bürger umgesetzt ? Österreich und die BRD sind hierfür wohl zunächst… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Weiss