Migration belastet Kommunen – auch Sozialämter und Lebensmittel-Tafeln überfordert

Die Zuwanderung nach Deutschland hält an. Viele Kommunen heben letzte Unterbringungskapazitäten. Die Kosten bleiben oft unbekannt. Auf der anderen Seite stehen dutzende Aufnahmestopps. Ebenso überlastet wie Ausländer- und Sozialbehörden sind inzwischen die Tafeln für Bedürftige.

IMAGO / Sven Simon
Tafel vor dem Großmarkt München, 16.11.2022

Das Neuköllner Sozialamt wird dichtgemacht, nämlich für zwei Wochen. So lange dauert die Verschnaufpause, die man zu brauchen glaubt. Denn das Personal ist knapp und die Belastung will kein Ende nehmen, vor allem auch durch die Anträge von Flüchtlingen und Migranten, die immer noch in besonders starkem Maße in die Bundeshauptstadt strömen.

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Es ist kein so neuer Zustand im Post-Corona-Deutschland. Ämter in ganz Deutschland haben ihre Pforten vor zwei Jahren geschlossen und sie seitdem nur spaltweise wieder aufgemacht. Denn natürlich ist Publikumsverkehr unbequem, anstrengend, zeitraubend. Und vieles lässt sich tatsächlich effizienter per Anruf oder digital im Netz regeln. Aber gerade für die Ärmsten in Deutschland, also die klassische Klientel der Sozialämter, sind diese Wege oft schwerer zu beschreiten als für andere. Eine Notsprechstunde soll es aber auch in Neukölln geben. „Soziale Kälte“ ist nicht das richtige Wort, aber darauf könnte es für einige hinauslaufen.

Auch in Reinickendorf, dem Bezirk im Berliner Norden, in dem sich zufälligerweise auch die Erstanlaufstelle für Asylbewerber befindet, hat man das Sozialamt geschlossen. Auch hier wird über eine „immense“ Belastung geklagt, über „immer neue Gesetzesvorgaben, steigende Geflüchtetenzahlen und den Corona-Krankenstand“ – im Grunde alles vermeidbare Belastungen. Eine Mitarbeiterin des Neuköllner Amtes fasste es gegenüber der Welt so zusammen: „Wir sind nicht mehr am Limit, wir schon drüber.“

Daneben richtet sich ein angsterfüllter Blick der Beamten auf den 1. Januar 2023, an dem das neue Bürgergeld, aber auch das reformierte Wohngeld in Kraft treten sollen. Das wird offenbar der nächste Papier- und Antragsberg. Dann wird sicher mehr Personal eingestellt, das den Staat und die Kommunen wiederum mehr kostet.

In Berlin versucht man, sich am Zelt- und Leichtbaumarkt zu platzieren

Neben dieser Belastung der „Dauer-Infrastruktur“, die eigentlich für die Bürger da ist, wird ein steigender Bedarf für Provisorien deutlich. Und man kann nicht sagen, dass Sozialsenatorinnen in ganz Deutschland an dieser Idee Gefallen gefunden hätten – vielmehr stimmt: Ob es ihnen gefällt oder nicht, sie können nicht anders. So scheint sich in Berlin alles auf den Ex-Flughafen Tegel als Hauptstandort für die vorläufige Unterbringung von Neuzuwanderern zuzulaufen. Seit März wurden 49.000 Aufenthaltsanträge für 85.000 Ukraine-Flüchtlinge in der Hauptstadt gestellt. Laut Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) leben aber sogar 100.000 Ukrainer in der Stadt. Hinzu kommen 12.000 Asylbewerber. Das ist insgesamt schon ein Niveau, das die Migrationskrise von 2015 klein aussehen lässt, als 42.000 Asylbewerber in der Stadt ihre Zuflucht suchten.

Berliner Senat auf der Suche nach Bauland
Bis zu 10.000 fehlende Unterkunftsplätze für Migranten – Kipping: Beschlagnahmungen nicht mehr ausgeschlossen
Den vor kurzem angekündigten zusätzlichen Bedarf von 10.000 zusätzlichen Betten will Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) durch „Leichtbauhallen und Zelte“ auf dem ausgedienten Flughafengelände decken, mit „Stockbetten auf engem Raum“, wie die Berliner Morgenpost weiß. Wenn da nur Krätze und Diphtherie fernbleiben, wie sie Aufnahmezentren in England derzeit plagen. Auf der Insel sollen nun tausende Bewohner gegen die Infektionskrankheit geimpft werden.

Daneben denkt Kipping angeblich an die Berufung ihres linken Weggefährten Sebastian Scheel zum Leiter des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten. Scheel könnte demnach weitere Immobilien akquirieren, zumal er „die Prozesse im Umgang mit Immobilien“ kenne. Der kurzzeitige Bausenator schied Ende 2021 aus seinem Amt aus, kurz nachdem er versucht hatte, dem grünen Baustadtrat Florian Schmidt aus seinem Vorkaufsdebakel um die „Diese eG“ mit halbgaren Tricks herauszuhelfen. Der stets gut gekleidete „Armani-Kommunist“ wollte in seiner Amtszeit eigentlich die Berliner Mieten drücken – wozu es dann nicht mehr kam.

Vorerst wird Tegel also wohl genügen müssen, wo man angeblich „Spezialisten für Logistik und Nothilfe“ mit „guten Beziehungen … in der Katastrophenhilfe“ engagiert hat und ihnen in „lukrativen Beraterverträgen“ teures Geld hinterherwirft, um den Migrationsnotstand zu organisieren. Bei der Morgenpost klingt es so, als sei der Markt für Zelte und Leichtbauhallen ein hartes Pflaster, auf dem deutsche Kommunen und Bundesländer schlechte Karten haben.

Auch der Personalbedarf zum Unterhalt der kommenden Zeltstädte sei beträchtlich und schwer zu finden: 200 Mitarbeiter in Betreuung, Sicherheit, „Catering“ für angenommene 4.000 Bewohner. Woher das ganze Geld für Personal, Zelte, Baukosten usw. kommen soll, kann man sich beim hochverschuldeten Land Berlin denken. Die Kosten bleiben jedenfalls einstweilen geheim. Das könnte sonst wohl zu Missverständnissen, ja Irritationen führen (oder wie hatte es einst Jean-Claude Juncker ausgedrückt? Oder war es Thomas de Maizière?).

Bremen hat die Zelte schon hinter sich gelassen: Nun kommen die Sterne-Hotels dran

Den Weg zu Zelten und Leichtbauhallen ist man in Bremen schon vor Monaten gegangen. Zuletzt beschloss man im September, einen Zeltplatz an der Herzogin-Cecilie-Allee auf gut die doppelte Kapazität (dann 2.200 Plätze) zu vergrößern. Kostenpunkt: elf Millionen Euro für 18 Monate. Derzeit kommen mehr als tausend Migranten im Monat nach Bremen. Insgesamt sind heute um die 7.000 Flüchtlinge und Asylbewerber in der Hansestadt unterzubringen.

Nun will die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) laut Bild zusätzlich vier Hotels anmieten, jedes zum Preis von einer Million Euro. Diese Hotelmiete über dem ortsüblichen Niveau erklärt sich angeblich durch die „Vollausstattung der Einrichtung“. Die benötigten vier Millionen Euro sollen zudem am regulären Haushalt vorbei, durch Selbstermächtigung des Senats, beschlossen und ausgegeben werden. Das bringt die Oppositionsparteien FDP und CDU auf die Barrikaden, die das „absolut anrüchig“ und „inakzeptabel“ finden.

Die Nutzung von Hotels, Hostels, privaten Grundstücken und Gebäuden ist dabei seit Beginn der Ukraine-Fluchtwelle in deutschen Städten üblich, wie das Hamburger und Berliner Beispiel zeigen. Bisher wurde freundlich um die Zurverfügungstellung gebeten. Jetzt wird dauerhaft angemietet. Und die Berliner Sozialsenatorin hat Beschlagnahmen für die Zukunft nicht ausschließen wollen.

Umnutzungen wie Aufnahmestopps gehen weiter

Im niedersächsischen Peine wird ein Impfzentrum, mitten im örtlichen Unternehmenspark gelegen, bis Mitte Dezember zum „Flüchtlingsheim“ umgestaltet. Brandenburg an der Havel verlängert den Mietvertrag für die Rolandkaserne, in der bereits Asylbewerber wohnen. So sieht die funktionierende Verwaltungstätigkeit in Deutschland aus. Allerdings strecken auch immer mehr Städte die Waffen angesichts der Dauerbelastung.

Folgen durchziehen die gesamte Gesellschaft
Migration: Die vergessene Krise
Im Magdeburger Rat wurde die AfD-Forderung nach einem Aufnahmestopp für Ukrainer diskutiert. Der Not gehorchende Aufnahmestopps für Flüchtlinge wie Asylbewerber sind auch weiterhin die Realität in deutschen Kommunen. Unter den ersten Städten, die solches verkündeten, waren das Vorpommersche Grimmen, wo man mit zuerst „den Mut“ hatte, das zu sagen, Cottbus und Gera. Nun folgten Erfurt und weitere Städte und Kreise in Thüringen (Sonneberg, Altenburg, der Wartburgkreis, das Eichsfeld).

Der Landkreis Bautzen, dicht an der tschechischen und polnischen Grenze gelegen, bat Landesinnenminister Armin Schuster (CDU) um einen Aufnahmestopp. 5.300 Ukraine-Flüchtlinge und Asylbewerber hat der Kreis schon aufgenommen. Weitere 400 sollen noch dieses Jahr dazukommen. Man bekam eine „vorübergehende Reduktion“. Der benachbarte Landkreis Görlitz mit Grenzen mit Polen und Tschechien bleibt hochgradig belastet durch die neuen Arme der Balkanroute.

Übrigens verkünden auch Lebensmittel-Tafeln bundesweit – von Herne bis … – Aufnahmestopps der anderen Art, die wiederum höchst unsozial die Ärmsten dieser Gesellschaft treffen. Die Rede ist von einer Verdoppelung der bedürftigen Kunden. Ein Drittel der bundesweit rund 960 Tafeln mussten inzwischen Aufnahmestopps verhängen. Die Tafeln selbst mokieren sich allmählich, man sei kein Rundumversorger für Flüchtlinge und Bedürftige: „Wir unterstützen, wir versorgen nicht. Das ist Aufgabe des Staates“, sagte die Bundesgeschäftsführerin Sirkka Jendis vor kurzem im Angesicht von Innenministerin Faeser und Migations-Tausendsassa Gerald Knaus.

Als unlängst 80 „afghanische Geflüchtete“ in ein Hohenauer Romantik-Hotel einziehen sollten, regte sich allerdings der Unmut der Gemeinde Hohenau gegen diese Entscheidung des zuständigen Landratsamtes. Der Bürgermeister insistiert laut dem Regional-Onlinemagazin da Hog’n: „Das ist ein historisches Gebäude bei uns in der Gemeinde Hohenau: Der Komponist Georg von Pasterwitz  ist hier geboren. Uns ist bewusst, dass 1,5 Millionen Flüchtlinge auf der Balkanroute unterwegs sind und wir dezentrale Unterkünfte benötigen, nur: Es muss vom Verhältnis her stimmig sein.“ Auch die Kindergärten und Schulen am Ort seien voll. Da sei schlicht keine Perspektive – nicht einmal für die 80 Ortskräfte plus Familienanhang.

Den Antrag zur Umnutzung stellte übrigens der Besitzer des Hotels. Die niederbayrische Gemeinde muss ihm allerdings nicht folgen. Bald schon könnten die Sachzwänge so groß sein, dass auch Landkreise und Gemeinden solchen – eigentlich unpopulären – Vorhaben stattgeben könnten.

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Kommentare ( 133 )

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Thomas
1 Jahr her

Yascha Mounk:
…daß wir hier ein historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln. Das kann klappen, das wird, glaube ich, auch klappen, dabei kommt es aber natürlich auch zu vielen Verwerfungen.
Helmut Schmidt:
Wir können nicht mehr Ausländer verdauen, das gibt Mord und Totschlag.

H.H.
1 Jahr her

Es wäre soooo einfach: Man muß den Magnet ausschalten!
Nur Lebensmittelmarken statt Bargeld für die Flüchtlinge – und schwupp di pupp wäre das Geschäft der Schlepper beendet !!

Endlich Frei
1 Jahr her

„Nun kommen die Sterne-Hotels dran“
Jep, bei uns in Düsseldorf reihenweise. Man spaziert an die Rezeption, ist. im ersten Moment von der Lounge geblendet und erblickt im zweiten Moment lauter Syrer und Ukrainer.
Unsereins soll 200 Euro für die Nacht zahlen.
Die Handybilder der „Flüchtenden“ sind fatal – sie gehen um die Welt und es gibt kein Halten mehr.

Schwabenwilli
1 Jahr her

Die( Asyl) migration ist doch längst außer Kontrolle geraten, jeder kann es sehen und manchmal auch schon fühlen. Zugeben würden es diese Politiker für den Rest ihres Lebens nicht mehr. Deshalb ist es auch sinnlos diesen Leuten überhaupt zuzuhören.

jwe
1 Jahr her

Der Bio-Deutsche wird erst dann aufwachen, wenn wie Anfang der 1990er Jahre in jedem Dorf der Anteil fremder ZUwanderung an der Bevölkerung 10-15% ausmacht und diese vor allem in der wärmeren Jahreszeit im Dorf rum lungern. Da wird sich jeder fragen, warum man selbst arbeiten geht.

gast
1 Jahr her

Lebensmitteltafeln dürfte es in unserem Sozialstaat, der Phantasiesteuereinnahmen eintreibt, niemals geben. Sie sind die kostenlose Müllabfuhr für Edeka, Aldi, Rewe und co. Die Betreiber fahren Gewinn und die unendlich vielen ehrenamtlichen Helfer fühlen sich endlich einmal wie ein Paschah, der dem Bedürftigen (den es in unserem Land nicht geben dürfte) in die Tüte klatscht was er will. Aber nur, wenn er genügend oft eine medizinische Behandlung akzeptiert hat, wie der Tafelbetreiber Paul Breitner die Sache praktiziert.

Last edited 1 Jahr her by gast
Kappes
1 Jahr her

Ich glaube nicht an den baldigen Knall.
Die Arbeitslosenquote ist akzeptabel niedrig und die arbeitende Bevölkerung akzeptiert es, wenn sie ausgepresst wird.
Frei nach dem Motto: „Was willst Du, uns geht es doch gut.“
Habeck ist in der Bevölkerung beliebt und die Wahlumfragen in Bund und Ländern zeigen eine klare Tendenz: Die Grünen legen zu.
Eine Umkehr der Tendenz könnten massive Stromabschaltungen im Winter bringen. Aber auch da wäre ja schnell ein Schuldiger gefunden: Der Russe war´s, nicht unsere Regierung.

Last edited 1 Jahr her by Kappes
NighthawkBoris
1 Jahr her

Unsere Politiker (Laiendarsteller, Ungebildete, Gesocks) sind allesamt Spalter und fühlen sich mitnichten dem deutschen Volk verpflichtet. Kommt ins Paradies, ihr Kriminellen und Taugenichtse dieser Welt. Denn Deutschland ist das Weltsozialamt, ermöglicht durch den deutschen Wähler.
Zum Glück habe ich die regierenden Vollidioten nicht gewählt!
Zu diesem Staatsversagen hört man vom Grüßaugust und Oberspalter furchtbar wenig.
Wir brauchen keine Feinde, wir haben ja unsere Regierung, die uns von innen zersetzt und zusätzlich unseren Wohlstand zerstört.
Wären wir ein Rechtsstaat, würde zumindest Hoffnung aufkeimen, aber das hat die Alte erfolgreich verhindert durch ihren Parteisoldaten.
Nun ist sie halt da, die grüne Pest!

AnSi
1 Jahr her

So wird es im Land des senilen Joe auch gemacht und es funktioniert zumindest für Einwanderer aus östlichen Staaten ganz gut. Die Mexikaner rennen seit zwei Jahren wieder in Massen über die Grenze und in den Anliegerstaaten sieht es ähnlich aus, wie im Shithole an der Spree. Die Trumpsche Mauer war nicht die dümmste Erfindung.

AnSi
1 Jahr her

Bitte, liebe Mitforisten, man muss das doch als Chance sehen! So viele geschenkte Menschen, so viele benötigte Fachkräfte und Steuerzahler! Immerhin haben doch schon ein paar Tausende von bald 5 Millionen Arbeit gefunden! Hurra! Wir haben doch Platz und Geld und überhaupt….
Ja, ist ja schon gut, war ein Scherz! So bekloppt wie Allemanda ist sonst kein Land auf der Welt. Überrannt, abgebrannt, shithole genannt. So wird es kommen!
Falls mir die Stadt mehr als 1 Mio für mein 130 qm Häuschen bietet, bin ich dabei. Wohlan.