Berlin: Verdacht auf Subventionsbetrug bei Vorkaufsgenossenschaft Diese eG

Das Geschäftsmodell der Berliner Mietergenossenschaft Diese eG wäre ohne Staatsgeld kaum vorstellbar, aber auch nicht ohne Tricks, um an dieselben zu kommen. Was mit juristischen Grenzgängen des grünen Stadtrats Florian Schmidt begann, geht nun mit dem Vorwurf des Subventionsbetrugs weiter.

IMAGO / Christian Mang
Bezirksstadtrat für Bauen Florian Schmidt bei einer Demonstration

Die Berliner Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, hat es gerade erst dem Tagesspiegel erzählt: Florian Schmidt geht an Grenzen, auch an die Grenzen des Rechts, aber er bewegt angeblich auch viel damit, meint die »radikal-vernünftige« Jarasch. Sehen wir auf die Fakten: Seit Januar 2020 ist Florian Schmidt wegen seines undurchsichtigen Gebarens rund um die von ihm gegründete Mieter- und Vorkaufsgenossenschaft Diese eG in den Schlagzeilen. Die Genossenschaft war, kaum gegründet, im Dezember 2019 zahlungsunfähig geworden und hatte da mit Ach und Krach vier Mietshäuser erworben. Kein großer Fall, könnte man sagen, doch die Details haben es in sich und belasten immer mehr Akteure aus dem rot-dunkelrot-grün regierten Berlin schwer.

In Berlin sind sich die drei Regierungsparteien einig, dass der kommunale und genossenschaftliche Anteil am Wohnraum steigen soll. Die Koalitionäre denken mit Nostalgie an frühere Zeiten zurück, als die Stadt noch Wohnungen zuhauf besaß – oder wahlweise in die Ferne, wo sozialdemokratisch regierte Städte wie Wien ihren Besitz nie verkauften, sondern ausbauten. Heute geht es den Koalitionären um die Rückgewinnung des einst verscherbelten Erbes, was Linke umso mehr schmerzt, als damals auch die Mutterpartei SPD am Verkauf beteiligt war – dummerweise knapp vor dem Berliner Preisboom am Wohnungsmarkt. Ein Bundesland ist eben kein guter Händler.

Das Lieblingsinstrument der Grünen für die Kollektivierung von Wohneigentum ist das Vorkaufsrecht, das der Bezirk zwar ausübt, bezahlen müssen es aber am Ende und zum größten Teil die kaufenden Mieter oder Genossenschaften. So steht es auf dem Papier, aber auch damit will man es nicht so genau nehmen. Die gesetzliche Begrenzung auf zehn Prozent Landeskassenzuschuss mag der Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt jedenfalls nicht hinnehmen. Er plädiert aktuell für eine Verdopplung des Landesanteils, insgeheim sogar für eine Verdreifachung. Aber es ist nichts Neues, dass die Immobiliendeals des grünen Stadtrats hinten und vorne nicht stimmen. Durch das in mehreren Fällen zugunsten der Diese eG ausgeübte Vorkaufsrecht hat Schmidt dem Land Berlin bereits Millionen-Risiken aufgebürdet. 270.000 Euro Schaden, 27 Mio. Euro Haftungsrisiken für Bezirk, Land und den Bürger, um genau zu sein.

Nun ist zu hören, dass die im Mai 2019 von Schmidt mitgegründete Vorkaufsgenossenschaft Diese eG gegen Förderrichtlinien verstoßen haben könnte. Das meinen Fachleute aus dem zuständigen Bewilligungsausschuss der Berliner Förderbank IBB. Von »Subventionsbetrug« ist die Rede. Die Experten erwägen eine Strafanzeige. Die »Zahlungsfähigkeit der Genossenschaft« soll bei »fehlendem Eigenkapital« dadurch erreicht worden sein, dass »bereits ausgezahlte Darlehensmittel […] zweckentfremdet wurden«. Wie kommt man in Berlin zu Eigenkapital? Man etikettiert schlicht Landesdarlehen um.

Statt Eigenkapitel reichte auch eine Kreuzchen

Für Landesfördergelder im Gesamtumfang von 22 Millionen Euro hätte die Diese eG zumindest 4,4 Millionen Euro Eigenkapital vorweisen müssen. Doch die fehlten. Der Berliner Investor Thomas Bestgen – gut mit dem Regierenden Michael Müller (SPD) befreundet, aber ebenso mit den Hauptstadtgrünen, auf deren Landesparteitag er im März sprach – hat sich mit der Unterstützung der Genossenschaft mehr oder weniger nur geschmückt. Statt der versprochenen 1,2 Millionen zahlte der R2G-Spezi nur 100 Euro, wie der Tagesspiegel berichtet.

Das passt zu einem anderen Immobilienprojekt, an dem Bestgen beteiligt ist. Im »Neuen Gartenfeld« westlich des alten Flughafens Tegel sollen einige tausend Wohnungen entstehen. Dabei flossen offenbar 1,1 Millionen Euro von der mittelständischen Arbeitsgemeinschaft (Arge) an eine Projektmanagementfirma von Bestgen, und das obwohl die eigentlich notwendigen Stimmen der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag fehlten. Bestgen war zufälligerweise auch als Geschäftsführer der Arge in Sachen »Neues Gartenfeld« bestellt worden. Das ist Berlins würdig: Filz as Filz can.

Daneben profitierten aber auch andere Diese-eG-Mitglieder von »langfristigen Ratenzahlungsvereinbarungen«, wenn sie das für die Genossenschaft nötige Eigenkapital nicht beisteuern konnten. Und was tat der dunkelrote Bausenator Sebastian Scheel, als die Klammheit der Diese eG deutlich wurde? Er erließ »einzigartige Sonderregelungen«, die die Genossenschaft von den Eigenkapitalmindestgrenzen befreite. Stattdessen sollte die Mitgliedschaft an sich, dokumentiert durch eine bloße Unterschrift, schon ausreichen. Von einer Verstrickung des rot-rot-grünen Senats war schon im Frühjahr die Rede. Sie bestätigt sich nun durch die erwiesene Intervention des Bausenators Scheel, der daneben die Termine für die Sanierung der Häuser nach hinten verschob, was ja auch irgendwie zur Berliner Stadtästhetik passt. Die neue Frist für die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen ist der 30. Juni 2024. Grüne, Rote und Dunkelrote führen Berlin also in eine strahlende Zukunft.

Und ja, es gibt dabei echte Geschädigte: Die Vorkaufsaktionen zugunsten der von Fördermitteln und städtischen Darlehen am Leben erhaltenen Diese eG rochen von Beginn an nach Verstaatlichung und Kollektivierung. Das Land Berlin und seine Haushaltsmittel werden zur Beute von privaten Akteuren. Im Schmidt’schen Jargon kommt deren Wohnraum damit »ins Gemeinwohl«. Doch ist bei der Sache vor allem für eines nicht gesorgt: für das Wohl aller Berliner (und einiger anderer in Deutschland), die es am Ende bezahlen und ausbaden müssen.


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Kommentare ( 9 )

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Reinhard Lange
2 Jahre her

Berlin ist zu einem Shithole verkommen. Habe 30 Jahre dort gelebt und will keinesfalls zurück. Jetzt wollen sie auch noch Verbrennerautos in der Innenstadt verbieten. Also Mieter, wenn ihr Auto fahren wollt, kauft euch ein Elektroauto. Das kann man dann ja bestimmt, wenn man keine Ladesäule findet oder an keine herankommt, über die Küchensteckdose laden.

eifelerjong
2 Jahre her

WAS, Herr Schmidt, nützen „: Rücktritte für diese Schamlosigkeiten samt Rückzug aus der Politik oder die Entlassung eines Medienvertreters …“,
wenn keine finanziellen und strafrechtlichen Sanktionen darauf folgen?

Andreas aus E.
2 Jahre her

Allein wenn man schon liest, am »Neuen Gartenfeld« sollen einige tausend Wohnungen entstehen.
Wo bleibt denn da Platz für Gartengrün? Die „Grünen“ reden von Feinstoffbelastung, Klima usw., aber wollen doch jedes wirkliche Grün zubetonieren – und sich selbst bereichern, versteht sich.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Wer #wirhabenplatz quäkt wird auch mit Staatswohnungen an der Knappheit nichts ändern.
Rückführung statt Sozialisierung – das wäre passende Parole zum Thema Wohnungsnot.

Ceterum censeo Berolinem esse delendam
2 Jahre her

Nach World War II hätte man die Trümmer einfach liegenlassen und das Gebiet aufgeben sollen. Heute wäre ein schöner Urwald über die Ruinen gewachsen, ein zweites Angkor als Biotop für Wolfsrudel und Baumhausbewohner.

Last edited 2 Jahre her by Ceterum censeo Berolinem esse delendam
StefanB
2 Jahre her

„Grüne, Rote und Dunkelrote führen Berlin also in eine strahlende Zukunft.“

Klar doch. Und dazu soll die Berliner Innenstadt in zehn Jahren auch frei von Autos sein, die mit Verbrennungsmotor angetriebenen werden – zum Zwecke des Klimaschutzes versteht sich. Schließlich hat Rot-Dunkelrot-Grün rechtzeitig zuvor den „Klimanotstand“ ausgerufen.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/06/berlin-klimanotlage-senat-beschliesst-massnahmenpaket-guenther.html

eifelerjong
2 Jahre her
Antworten an  StefanB

NUN, ganz so frei wird die Innenstadt wohl nicht werden, die für Bonzenkarossen eigens geschaffenen Fahrspuren werden wohl eingerichtet werden.

Schwabenwilli
2 Jahre her

Dass solche Figuren wie Schmidt noch nicht gefeuert wurden bezeugt nur eines, die Verkommenheit und die Verlaustheit der Stadt Berlin.

Wilhelm Roepke
2 Jahre her

Nichts neues aus dem deutschsprachigen failed state. Mir hat es da in den 90er Jahren schon nicht gefallen. Habe nie verstanden, wie man dort ein Leben lang wohnen möchte. Kannte aber nur 2 Kieze besser.