Italien: Wie Außenminister Di Maio die Regierung gefährdet

Der Außenminister trat aus seiner Partei aus, um eine andere und eigene zu gründen, aber vor allem, um den Außenministerposten zu behalten. Circa 60 Abgeordnete möchte er mitnehmen. Das wäre das Ende der Cinque Stelle, aber vielleicht auch das einer wackeligen Draghi-Regierung.

IMAGO / ZUMA Wire
Der italienische Außenminister Luigi Di Maio, Rom, 21. Juni 2022

Es war einmal ein Platzanweiser, der sich aufmachte, einer Bewegung und Partei beizutreten, die sich den Ausspruch „Va fan culo“ gegen die etablierte Politikerkaste, als Slogan zu eigen machte. Ein „Rutschmirdenbuckelrunter“, oder Götz-von-Berlichingen-Spruch, gegen eine verkommene Politik. Heute meinen viele Beobachter, er hätte doch lieber Platzanweiser bleiben sollen.

Erst wurde der, nun ja, beruflich gescheiterte Luigi Di Maio aus Avellino (vor den Toren Neapels) glühender Anhänger der Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo und dann zum Mitglied von dessen Partei Movimento Cinque Stelle. Das war vor über 12 Jahren. Bei den Wahlen zum Gemeinderat von Avellino scheiterte er genauso wie bei seinen zwei angefangenen und nie beendeten Studiengängen der Ingenieurs- und später Rechtswissenschaften. Dafür wurde er im Rahmen des Erfolges der aufstrebenden Cinque Stelle 2013 ins italienische Parlament gewählt.

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Die Beppe-Grillo-Partei und deren Anführer selbst stellten quasi alles und jeden in der italienischen Politik in Frage. Die Fünfsternebewegung wurde zum Sammelbecken Empörter, Frustrierter sowie aller Zukurzgekommenen, wie eben jener junge Luigi Di Maio. Als Platzanweiser im Stadion, nahm er nun selbst dort Platz, wo das gemeine Volk vertreten werden soll. Was für eine Karriere bis heute. Auch das spricht für Italien: wenn schon nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, so kann man doch hier vom Platzanweiser zum Minister werden. Nun, im Gegensatz zu Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ist Italien wie so oft, das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten.

Immerhin die Fünf Sterne um Grillo und Casaleggio, beide Gründer der Bewegung, sorgte für mehr Mitgliederpartizipation, Befragungen online und direkt spülten Di Maio dann als Spitzenkandidat sogar in die erste Regierung, um Premier Giuseppe Conte. Das war vor vier Jahren, als die M5S mit der Lega, um Giuseppe Conte das Regierungsabenteuer begann.

Luigi („Gigino“, auf Italienisch verkleinert) Di Maio war plötzlich sogar Minister für Arbeit, wirtschaftliche Entwicklung und Soziales, ohne dass er sich da besonders hervorgetan hätte. In dieser Regierung Conte I dominierte der andere Partner von der Lega, Innenminister Matteo Salvini, das Geschehen – und zwar mit der rigorosen Politik der geschlossenen Häfen, Porti Chiusi, gegen die er sich noch heute gerichtlich rechtfertigen muss, und dem Motto, zuerst die Italiener in Arbeit zu bringen. Eigentlich Di Maios Aufgabe, doch der blieb blass neben Salvini. Giuseppe Conte, der parteilose Premier, sollte ein paar Jahre später als Vorsitzender zu den M5S wechseln, nachdem Salvini die Regierung platzen ließ, und Conte auch danach kaum noch vermitteln konnte.

Auch im Vielparteien-Kabinett um Mario Draghi verloren die Cinque Stelle immer mehr an Zuspruch, was sich in den vergangenen Kommunalwahlen gezeigt hat. Wofür stehen die Cinque Stelle, und vor allem, wofür der Außenminister Di Maio selbst, der sich diesen Bereich sofort gegriffen hat?

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Europäer uneinig im Ukraine-Krieg
Während der Pandemie, waren die Grillini eher Spezialisten des mal Hü und dann Hott. Eine klare Linie war nie zu erkennen, von Lockerungsbefürwortern bis hin zu den eisernen und restriktiven Befürwortern der Maßnahmen. Okay, die Pandemie war kein einfaches Unterfangen. Aber, was spricht gegen eine klare Linie, für die Bürger und Arbeitnehmer? Nein, eher sahen auch sie den Staat als Nannystaat der Vollversorgung für alle. Zu einfach und kaum unterscheidbar von denen, die sie Richtung Va fan culo orchestrieren wollten. Und wie oft hatte Di Maio selbst über andere Politiker gesagt, diese würden bei und trotz Versagens in ihren Sesseln, den poltrona, kleben?

Momentan scheint es ganz so, als würden sich die Cinque Stelle pulverisieren. Der Ukraine-Konflikt geht quer durch die Regierung – alleinige Gewinnerin überall die Oppositionspartei der Giorgia Meloni, Fratelli d‘ Italia. Kohärent und logisch argumentierend bindet die Partei Wählerschichten und kapselte sich gar kurzzeitig von Matteo Salvini und dessen Lega ab, zu nah sei die Lega an Draghis Geld sowie transatlantischer Politik. Matteo Salvini wiederum, die Meloni dennoch umgarnend, meinte nur: „Die Lega ist auf dem politischen Spielfeld, um die Entscheidungen nicht anderen zu überlassen in Krisenzeiten. Die Lega stehe für die Arbeitnehmer, die Wirtschaft, den wichtigen Tourismus und für Frieden in Italien und in der Ukraine.“ Ganz klar müsse man auch Putin an den Tisch holen, wenn man Frieden haben wolle, und außerdem müssten die immensen Gas- und Stromrechnungen reduziert beziehungsweise die Italiener unterstützt werden, die Unternehmen sowieso.

Ähnlich denkt auch Giorgia Meloni, die das rechte Bündnis nicht um jeden Preis, schon gar nicht durch das Aufgeben eigener Ideen und Positionen, aufrechterhalten möchte oder gar müsste. Aber keine Sorge, Lega und Forza Italia, mit Salvini, Berlusconi und Tajani, bleiben am Ball – nur eine starke Rechte bringe Italien weiter. Italien müsse als Leader für die anderen Nationen mit Ideen vorangehen, adressierte die Meloni Mario Draghi. Der agiere zu USA- und EU-gesteuert. Immerhin, klare Ansagen.

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Und die Cinque Stelle und Conte oder „Gigino“ Di Maio? Giuseppe Conte sprach sich ganz klar gegen größere Waffenlieferungen aus – bitte, schon gar nicht noch mehr aus Italien. Dagegen ist der Außenminister in den Genuss der Vorzüge eines Außenministers gekommen – und möchte die Ukraine gewinnen und Russland am Bode sehen – nur, wie realistisch ist das? Di Maio möchte nun dortbleiben und sitzen, wo es warm ist, bei Mario Draghi und in dessen Dunstfeld. Unterstützung hat er jedenfalls. Es geht ein Riss durch die Regierung und der M5S – weil sich Conte und eine Mehrheit gegen Waffenunterstützung ausgesprochen hat. Conte gegen Di Maio?

Der Außenminister trat aus der Partei aus, um eine andere und eigene zu gründen, aber vor allem, um den Außenministerposten zu behalten. Circa 60 Abgeordnete möchte er mitnehmen. Das wäre das Ende der Cinque Stelle, aber vielleicht auch das einer wackeligen Draghi-Regierung. Gigino Di Maio selbst möchte sicher nicht mehr dorthin zurück, woher er einst kam – aus dem Großen Rund in Napoli, wo er anderen als Aushilfskraft die Plätze zuweisen musste, und die Fans stets „Va fan culo“ skandieren.

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Kommentare ( 3 )

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Biskaborn
1 Jahr her

In Italien könnte es neben Ungarn in Zukunft vielleicht einen zweiten Staat innerhalb der EU mit konservativer Ausrichtung geben. Könnte, ich glaube eher das sich die Konservativen nicht einigen können und zuvor die EU mit massiven Geldgeschenken diese Entwicklung rechtzeitig stoppt.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Das Chaos regiert nicht nur in Italien. Dort zwar mehr oder weniger schon immer irgendwie, aber nun hat dies auch eine besondere Qualität. Die Politdarsteller, selbst wenn es noch echte Politiker sind, können, selbst wenn sie es wollten, die Probleme der Menschheit nicht mehr lösen. Es sei denn, es gäbe einen echten Weltkrieg, der sich tatsächlich auf allen Kontinenten, ohne Ausnahme, abspielen würde und die Weltbevölkerung drastisch reduziert würde und die Infrastruktur und Städte verwüstet. Dann wäre ein Neuanfang wirklich möglich und für die Überlebenden gäbe es Freiheit, gäbe es Wohlstand, gäbe es Lebensqualität. So aber wird herumgedoktert, Geld gedruckt,… Mehr

Peter Gramm
1 Jahr her

nicht nur in Italien herrschen Zustände, sondern auch bei uns. Glaube kaum dass es überhaupt noch jemanden gibt der weiss wer wo wieviel wann welche Schulden zu bedienen hat. Selbst unser Finanzminister scheint mir diesbezüglich überfordert. Der redet zwar immer ganz wissend daher. Nach ein paar Monaten ist er wieder weg und der nächste Indianer darf ran und den Marterpfahl neu schmücken. Vielleicht nur schöner Schein. Vergleichbar der ehemaligen SED. da war auch zum Schluß die Kohle weg und keiner wußte mehr Bescheid und wir hatten angeblich den ganzen Laden übernommen. Es ist wie beim Monopoly – zum Schluß hat… Mehr