Die internationale Anerkennung der Taliban ist schleichend im Gange

Die USA haben stärker als bisher bekannt mit den Taliban kooperiert. Auch Deutschland überwies Geld ins Land. Bald werden die Taliban wohl mit westlichen Regierungschefs am Tisch sitzen.

IMAGO / Xinhua

Vor einigen Tagen erst wurde öffentlich, dass die USA sich auf die Taliban bei der Sprengstoffkontrolle am Kabuler Flughafen verließen (TE-berichtete) – bevor dann bei einem Anschlag 13 US-Marines getötet wurden. Doch damit nicht genug: Wie CNN jetzt berichtet, setzt die US-Regierung weiter auf die Unterstützung der Taliban – man teilte Geheimdienstinformationen über den Aufenthaltsort von US-Staatsbürgern und ließ die Taliban diese dann zum Flughafen eskortieren. Was die Gegenleistung ist, ist bisher nicht bekannt.

Die Taliban bemühen sich dieser Tage darum, sich ein legitimes Image zu verschaffen. Abdul Qahar Balkhi, Sprecher der Taliban und Mitglied ihrer „Kulturkommission“ erklärte, dass die Islamisten in Zukunft eine Rolle in der Welt spielen wollen. „Wir hoffen, dass die Weltgemeinschaft uns als die legitimen Repräsentanten der Völker Afghanistans anerkennt, die ihr Selbstbestimmungsrecht von fremden Besatzern mit der Unterstützung der gesamten Nation zurückerobert haben“, sagte der Talib der amerikanischen Nachrichtenseite Newsweek. „Wir glauben, dass die Welt eine einzigartige Gelegenheit hat, sich einander anzunähern und gemeinsam die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen nicht nur wir, sondern die gesamte Menschheit steht.“

Nachrichtendienstliche Informationen geteilt
Terroranschlag auf Flughafen Kabul: USA verließen sich auf Kontrollen der Taliban
Nachdem die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen haben, rufen immer mehr Stimmen nach einer Realpolitik. Die Welt scheint sich mit den Islamisten arrangieren zu wollen. Das belegt nicht zuletzt auch das Ausmaß der US-Kooperation mit den Taliban im Rahmen des NATO-Truppenabzugs. Auch und gerade außerhalb des globalen Westens ist man anscheinend bereit, den Taliban die Hand zu reichen. Das von Russland geführte Bündnis der „Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit“ (OVKS) traf sich bereits zu einer außerordentlichen Konferenz. Der weißrussische Präsident Lukaschenko drängte dort auf eine gemeinsame Position mit der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ (SOZ). Die SOZ ist ein regionaler Block, dem China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan, Usbekistan und bald der Iran als Mitglieder angehören. „Angesichts der diplomatischen Bemühungen der Taliban, Beziehungen zu den wichtigsten Akteuren in der Welt und in der Region aufzubauen, neigen einige Länder bereits dazu, die Bewegung anzuerkennen“, sagte Lukaschenko. „Für unsere Organisation ist es von entscheidender Bedeutung, klar zu verstehen, wie real diese Aussichten sind und welche Position wir in diesem Fall einnehmen sollten.“ Viel hänge jedoch von der Entscheidung Moskaus als „Big Player“ der Organisation ab. Der Kreml hat bisher Zurückhaltung erkennen lassen. Dort teilte man über einen Sprecher mit, eine Politik der Nichteinmischung betreiben zu wollen.

China hingegen gibt sich offener gegenüber den Taliban. Die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, nahm am Donnerstag in einer Pressekonferenz Versprechen der Taliban zur Kenntnis, sich um eine friedliche Lösung der Probleme zu bemühen und eine „offene und inklusive islamische Regierung“ zu bilden, die die Rechte von Menschen mit unterschiedlichen ideologischen Ansichten und ethnischen Hintergründen respektiere. China habe „bemerkt, dass einige politische Persönlichkeiten Russlands und anderer Länder sowie viele internationale Medien das Verhalten der afghanischen Taliban nach ihrem Einmarsch in Kabul anerkannt haben und glauben, dass es sich dabei um gute, positive und pragmatische Aktionen handelt“.

Deutsche Dekadenz
Die Ersetzung des Prinzips Verantwortung durch das Heiko-Prinzip
„Wir ermutigen die afghanischen Taliban, ihren positiven Erklärungen Taten folgen zu lassen, sich mit allen Parteien und ethnischen Gruppen in Afghanistan zu vereinen, so schnell wie möglich einen breit angelegten, inklusiven politischen Rahmen zu schaffen, der den nationalen Bedingungen entspricht und durch Dialog und Konsultation die Unterstützung der Öffentlichkeit gewinnt, und eine gemäßigte und umsichtige Innen- und Außenpolitik zu verfolgen“, sagte Hua. Peking scheint ernsthafte Interessen zu haben, mit den Taliban zu kooperieren. Afghanistan, das mit einem kleinen Zipfel an China grenzt, ist aufgrund seiner geographischen Lage von Bedeutung für dessen Weltmachtstreben. Es könnte Drehkreuz des Handels auf Chinas „neuer Seidenstraße“ sein, wenn es die nötigen Straßen und Zugstrecken gäbe.

Nicht zuletzt verfügt das Land auch über Ressourcen, die China gerne ausbeuten würde: Seltene Erden, Kupfer, Gold und Lithium. Um wirtschaftlich und geostrategisch zu profitieren, bräuchte Afghanistan jedoch eine stabile Regierung mit akzeptablem Image. Der chinesische Außenminister Wang Yi soll bei einem Treffen mit den Taliban offenbar bereits auf ein „rebranding“, ein neues Image für die Taliban gedrängt haben. Doch die Skepsis gegenüber den Gotteskriegern ist noch groß: Nicht zuletzt, weil China in seiner östlichen Provinz Xinjiang selbst aggressiv gegen Muslime vorgeht. Die Angst, dass aus dem an das Gebiet angrenzende Afghanistan ein zusätzlicher Problempunkt für Chinas Unterdrückung der Uiguren erwachsen könnte, ist in den Hinterköpfen der Diplomaten und Strategen in Peking wohl präsent.

Doch allein die theoretische Offenheit seiner größten globalen Gegenspieler gegenüber den Taliban setzt auch den Westen unter Zugzwang. Deutschland hat zwar die Entwicklungshilfezahlungen nach Afghanistan eingestellt, viele westliche Länder haben Afghanisches Staatsvermögen im Ausland eingefroren – doch dass die Taliban nun Realität sind, ist unbestreitbar. Und über UN-Organisationen wird auch weiter westliches Geld ins Land kommen. Der Mythos von den „gemäßigten Taliban“ kommt da nicht nur den Gotteskriegern selbst, sondern auch so manchem Politiker in Amerika und Europa sehr gelegen. Die 20-Jährige Intervention soll so zumindest das erreicht haben – moderate Mudschahedin, mit denen zu kooperieren den eigenen Bevölkerungen verkauft werden kann.

Dieser Mythos hat mit der Wirklichkeit allerdings wenig zu tun – die Scharia bietet keinen Raum für Kompromisse oder Moderierung. Bereits jetzt gibt es Berichte aus Afghanistan über Zwangshochzeiten und barbarische Strafen bis zu Hinrichtungen – die Taliban sind und bleiben Taliban. Sie wissen auch, dass man als islamistisches Regime durchaus Gesprächspartner des Westens sein kann – Pakistan, der langjährige Förderer der Taliban, beweist das genauso wie der Iran, dessen Flagge man auch schon längst in den Hauptstädten der Welt gehisst hat. Ein wirklich „inklusives“ Regime braucht es da gar nicht. Die Taliban setzen darauf, dass der Westen auch nach dem Abzug seiner Truppen mit ihnen reden wird – allein schon, weil es seine globalen Gegenspieler tun werden.

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Kommentare ( 14 )

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the NSA
2 Jahre her

solche starke Ansichten, faktisich mehrheitlich korrekt, sind leider fuer viele Leser hier schlecht verdaulich!
Ausser einer kleinen Minderheit denken hier die meisten im noch wie 1945-1989: USA gut, RU schlecht….und der ‚WESTEN‘ will ja bloss ‚FREEDOM + DEMOCRACY‘ auf der ganzen Welt……

Falk
2 Jahre her

PS an alle negativ bewerter:
Stellt es euch Andersherrum vor.
Afghanen, Pakistani, Kataris, Quwaities usw usw würden Deutschland besetzen, würden versuchen ihre, nämlich die richtigen und einzig wahren Werte, hier durchzusetzen.
Demokratie wird quasi abgeschafft – dafür hat die Religion das sagen, Alcohol verbieten, Geschlechtertrennung usw usw…

… Ein anderer Blickwinkel, zum Nachdenken!

Falk
2 Jahre her

Ich verstehe die „Daumen nach unten“ nicht ganz. Andere Werte – das ist das Zauberwort schlechthin!! Ich kann nicht für Afghanistan sprechen, war selbst aber in Pakistan. Die Unterschiede der Kulturen, der Werte, sind nahezu unglaublich, besonders für Menschen, die das nie „live“ gesehen haben. Allein das Stichwort „GESCHLECHTERTRENNUNG“!! Das muss man sich einmal versuchen vorzustellen! Es wird mit dem anderen Geschlecht nicht gesprochen, noch nichtmal angeguckt, man befindet sich nie im selben Raum mit dem anderen Geschlecht, es sei denn Familie, oder mit männlichen Aufpasser… So wenig ich mich an die pakistanische Kultur, an ihre Werte anpassen könnte und… Mehr

Kuno.2
2 Jahre her

China dürfte mehr zu bieten haben wie der Westen. Auch Russland hat bereits den Wiederaufbau Afghanistans ins Auge gefasst. Wir werden dann wieder dasselbe machen, was wir immer tun: zahlen.

Edu
2 Jahre her

SOZ Mitgleder und sonstige Status siehe :
Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit – Wikipedia
Rußland ist Gründungsmitglied, russisch und chinesisch sind Amtssprachen.
Dieser von Ihnen sogenannter „Regionale Block“ dürfte mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung umfassen – dagegen ist die Nato doch eher …. sicherlich nicht „die“ internationale Gemeinschaft.

giesemann
2 Jahre her

Es gibt eben eine Internationale der Männergesellschaften.

Kraichgau
2 Jahre her

mal etwas grundsaetzliches zur Sharia: was den meisten Menschen im westlichen Kulturkreis unbekannt ist, ist die Tatsache,das es durchaus Möglichkeiten gibt,den drastischen Strafen zu entkommen: 1.Blutgeld….nach einer gewissen Zeitspanne der emotionalen Abkühlung wird zwischen beiden Familien/Clans verhandelt,was als akzeptable Entschaedigung gelten kann, so werden auch Mord und Totschlag beiseite gelegt. 2.“Vergebung“…ein Geschaedigter kann auch ohne Geldzahlung zb eine Affekthandlung nachträglich legitimieren, wenn andernfalls Blutrache der Gegenseite droht. defakto sind in einem Shariastaat nur die Armen wirklich die „Prozessopfer“, bestes Beispiel dafür die UAE,auch ein Shariastaat, in dem hochgestellte Persönlichkeiten auch mit Totschlag per PKW durchkommen, wenn das Blutgeld stimmt. eine… Mehr

Nibelung
2 Jahre her

Was für eine trübe Nummer wird hier den Bürgern vorgespielt? Die einzige erkennbare Wahrheit ist die Flucht der Marijonettenregierung des Westens, denn die hatte von anfang an keinen Rückhalt in der Bevölkerung und die sogenannten Ortskräfte, was für ein schönes Wort für Kollaborateure mit exorbitanten Einkünften, die nun um ihre eigene Sicherheit fürchten, was in jedem Krieg normal ist, nur nicht in unserer idiologischen Betrachtungsweise. Das Ende der Besatzung wurde durch zwischen Trump und den Taliban festgelegt und sollte Mai dieses Jahres schon beendet sein und wenn nun die Schlafmützen oder Falschspieler den Termin verpaßt haben, dann müssen sie sich… Mehr

EinBuerger
2 Jahre her

Die Taliban werden halt versprechen, dass sich bei ihnen keine internationale Islamisten aufhalten dürfen. Wobei sie dieses Versprechen niemals einhalten könnten, selbst wenn sie es wollten. Da sprechen Geographie, Gastfreundschaft, gemeinsamer Glaube, … dagegen.

Hieronymus Bosch
2 Jahre her

Der weste hat doch zur Genüge seine Schwäche dokumentiert, ein muslisches Land nach 20 Jahren in einen demokratischen Staat zu verwandeln. Damit hat sich der Westen wieder einmal als „Papiertiger“ offenbart, der laut brüllen, aber nicht zubeißen kann. Hier will man einfach nicht begreifen, dass man politische Diktaruren nur doch neue politische Diktaturen ersetzen kann, will man politische Stabilität erreichen. Russland und China zeigen das zur Genüge! die Taliban haben die Machtlosigkeit des Westens natürlich längst erkannt. Kein westlicher Staat wird jemals wieder einen Krieg mit ihnen anfangen, höchstens noch radikalere Kräfte aus dem Inneren könnten sie besiegen. Also haben… Mehr