Deutschland ist Geisterfahrer auf der europäischen Autobahn

Finnland, Norwegen, die Schweiz und selbst Italien stellen baldige Lockerungen oder sogar ein Ende der Corona-Maßnahmen in Aussicht. In Dänemark fallen heute so gut wie alle Beschränkungen. In Deutschland will man Oben über einen Ausstiegsplan nicht vor Ostern nachdenken.

IMAGO / Ritzau Scanpix
Ungewohnte Bilder aus Dänemark: Hier kauft man wieder ganz ohne Maske ein.

Der Club der Länder, die ihre Maßnahmenpolitik lockern oder ganz aufheben, ist größer geworden. Die finnische Premierministerin Sanna Marin verkündete am Montag, im Februar sämtliche Corona-Regeln aufzuheben. Das Kabinett werde am Mittwoch einen Fahrplan beraten. Die Fallzahlen seien rückläufig, die Impfung hätte dazu beigetragen, hohe Hospitalisierungsraten zu verhindern. Man sei in einer guten Position, um die Einschränkungen aufzuheben. „Wir sehen Beispiele in anderen Ländern, die darauf hindeuten, dass es möglich ist, die Gesellschaft kontrolliert, aber schnell zu öffnen“, sagte die Finanzministerin Annika Saarikko.

Für das Nachbarland Norwegen wird erwartet, dass Premierminister Jonas Gahr Støre heute Abend eine Stellungnahme zu Lockerungen abgibt. Das meldete der öffentlich-rechtliche Rundfunk Norwegens NRK. Die Regierung hatte bereits im Vorfeld Erleichterungen signalisiert. Zwar könne von einer vollständigen Öffnung „dänischen Stils“ keine Rede sein. Es gibt aber Anzeichen dafür, die Quarantäne-Regeln, Homeoffice-Pflicht und Einreisebestimmungen anzupassen.

Selbst in Italien denkt man laut über das Ende der Maßnahmen nach

Auch in der Schweiz mehren sich die Anzeichen baldiger Lockerungen. Gesundheitsminister Alain Berset kündigte den Wegfall der Quarantäne nach Kontakt mit Infizierten und der Homeoffice-Pflicht bereits für diesen Mittwoch an. Seitdem mehren sich die Stimmen, die eine Aufhebung sämtlicher Maßnahmen in der Eidgenossenschaft befürworten. Bei den Spitälern insgesamt, nicht nur auf den Intensivstationen, drohe derzeit keine Überlastung, erklärte Berset. Aufgrund der „Durchseuchung“ mit Omikron beträgt die Immunisierung in der Schweiz rund 90 Prozent. Der ehemalige Basler Kantonsarzt Thomas Steffen spekulierte sogar, dass man ab März „völlig maskenfrei“ sein könne.

Selbst in Italien, wo zusammen mit Deutschland und Österreich die härtesten Corona-Regeln in Europa herrschen, deuten sich Überlegungen an, eine Exit-Strategie vorzubereiten. Zwar hat die Regierung zum 1. Februar einige Maßnahmen weiter verschärft. So wird das Impfzertifikat von 9 auf 6 Monate – entgegen EU-Bestimmungen – gesenkt und eine Impfpflicht für Personen über 50 Jahre eingeführt.

Zugleich äußerte Pierpaolo Sileri, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, dass man die Spitze der Omikron-Welle durchgestanden hätte. Omikron sei für Geimpfte wie eine schwere Grippe, eine „Koexistenz“ mit dem Virus stehe bevor. Er nannte den 31. März als Enddatum des Notstands. Bereits Ende Februar hätte man jedoch die meisten Regeln abgeschafft, die jetzt gelten würden. Auch der „Green pass“ könne dann „überdacht“ werden.

Kretschmann: Keine Exitstrategie vor Ostern

Dänemark stuft dagegen ab heute COVID-19 nicht mehr als „gesellschaftskritische Krankheit“ ein, nachdem die Regierung diesen Schritt letzte Woche angekündigt hatte. Mund-Nasen-Schutz und Impfzertifikat fallen damit weg. Großveranstaltungen und das dänische Nachtleben kehren zurück. Dänemark ist das erste EU-Land, das in der Omikron-Welle ein Ende aller Corona-Beschränkungen beschließt. Einzig bei der Einreise von Ungeimpften gibt es noch Hürden. Zuvor hatte das Vereinigte Königreich den Ausstieg aus den Corona-Maßnahmen angekündigt. Auch in Spanien will man einen neuen Kurs einschlagen.

In Deutschland bleiben solche Szenarien reine Utopie. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte vor „haltlosen Ausstiegsdebatten“, man sei immer noch in einer dramatischen Situation. „Wir brechen keine Debatte über Exitstrategien vom Zaun – das wäre völlig unangemessen und das völlig falsche Signal“, sagte Kretschmann auf einer Regierungspressekonferenz. Eine Debatte über Exitstrategien vor Ostern „sehe er überhaupt nicht“.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 67 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

67 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
metron
2 Jahre her

Wochenlang diente das bayer. Mühldorf am Inn als Horrorkulisse für die ÖR Propagandakompanien. Die Ärzte wüßten nicht, wo ihnen der Kopf steht, ein apokalyptischer Hotspot ohne Aussicht auf Besserung, Triagen an der Tagesordnung.
Jetzt hört man nichts mehr. Ach ja, die aktuelle Zahl lautet:
2 Covid-Patienten (aller Altersgruppen) auf Intensiv, davon Null mit Beatmung
Quelle:
https://intensivstationen.net/wp-content/uploads/bundesland/Auslastung_Intensivstation_Muehldorf_a.Inn_09183_4.png
Intensiv-Bettenabbau dort übrigens – mitten in der ‚Pandemie‘ – von 29 (2020) auf 17 (heute), Impfquote im Bundesdurchschnitt.

Rob Roy
2 Jahre her

Nachdem Ministerpräsident Daniel Günther den Hardliner in Sachen Corona-Maßnahmen gegeben hat, hat er wohl gerade in seinen Terminkalender geschaut und festgestellt, dass ja dieses Jahr Landtagswahl in Schleswig-Holstein ist.
Und schwupps, lässt er er zu Zugeständnissen hinreissen: 2G oder 3G im Einzelhandel sind vom Tisch, Maske für alle genügt nun.
Aber es genügt natürlich nicht: Sämtliche Maßnahmen müssen weg. Und wenn nicht ein Bundesland anfängt damit, bewegt sich hier nichts.

Alt-Badener
2 Jahre her

Es wird ja in diesem unserem Land permanent etwas von Demokratie geschwafelt, also von einem Gemeinwesen, in welcher eigentlich das Volk letztendlich bestimmt. Hier bei uns ist das wahrlich nicht der Fall, hier herrschen eine handvoll Parteiideologen, die sich wie anno dazumal die Fürsten und Adeligen aufführen. Dieses Land ist nach wie vor ein trauriger Obrigkeitsstaat, die ehemaligen Kurfürsten nennen sich jetzt Ministerpräsidenten und ganz oben nennt sich der Kaiser eben Kanzler, umgeben von Höflingen. Und die befehlen ihre Durchsetzungstruppen, heute heißen sie Polizei. Und die Bürger sind, machen wir uns nichts vor, nach wie vor Untertanen, die alle paar… Mehr

GrafZahl04
2 Jahre her

Im Mai sind kleine Bundestagswahlen….wie von Zauberhand, werden ab Mitte Märze die Corona Zahlen deutlich nach unten fallen. Die Maßnahmen werden gelockert, Zuckerbrote werden verteilt. Erst nach nach dieser Wahl werden Maßnahmen ergriffen werden müssen, die jetzt noch haben vorsehen können.

Don Nicolas
2 Jahre her

Im NDR auf dem roten Sofa saß letzte Woche Frau Christina Schröder, ehemals Familien Ministerin unter Merkel. Als die Rede auf Corona kam sagte sie sinngemäß Deutschland werde das letzte Land sein, das die Corona Regeln lockert. Autoritäres Gehabe und Untertanengeist seien die Gründe.
Bezeichnend übrigens, dass solche Leute der Politik den Rücken gekehrt haben. Zur Fauenquote befragt fand sie es unmöglich, einem besser qualifizierten Mann zu sagen, der Posten geht nicht an dich, weil du keine Eierstöcke hast.

Dozoern
2 Jahre her

Deutschland hat die meisten „geistigen Stalinisten“ in seinen Regierungen und in allen (!) Parteien. Die haben sich derart verrannt, dass ein schneller Ausstieg einer Kapitulation gleich käme. Also werden sie den „Endkampf“ bis zum bitteren Ende führen, nämlich bis April, wo ihnen die natürliche Welle des Virus sowieso das Licht ausgeblasen hätte. Dann und nur dann können sie behaupten, SIE hätten das Virus besiegt. Vorher werden sie noch die Ungeimpften Pflegekräfte mobben und evtl. die Bevölkerung. Wehe, wehe diesen Typen bei den nächsten Wahlen! Fünfzehn Millionen vergessen nichts!

Emsfranke
2 Jahre her

Kretschmann ist ein Realist. Aber seine Realität ist die Macht. Wenn zur Politik unfähige Exekutanten, der auch dieser ehemalige Maoist zuzurechnen sein dürfte, Macht in den Händen halten, die sie sich aufgrund von Notlagen und dynamisch angepassten Rechtsgrundlagen angeeignet und ihren Moralismen untergeordnet haben, dann wollen Politiker dieser Machart die unverhofft zugeschusterte Macht nicht mehr loslassen. Sie pervertieren ihre Macht (siehe der angedrohte Gebrauch von Hilfsmitteln der Gewalt in Ostfildern oder Enlassungen einer wenig begabten Innenministerin zu Demonstrations- und Meinungsfreiheit oder die einem Raubzug gleichen Drohgebärden eines Herrn Detlef Scheele, nicht vergessen werden darf die verfassungswidrige Ministerpräsidentenkonferenz zur Einschränkung von… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Emsfranke
Oneiroi
2 Jahre her

Das die Deutschen irgendwie anders ticken als alle anderen Europäer, haben sie nicht nur einmal bewiesen. Das ist bekannt und wird sich wohl auch nicht ändern, wenn man nicht anfängt das tiefere Problem, warum immer wieder die Deutschen?, zu analysieren.
Ist das was psychisches oder genetisches?

Julischka
2 Jahre her

Ist doch klar, daß es noch bis Ostern dauert! Dann nämlich wird verkündet, daß Spritze Nr.4 erhältlich ist! Und erst wenn genügend Vierfachgeimpft (Doppelbooster?) sind könnte man eventuell, vielleicht, möglicherweise über Lockerungen NACHDENKEN! Leute geht spazieren, TÄGLICH!!!

Michael M.
2 Jahre her

Oh mei der Kretschmann (stuft sich der nicht sogar selbst als Kommunist ein?), den kann man nun wirklich nicht mehr Ernst nehmen. Allerdings hält sich mein Mitleid mit den Ländle-Bewohnern sehr stark in Grenzen, Wahlergebnis mehr sog i ned.
Aber so sind sie nun mal die Ideologen. Opportunisten hingegen passen sich vollflexibel den Umfragen/Stimmungen an und 3x dürfen Sie raten warum der Söder mal wieder flugs die Meinung gewechselt hat. Die Spaziergänge und die Demos wirken eben doch …