Bidens Schattenkabinett: Die Rückkehr des Establishments

Langsam zeichnet sich ab, wie das Kabinett eines Präsidenten Biden aussehen könnte. Eine stark interventionistische Wirtschaftspolitik droht, insgesamt setzt Biden aber auf gemäßigte Kandidaten. Von Max Roland & Sebastian Thormann.

imago images / ZUMA Wire

Als Finanzministerin holt Biden mit Janet Yellen ein Konsenskandidatin an den Kabinettstisch. Die 74-Jährige war unter Obama bereits Notenbank-Chefin, sogar Republicans unterstützten sie damals bei ihrer Bestätigung durch den Senat, von denen viele heute noch im Amt sind. Yellens voraussichtliche Ernennung wäre ein Sieg für die moderaten Democrats, während der linke Flügel der Partei lieber die Senatorin Elizabeth Warren in diesem Amt sehen will.

Yellen, die 2018 aus dem Vorstand der Notenbank zurücktrat, gilt als eingefleischte Keynesianerin und dürfte daher gegenüber massiven staatlichen Konjunkturprogrammen mehr als offen sein. Dabei ist es die keynesianistische Philosophie des wirtschaftlichen Interventionismus gewesen, die Amerika seit den Clinton-Jahren von Krise zu Krise hat torkeln lassen. Nichtsdestotrotz wird die Organisation eines massiven Finanzpaketes für die US-Wirtschaft eine ihrer Kernaufgaben sein. Kurze Wege zwischen dem Finanzministerium und der Notenbank sind garantiert, denn auch ihr dortiger Nachfolger im Fed-Vorstand ist auf einer ähnlichen monetärpolitischen Linie. Vor dem Hintergrund der Coronakrise hat die Zentralbank bisher eine extrem expansionistische Geldpolitik verfolgt, kauft zum Beispiel unbegrenzt Staatsanleihen und hat den Leitzins auf knapp über Null Prozent gesenkt. In Washington rechnet man daher damit, dass Yellen das billige Geld nutzen und billionenschwere Konjunkturprogramme auf den Weg bringen wird.

Dass der Staat mit seinem Geld lenken soll, ist eine Kernüberzeugung Yellens. So tritt sie für CO2-Abgaben ein, um den Klimawandel zu bekämpfen. Und sie ist fest davon überzeugt, dass man mit einem wirtschaftspolitischen Kulturwandel dabei helfen kann, Ungleichheit oder Rassismus zu bekämpfen.

Obama-Außenpolitik mit einem Lichtblick

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Außenminister einer Biden-Administration soll Antony Blinken werden. Blinken war zuvor in verschiedenen Positionen in der Obama-Administration und schließlich als Vize-Außenminister tätig. Er ist ebenfalls kein Vertreter des radikalen Linksaußen-Flügels der Democrats, er gehört eher ihrem Establishment an. Das heißt, eine isolationistische Außenpolitik bleibt den USA erspart, es sieht hier nach einer Rückkehr der Obama-Außenpolitik aus – aber die ist auch nicht ohne desaströse Fehltritte ausgekommen.

Blinken behauptete dieses Jahr, die Trump-Regierung habe China geholfen, indem sie “die amerikanischen Allianzen geschwächt, ein Vakuum in der Welt für China hinterlassen, unsere Werte aufgegeben und China grünes Licht gegeben habe, um die Menschenrechte und die Demokratie von Xinjiang bis Hongkong mit Füßen zu treten”. Es war allerdings jemand anderes der zumindest den Eindruck machte, dafür “grünes Licht” zu geben: 2015, als China mit seinen Umerziehungslager in Xinjiang begonnen hatte, lobte Blinken das Regime dafür, dass es “vor der wachsenden Anziehungskraft der extremistischen Ideologie in seiner Jugend” schütze.

Er machte damals auch den Eindruck, dass er mit dem wachsenden Einfluss Chinas in Zentralasien und Europa kein Problem hätte, sondern das sogar unterstützen würde, er erklärte: “China spielt in der Region eine große Rolle mit seinen ehrgeizige Plänen, die asiatische Konnektivität über Land- und Seewege voranzutreiben. Es hat zig Milliarden Dollar für den Bau von Straßen und Schienen aufgewendet, um seine Fabriken und Märkte in Asien und Europa besser miteinander zu verbinden. […] Der Ausbau der Infrastruktur in Zentralasien kann unsere eigenen Bemühungen voll ergänzen.”

Gut möglich, dass sich seine Ansichten geändert haben, zumindest das Statement aus diesem Jahr lässt schließlich den Eindruck zu. Anders als er behauptet, hat die Trump-Regierung tatsächlich einen konfrontativeren Kurs gegenüber China gefahren und auf die angesprochenen Menschenrechtsverletzungen mit Sanktionen reagiert. Die Frage wird nun sein, ob die neue Biden-Regierung diesen Kurs mit Blinken weiterfährt und ob sie es eventuell schafft, Handelsbündnisse gegen China zu schließen und etwa das Pazifische Freihandelsabkommen TPP wiederzubeleben.

METZGERS ORDNUNGSRUF 46-2020
Frau Yellens Gespür für die Ungleichheit
 Der jüdische Politiker Blinken gilt aber außerdem als Freund Israels. Wie seine Nahost-Politik am Ende tatsächlich aussieht und wie sie sich von Obamas fatalem antiisraelischen Kurs unterscheidet, bleibt abzuwarten. Zumindest zu dessen Syrien-Politik sagte Blinken rückblickend: “Ich glaube, jeder, der für unsere Syrienpolitik verantwortlich war, muss in den Spiegel schauen und sagen, dass wir versagt haben. Punkt.”

Erfahrung mit Obamas Fehltritten im Nahen Osten hat auch ein anderer gesammelt: Jake Sullivan. Er soll nun den wichtigen Posten des Nationalen Sicherheitsberaters des Präsidenten bekleiden und arbeitete zuvor ebenfalls in der Obama-Administration, damals als Nationaler Sicherheitsberater für Vizepräsident Biden und als Stellvertretender Assistent des Präsidenten. Sullivan war einer der Architekten des desaströsen „Iran-Deals“.

Als Teil des Deals, der eigentlich Irans Atomprogramm stoppen sollte, bekam das islamistische Regime in Teheran Berge an Bargeld eingeflogen. Teherans Terrorfinanzierung wurde ignoriert und seine Raketenentwicklung war unter dem Abkommen ebenfalls legal. Die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen half dem internationalen Handel des Regimes. Und Berichten zufolge haben sich die Mullahs, wie von vielen Kritikern vermutet, von Anfang an nicht an alle Vereinbarungen gehalten – inzwischen verkünden sie offen die Nichteinhaltung von Bestimmungen zur Urananreicherung.

Friede, Freude, Eierkuchen?
Was bringt Biden für uns?
Sullivan war es auch, der das sogenannte Steele-Dossier für “völlig angebracht” hielt. Das von der Clinton-Kampagne bezahlte Dossier, das der britische Ex-Spion Christopher Steele anlegte, unterstellte eine angebliche Koordinierung zwischen Trump und der russischen Regierung. Diese Vorwürfe wurden damals von der Obama-Administration genutzt, um Mitglieder des Übergangsteams von Präsident Trump abzuhören. Spätere Ermittlungen widerlegten die angebliche Koordination Trumps mit dem Kreml und zeigten u.a. dass es schwere Verfehlungen im Umgang mit diesen unbestätigten Behauptungen gab, die verdreht dem Geheimgericht FISC präsentiert worden waren, um eine Genehmigung für die Abhörung zu bekommen. Heute noch laufen Ermittlungen gegen darin beteiligten Beamte. “Aus meiner Sicht ist nichts daran besorgniserregend”, meinte Sullivan dennoch 2018 über das Dossier.

Als Wackelkandidatin gilt bisher noch Bidens vermutliche Favoritin für das Pentagon. Michelle Flournoy und der designierte US-Präsident kennen sich noch aus Obama-Jahren, wo sie als Beraterin für US-Verteidigungsminister und schließlich als stellvertretende Verteidigungsministerin tätig war. Auch sie gilt als Wahl des Establishments, schließlich arbeitet sie mit Unterbrechung seit knapp zwei Jahrzehnten im Verteidigungsministerium. In dieser Zeit profilierte sich Flournoy, die auch als Transatlantikerin gilt, als „Falke“ in der Außenpolitik: Sie stellte sich hinter den Irakkrieg, trieb den Krieg gegen Gadaffi in Libyen entscheidend voran, unterstützte massive Truppenaufstockungen in Afghanistan und forderte 2016 ein härteres Vorgehen gegen den IS und Syriens Machthaber Assad. Erst dieses Jahr äußerte sie sich kritisch gegenüber einem Aussetzen der Sanktionen gegen den Iran oder Nordkorea. Kein Wunder also, dass sie auf wenig Liebe beim linken Flügel der „Progressiven“ innerhalb der Demokratischen Partei stößt: Ro Khanna, Abgeordnete aus Kalifornien und Stellvertretende Vorsitzende des „congressional progressive Caucus“, dem Verband der stark linken Abgeordneten im Kongress, hat die 59-Jährige bereits öffentlich für ihre Positionen kritisiert und Forderungen gestellt: Flournoy müsse einem Abzug aus Afghanistan und einer härteren Gangart gegen Saudi-Arabien zustimmen, um die Unterstützung des linken Flügels der Partei zu erhalten.

Alles in allem sieht es so aus, als würden die Fehler der Obama-Administration unter Biden unhinterfragt weitergeführt werden. Eine Hoffnung der Linken scheint sich aber nicht zu erfüllen: Die Linksaußen der Partei, die in Kamala Harris die heimliche Chefin der neuen Regierung gesehen haben, wurden ausgebootet. Bidens Wahl ist ein Comeback des Washington Establishments, ein Zurück in eine vergangene Ära – kein Konfetti-Sieg für linke Architekten einer neuen Gesellschaft.

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Kommentare ( 8 )

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EinBuerger
3 Jahre her

Der Traum der Medien hier ist ja, dass die USA unter Biden endlich die renitenten europäischen Länder zur Raison bringt. Sei es GB, das sich in die Unterordnung unter die EU fügen soll. Seien es Polen und Ungarn, die gefälligst machen sollen, was die richtigen EU-Mitglieder für sie bestimmen.
Die USA unter Biden als eine Art großer Bruder, der die anderen auf dem Schulhof verprügelt oder zumindest einschüchtert, weil man es selber nicht schafft.
Ob das passiert, muss man sehen.

Kassandra
3 Jahre her

Der Noch-Potus sagt: „Biden can only enter the White House as President if he can prove that his ridiculous “80,000,000 votes” were not fraudulently or illegally obtained. When you see what happened in Detroit, Atlanta, Philadelphia & Milwaukee, massive voter fraud, he’s got a big unsolvable problem!“
This claim about election fraud is disputed
Der Zusatz stammt von twitter!

K.Weber
3 Jahre her

Für mich ist die Hauptfrage, ab wann die Bombardierungen und die Drohnenkriege wieder beginnen und ab wann die amerikanischen Jungs wieder in Leichensäcken nach Hause kommen. Nach den 7 (sieben!) heroischen Kriegen des Friedensnobelpreisträgers Obama, mit denen er u.a. Teile Nordafrikas und des Mittleren Ostens in Brand setze und auch uns viel Freunde mit den Folgen bereitete, hat man nun doch mit dem Friedenspräsidenten Trump und vier ruhigen Jahren in Frieden viel Zeit verloren. Vier Jahre vertane Zeit. Die Scharte muss erstmal wieder ausgewetzt werden. Es gibt für das Establishment und die Lobbyisten wieder viel abzusahnen. Nun ja, Biden hat… Mehr

country boy
3 Jahre her

Das kann doch gar nicht sein, dass Biden jetzt Präsident wird. Markus Feldenkirchen vom SPIEGEL hat doch im öffentlichen Fernsehen gesagt, dass Trump einen Staatstreich machen wird. Waren das etwa nur gezielt gestreute Fake News?

Carlotta
3 Jahre her

es ist doch augenfällig, wer BIDEN die strategische ‚Hand‘ führt – zu jung, um mit Memoiren allein bei den Anhängern im Gespräch zu bleiben, griff OBAMA in den Wahlkampf ein und setzte sich vehement für BIDEN als zukünftigen Präsidenten ein. Hillary hielt sich erstaunlicherweise sehr zurück und ließ Barack den Vortritt, könnte allerdings auch dem festgelegten Wahlkampfplan der Democrats entsprochen haben. Nun zieht OBAMA die Fäden im Hintergrund, u.a. auch, damit die Schmach über seine Fehlentscheidungen während seiner Amtszeit in Vergessenheit gerät. Aktuell heißt das Team BIDEN/OBAMA, zumindest solange wie BIDEN gesundheitlich durchhält. Die Helfershelfer wie SOROS u.a. sind auch… Mehr

Last edited 3 Jahre her by Carlotta
Schwabenwilli
3 Jahre her

Leute, der Mann ist seit 50 Jahren in der Politik, da kann man wohl überblicken was von seinen Versprechungen Wirklichkeit geworden ist.

Und wenn ich es im Nachhinein überlege ist einigen linken Demokraten ein richtiger Coup gelungen, indem man das Gerücht gestreut hat das Camilla Harris schon bald den Alters senilen Präsidenten ablösen wird. Damit konnte man vermutlich Millionen dumm naiver Antifa und deren Sympathisanten als Wähler generieren.

IJ
3 Jahre her

Für die US-Amerikaner bedeutet Biden „The swamp is back“ (zu deutsch: Der Lobbyisten-Sumpf ist wieder da.). Die USA werden gegenüber China mit Biden weiter zurückfallen – gemeinsam mit dem globalistisch desorientierten Europa. Wenig wird besser werden in den USA – trotz staatsmännischem Auftreten und Healing-Versprechungen – aber Vieles mit Blick auf die weitere Deindustrialisierung, steigende Staatsschulden, steigende Steuern und die Spaltung in Arm und Reich wird schleichend schlechter werden. Ein bis zwei Jahre wird Biden Trump alles an Problemen in die Schuhe schieben können. Aber spätestens nach 2 Jahren wird Biden als unfähiger Rohrkrepierer da stehen – sofern er gesundheitlich… Mehr

Thorsten
3 Jahre her

Wer die FED kritisiert, der sollte auch mal über die EZB reden. Wobei ich vermute, dass beide Zentralbanken ihre „Fiat Money“-Politik auch mit der Abwehr derselbigen durch die andere Zentralbank bzw. Chinas begründen. Was es aber auch nicht besser macht, denn eine Inflation trifft die Leute die keine inflationssicheren Sachwerte wie Immobilien oder Gold haben. (Wink mit dem Zaunpfahl)
Das Biden auf das „Establishment“ setzt kann ich insoweit begrüßen, als dass der linke Flügel (inklusive BLM und andere „Aktivisten“) nicht so stark an die Macht kommt. Wobei ich dem Braten nicht traue – was später meistens bestätigen dürfte …