Während deutsche Universitäten „kritisches Weißsein“ sezieren, bleichen sich immer noch viele Afrikanerinnen die Haut, verehren westliche Luxusmarken und drucken weiße Maler, Popstars und Pin-ups auf ihre Briefmarken. Ex-Botschafter Volker Seitz zerlegt das bequeme Opfer-Täter-Narrativ und beschreibt einen tief sitzenden Mangel an Eigenbewusstsein afrikanischer Eliten.
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Nichts ist faszinierender als die Wirklichkeit Während es in Deutschland eine ‚kritische Weißseinsforschung‘ gibt, die das Paradigma ‚Weißsein‘ als Schlüsselkategorie von Rassismus untersucht, finden in Afrika sogenannte Whitening- Produkte reißenden Absatz, müssen afrikanische Modeschöpfer gegen das Vorurteil vieler Afrikanerinnen kämpfen, dass Qualität nur aus dem Ausland kommen kann. Reiche Afrikanerinnen ziehen es vor, in Paris und Mailand, französische oder italienische Marken zu kaufen. Und schließlich werden auf afrikanischen Briefmarken weiße Maler oder Pin-ups abgebildet.
In vielen Ländern Afrikas finden sogenannte Whitening-Produkte reißenden Absatz. Die Mittelchen, die ein Aufhellen der Haut verheißen, werden von Frauen angewandt, um dem Schönheitsideal des „weißen Westens“ nachzukommen. Als Wirkstoffe für die Aufhellung kommen vor allem Hydrochinon, Kojisäure und Arbutin zum Einsatz.
Im Namen der „Schönheit“ werden die gesundheitlichen Risiken stark vernachlässigt. In manchen Fällen bleichen Afrikanerinnen ihre Haut, um ihren Brautpreis zu erhöhen. So werden Frauen auf ihr Äußeres reduziert. Die aufgehellten Gesichter sind omnipräsent in Afrika, auf Plakaten, im Fernsehen, in Filmen und auf Produkten in den Supermarktregalen. Die meisten Produkte werden von Models beworben, die eine hellere Haut haben. Wer die Bleichprodukte verwendet, kann den Teint tatsächlich um einige Nuancen verändern. Vor allem aber auch schwer krank werden. Frauen setzen sich massiven Gesundheitsrisiken aus, da die Mittel oftmals weitere gefährliche Inhaltsstoffe wie beispielsweise Quecksilber enthalten.
Ruanda, Nigeria, Südafrika und Kenia haben alle Mittel mit hohem Anteil an Hydrochinon und Quecksilber verboten, wie in vielen anderen afrikanischen Ländern auch. Dennoch boomt das Geschäft, hinter dem ein mehr als zweifelhaftes Schönheitsideal steht. Schönheit, Reinheit und Erfolg – dafür steht für nicht wenige Menschen in Afrika ein heller Teint. Vor allem junge Frauen und Mädchen greifen zu den Cremes. sie sehen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Bleich-Creme und nehmen diese für die vermeintlich schönere Hautfarbe in Kauf.
Eines der größten Risiken ist Hautkrebs, insbesondere in Regionen nahe dem Äquator mit hoher Sonneneinstrahlung. Ronald Hall, Professor für Soziale Arbeit an der Michigan State University, hat empirische Daten gesammelt. Ihm zufolge sind die mit einer dunkleren Haut verbundenen Vorurteile immer noch tief im Unterbewusstsein verankert: „Je heller der Hautton, desto intelligenter, gebildeter und attraktiver wird eine Person eingeschätzt.“
Bitter, aber wahr: In den USA sind hellhäutige Schwarze häufig bei Bildung, Arbeit, Einkommen erfolgreicher als jene mit dunklerer Haut. Vielerorts wird hellere Haut mit Wohlstand assoziiert, denn sie ist ein Indikator dafür, dass man nicht unter der prallen Sonne bzw. in handwerklich stark geforderten Berufen im Außenbereich arbeiten muss.
Trotz bewiesener gesundheitlicher Gefahren ist die Hautaufhellungsindustrie erfolgreicher denn je. In „Schwarze Haut, weiße Masken“ schrieb der Psychiater Frantz Fanon in den frühen Fünfzigerjahren: „…der Schwarze, der seine Rasse weiß machen will, [ist] ebenso unglücklich wie derjenige, der den Hass auf den Weißen predigt.“ (S. 8) und „Der Schwarze will sein wie der Weiße.“ (S.193) Turia Reprint, 2016. Das ist ein mancherorts leider noch sehr großes Dilemma.
Die Menschen in Afrika müssen selbstbewusster werden und mehr an sich selbst glauben. Die Erwartung, dass die Lösung diverser Probleme von Gott, aus dem Jenseits und aus dem Westen kommt, muss enden. Die Menschen müssen endlich damit beginnen, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und im Sinne der Allgemeinheit zu handeln und nicht nur für ihre eigene ethnische oder politische Clique.
Dieses ethnisch orientierte Denken fördert Korruption und verhindert „Nation Building“. Wenn die Besetzung von Arbeitsstellen auf ethnischer Zugehörigkeit basiert und nicht auf Kompetenz und Erfahrung, kann weder ein Unternehmen noch ein Staat gut funktionieren.
Einige afrikanische Designer möchten nicht als afrikanische Modemacher bezeichnet werden Sogenannte Waxprints sind Baumwollstoffe, die in einem Batikverfahren maschinell hergestellt werden. In den Fabriken werden, wegen der großen Nachfrage, jede Woche von afrikanischen Designern neue kreative Unikate entworfen und auf den Markt gebracht. Der Name Waxprints kommt vom Produktionsprozess der Textilien. Dabei werden Wachsschablonen genutzt, um Muster auf bereits gewebte Stoffe zu drucken und anschließend einzufärben. Sie gehören zum festen Bestandteil des alltäglichen Lebens und zeremonieller Aktivitäten. Hochwertige Waxprints stellen bleibende Werte dar. Die Muster werden mit Bedacht gewählt. Sie transportieren Botschaften über sozialen Status, Zugehörigkeit und Wohlstand. Ein mit Rechtecken strukturierter Stoff in Ultramarin, Bordeaux und Weiß bedeutet: „Wenn du heiraten willst, frage.“ Mit einem anderen Muster weist eine Frau auf die finanziellen Möglichkeiten ihres Ehemanns hin.
Es gibt auch Waxprints, die zur Beleidigung einer Rivalin genutzt werden. Die Stoffe werden in allen Bevölkerungsschichten häufig als Wickelkleider getragen. Andere werden zu Kleidung im westlichen Stil verarbeitet. In frankophonen Ländern werden sie deshalb „pagne“ und in anglophonen Ländern „wrapper“ oder „lapa“ genannt. Bei Feiern von Firmen und Familien oder auch Beerdigungszeremonien wird ein bestimmtes Muster in Auftrag gegeben, damit sich Mitglieder der Gruppe damit einkleiden. Das veranschaulicht die Einheit einer Gruppe.
Reiche Frauen ziehen sich bei einer Abendveranstaltung in ihrem Hause bis zu zehnmal um, um ihren Wohlstand vorzuführen und das Ego des Hausherrn zu heben.
Es gibt verschiedene Traditionen und Kulturen in Afrika. Man spricht von afrikanischer Mode, wenn sie in Afrika produziert und der Designer afrikanischer Herkunft ist. Allerdings gibt es zahlreiche selbstbewusste Modemacher, die in Europa oder den USA produzieren, aber nicht als afrikanische Designer bezeichnet werden möchten. In einigen Ländern müssen Modeschöpfer gegen das Vorurteil vieler Afrikanerinnen kämpfen, dass Qualität nur aus dem Ausland kommen kann.
Reiche Afrikanerinnen ziehen es vor, französische oder italienische Marken zu kaufen. Erstaunliche Briefmarkenmotive Beim Betrachten von afrikanischen Briefmarken könnte man fast meinen, dass sich der zynische Wunsch von Jean-Pierre Bekolo, einem erfolgreichen Regisseur aus Kamerun, dass die Weißen Afrika wieder übernehmen sollten, erfüllen könnte. Bekolo beschreibt (vgl. Re-Kolonisierung: Warum die Weißen nach Afrika zurückkommen sollen in der Welt vom 06.08.2013), wie die afrikanischen Eliten, die ihr eigenes Land ausplündern, dem weißen Mann alles verdanken: „Sie erwerben seine Diplome, fahren seine Autos, tragen seine Anzüge und schicken ihre Kinder auf seine Schulen. Selbst unser Präsident ist ein Produkt des weißen Mannes. Er und seine ganze Entourage benehmen sich „weiß“. Das hat er vor 12 Jahren gesagt, geändert hat sich nichts. Mit „unser Präsident“ meint er den 92-jährigen Paul Biya, der seit 42 Jahren im Amt ist und der sich gerade auf sehr undurchsichtige Weise, seine Präsidentschaft um weitere sieben Jahre verlängern ließ.
Es ist schon auffällig, dass die Abbildung von europäischen Königshäusern – meist des Vereinigten Königreichs – auf vielen afrikanischen Briefmarken so populär zu sein scheint: Ghana, Komoren, Kongo, Mauretanien, Niger, Seychellen, Südafrika, Tansania, Togo, Tschad, Uganda und Zentralafrikanische Republik bebilderten damit ihre Postwertzeichen. Sehr beliebt sind auch Eisenbahnen, obwohl dieses Transportmittel in den meisten Ländern keine Rolle spielt: Äquatorialguinea, Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea Bissau, Dschibuti, Komoren, beide Kongos, Lesotho, Liberia, Malawi, Namibia, Niger, São Tomé e Príncipe, Sierra Leone, Simbabwe, Südafrika, Tansania, Togo, Uganda, Zentralafrikanische Republik (ZAR).
Auffällig ist das Feiern von weißen Künstlern wie de Chirico, Cranach, Degas, Dürer, Gauguin, van Gogh, Klimt, Manet, Modigliani, Picasso, Pissarro, Renoir, Rubens, Toulouse-Lautrec etc. insbesondere auf Marken von Staaten, wo vermutlich nur sehr wenige Menschen diese Künstler kennen. Von Äquatorialguinea über Burundi und Niger bis zur ZAR. Von afrikanischen Künstlern wie z.B. Amadou Hampâté Bâ, Mariana Bà, Francis Bebey, Mongo Beti, Check Hasmidou Kane, Ahmadou Kourouma, Alain Maboanckou, Miriam Makeba, Sembène Ousmane, und Ousmane Sow wurden nur wenige afrikaweit mit einer Briefmarke geehrt. Kurios sind Briefmarken mit 16 weißen Kampffliegern (Äquatorialguinea), Pin-ups ( ZAR), 9 Präsidenten der USA (Benin), 145. Todestag von Winston Churchill (ZAR) oder zum 75. Geburtstag von Arnold Schwarzenegger (Dschibuti und Niger). Auch z.B. Marilyn Monroe, Elvis Presley und Burt Lancaster werden – „als Legenden der Vergangenheit“ – in Angola und Burundi bis zur ZAR immer wieder vermarktet. Der Block „Les pin-up“ der ZAR von 2023 kostet im Nennwert 4000 FCFA = 6,10 Euro. Bei einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 480 Euro in der ZAR wird sich kaum jemand diese Briefmarken – sofern überhaupt Interesse bestünde – leisten können. Möglicherweise wirft man ein Auge auf europäische oder amerikanische Motivsammler. Falls es sich bei den „Pin-up Marken“ um eine Fälschung handelt, ist es verwunderlich, dass ein Briefmarkenhändler einen ähnlichen Block „Des Pin-up ZAR 2650 F“ bei Amazon anbieten kann. Ein offenbar echter Block mit weißen Nymphen „Les Nymphes“, auch aus der ZAR, wird mit der Michel-Katalog-Nr. 1241 bei eBay angeboten.
Dem Zeitgeist entsprungen halte ich das Argument, dass auch nach 65 Jahren Unabhängigkeit der meisten afrikanischen Staaten die Kolonialisierung eine große Rolle für das Hell-Sein-Wollen spielt. Hier soll rassistisches Gedankengut insinuiert werden.
Angeblich haben die Europäer den Afrikanern das Schönheitsideal vermacht. Das passt ins Vorurteilsraster vieler Medien gut in den Kram. Die Geisteshaltung, die Schwarze und Afrika als ewiges Opfer und Weiße und den Westen als ewigen Täter sieht bedarf einer grundsätzlichen Neuausrichtung.
Volker Seitz ist Botschafter a. D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, im TE-Buchshop erhältlich >>>


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Ein vielleicht viel gravierenderes Problem ist die Ubuntuwirtschaft. Nelson Mandela war begeistert davon, so menschlich – und tödlich. Führe das jetzt nicht näher aus.
Also so schön sind die Frauen im Westen nun auch wieder nicht, besonders wenn sie älter werden. Und ob jemand erfolgreich ist, liegt nicht an der Hautfarbe, sondern viel mehr daran, dass Glück immer der Fleißige hat. Natürlich gibt es breite Skalierungseffekte und so mancher weiße Hochschulprofessor ist gegen eine reiche Afrikanerin ein finanzieller Einkommenszwerg. Was da also an den Unis gelehrt und von Werbeagenturen verbreitet wird, ist meistens doch nur blanker Unsinn. Es ist auch Quatsch, irgendetwas zu verallgemeinern. Natürlich gibt es im Westen auch reife Frauen, die schön sind, aber sie sind selten.